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zur Arbeit anzuspornen. Ueberhaupt tut die Regierung alles mögliche, um in baumarmen Gegenden die Kultur von Nutzpflanzen und die Viehzucht zu heben. Von Musterplantagen auf den Regierungsstationen erhalten die Häuptlinge und ihre Leute Setzlinge, um sie zur Anlage ähnlicher Plantagen aufzumuntern. Auf einer der Regierungsstationen versagen sich die Beamten sogar den Genuß von Milch, um sie der Aufzucht von Jungvieh zuzuwenden. Von Jahr zu Jahr wächst der Wohlstand derjenigen Gebiete Togos, wo der segensreiche Einfluß der deutschen Beamten Zeit gehabt hat, seine heilsamen Früchte zu zeitigen. Durch rücksichtsvolle und freundliche Behandlung hat die Regierung auch das Vertrauen der Eingeborenen gewonnen und sie zu Dank verpflichtet. Herrschte vor der deutschen Besitzergreifung der Krieg aller gegen alle, waren Ueberfälle und Sklavenraub an der Tagesordnung, so ist durch einfaches Verbot ohne Blutvergießen jetzt diesen Stammesfehden ein Ziel gesetzt. Infolge dieser Beruhigung beginnen Handel und Gewerbe zu gedeihen. Bei den Station?- und Bezirksleitern, die häufige Reisen machen, kann jedermann persönlich und unentgeltlich Recht und Schutz finden. Als ein vorzügliches Erziehungsmittel der Eingeborenen in der Hand der Beamten bewähren sich die Steuerarbeiten; jeder Erwachsene hat jährlich 14 Tage gegen bloße Verköstigung zu stöhnen, wodurch die Männer an geregelte Tätigkeit gewöhnt werden. Tie Sendung eines Soldaten oder Polizisten in die Dörfer mit dem Befehl, es sei wieder Zeit zur Wegreinigung, genügt, um sofort und pünktlich die Arbeit zu leisten. Auch die Stationsgebäude sind unter Anleitung der Europäer von den Eingeborenen hergestellt worden, zwischen denen und den Beamten geradezu ein patriarchalisches Verhältnis herrscht. Wie eistig die Beamten ihre Pflicht zu erfüllen suchen, ergibt sich auch daraus, daß alle Bezirksleiter die eigentliche Verkehrssprache, das Hausa, verstehen und sich im Umgang mit den Eingeborenen desselben bedienen. Alle Eindrücke, die die Missionare bekommen haben, beweisen, daß die Eingeborenen von den Beamten freundlich und gerecht behandelt wurden, so daß es eine Freude sein muß, unter ihnen zu wirken.
Diese Mitteilungen sind einem in der Januarnummer des „Ev. Heidenboten" aufgenommenen Reisebericht entnommen, auf den die Leser, die sich für die Sache interessieren, hiemit hingewiesen werden. C. 8.
Tagesueiligkeiteu.
Stuttgart 11. Jan. Die Landtagswahlen am 9. Januar hatten folgendes Ergebnis: Im ersten Landeswahlkreis (Neckar- und Jagstkreis) haben von 259 731 Wahlberechtigten 73°/o abgestimmt. Abgegeben wurden 1 803 574 gültige Stimmen. Auf die einzelnen Wahlvor- schlüge wurden folgende Stimmenzahlen abgegeben: Deutsche Partei 206 379 Stimmen, Konservative Partei und Bund der Landwirte 370 006, Sozialdemokratische Partei 508 473, Volkspari ei 454 091, Zentrumspartei 270 685 Stimmen.' Gewählt wurden im ersten Wahlkreis: Redakteur Feuerstein (Soz.) mit 114 476 Stimmen, Gemeinderat
Schlegel-Eßlingen (Soz.) mit 113 876, Gemeinderat Dietrich.Stuttgart (Soz) mit 113 242, Rechtsanwalt Elsas-Stuttgart (Vp.) mit 103 266, Rechtsanwalt Kraut-Stuttgart (Kons.) mit 101635, Postsekretär Graf Stuttgart (Ztr.) mit 91 934, Freiherr Pergler von Perglas-Cannstatt (Bund der Landwirte) mit 76 937, Mittelschullehrer Löchner-Stuttgart (Vp ) mit 73 275 und Fabrikant Kübel-Cannstatt (D. D.) mit 37 837 Stimmen. Im zweiten Lande swohlkreis (Schwarzwald- und Donaukreis) haben von 225 944 Wahlberechtigten 80°/o abgestimmt. Abgegeben wurden 1 459 995 gültige Stimmen. Auf die Wahlvorschläge wurden folgende Stimmenzahlen abgegeben: Deutsche Partei 155 298, Konservative Partei und Bund der Landwirte 160 294, Sozialdemokratische Partei 230275, Volkspartei 314 731, Zentrumspartei 599397 Stimmer. Gewählt wurden im 2. Landeswahlkreis : Stadtpfarrer Späth-Biberach (Ztr.) mit 148718 Stimmen, Lehrer Weber-Heilbronn (Ztr.) mit 147 290, Redakteur Hanser-Stuttgart (Ztr.) mit 138 455, Arb-iters« kretär Mattutat-Stuttgart (Soz) mit 86 823, Adlerwirt Reihling-Bernloch (Vp.)mit 66141, Professor Nägele-Tübingen(Vp.) mit 61745, Redakteur Körner-Stuttgart (B. d. L.) mit 40 687, Oekonomierat Bantleon-Ulm (D. P) mit 38 697 Stimmen. In beiden Wahlkreisen erhielten die Deutsche Partei 355 677 Stimmen, die konservative Partei und der Bund der Landwirte 530 300 Stimmen, die sozialdemokratische Partei 738 698 Stimmen, die Volkspartei 768822 unddieZentrumspartei 870082 Stimmen. Somit erhielten sozialdemokratische Partei, Volkspartei und Zentrumspartei je 4 Sitze, konservative Partei und Bund der Landwirte 3 Sitze, > Deutsche Partei 2 Sitze.
Im neuen Landtag werden die Fraktionen nun in folgender Stärke vertreten sein: Deutsche Partei 13, Volkspartei 24, Zentrum 25, Bauern- bund und Konservative 15 und Sozialdemokratie 15 Mitglieder.
Reichstagswahl. Wie die Leitung der Deutschen Partei mitteilt, lautet ihr Abkommen mit der Volkspartei dahin: 1) Die Volkspartei wird von der Deutschen Partei unterstützt in 4 Wahlkreisen: 6, 8, 9, 10. 2) Die Deutsche Partei wird von der Volkspartei unterstützt in 2 Wahlkreisen, 2 und 5. — Das zwischen den Parteileitungen vereinbarte Abkommen der Deutschen Partei mit den Konservativen und dem Bauernbund ist folgendes: 1) Die Deutsche Partei fordert ihre Parteigen osten in den Wahlkreisen 3, 4, 11, 12 auf, die Kandidaten der Konservativen und des Bauernbundes tatkräftig zu unterstützen. 2) Die Konservativen und der Bauernbund sichern ihrerseits der Deutschen Partei tatkräftige Unterstützung in den Wahlkreisen 2 (Cannstatt), 5 ^ Eßlingen) und 14 (Ulm) zu. Im Wahlkreis 7 (Calw) stellt, wie bereits milgeteilt,
die Deutsche Partei keinen eigenen Kandidaten auf und läßt den Organisationen der Oberamts, bezirke freie Hand.
Stuttgart 11. Jan. Zum Präsidenten der Synode wurde der weltliche Abgeordnete der Stadt Stuttgart, Präsident des Steuerkollegiums, Dr. v. Zeller, mit 54 von 56 abgegebenen Stimmen gewählt. Derselbe ist gemäß der Verfassung zugleich für die nächsten 6 Jahre Mitglied der ersten Kammer. Bei der Wahl des Vizepräsidenten erhielt Professor Dr. v. Häring 52 Stimmen, er ist somit gewählt. Beide Ge- wählte sind bereit, die Wahl anzunehmen.
Oberndorf 11. Jan. Heute nachmittag fand in Freudenstadt eine gemeinsame Besprechung der Deutschen Partei und der Volkspartei statt, an welcher auch der von der Volskpartei aufgestellte Kandidat Wagner teilnahm. Nachdem der letztere der Deutschen Partei in nationalen Fragen sehr entgegenkommende ZusicI erungen gegeben hatte, einigten sich beide Parteien zu gemeinsamem Vorgehen im bevorstehenden Wahlkampfe.
Tübingen 11. Jan. Als Vertreter der Universität in der ersten Kammer hat der akademische Senat Professor Dr. v. Rümelin gewählt.
Straßburg i. E. 11. Jan. (Schreckliches Unglück.) Nach Meldungen hies. Blätter sind im Dorf Geispolsheim bei. dem Brand einer Fabrik 20 Arbeiter und Arbeiterinnen umgekommen. Der Brand entstand m der Oesen- fabrik Hubert, vermutlich durch Explosion eines - Benzin ofens heute morgen um 6 Uhr beim Beginn > der Arbeit. Das Feuer griff so schnell um sich, daß sich nur ein kleiner Teil der Arbeiter retten konnte. 20 Arbeiter und Arbeiterinnen, meist ganz junge Leute, kamen in den Flammen um. Ein Mädchen wurde mit schweren Brandwunden bedeckt, noch gerettet. Die Fabrik ist vollständig niedergebrannt Die Leichen sind vollständig verkohlt.
Köln 11. Jan. Der „Kölnischen Zeitung" wird aus Berlin telegraphiert: Seit dem Wiederbeginn der Schulen ist festgestellt worden, daß in der Provinz Posen zur Zeit noch 39 000 Kinder streiken, während es auf dem Höhepunkt der Streikes 48 000 waren.
— Unter der Marke „Ausländische Wahlhilfe!' bringt die „Nordd. Allg. Ztg." folgendes: Die „Köln. Volksztg." schreibt: „Für den Kriegssckatz der „Zentrumspartei" erhalten wir heute auch aus England (Insel Wight) einen namhaften Beitrag mit dem Wunsche: Ms,;? rvin tdis Zroat batttls as iravv «Ions
dskors!" (Mögen Sie diese große Schlacht gewinnen, wie Sie es früher getan haben!) Freundlichen Dank dem Einsender. Hoffentlich findet dieses Beispiel bei anderen Freunden des Zentrums im Auslande Nachahmung."
Fährte gefunden hatte, die er eifrig verfolgte; jedoch nach welcher Richtung hin, ahnte ich nicht im geringsten.
„Mein bester Herr," sagte der Friedensrichter etwas ungeduldig, „Sie machen sich ganz unnütze Mühe. Dort, der Treppe gegenüber, ist mein Zimmer, und daneben das meines Sohnes. Nun urteilen Sie selbst ob es möglich war, daß der Dieb hier heraufkommen konnte, ohne daß wir das Geräusch hörten."
„Sie wollen ja überall herumsuchen, ob Sie nicht eine neue Spur entdecken," sagte der Sohn mit spöttischem Lächeln.
„Ich möchte Sie doch bitten, mich noch etwas gewähren zu lassen. Zum Beispiel wünsche ich festzustellen, wie weit man aus den Schlafstubenfenstern die Vorderseite des Hauses überblicken kann. — Dies also ist Ihres Sohnes Zimmer," sagte er, die Tür aufstoßend, „und dahinter liegt vermutlich das Ankleidezimmer, wo er mit seiner Pfeife saß, als der Lärm entstand. Nach welcher Seite hinaus sieht denn das Fenster?" Er ging durch das Schlafzimmer, öffnete die Tür zu dem anstoßenden Gemach und sah sich darin um.
„Hoffentlich sind Sie nun zufrieden," sagte Cunningham ärgerlich.
„Jawohl, danke; das war, glaube ich, alles, was ich sehen wollte."
„Wir können auch noch in mein Zimmer gehen, wenn es durchaus sein muß."
„Falls es Ihnen nicht unbequem ist."
Ter Friedensrichter zuckte die Achseln und führte uns in seine Schlafstube, einem ganz einfach ausgestatteten Raum. Als die übrigen nach dem Fenster hingingen, blieb Holmes etwas zurück, so daß wir beide die letzten waren. Am Fußende des Bettes, auf einem kleinen Tisch, stand eine Waffelflasche und ein Teller mit Orangen. Auf einmal streckte Holmes zu meiner größten Verwunderung rasch die Hand aus und stieß das Tischchen um, samt allem, was darauf war. Das Glas zerbrach in
tausend Stücke, das Wasser floß auf den Teppich und die Früchte rollten im ganzen Zimmer umher.
„Aber Watson, was hast du angerichtet," rief Holmes ohne Besinnen, „das ist ja eine schöne Bescherung!'
Ich bückte mich in nicht geringer Verlegenheit, um die Früchte aufzulesen, denn ich begriff wohl, daß mein Gefährte irgend einen triftigen Grund haben müsse, mir die Ungeschicklichkeit in die Schuhe zu schieben. Die andern halfen mir und richteten den Tisch wieder auf.
„Oho," rief der Inspektor, „wo ist er denn hingeraten?"
Holmes war verschwunden.
„Warten Sie einen Augenblick hier," sagte Alec Cunningham, „mir scheint, der Mensch ist nicht ganz bei Sinnen. Komm, Vater, wir wollen sehen, was aus ihm geworden ist."
Sie eilten beide hinaus, während der Inspektor, der Oberst und ich einander verwundert ansahen.
„Meiner Treu, ich glaube, Herr Alec hat recht," sagte der Polizeibeamte. „Vielleicht ist es eine Nachwirkung der Krankheit, aber ich muß gestehen —"
Seine Rede wurde plötzlich durch das Geschrei: „Zu Hilfe, zu Hilfe Mord, Mord!" unterbrochen. Schaudernd erkannte ich meines Freundes Stimme und stürzte wie wahnsinnig auf den Vorplatz hinaus. Die Hilferufe klangen jetzt schwach und heiser aus der Stube, die wir zuerst betreten hatten. Ich stürmte hindurch und in das dahintergelegene Ankleidezimmer. Sherlock Holmes lag am Boden; die beiden Cunningham« hielten ihn gepackt, der Sohn deckte ihm mit den Händen die Kehle zu, während der Vater mit aller Kraft an seinem Handgelenk zerrte. Im nächsten Augenblick hatten wir drei sie von ihm fortgeriffen, Holmes erhob sich schwankend, er sah leichenblaß und ganz erschöpft aus.
(Fortsetzung folgt.)