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Es war im Jahre 1633. Die Pest aus den Wirren des Dreißigjährigen Krieges geboren, wanderte durch das Land und hielt grausame Ernte. Herren und Hörige erlagen ihren töd-

Die Darstellerin der Maria. Bnni Rntz.

lichen Streichen. Auch in die idyllischen Täler der Bayerischen Alpen drang sie ein. Nur der kleine Ort Oberammergau blieb von ihr ver­schont. der sich hermetisch gegen seine Um­gebung abgeschlossen hatte. Da kehrte eines Nachts ein Dorfbewohner namens Kaspar Schisler von Heimweh getrieben aus einem Nachbardors zurück, um seine Familie wiederzusehen. Er ahnte nicht, daß er damit auch die Seuche einschleppte. In wenigen Lagen wurden 84 Menschen von ihr hiniveg- gerasft. Die verzweifelte Gemeinde gelobte damals feierlich, alle lO Jahre die Leidens­geschichte des Herrn darzustellen. Wie der Chronist berichtet, hörte die Krankheit von da an aus. Heute sind genau 3 0 0 Jahre seit diesem Ereignis vergangen, und getreu­lich haben die Oberammergauer ihr Gelübde seitdem erfüllt.

Selbst wenn diese fromme Ueberlieferung nicht ganz die historischen Tatsachen treffen sollte, so beweist sie doch, daß sich in den Ober­ammergauer Passtonsspielen ein alter Brauch erhalten hat der selbst wieder aus die Oster­spiele und daniit heidnische Bräuche zurück­geht. Unter den damals allgemein üblichen geistlichen Spielen erlangten diePassions- spiele bald eine überragende Stellung. Von

Der CbrUlusdarstellcr Alois Lang.

Jahr zu Jahr wurden ihnen mehr Begeben­heiten des Neuen Testaments hinzugesügt. so daß sich schließlich eine umfassende Lebens- und Leidensgeschichte des Herrn entwickelte. Schriftliche Dokumente sind freilich von diese» in lateinischer Sprache geschriebenen Spielen nur spärlich erhalten. Die Geschichte weiß

lediglich, daß ein Passionsspiel aus Benedlkt- beuren im Jahre 1300 zur Ausführung ge­langte und somit das älteste ist. Angeblich soll aber auch schon im Jahre 1189 in Tegern­see vor Barbarossa ein Passionsspiel in latei­nischer Sprache aufgeführt worden sein.

Zu einem Mittelpunkt der Passionsspiele entwickelte sich bald Augsburg, das als Kreuzungspunkt der Haupthandelswege un­geheuere Neichtümer angehäuft hatte und in seinen Mauern auch zahlreiche Dichter und Tonsetzer beherbergte, die in der Darstellung der Passion miteinander wetteiferten. Von hier aus verbreiteten sich die Spiele, für die sich allmählich eine einheitliche Auffassung entwickelte, über viele Orte Bayerns. Und auch das Oberammergauer Pas­st o n s s P i e l reicht in seinen Anfängen nach Augsburg zurück.

Während sich die Spiele zunächst ungehin­dert ausbreiteten, sah sich aber bald die welt­liche Obrigkeit veranlaßt, einzuschreiten, da sich im Laufe der Zeit Derbheiten und un­gebührliche Auswüchse ins Komische einge­schlichen hatten, die das religiöse Empfinden der Zuschauer verletzen mußten. Oberammer­gnu wurde zunächst noch verschont, aber nach niehreren voraufgegangenen Verboten wur­den im Jahre 1801 die Passionsspiele end­gültig untersagt. Erst im Jahre 1810 gelang es. eine Aufhebung des Verbots zu erwirken.

Das neue FcMvielbans in Oberamrncrga». «alb keiner Erweitern««.

und Einwohner, die noch nicht 15 Jahre seß­haft sind.

Aber auch die Kostüme und Deko­rationen stammen von einheimischen Kunsthandwerkern, nichts Fremdes ist dabei. Auf Schminke und Perücken wird bewußt verzichtet. Die männlichen Darsteller tra­gen daher laut Verfügung der Gemeinde langes Haupt- und Barthaar. Auch die

Oberammergauer Doriingend. Anch die Kinder trage» bereits langes Haar, «m an de« Svielen teilnebnren in könne».

und seit 1818 finden auch die Oberammer­gauer Passionsspiele wieder regelmäßig statt, die sich inzwischen langsam aber stetig Welt­ruhm erworben haben.

Der heute gebräuchliche Text der Spiele hat im Laufe der Zeit eine weitgehende Um­gestaltung erfahren. So nahm der Pater OttmarWeiß eine Säuberung von allen Einschiebseln vor und beschränkte den Text lediglich auf die Leidensgeschichte. Durch eine weihevolle Musik des Lehrers Rochus Dedler. des Oberammergauer Mozarts, wie er genannt wird, ist das Spiel bereichert worden. Nach einer letzten Umarbeitung durch den Geistlichen Rat Daisenberger im Jahre 1860 gliedert es sich nunmehr in drei Hauptabteilungen mit 17 Szenen, deren jede vom Chor eingeleitet wird. Die erste Abteilung umfaßt die Pass io ns ge- schichte vom Einzug Christi in Jerusalem bis zu seiner Gefangen­nahme aus dem Oelberg, die zweite bis zur Verurteilung und die dritte bis zur A u f e r st e h u n g. Eine Jahrhunderte alte Tradition ist es. daß nur Einheimische an dem Spiel Mitwirken dürfen, und es ist der höchste Wunsch eines jeden Oberammer- gauers. einmal mit dabei zu sein. Schon die Kinder ersehnen nichts mehr, als einmal den Johannes oder den Christus oder die Maria das sind die begehrtesten Rollen spielen zu dürfen. Ausgeschlossen von der Beteiligung sind nur verheiratete Frauen

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Spielleitung befindet sich in einheimischen Händen und liegt in diesem Jahre wieder bei Georg Lang. Die Maria wird wie­der von Anni Nutz gegeben, und den Ju­das spielt zum ersten Male Hans Z w i n k. Auch der Johannes wird seine Rolle zum ersten Male spielen. Es ist Willi Vier­ling, der den Lieblingsjünger des Herrn verkörpern wird, eine Rolle, die die Sehn­sucht eines jeden jungen Mannes in Ober­ammergau ist. Insgesamt sind 150 Sprechrollen vergeben, dazu kommen der Chor, das Volk und die Kinder, zusam­men mit dem technischen Personal nahe­zu 1000 Personen, die alle unter der Führung des Spielleiters Lang stehen, dessen Regie die vielleicht künstlerisch wertvollste Leistung dieses Laienspiels ist.

Man hat die Oberammergauer Festspiele oft ein Bauerntheater genannt und wollte damit etwas Herabsetzendes zum Ausdruck bringen. Dies ist jedoch eine ganz falsche Auffassung. Die Oberammergauer haben seit frühester Zeit entschieden Künstlerblut in ihren Adern. Auch die Bezeichnung Herr­gottschnitzer trifft für sie nicht mehr zu. Wohl ist im vorigen Jahrhundert das Schnitzen von Heiligenfiguren gewerbsmäßig und ohne künstlerische Intuition geübt wor­den, aber sie ist schon längst eine wirkliche Kunst geworden, auf der sich die schauspiele­rische Darstellungskraft gründet, die heute zu ihrem 300jährigen Jubiläum ebenso wirk­sam ist wie zu Beginn.

Das Festspielhaus, das mehrfach erweitert wurde, steht mit seinen technischen Einrichtungen einer modernen Großstadt­bühne in nichts nach. Trotz des überdachten Zuschauerraumes bleibt der besondere Cha­rakter einer Freilichtbühne voll ge­wahrt, und vor dl a majestätischen Alpen­gipfeln als Kulisse rollt das Spiel mit seiner ergreifenden Handlung ab.

Die Passiousspiele sind jedoch nicht die einzige Sehenswürdigkeit von Oberammer­gau. Es lohnt sich ebenso, den Ort selbst zu betrachten. Aus dem stillen bescheidenen Alpendorf ist ein Mittelpunkt des Fremdenverkehrs geworden, der nicht nur alle vier Jahre zu den Spielen, sondern regelmäßig sowohl Sommers als auch Winters regen Besuch erhält. Da steht man die entzückenden Häuschen der Dörfler mit ihren bunten Fassaden, da findet man das Geburtshaus Ludwig Thomas mit dem nach ihm bekannten Straßenzug, und eine Judas­

und Magdalenengasse. An den Missetäter, der einst die Pest in das friedliche Dorf schleppte, erinnert die Kaspar-Schisler-Gasse. Jnmiten der bunten Häuser erblickt man kleine Kirchlein und Kapellen. Von den Häusern selbst haben alle ihre eigene Ge­schichte. In jenem Haus wohnten einmal drei berühmte Josephs, dessen Rolle sich vom Vater auf den Sohn und den Enkel fortge- erbt hatte, dort wohnte eine berühmte Mag­dalena, und so geht es weiter. Aus allem spricht die Jahrhunderte alte Trabi- tion dieses kleinen Alpendorfes. Aber auch die Errungenschaften der Neuzeit, wie Kino. Theater und erstklassige Hotels fehlen nicht.

Inmitten des Dorfes steht das U e b u n g s- theater, wo während der mehrjährigen Spielpause geprobt und geübt wird. Es ist eine richtige Theaterschule, und wer die Dorfschule verläßt, erhält dort anschlie­ßend seine Ausbildung für die kommenden Ausgaben, die er zu erfüllen haben wird. Auch für die neue Spielzeit 1934 ist eifrig geprobt worden, die diesmal im Zeichen des 300jährigen Jubiläums steht. Bald wird der Vorabend des Festes herankommen. Aber statt der in früheren Jahren üblichen Jani- tscharenmustk und dem Zuge der Musikanten durch das Dorf wird zum erstenmal eine Passionsjubiläumsmesse aufge­führt, die von Prof. Wilhelm Müller komponiert wurde. Der nächste Tag be­ginnt mit einem Hochamt in der Dorfkirche. Und dann, am 21. Mai, wird ein Böller­schuß den Beginn der Passionsspiele an- zeigen. Zum 33. Male wird dann die Lei­densgeschichte des Herrn abrollen zur Er­bauung und Besinnung der vielen Besucher aus allen Ländern der Erde.

Der Jndasknh. ein« Szene ans einer der Probe«.

6V Prozent Fahrpreisermäßigung zum Besuch der Passionsspiele

DasMitteleuropäische Reisebüro" veran­staltet gemeinsam mit der Reichsbahn insge­samt 101 Sonderzugfahrten zu den am 21. Mai beginnenden Jubiläumspassionsspielen nach Oberammergau. und zwar bis Murnau mit 60 Prozent Ermäßigung und auf der Privat­bahnstrecke von Murnau nach Oberammergau mit 33'/, Prozent Ermäßigung. Die Fahr­karten berechtigen zur Einzelrückfahrt inner­halb von 30 Tagen; für die Benutzung von Eil­oder Schnellzügen auf der Rückfahrt ist der tarifmäßige Zuschlag zu zahlen.