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Ämts- und Anzeigeblatt für den Bezirk Talw.
82. Jahrgang.
Erscheinungstage: Dienstag, Donnerstag, Samstag, Sonntag. Jnsertionspreis 10 Pfg. pro Zeile für Stadt uno Bezirksorte; außer Bezirk 12 Pfg.
Dienstag, den 22. Januar 1907«
Abonnemem«pr. >» d. Etadtpr. Mectelj. M. 1.10 incl.Lrägerl. MertrlMr!. PostbezugSprels^ohn« f. d.^OrlS- u. Nachbar«
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. Bestellgeld M Pfg.
Amtliche Beraittttrrrachttttgen
Bekanntmachung.
Am 15. Februar 1907, vormittags 10 Uhr,
findet im Dienstgebäude des Bezirkskommandos Calw die ärztliche Untersuchung derjenigenVolksschullehrer und Kandidaten des Volksschulamts, welche sich im militärpflichtigen Alter befinden und am 1. April 1907 zur Ableistung ihrer 1jährigen Dienstzeit ein- treten wollen, statt.
Noch nicht militärpflichtige, taugliche Volksschullehrer u. s. w. dürfen sich zum Dienstantritt freiwillig bereit erklären.
Der Ausstellung eines Meldescheins bedarf es in diesem Falle nicht.
Ein Recht auf die Wahl des Truppenteils haben die einzustelleuden Lehrer u. s. w. Glicht, doch wird etwaigen Wünschen möglichst Rechnung getragen werden.
Die schriftlichen Gesuche um Untersuchung und Einstellung sind bis spätestens 8. Februar 1907 an das Bezirkskommando einzureicheu.
Calw, 11. Januar 1907.
König!. Bezirkskommando.
An die Herren OrLsvorsteher be;w. Wahlvorsteher.
Reichstagswahl betreffend.
Das Abstimmungsresultat bei der Reichstagswahl ist noch am Abend des 25. Januar sofort nach Feststellung des Wahlergebnisses durch Verwendung von Extraboten, Telephon vezw. Telegraphen, aber nicht erst mit der Post dem Oberamt anzuzeigen.
Extraboten find zu verwenden bis zur «Schstgelegenen Telegraphen- bezw. Telephon- Anstalt.
Anzuzeigen ist die Gesamtzahl der giltig abgegebenen und die Zahl der auf jeden Kandidaten gefallenen Stimmen. Bemerkt wird, daß die Tele- graphen-Anstalten und die Oberamtskanzlei bis 11 Uhr nachts offen sind.
Die Wahlakten — siehe Wochenblatt Nr. 7 — sind alsbald nach beendigter Wahlhandlung zur Post zu geben, Extraboten brauchen zur Einsendung derselben nicht verwendet werden.
Calw, 18. Januar. 1997.
K. Oberarüt. Voelter.
An die Ortsbehörden «nd die Wahlvorsteher.
Den Ortsbehörden gehen mit der heutigen Post die für die Reichstagswahl erforderlichen Wahlmuschläge mit dem Aufträge zu, dieselben alsbald den Wahlvorstehern auszufolge«.
Die Ortsvorsteher werden dafür verantwortlich gemacht, daß die Wahlvorsteher rechtzeitig, sowohl vor der Haupt- wie auch vor einer etwaigen Stichwahl, mit der genügenden Anzahl von Wahlumschlägen versehen werden; sie haben daher dafür Sorge zu tragen, daß alsbald nach der Hauptwahl die Zahl der bei dieser nicht zur Verwendung gelangten Umschläge — welche zurückzubehalten find — dem Oberamt mitgeteilt wird.
Die Wahlvorsteher haben sämtliche Stimmzettel und Umschläge, die nicht dem Wahlprotokoll beigefügt werden mit dem Ortsstegel zu versiegeln und so lange aufzubewahren, bis der Reichstag die Wahl definitiv für gültig erklärt hat.
Calw, 19. Januar 1907.
K. Oberamt.
Voe lter.
Tagesneuigkeiteu.
* Calw 19. Jan. Gestern abend fand im „Waldhorn" die Wahlversammlung für Oeko- nomierat Adlung, den Kandidaten der Konservativen und des Bauernbundes, statt, die zahlreich besucht war. Den Vorsitz der Versammlung führte Oberamtspfleger Fechter. Der Kandidat erklärte anfangs seiner Rede, daß er den Wahl«
kampf ruhig und in objektiver Weise führe, daß er niemand angreife und ein Urteil über seine Person vollständig den Wählern überlasse. Er sei Kandidat des Bauernbundes, aber durchaus nicht extremer Natur; in nationaler Beziehung stehe er auf dem Standpunkt: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist; getreu diesem Grundsatz würde er für Erhaltung und Weiterausbau von Heer und Flotte eintreten; in kolonialen Fragen sei es unbedingt notwendig sich für Erhaltung der Kolonien auszusprechen, ein Aufgeben derselben wäre nationale Schwäche. Die Mißgriffe, die in den Kolonien vorgekommen seien, seien zu bedauern, zu hoffen sei aber, daß solche in Zukunft unterbleiben. In diesen und in sonstigen nationalen Fragen stehe er durchaus auf gleichem Boden mit der Deutschen Partei. In Fragen der inneren Politik trete er ein für gleiches Interesse aller Stände, er bevorzuge nicht einseitig die Landwirtschaft, für diese wünsche er mittlere Preise, denn hohe Preise würden der Landwirtschaft auch nichts nützen. Dagegen könne er sich nicht für das Mindestprogramm der linksliberalen Partei aussprechen, das eine schrittweise Abschaffung aller Zölle fordere; dadurch würde dem Reiche großer Schaden zugefügt werden. Ein guter Jnlandsmarkt sei notwendig, da 80 "/» aller Erzeugnisse im Inlands abgesetzt werden. Er (Redner) stehe der Industrie, dem Handel, dem Handwerker und dem Arbeiter durchaus freundlich gegenüber und wünsche ihnen volles Blühen und Gedeihen; die Landwirtschaft finde sich mit den hohen Löhnen ab und werde durch andere Bewirtschaftungsweise auch zu dem Ihrigen kommen; alle Stände sollen nach dem Grundsatz: Leben und leben lassen! behandelt werden. Landtagsabgeordneter Kraut sptach über die Vorgänge bei der Reichstagsauflösung und über den Aufmarsch der Parteien. Die Konservativen und
Das Doktor-Fmulem.
Novelle von Alwin Römer.
(Fortsetzung.)
Das löste Hellen Jubel und fröhliche Blicke aus, und mit einem „Hoch" auf die alte Frau Erdmann stapften sie eilig wieder ihren aufzurodenden Furchen zu.
Auf Klein-Selkow begann inzwischen die Gratulationscour. Denn die alte Frau Erdmann genoß in der ganzen Umgegend eine mit ehrlichem Respekt gepaarte Verehrung. Einmal, weil man ihre wirtschaftliche Tüchtigkeit kannte und sie nicht selten jungen, bequemen Hausfrauen als Muster hinstellte, dann aber auch wegen ihrer immer hilfsbereiten, gut nachbarlichen Gesinnung, selbst in schweren Tagen. Schollmayers fuhren vor, die auf Groß-Selkow wohnten, wenn sie nicht in Berlin oder an der Riviera waren; selbst der Landrat erschien, der Königlicher Kammerherr war und nicht bloß dem Namen nach an der „Spitze des Kreises" stand, sondern auch gesellschaftlich so ziemlich als das Höchste galt, was in diesem Provinzviertel zu haben war. Endlich rumpelte auch die Husterwitzer Erbkutsche zum Hoftor herein, aus der die Schillbachs kletterten, natürlich mit der Kusine.
Sie war offenbar ein hübsches Geschöpf. Vielleicht schon etwas zu voll entwickelt für ihr Alter, dachte Mutter Erdmann, als sie die Gerühmte mit unauffälligem Blick musterte. Aber dafür ist Arbeit gut. Und Arbeit gibt es auch auf Klein-Selkow, wenn man nur zufassen will.
Wie sie der Men Frau ihre Grüße und Glückwünsche sagte, schien sie schlicht und unbefangen, lebhaft und von heiterster Laune. Und wenn sie auch alles, was sie an herzlichen und munteren Worten sprach, ohne jede persönliche Eigenart und nach den bewährten Schablonenmustern hersagte so klang es wenigstens nicht angelernt und verriet eine Gewandt
heit im gesellschaftlichen Verkehr, die Frau Erdmann nicht unterschätzte, da sie selbst sich dergleichen einst ziemlich mühsam hatte aneignen müssen.
„Na, und wo ist Hubert?" erkundigte sich nach dem Ausklang all der feierlich-fröhlichen Worte endlich der Husterwitzer Nachbar. „Er hat doch sein Mutting heut nicht allein gelassen, was?"
„Doch, doch! Die Kartoffeln gehen ihm vor, lieber Herr Schillbach. Sie haben nicht viel gehabt, diefes Jahr; aber Hubert hat die ganze Busebacher Flur damit bestellt. Da ist jeder gute Tag bar Geld, wie sie wissen!" entschuldigte ihn Frau Erdmann.
Ueber das Antlitz der Kusine huschte ein leiser Schatten des Mißvergnügens; aber sie lachte schon wieder als Schillbach ihr znrief:
„Deine Furcht vor dem gestrengen Herrn und Gebieter von Klein- Selkow ist also umsonst gewesen, Kusinchen. Er kommt nicht zum Vorschein!"
„Ich hatte keine Furcht. Dagegen protestiere ich!" entgegnete sie lustig. „Im Gegenteil: ich hätte Herrn Erdmann sehr gern näher kennen gelernt, schon um ihn fragen zu können, weshalb er morgen abend durchaus mein Tifchherr nicht sein will und sein Erscheinen schnöde abgesagt hat!"
Die Greisin nickte ihr freuudlich zu. Das fröhliche Wesen dieser Kusine gefiel ihr immer mehr. Und lächelnd sagte sie:
„Seien Sie nur unbesorgt, Fräulein Regina — ich alte Frau darf Sie doch beim Vornamen nennen, nicht wahr? — Hubert kommt und wird sich freuen, eine so vergnügte Nachbarin bei Tische zu haben!"
„Er kommt?" fragte lebhaft interessiert Frau Schillbach und wechselte einen kaum merklichen, aber bedeutungsvollen Blick mit ihrem Gatten. „Das ist endlich mal vernünftig. Natürlich haben Sie das zuwege gebracht liebste Frau Erdmann I Wer könnte Ihnen auch etwas abschlagen?"
„Und Lie selbst, liebe Frau Erdmann? Werden Sie nicht auch einmal eine Ausnahme machen?" fragte Schillbach, den buschigen Schnurr-