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«ieder seine Unschuld beteuerte, wurde von der geschädigten Feuerversicherungsgesellschaft beschlagnahmt. Die gramgebeugte Mutter duldete es nicht mehr in ihrer Heimat, und sie zog deshalb von hier weg, nachdem sie Haus und Hof verkauft hatte, zu ihrem verheirateten Sohn nach Tuttlingen. Nun ist dieser Tage durch Vermittlung des Pfarramts in Aschaffenburg bei dem hiesigen Stadipfarramte ein Brief eingelaufen, wonach sich ein Aschaffenburger Einwohner, von Gewissensbissen gequält und schwer krank darniedcrliegcnd, seinem Seelsorger ein Geständnis abgelegt hat, daß er damals den Brand gelegt habe und der also inzwischen verstorbene Faul seiner Zeit unschuldig verurteilt und ins Gefängnis gelegt wurde.
Frankfurt a. M. 19. Jan. Durch einen Kriminalbeamten wurde hier ein internationaler Taschendieb in dem Moment festgenommen, als er vor einem Schaufenster einer Dame mit der Hand durch seine zerrissene Rocktasche hindurch das Portemonnaie stehlen wollte. Der Verhaftete nennt sich Albion Dixier aus Lyon. — Weiter wurde ein Kaufmann aus Straßburg verhaftet, der sich durch allzugroße Geldausgaben verdächtig wachte und mehrere Hundertmarkscheine in Gold umwechseln ließ.
Berlin 19. Jan. Eine starke Wahlbeteiligung ist in Berlin zu erwarten Die Saalnot in Groß-Berlin ist jetzt anläßlich des Wahlkampfes auf höchste gestiegen. Von den Hunderten von Sälen, die Berlin aufweist, ist kein einziger mehr bis zum Wahltage zu haben. Den größten Teil davon hat die ialdemokratie schon vor Wochen mit Beschlag belegt und so muffen sich die anderen Parteien oft mit ganz unzureichenden Räumlichkeiten behelfen. Man wird, da der Wahlkampf mit unerhörter Heftigkeit geführt wird, dazu übergehen, gelegentlich Vormittags-Versammlungen zu veranstalten. Die Wählerschaft, die bei früheren Versammlungen sich apathisch verhielt, ist jetzt an den Versammlungen lebhaft interessiert, ein Zeichen dafür, daß man mit einer sehr starken Ziffer der Wahlbeteiligung zu rechnen haben wird.
— Wie Bebel als Prophet von den eigenen Genossen beurteilt wird, zeigt folgende niedliche Entgleisung, die in einer sozialdemokratischen Wählerversammlung zu Lunzenau i. S. dem Genoffen Schöpflin, bisherigen Reichstogsabgeordneten für Borna, passiert ist: Als in der Diskussion ein Redner darauf hinwies, wie Bebel schon im Jahre 1890 mit dem Brustton der Ueberzeugung versicherte, jeder seiner Hörer werde in Kürze den Zukunftrstaat erleben, da erhob sich Schöpflin und erklärte, Bebel sei nun einmal ein unverbesserlicher Optimist, das wisse niemand bester als seine Freunde, und er müsse sich deshalb oft genug hänseln lasten.
London 19. Jan. Die Forträumungsarbeiten in Kingston ergaben, daß der Tod bei dem plötzlichen Zusammenbruch ganze Familien traf. Viele, die bei dem ersten Stoß die Fenster ousrissen, um zu sehen, was los sei, wurden durch den Zusammenbruch des Gebäudes unter den Trümmern begraben. In einer von einigen hundert Kindern besuchten Schule wurden 90 Schüler erschlagen. Als der erste Stoß erfolgte, eilten viele der Einwohner, um sich auf den See zu retten, zu den Piers, die bald zu brennen anfingen. Nur mit Mühe konnten etwa 700 Flüchtlinge in Sicherheit gebracht werden. Der amerikanische Admiral hat auf Ansuchen der britischen Behörde Marine-Infanterie zur Unterstützung der Behörden bei der Aufrechterhaltung der Ordnung ausschiffen lasten. Die aus der zerstörten Strafanstalt ausgebrochenen Gefangenen wurden wieder eingefangen und in Gewahrsam gebracht. Die Zahl der zu Tage geförderten Leichen wird jetzt auf 600 beziffert, wächst aber beständig.
New> Park 19. Jan. Nach einer Meldung des Korrespondenten der „Associated Preß" aus Kingston vom 17. ds., ist der deutsche Dampfer der Hamburg-Amerikalinis „Prinz Eitel Friedrich", mit dem eine größere Anzahl von Amerikanern die Insel hatten verlassen wollen, in der Nacht vom 16. auf 17. ds. in der Nähe des Wracks der „Prinzessin Viktoria Luise" ebenfalls auf Grund geraten.
New-Dork 19. Jan. Die „Sun" stellt fest, daß die Politik der Bundesregierung, die dahin strebt, Doppeltarife einzuführen, täglich mehr Anhänger gewinnt. Roosevelt beabsichtigt, den Bericht der Berliner Tariskommiffion dem Kongreß mit einer so nachdrücklichen Empfehlung vorzulegen, daß die Annahme von Doppeltarifen keineswegs ausgeschloffen ist. Selbst manche Standpatters hoffen, dadurch die unvermeidliche allgemeine Tarif-Revision länger hinaus zu schieben. Jedenfalls sind die Aussichten einer handelspolitischen Verständigung mit Deutschland günstiger geworden.
New-Dork 19. Jan. Aus Kingston wird vom 17. ds Mts. gemeldet: In der letzten Nacht fanden mehrere neue Erdstöße statt. Bisher sind 420 Leichen bestattet; die übrigen sollen verbrannt werden. Man glaubt, daß die Zahl der Toten 700 beträgt. — Der „New-Dorker Herald" meldet aus Kingston: Das amerikanische Schlachtschiff „Missouri" ging am Zuchthaus vor Anker und schüchterte die aufrührerischen Zuchthäusler durch Abfeuern von zwei blinden Salven und Landen einer bewaffneten Wache ein. Der Gouverneur sprach für diese Unterstützung seinen Dank aus.
Warschau 19. Jan. Aus Lodz wird hierher telegraphiert: Nachmittags 4 Uhr, während der Beisetzung zweier ermordeter Arbeiter, lehnten die Priester die Teilnahme am Leichenzuge ab. Es kam vor der Kirche, wo die Trauerfeier stattfand, zu einer Schießerei, wobei 8 Personen er- schoflen und etwa 20 schwer verletzt wurden. Im Leichenzuge entstand eine furchtbare Panik. Die Empörung in der Stadt ist groß, mehrere Fabriken stellten den Betrieb ein.
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Amtliche und Privatanzeigen.
K. Amtsgericht Gakw.
In das Handelsregister, Abteilung für Gesellschaftsfirmen, wurde heute eingetragen bei der Firma Baumwollspinnerei Calw G. m. b. H., Sitz in Kentheim:
Durch Beschluß der Gesellschafter vom 20. Dezember 1906, wurde der
Gesellschaftsvertrag vom 11. April 1903 dahin abgeändert:
8 5 Satz 2.
Der Geschäftsführer ist nur befugt, für die Gesellschaft entweder in Gemeinschaft mit einem Prokuristen oder in Gemeinschaft mit einem Mitglied des Ausschusses zu zeichnen.
8 7 Satz 2.
In Fällen der Abwesenheit oder Krankheit des Geschäftsführers oder des Prokuristen sind die jeweiligen Mitglieder des Ausschusses berechtigt, für die Gesellschaft zu zeichnen. Die Zeichnung hat aber durch zwei Ausschußmitglieder zu erfolgen.
Neu hinzugesügt wurde:
Die Zeichnung der Gesellschaft kann ferner erfolgen:
D urch einen Prokuristen im Verein mit dem Geschäftsführer oder im Verein mit einem Mitglied des Ausschusses.
Dem Kaufmann Otto Stikel in Calw ist Prokura zum gesamten Geschäftsbetrieb erteilt.
Derselbe ist berechtigt im Verein mit dem Geschäftsführer oder im Verein mit einem der dem Ausschuß angehörenden Gesellschafter für die Gesellschaft zu zeichnen.
Den 7. Januar 1907.
Amtsrichter
Ehmann.
Bekanntmachung, betr. den Latrinenbezug von der Stadt Lalw.
Die bei der städt. Abortentleerung anfallende Latrine wird vom 1. Februar ds. Js. ab von der Stadt direkt an die Abnehmer abgegeben und zwar zum Preis von 50 A pro Faß und für Auswärtige gegen Barzahlung.!
Die Abgabe erfolgt nach der Reihenfolge der Anmeldungen, welche von jetzt ab von dem städt. Vorarbeiter Saile, Marktplatz Nr. 49, entgegengenommen werden.
Calw, 21. Januar 1907.
Stadtpflege.
Dreher.
«Handwerkskammer Aeutüngen.
Meisterprüfungen.
Im Monat März ds. Js. finden am Sitze der Kammer wieder Meisterprüfungen in sämtlichen Gewerben statt. Den Prüflingen geht ein — freiwilliger— Vorbereitungskurs in Buchführung, Wechsellehre, Kalkulation und Gewerberecht voraus. Das Kursgeld beträgt einschließlich der Aufwendungen für die Lernmittel 7
Anmeldungen, wozu die Formulare vom Bureau der Handwerkskammer unentgeltlich bezogen werden können, sind mit dem Nachweis (Zeugnisse oder amtliche Beglaubigung) einer mindestens 3jährigen Gesellenzeit und mit der Angabe, ob der Vorbereitungskurs besucht werden will, bis spätestens 10. Februar einzureichen.
Mt der Anmeldung ist die Prüfungsgebühr von 20 ^ zu bezahlen.
Reutlingen, den 18. Januar 1907.
CH. Fr. Fischle. H. Freylag.
Handwerkskammer Reutlingen.
Gesellenprüfungen 1W7.
Die Anmeldungen zu den im Februar uud März stattfindendeu Prüfungen sind bis spätestens 12. Februar an die Vorsitzenden der zuständigen Prüfungs-Ausschüsse einzureichen.
Formulare zu den Anmeldungen können unentgeltlich bezogen werden vom Bureau der Handwerkskammer, von den gewerblichen Vereinigungen und dem unten genannten Herrn.
Die Prüfungsgebühr beträgt 3 Sie ist vor der Prüfung an den Vorsitzenden zu entrichten.
Auskunft über die Prüfungsorte und die Namen der zuständigen Vorsitzenden erteilt Herr Gust. Schlatterer, Privatier in Calw.
Reutlingen, den 17. Januar 1907.
CH. Fr. Fischle. H. Freytag.
Für einen jungen Mann mit guten Schulzeugnissen ist bis Osten» dieses Jahres oder auch sofort eine
kaufmännische Lehrstelle offen.
Gelegenheit zur gründlichen Ausbildung in allen vorkommenden Arbeiten.
Schwarzwälder Norkindustrie»
lßf. Svki»»'!', Liebenzell.