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Amts- und Änzeigeblakt für den Bezirk Calw.

82. Jahrgang.

Erscheinungstage: Dienstag, Donnerstag, Sams­tag, Sonntag. Jnsertionspreis 10 Pfg. pro Zeile für Stadt und Bezirksorte; außer Bezirk 12 Pfg.

AbonnementSpr.ind. Ttadtpr. Viertelj. Mk. 1.1vincl.Lrägerl. Dierteljührl. Postbezugspreis ohne Bestellg. f. d. Orts- u. Nachbar« ortSverkehr 1 Mk., f. d. sonst. Verkehr Mk. 1.10, Bestellgeld 20 Pfg.

Amtliche Bekanntmachungen.

Bekanntmachung -er Königlichen Bangewerl-

schnle, die Anmeldung betreffend.

Die Anmeldungen für das Sommersemester haben vor dem 1. März zu erfolgen. Später ein­treffende Aufnahmegesuche haben keinerlei Anspruch auf Berücksichtigung.

Stuttgart, 21. Januar 1907.

Schmohl.

Tagesueuigkeiten.

* Calw 26. Jan. Die gestrige Reichs­tagswahl hat zu keinem endgültigen Resultat geführt. Wie vorausznsehen war, ist eine Stich- wähl zwischen dem seitherigen Abgeordneten Schweickhardt und Oekono nierat Adlung not­wendig. Das Ergebnis im Oberamt Calw ist: Adlung 2164, Schweickhardt 1853, Oster 823 und Gröber 27 Stimmen. Im Oberamt Nagold hat erhalten: Adlung 1917, Schweickhardt 2071, Oster 326, Gröber 89 Stimmen. Im Oberamt Herrenberg wurden für Adlung 2432, für Schweick- Hardt 1222, für Oster 299 und für Gröber 268 Stimmen gezählt. Im Oberamt Neuenbürg er­hielt Adlung 573, Schweickhardt 2748 und Oster 1991 Stimmen. Im ganzen 7. Wahlkreis fielen auf Adlung 7086, auf Schweickhardt 7894, auf Oster 3439 und auf Gröber 384 Stimmen. Bei der Reichstagswahl im Jahr 1903 erhielt Schrempf 7778, Schweickhardt 5971 u. Oster 2976 Stimmen. Abgenommen haben also die Stimmen für den Bauernbund um 692, zugenommen hat die Volks- parke um 1923 und die Sozialdemokratie um 463 Stimmen. Die stärkste Zunahme zeigt die Volkspartei; sie verdankt diesen Zuwachs der großen Stimmenzahl in der Stadt Calw und besonders im Oberamt Neuenbürg; aber auch Nagold und Herrenberg haben diesmal viel mehr

volksparteiliche Stimmen aufgebracht. Im Oberamt Herrenberg und Neuenbürg haben die bauernbund- lichen Stimmen ziemlich und in Nagold etwas abgenommen, im Oberamt Calw unbedeutend zu­genommen. Bemerkenswert am ganzen Ergebnis ist die bedeutende Zunahme für die Volkspartei, dagegen hat dis Sozialdemokratie keinen großen Zuwachs zu verzeichnen, wenn man bedenkt, daß die Wählerzahl gegenüber 1903 zugenommen hat. Zieht man noch einen Vergleich mit der Landtags­wahl in den 4 Oberämtern des Wahlkreises, so findet man folgende Zahlen: Für Deutsche Partei und Bauernbund wurden bei der Landtagswahl 8733, für Volkspartei 4345 (im Oberamt Herren­berg war kein Kandidat der Volkspartei aufgestellt) und für Sozialdemokratie 3470 Stimmen abgegeben. Bei der gestrigen Reichstagswahl hat demnach der Bauernbund und die Sozialdemokratie ab-, die Volkspartei ganz erheblich zugenommen. Am auf­fallendsten ist, daß die Sozialdemokratie im Oberamt Neuenbürg um nahezu 300 Stimmen zurückgegangen ist. Das Ergebnis im Oberamt Calw hat sich gegen­über der letzten Reichstagswahl und letzten Land­tagswahl nicht besonders verändert. Den 2353 deutschparteilichen und konservativen Stimmen bei der Landtagswahl stehen 2164 Stimmen, den 1764 volksparteilichen stehen 1853 und den 633 sozial­demokratischen Stimmen stehen bei der gestrigen Reichstagswahl 823 Stimmen gegenüber. In der Stadt selbst wurden 169 Stimmen für Adlung, 535 für Schweickhardt und 192 für Oster ab­gegeben; auch hier hat sich das Stimmenverhältnis nicht stark verschoben, die 202 Stimmen für Scholl und Fahrion gingen gestern auf 169 und die 544 Stimmen für Staudenmeyer auf 535 zurück, die Stimmen für Oster stiegen von 127 auf 192. Zu berücksichtigen ist hiebei, daß bei der Landtagswahl nur Württemberger abstimmen durften. Im Bezirk ist das Stimmenverhältnis

sich ebenfalls ziemlich gleichgeblisben; in der Stadt haben sich bei der Reichstagswahl die Jungliberalen von der deutschen Partei getrennt, daher wohl der geringe Stimmenunterschied gegenüber der Landtags­wahl. Da aber Schweickhardt trotzdem wenigerStim- men als Staudenmeyer erhalten und da auch anzu­nehmen ist, daß einige Stimmen derDeutschen Partei auf Schweickhardt fielen, so müssen verschiedene volksparteiliche Stimmen bei der Landtagswahl wähl diesmal Oster zugegangen sein. (Die per­sönlichen Momente haben bei der Reichstagswahl nicht so hereingespielt wie bei der Landtagswahl.) Wenn nun die gestrige Reichstagswahl zunächst eine Stichwahl gebracht hat, so hat sie voraus­sichtlich doch schon die Entscheidung gegeben. Die Volkspartei ist an 1. Stelle gerückt, an 2. Stelle folgen die Konservativen und der Bauernbund. Selbst wenn bei der Stichwahl die Gröber'schen Stimmen auf Adlung fallen sollten, so erhält dieser doch nicht die Majorität. Schweick­hardt wird an 1. Stelle bleiben. Weiter zeigt das Ergebnis, daß die Volkspartei nicht auf die Wahlhilte der Sozialdemokratie angewiesen ist. Die Demokratie ist allein im Stande, den Kampf mit dem Bauernbund aufznnehmen und sie wird zweifellos den Sieg behaupten, der neue Reichs­tagsabgeordnete wird wohl wie der seitherige Schweickhardt heißen. Der Demokratie könnte nur dann der gestrige Erfolg und das Mandat entrissen werden, wenn die Sozialdemokratie aus Rache gegen die Demokratie, wie sie für den 7. Wahlkreis gedroht hat, den Bauernbund unter­stützen würde, aber das wird sie gewiß nicht tun. Die Stichwahlen werden am Dienstag, den 5. Februar stattfinden.

Ulm 25. Jan. Hier macht sich seit einigen Monaten Diebsgesindel sehr bemerkbar. Aus Privat- und Gasthäusern werden fast täglich Kleider und Ueberzieher gestohlen, und auf dem

Das Doktor-Fräulein.

Novelle von Alwin Römer.

(Fortsetzung.)

Hubert Erdmann stutzte über der Doktorin merkbare Reserve ihm gegenüber, sagte dann aber munter:

Im Gegenteil: Ich fand das Bild sehr ansprechend. Sie hatten so etwas von der guten Fee, die aus dem Walde heraustritt, wenn es not tut, und Hilfe spendet I"

Sie können sehr nett Komplimente drechseln," entgegnete ste, noch um einen Schatten frostiger als vorher.

Es sollte kein Kompliment sein, Frau Doktor, pardon: Fräulein Rümelin!" bemerkte er, betroffen von ihrer abweisenden Art.Aber ich vergaß, daß sie durch meine Erwähnung Ihre» Samariterdienste» an einen Beruf erinnert wurden, dm Sie in diesem Hause auf ein paar Stunden hinter sich lassen wollten!"

Er wollte sich verneigen und von ihr gehen. Aber ihre Stimme hielt ihn zurück.

Das ist ein Mißverständnis!" sagte sie hastig.Ich wollte nur dm Titel hinter mir lassen. Denn wenn ich meinen Beruf auch sehr lieb habe und jeden Augenblick für die Pflichten eintrete, die er mir auf­erlegt, so will ich mich doch hier nicht in dm dummen Glaskasten dieses Titel« setzen und als eine Naturmerkwürdigkeit betrachten lassen, anstatt mit der fröhlichen Jugmd fröhlich zu sein!"

Haben Sie nicht selber gestern um die AnredeFrau Doktor" ge­beten?" fragte er, ein wenig spöttisch.

Nur auf Anordnung meine« Direktor«, der es der Leute im Ort wegen wünscht, wohl um ihr Verträum auf mich zu erhöhen! Und es

standen eine ganze Anzahl von ihnen herum, als Sie mich anredeten!" er­läuterte sie, offenbar ein wenig gereizt.Oder glaubten Sie wirklich, ich hätte Wert darauf gelegt, Ihnen gegenüber in erworbenen oder aufgezwungenen Würden zu glänzen?"

Dann habe ich also auch deswegen um Entschuldigung zu bitten, mein gnädige« Fräulein!" entgegnete er mit kühler Höflichkeit und verab­schiedete sich von ihr mit der ihr schon vorher zugedachten gemessenen Ver­neigung. Diese allerdings hübsche und interessante, aber doch höchst reservierte kleine Medizinerin würde er im Verlaufe des Abends ganz gewiß nicht wieder belästigen.

Verärgert führte er gleich darauf seine Dame zu Tisch. Fräulein Regina bot noch einmal alle ihr gute Laune auf, den ungefügigen Einspänner aufzutauen und geneigter zu stimmen. Aber ste mühte sich vergeben«. Er blieb einsilbig und seine zerstreuten Antworten verrieten ihr nur zu deutlich, daß er mit seinen Gedanken ganz wo anders war, selbst als sie ihre ebenso eifrig wie flink erworbenen Kenntnisse über Okchideen-Zucht au«- kramte. Wer konnte es ihr verdenken, daß sie ihn schließlich grübeln ließ und sich mit ihrem Nachbar zur Rechten unterhielt, der zwar bi« dcchin heimlich von ihr bespöttelt wordm war, an diesem Abend aber, lebendiger als sonst, mehr und mehr ihr Interesse gewann? Es war/ja -nicht nötig, daß er bis an sein seliges Ende alsPetersilienkopf" umherlief; ein ver­nünftiges Frauchen konnte manches ändern an diesem allerdings etwa« ver­wilderten, aber doch nicht unzugänglichen Landarzt mit seiner schönen Praxi«. Und weshalb sollte sie nicht versuchen, dieses vernünftige Frauchen zu werden?

So kam e», daß al bald auch Lenore RÜmäin, vernachlässigt von ihrem Tischherrn und Kollegen, sich länger selbst überlassen blieb. Sie ließ ihre Augen unauffällig über die Tafel htnwandern, bis ste endlich auf dem in sich gekehrten Antlitz Hubert Erdmanns hasten blieben. Doch wie dieser nun ihren Blick ahnend, plötzlich zu ihr herabersah, legte sie den starren