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Der Krieg in der Mandschurei hat erneut den Blick Europas auf die Ostpolitik gezogen. Die Interessen der Grotzstaaten Rußland, China und andererseits Japans und Englands stoßen auf diesem Raume aufs schärfste zusammen. Mit welchem gefährlichen diplomatischen Ränkespiel die gegenseitigen Unternehmungen bekämpft werden, zeigt der nachstehende Aufsatz, den wir dem trefflichen Buche:Diplomatische Unterwelt" bon H. R. Berndorff entnahmen.

Herr Tschan Fu ist wohlbeleibt und etwas asthmatisch. Herr Tschau Fu hat zwei Wohnungen, beide in der chinesischen Stadt Schanghai. Die eine ist eine prachtvolle, nach europäi­scher Art eingerichtete Villa, die in demjenigen Viertel der Ztadt liegt, das durch die Bajonette europäischer Truppen ge­schert ist. Auch die langen Kanonen europäischer Kriegs­schiffe grüßen freundlich in dieses Viertel hinein. Das ist für Len Fall, daß Chinesen auf den Gedanken kommen könnten, auch in der Stadt Schanghai irgendwelche Unruhen hervor­zurufen, wie sie das innere Land seit Jahren verwüsten. Die zweite Wohnung des Herrn Tschan Fu liegt im Innern der alten Chinesenstadt, und Weiße Pflegen dieses kleine Häuschen niemals, die enge Gasse, in der es liegt, selten zu betreten. Herr Tschan Fu übt Len Bemrf eines Bankiers aus, er übt ihn noch heute in Schanghai aus, und sein großes, schönes Haus ist allen Europäern bekannt. Darin werden strahlende Feste veranstaltet, deren Besucher fast ausschließlich Europäer sind, denn Herr Tschan Fu macht Geschäfte mit den Ex- und Importeuren aller Länder. Er ist ein reicher Herr, der Herr Tschan Fu.

Er lebt also nun ruhig und gesichert in Schanghai. Das war nicht immer so. Niemand weiß genau, woher der Ban­kier Tschan Fu eigentlich kam. Vor etwa sechs Jahren war er Plötzlich in Schanghai. Er kaufte sich ein schönes Haus in einem guten Viertel, und er fing an, Waren aus europäi­schen Ländern zu importieren. Er zeichnete sich dadurch aus. Saß er in guten englischen Pfunden im voraus bezahlte, und das war eine Eigenschaft, die ihn den europäischen Kaus- leuten lieb und wert machte. Wer in der Lage ist, große Sum­men in baren englischen Pfunden im voraus zu bezahlen, kann, wenn er Wert darauf legt, in den großen Städten aller Welt zu der besten Gesellschaft gezählt werden. Herr Tschan Fu legte Wert darauf, und so wurde er gezählt.

Es gab eine Menge von Leuten, die sich dafür interessier­ten, was der Bankier Tschan Fu getan hatte, bevor er nach Schanghai gekommen war. Die weißen Kaufleute und auch die Offiziere der fremden Truppen in Schanghai können das natürlich nicht wissen, denn China ist ein großes Land, in dem mancherlei Berufe ausgeübt werden, Berufe, die in den Län­dern der Weißen heutzutage Weder üblich noch möglich sind. Der englische Nachrichtendienst hatte einmal Veranlassung, sich mit der Vergangenheit des Herrn Tschan Fu zu befassen, und infolgedessen deckten Chinesen den Schleier auf, den der Ban­kier Tschan Fu schamhaft um seine Vergangenheit gewoben hatte. Nun ist China so endlos weit von europäischen und- amerikanischen Landen entfernt. Geographisch zwar ist das nicht so schlimm, aber, um mit unseren Gedanken und unseren Empfindungen in eine andere Welt, in die Welt der Chinesen, zu reisen, dafür brauchen wir Jahre, wenn wir sie begreifen wollen, und es gibt eine Menge von Leuten, die behaupten, daß es überhaupt unmöglich sei für einen weißen Mann, diese Welt vollkommen zu erfassen.

Der englische Oberst, der in Schanghai das Leben des Tschan Fu vor seiner Zeit in Schanghai erfährt, mag sich viel­leicht etwas Derartiges gedacht haben, als er bei dem Stu­dium der Vergangenheit dieses Mannes unvermittelt folgendes Bild vor sich sieht:

China hat Küsten, China hat Flüsse, und auf diesen Wassern blüht noch heute das Handwerk des Piraten. An Bord ihrer Dschunken stehen diese Räuber, ihre chinesischen Schnurrbärte hängen ihnen seitwärts der Lippe herunter, auf Sen Decks ihrer Schiffe ist es dunkel, und in dem Augenblick, in dem sie über die warenbeladenen Schiffe der Kaufleute her- sallen, lodert die Flamme auf, die die Kaufmanns-Dschunke in Brand setzt, und die Leichen der Schiffer werden von den Fischen gefressen. Die Posten der Fährleute können in den Händen einer Piratenorganisation sein, und wer fragt wirk­lich danach, ob ein Mensch in China, ob ein Chinese in China lebt,, oder ob das scharfe Schwert eines Fährmanns seinen Kopf gespalten und seinen Leichnam in das Schilf geworfen hat. An den Ufern dieser Flüsse leben eine Art von Vögeln, Geiern gleich, mit großen Schnäbeln, den Piraten innigst be­freundet.

An der Spitze einer solchen Bande stand der jetzt der guten Gesellschaft angehörende Bankier Tschan Fu. Als Preis für die Waren, die er sich verschaffte, hatte er zu zahlen: die «Pesen der Piraterei, die Löhne an seine Piratenknechte und das Leben von ein Paar tausend Chinesen. Wie man sieht, kaufte er also billig.

. Von außen gesehen, wird das Land China beherrscht von einer Zentralregierung in Nanking, einer von den internatio­nalen Mächten anerkannten Regierung. Große Distrikte aber Swt es im Lande, die sich den Anordnungen dieser recht­mäßigen Regierung nicht fügen wollen, weil sie von Gene­ralen beherrscht werden, für die es vorteilhafter ist, wenn sie nnen Privatkrieg gegen die Regierung führen. Mit diesen Generälen glaubt die offizielle chinesische Regierung im Laufe Ar Zeit fertig zu werden. Schwieriger ist schon ein anderer Wwchtsccktor zu bekämpfen, der in China Position zu ge­winnen fest entschlossen ist. Die Sowjets sind entschlossen, bwU Teile dieses Landes unter ihren Einfluß zu bringen, run steter Zankapfel ist die chinesische Ostbahn, deren Direk­tor: gleichzeitig in den Händen der Russen und Chinesen ist. ^atz um diese Bahn vor einiger Zeit fast ein offizieller Krieg entbrannt wäre, daß die Armeen dieser beiden Länder schon gerüstet waren, das ist bekannt.

wenige Mann, der die russischen und politischen Ge- lchaste in China zu erledigen Pflegt, ist Borodin. Als vor Jahren per Diktator der Zentralregierung in Nan- «ng, Marschall Tschiang Kai Schek, seinen nationalen Be- mmngskampf gegen die ohnmächtige Scheinregierung in FAmg und die von Japan beherrschte Mandschurei begann, ihm hw Sowjetregierung Borodin als finanziellen und potmschen Berater zur Verfügung. Aber schon nach den ersten großen Erfolgen merkte der kluge chinesische Marschall, daß es Rußland gar nicht so sehr auf die Unterstützung seiner Be- urebungen ankam, als darauf, durch die Person Borodins Zufluß auf die neue chinesische Regierung zu erhalten. Des- -Eb trennte sich Tschiang sehr plötzlich von Borodin und seit lener Zeit war Marschall Tschiang Kai Schek in der Mos- t^r Terminologie vom Befreier Chinas zum Ar- euerichläckster degradiert. Borodin aber gab den Kampf nicht Er hat von den Sowjets unbeschränkte Vollmacht und ungeheure Summen erhalten, mit denen er wirken soll. Boro­

din unterhält ständige Beziehungen zumchristlichen" General Feng, dessen Armee, ebenso wie die Kantonarmee, finanziell von Borodin unterstützt wurde. Der Hauptaktionsplatz der bolschewistischen Tätigkeit in China liegt in Kanton, und das ist gleichzeitig Borodins Residenz. Der russische Teil der Di­rektion der Ostbahn ist ihm unterstellt, und falls sich jemand dafür interessiert, so möge er wissen, daß die Sowjets ihm einen eigenen Kriegsrat beigeordnet haben, in dem er von den kommunistischen Militärs Galin, Rugatscheff, Niloff, Tschere- Panoff, Stepanoff I, Remi, Silbert und Tereschatoff unter­stützt wird. Diese Leute, Borodin an der Spitze, sind die Leiter der ganzen Wühlarbeit der Sowjets in China. Sie denken heute im allgemeinen noch nicht daran, unter den Chi­nesen irgendwelche bolschewistische Propaganda zu machen. Für den einfachen Chinesen genügt zunächst einmal die Er­weckung eines außerordentlich großen Mißvergnügens gegen die Weißen, die Engländer im besonderen, und so etwas ist verhältnismäßig einfach, denn nichts ist in der Welt leichter als die Entsachung enger nationalistischer Ideen. Für Boro­din aber wirkt sich so etwas, wenn auch erst nach langer Zeit, außerordentlich günstig aus, denn wenn erst einmal die Mäste der Chinesen aus einem nationalen Instinkt heraus über die fremden Truppen, die die offizielle Regierung eisern stützen, herfällt, wenn die Fremden, hauptsächlich die ehemaligen deut­schen Offiziere, die in den chinesischen Truppen Dienste tun, erschlagen oder aus dem Lande hcrausgeworfen worden sind, dann wird es für die Sowjets viel einfacher sein, in China Fuß zu fasten. Es gab aber einmal eine Zeit, in der Borodin glaubte, diese Ziele mit einem Gewaltstreich zu erreichen.

Der Bankier Tschan Fu liegt auf dem Bauch. Neben ihm, in dem Arbeitszimmer feiner Villa, steht sein Buchhalter, der die Aufgabe hat, den Herrn Tschan Fu wieder aufzuheben, wenn er nicht mehr auf dem Bauche liegen will. Mit den kleinen fleischigen Händen, die mit französischer Seife ge­waschen sind, deren Fingernägel lang und spitz, glänzend Po­liert sind, schiebt Tschan Fu auf einer großen Karte, die auf den Matten des Fußbodens ausgebreitet ist, Fähnchen in allerlei Farben auf kleinen Holzblöckchen hin und her. Der Buchhalter liest aus einem Bündel von Papieren, das er in der Hand hält, immer einige Sätze, und dann schiebt Tschan Fu ein paar Fähnchen hin und her. Diese Fähnchen auf den Holzblöcken laufen nur auf den blau gezeichneten Läufen der Flüsse, stehen nur an den Küsten des Landes. Tschan Fu ver­schafft sich lleberblick über den Stand seiner Dschunken und Geschäfte.

Plötzlich klopft es an die Tür. Ein Diener meldet dem Sekretär, der einen kleinen Spalt öffnet, daß draußen ein Herr sei, der Len hochwohlgeborenen Banker Tschan Fu sprechen möchte. Er reicht eine Besuchskarte durch den Tür- fpalt, und der Sekretär meldet seinem Herrn, daß der Doktor Wu um die Ehre bitte, mit Herrn Tschan Fu sprechen zu dürfen. Der Doktor Wu muß warten, denn jetzt wird Herr Tschan Fu aufgehoben, er will jetzt nicht mehr auf dem Bauche liegen, und dann müssen auch die Karten und die Fähnchen sorgfältig in einem verborgenen Fach in der Wand untergebracht werden.

Der Doktor Wu ist ein großer hochgewachsener Chinese, der auf europäischen Hochschulen studiert hat und der Herrn Bankier Tschan Fu gut kennen muß, denn er redet ihn mit alter Pirat" an und setzt sich ohne viel Umstände in einen Ledersessel. Tschan Fu ist verstimmt. - Er liebt den Doktor Wu nicht sonderlich, denn einmal hat er ihm ein Geschäft vor­geschlagen, das fehlgegangen ist und bei dem der Bankier einen ganzen Haufen guter englischer Pfunde zugesetzt hat Und schon fängt Doktor Wu wieder an, und er sagt, Laß er gekommen sei, um mit Tschan Fu ein großes Geschäft zu machen. In der Haltung dieses Doktors Wu liegt etwas, das den Bankier stutzig macht. Mit dem Doktor Wu zusammen hat Tschan Fu einmal Geld verloren. Nun sollte man an­nehmen, daß der Besucher Ursache habe, bescheiden und ein wenig verlegen zu sein. Außerdem muß Doktor Wu wissen daß der Bankier genau darüber unterrichtet ist, daß der Chi nese mit dem Doktorgrad im Grunde genommen ein Habe nichts ist. von dem niemand Weiß, was er in den chinesischen Hauptstädten eigentlich treibt und wovon er lebt. Er hat europäische Sitten angenommen, wohnt in den großen Hotels, verfügt aber persönlich über keinerlei Geldmittel. So ein armer Schlucker hätte begründeten Anlaß, sich in dem Arbeits zimmer des reichen Bankiers ehrerbietig zu benehmen. Daß Doktor Wu tut das nicht, daß er sogar ein bißchen unver schämt ist wer sagt auch zu einem Mann der guten Ge sellschaftalter Pirat" stört Tschan Fu. Er wittert etwas und wartet ab.

Doktor Wu fängt an zu reden. Er erinnert Len Bankier daran, daß dieser doch über ausgezeichnete Transportmittel in ganz China verfüge, mit Lenen es ihm ein leichtes sei, eine Menge von Waren durch das Land zu schaffen, von wo und wohin es ihm beliebe. Tschau Fu hört zu, sagt aber nichts. Doktor Wu fährt fort und sagt, daß es eine bestimmte Art von Waren gäbe, die man nur durch einen sehr zuverlässigen und verschwiegenen Mann transportieren könne.

Welcher Weg?" fragt Tschan Fu.

Von Kanton, wo diese Ware schon lagert, bis hinein in die Stadt Schanghai", antwortet Doktor Wu.

Wieviel Ware ist es?"

Es ist so viel Ware, daß all Ihre Barken und Schiffe und alle Ihre Knechte und Wagen einen Monat lang Tag und Nacht unterwegs sein werden, ja, Laß Ihr Euch noch ein­mal so viel Schiffe und Fahrzeuge hinzukaufen müßt, als Ihr schon besitzt."

Tschan Fu fängt an, höhnisch zu lachen:

Und wer soll diese Anschaffungen bezahlen?"

Ich", sagte Doktor Wu, und er erntet einen Heiterkeits­erfolg. Da zieht der Doktor aus seiner Tasche einen Scheck und sagt:

Ich gebe Ihnen eine Anzahlung von fünfzigtausend nordamerikanischen Dollar."

Bankier Tschan Fu steht auf, er geht um den Doktor, der lang und hager und mit gleichgültigem Gesicht in dem Sessel sitzt, herum. Dann streckt er mit einem Ruck seine Hand aus:

Ich weiß noch nicht, ob ich auf Las Geschäft eingehe! Aber, Doktor Wu, zeigen Sie mir einmal den Scheck! Doktor Wu! Bemerken Sie, Doktor Wu, was ich sagte:Ich weiß noch nicht, ob ich auf das Geschäft eingehe", aber ich müßte den Scheck einmal sehen."

Der Bankier Tschan Fu faltet Len Scheck, den er nur zur Ansicht erhält, der zusammengekniffen ist, auseinander, und dann läßt er ihn sofort fallen, als wenn er etwas Ent­setzliches angefaßt habe. Der Scheck liegt auf dem Boden, und der Bankier Tschan Fu stellt sofort seinen Fuß auf dieses Stück Papier, und er sieht sich in seinem Zimmer, in dem Loch niemand ist, scheu um, ob auch ja niemand entdeckt habe,

was für eine Unterschrift auf diesem Scheck steht. Dann zieht er den Fuß langsam zurück und zischt dem Doktor Wu zu: Nehmen Sie den Scheck auf!"

Doktor Wu greift mit seinem langen Arm über die Lehne des Sessels zum Boden. Er nimmt den Scheck und lächelt etwas, als er die Unterschrift betrachtet, vor der der Bankier eine so Panische Angst hat.

Borodin" steht klar und deutlich auf dem Scheck, der auf eine Bank in Kanton ausgestellt ist.

Menu Sie dieses Papier nicht wollen, Herr Bankier Tschan Fu", sagt Doktor Wu,dann kann ich Ihnen auch einen andern Scheck geben."

Tschan Fu sagt:Zeigen Sie ihn mir zuerst."

Doktor Wu zieht aus der Tasche ein Scheckbuch und schreibt eine Anweisung auf eine Bank in Schanghai aus über den Betrag von fünfzigtausend USA-Dollar.

Tschan Fu nimmt den Scheck, ruft die Bank an, und be­kommt die Antwort, daß der Scheck honoriert wird. Danjr reibt er sein Kinn und setzt sich in seinen Sessel. Doktor Wu bll nun erzählen, wie das Geschäft im einzelnen gedacht sei. Von den Waren, die zu transportieren sind, wird bei der Unterredung zwischen dem Bankier Tschan Fu urst> dem Doktor Wu nicht gesprochen. Lediglich die Größe von Kisten, die befördert werden müssen, wird erwähnt, die Menge und das Gewicht der einzelnen Posten wird besprochen, denn Tschan Fu hat eine panische Angst davor, das WortWaffen" in den Mund zu nehmen. Die chinesische Polizei in Schanghai arbeitet, aufgestachelt vou den Vertretern der europäischen und amerikanischen Mächte, sehr schnell, und Tschan Fu möchte ungern in der Blüte seines Reichtums und seiner Jahre einen Galgen zieren. Nach vielen Stunden sind Doktor Wu und Herr Tschan handelseinig. Der Bankier wird alle eine Transportmittel zur heimlichen Beförderung dieser Waffen zur Verfügung stellen.

Am Abend geht der Doktor Wu in das Chinesenviertel.

Er verschwindet in winkeligen Gassen, und er kriecht schließ­lich durch den niedrigen Eingang eines verfallenen kleinen Hauses.

Der englische Geheimdienst hat in Schanghai viel zu tun. Niemals kann es England natürlich, infolge mannigfachiir Interessen, zulassen, daß die Sowjets wirklich in China Fuß fassen. DU Agenten des Sowjets aber sind in China all­gegenwärtig. Hunderte von Leuten spionieren die militär- rische Lage der einzelnen Armeen aus, und Dutzende von Leuten versuchen, die politischen Absichten der Gegner festzu- 'tellen .Diesem Schwarm von Menschen arbeitet in der Haupt­sache der englische Geheimdienst entgegen. Nicht mit Hunder­ten und Dutzenden von Agenten, sondern mit ein paar Men­schen, denen derartige Erkundungen aber Lebensberuf und Lebenszweck geworden sind. Diesen Leuten ist der Doktor Wu ausgefallen. Eines Abends, nach der Unterredung mit dem Bankier Tschan Fu, saß er in der Halle seines Hotels in einem größeren Kreis von Kaufleuten aus Schanghai, Weißen und gelben, und da erzählte er, daß er an einem ganz bestimmten Tage der vergangenen Wochen in Peking gewesen sei. In diesem Kreise aber saß ein englischer Agent, der offiziell Ber- - trcter einer Maschinenfabrik war und dem der Doktor Wu schon seit langer Zeit verdächtig war, und dieser Mann wußte ganz genau. Laß der Doktor an diesem Tage, den er nannte, nicht in Peking, sondern in Kanton gewesen sei, und La Kanton der Hauptsitz Borodins ist und da alles Unheil in China, an englischen Maßstäben gemessen, von Borodin kommt, so war der Doktor Wu von diesem Tage an geliefert. Als er in dieser Nacht aus der Halle des Hotels, in dem er auch wohnte, auf die Straße trat, wurde er schon beobachtet, und so wußte der englische Nachrichtendienst, daß er in später Nachtstunde noch in das Haus des Bankiers Tschan Fu ge­gangen und dort stundenlang verblieben war.

In Schanghai gibt es mancherlei Vergnügungen für Weiße und gelbe Männer. Diese Vergnügungen werden mei­stens von weißen oder gelben Frauen bestritten, das pflegt nicht nur in Schanghai der Fall zu sein, derartige Umstände pflegen aber gleichfalls von den geheimen Nachrichtendiensten aller Mächte ausgenutzt zu werden. In Schanghai kommt noch ein Umstand hinzu, der für Nachrichtenagenten größeren Stiles sehr vorteilhaft ist, wenn sie sich in die Privatange­legenheiten von Chinamännern mischen wollen.

In Schanghai gibt es elegante kleine Lokale, in denen Weiße und reiche Chinesen durcheinander sitzen, um sich zu amüsieren. In einem deutschen Lokal tritt Mademoiselle Marie auf, und sie ist die große Attraktion dieses Unterneh­mens. Sie tanzt und sie singt kleine Chansons in allen euro­päischen Sprachen, die in ihren Heimatländern vor vielen Jahren einmal sehr beliebt waren. Mademoiselle Marie ist schön und wohlgebaut, und das spielt eine gewisse Rolle bei ihren Tänzen, bei denen sie außer einem schmalen Gürtel keinerlei Kleidungsstücke zu tragen pflegt. Das ist eine Dar­bietung, die auch in Schanghai nicht ganz den Reiz der Mu­hest hat, die aber für Chinesen eine unerhörte Sensation dar­stellt, denn öffentlich pflegen Weiße Frauen vor gelben Män­nern außerordentlich selten unbekleidet zu tanzen.

Der Bankier Tschan Fu ist ein Mensch, der nach mancher­lei Abenteuern, bei denen es hart herging, seine Ruhe haben will. Zwar hat er sich soeben in ein Geschäft mit dem Doktor Wu gestürzt, das auch nicht gerade allzu ungefährlich ist, aber er tröstet sich damit, daß er ja nicht zu wissen braucht, was die Kisten enthalten, die er transportieren lassen soll. Der­artige Emotionen kann er nicht vermeiden, wenn er seinem Vermögen noch erhebliche Summen zufügen will, aber von allen sonstigen Anstrengungen und Aufregungen hält er sich fern. Er sitzt in seinem schönen großen Hause, hat hoch­mögende weiße und gelbe Leute zu Gast, und er verfügt sogar über einen französischen Koch, und so hat er alles, was ihm begehrenswert erscheint, in den Wänden seines eigenen Hauses.

An einem Morgen erscheint ein junger Engländer bei ihm, der hat wertvolle Empfehlungsschreiben großer eng­lischer Jmporteurfirmen Lei sich, und er möchte mit dem Bankier Tschan Fu einmal darüber prechen, wie ein umfang­reicher Maschinentransport in das Innere des Landes bewerk­stelligt werden könnte. Hier naht sich dem Bankier ein recht ergiebiges, legales und ungefährliches Geschäft. Der Eng­länder sagt, daß er erst verhältnismäßig kurze Zeit in Schang­hai sei, und er möchte doch furchtbar gern einmal mit einem Manne, der die Stadt gut kennt, bummeln gehn. Tschan Fu kann sehr schlecht nein sagen, denn ihm winkt das gute Ge­schäft, und so verabredet er sich mit dem Engländer, und am Abend gehen sie beide aus. Der Engländer möchte gern ein bestimmtes Lokal besuchen, und so finden sich die beiden in dem Etablissement ein, in dem Mademoiselle Marie zu tanzen Pflegt.

In der Zwischenzeit ist die Lage in der guten Stadt schanghai ein wenig-unsicher geworden. Die Engländer schien ganz genau, daß sich unter den Chinesen derjenigen Bevolkerungsklasse, die für die Absichten der Sowjets in r-rragc kommen, immer mehr Waffen anfinden. Es hat auch den Anschein, als ob eine Offensive derjenigen Generäle, die gemeinsames Spiel treiben, gegen die recht­mäßige Regierung bevorstünde. In diese Erwägungen hinein m dm Mitteilung gekommen, daß ein Doktor Wu, der außer­ordentlich verdächtig sei, mit dem reichen und vielvermögenden Bankier Tschan Fu irgendwelche geheimnisvolle Dinge treibe. Der englische Nachrichtendienst aber meint, daß Mademoiselle Marie schon erfahren würde, was da spielt. (Forts, folgt.)