zweites
Aalt.
Der Gmtaler
zweites
Matt.
M.194
Samstag dea 2«. August 1832
9«. Jahrgang
Kamps um Arbeit
Wirtschaftliche Wochenschau
Auf der Suche nach Gel- — 288 Millionen Silbermünzen - 68 neue Dörfer in Ostpreußen — Vor Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Gewerkschaften — Die Welt um ein Fünftel ärmer
(Nachdruck verboten!)
i§. Die Reichsregierung muH nun alle Hebel in Bewegung schew um Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen. Der Weg, den sie dabei geben will, wurde von ihr schon vor einiger Zeit Vor- aezeichnet: Der Staat will selbst als Arbeitgeber auf- treten. Woher aber nimmt das Reich die ungeheuren Summen, die zu einer einigermaßen nennenswerten Arbeitsbeschaffung nötig sind? Neue Steuern kommen nicht in Frage, da sie sa nur die letzten Betriebe erwürgen würden. Eine Anleihe will v. Patzen nicht auflegen, da eine Anleihe der Wirtschaft Geld entzöge, was unbedingt zu vermeiden sei. Dagegen laßt sich jedoch einwenden, daß bei einer Anleihe die Geldgeber freiwillig ihr Geld zur Verfügung stellen unwohl nur dann zeichnen werden, wenn sie ihr Geld in der Wirtschaft sonst nicht anlegten. Durch eine Anleihe wird also kaum der Wirtschaft Geld entzogen, sondern es wird ihr vielmehr Geld wieder zugeführt, das heute noch außerhalb der Wirtschaft steht. Daß übrigens eine Anleihe aussichtsreich sein kann, beweist uns die Reichsbahnanleihe. Sie erreichte kkanntlich einen Zeichnungsbetrag von rund 260 Mill., während man nur mit 250 Millionen gerechnet hatte.
Für die Geldbeschaffung bleiben dem Reiche somit hauptsächlich nur noch zwei Möglichkeiten: Entweder läßt das Reich Silbermünzen für 280 Millionen RM. prägen, wozu es berechtigt sein soll, da es bis zu 30 RM. Silbermünzen für jeden Einwohner prägen lassen kann. Oder aber es pumpt bei der Reichsbank und anderen Banken. Reichsbankpräsident Dr. Luther ist jedoch bekanntlich von dieser Pumperet nicht erbaut, so daß ihm schon nahegelegt wurde, er solle freiwillig seinen Posten verlassen.
So sehr die Bemühungen der Regierung zu begrüßen sind, so bleibt ihre Arbeitsbeschaffung mit der geplanten Dienstpflicht doch nur ein Ersatz für die fehlende Beschäftigung der Industrie. Das Präsidium des Reichsverbandes der Industrie kam daher jüngst zu dem Ergebnis, daß durch die Arbeitsbeschaffung der Regierung ein wirtschaftlicher Aufschwung nicht eingeleitet werden könne. Vor allem müßten die innerpolitischen Hemmungen beseitigt und die „Produktionskosten" gesenkt werden. Unter die Produktionskosten entfallen vor allem die unerhörten Steuerlasten und sonstigen Abgaben. Die Regierung will dem Ruf nach einem Abbau der Erzeugerkosten dadurch entgegenkommen, daß sie die Tarife „auflockert". Heute schon können die Tarifsätze in zahlreichen Fällen nicht völlig durchgeführt werden. Es dürfte bei der kommenden lohnpolitifchen Auseinandersetzung nach Ansicht hervorragender Wirtschaftskenner nicht ohne Reibungen zwischen Regierung und Gewerkschaften abgeben.
Für die Siedlung, einem Teile der Arbeitsbeschaffung will die Regierung 50 Mill. aufwenden. Fm Jahre 1931 sind in Ostpreußen allein für den Bau neuer Siedlungsgebäude 18 Millionen ausgegeben worden. In diesem Gebiete wurden 1931 rund 2400 neue Siedlungen errichtet, was dem Neubau von rund 60 Dörfern entspricht. Die Reichsregierung wird also die Siedlung sorgsam pflegen müssen, wenn sie hinter den Leistungen des Vorjahres nicht zurückbleiben will.
Die deutsche Außenhandelspolitik hat heute die Aufgabe, uns möglichst alle Wege der Ausfuhr offen zu halten und neue auszubauen, damit wir bei einem allgemeinen Abbau der Zölle die neue Wende fofort neu ausnützen können. Die Tatsache, daß der Ausfuhrüberschuß von SO Mill. im Juni aus 66 Millionen im Juli sank, darf uns nicht entmutigen. Die Einfuhr ist um ein Geringes vor allem dadurch gestiegen,
daß wir um 3 Mill. mehr Rohstoffe benötigten. Dies kann man sogar als ein Zeichen leichter Wirtschaftsbelebung deuten.
Unsere Handelsbeziehungen werden z. T. verschlechtert, wie zu B. der Kampf Dänemarks gegen die deutschen Waren zeigt. Z. T. können wir aber auch Erfolge verzeichnen. (So gewährte Kanada unseren Waren die Meistbegünstigung.) Zurzeit kann man auf der industriellen Welterzeugung kaum ein Zeichen der Besserung entdecken. Heute werden rund 10 Prozent weniger Jndustriewaren hergestellt als 1913, obwohl die Weltbevölke- rung seitdem um mindestens 12 Prozent wuchs. Die industrielle Welterzeugung ist also gegenüber der Vorkriegszeit um rund ein Fünftel zusammengeschrumpst. Die Weltwirtschaftskonferenz, die bekanntlich den Weg zum irdischen Wohlstand der Völker finden soll, wird nun unter Umständen vertagt, da sich Amerika vor den Wahlen nicht gerne binden will. Nach den bisherigen Nachrichten, die aus Ottawa über den Verlauf der „Empire-Tagung" zu uns gelangten, sind die Aussichten für die Weltwirtschaftskonferenz nicht günstig. Kanada beschwerte sich in Ottawa darüber, daß England Waren von Rußland annehme, statt nur von den Dominions Erzeugisse einzuführen. Sind schon hier die Gegensätze erheblich, so dürften sie auf der Weltwirtfchaftskonferenz noch schärfer zu Tage treten.
Der letzte Reichsbankausweis trug Spuren der geschäftlichen Oede unserer Wirtschaft an sich. Obwohl man doch erwarten konnte, daß die Landwirtschaft in der Erntezeit Geld und Zahlungsmittel brauche, ging der Umlauf an Zahlungsmitteln weiterhin zurück. Die Börsen beurteilten übrigens unsere wirtschaftliche Lage nicht so sehr nach wirtschaftlichen, sondern nach politischen Ereignissen.
Warenmarkt. Die Indexziffer der Großhandelspreise ist mit 95,8 um 0,2 Prozent gegenüber der Vorwoche zurück- gegangen. Das spricht einstweilen nicht dafür, daß in Deutschland ähnlich wie in Amerika eine Umkehr der Preisbewegung eintreten dürfte. Dagegen zeigen sich in der Weltwirtschaft in steigendem Maße die Anzeichen für eine allmähliche Erholung. Ob und wann diese sich auf Deutschland übertragen wird, bleibt abzuwarten. Es kann noch lange dauern. Die Außenhandelsziffer für den Monat Juli hat auch nicht befriedigt, da der Ausfuhrüberschuß nur noch 66 Millionen, d. h. 22 Millionen weniger als im Monat Juni betrug.
Viehmarkt. Am Stuttgarter Schlachtviehmarkt haben die Preise für alle Viehsorten, mit Ausnahme von Ochsen, leicht angezogen. Es hängt das wohl mit der ungenügenden Zufuhr zusammen, die hauptsächlich durch den dem letzten Viehmarkt vorausgegangenen katholischen Feiertag veranlaßt worden ist.
Holzmarkt. Der Rundholzmarkt zeigt sich jetzt ziemlich stabil. Auf dem Nadelschnittholzmarkt ist die Nachfrage immer noch gering, jedoch sind die Preise ziemlich gleich geblieben. Im Bauholzgeschäft gab es gedrückte Preise.
Konkurse «n- Vergleichsverfahren. Neue Konkurse: Kaufmann Ernst Franke, Stuttgart; Firma D. Heimann, offene Handelsgesellschaft, Dextilwarenhandlung in Gmünd. — Vergleichsverfahren: Major a. D. K. Wilhelm Wiedemann in Talheim, OA. Heilbronn; Albert Rinker, Maschinenhändler in Oberndorf; Firma Gustav Lachenmayer, G. m. b. H., Eisengrotzhandlung in Stuttgart; Firma Götheanum-Bücherstube, G. m. b. H., Stuttgart-Ost.
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mit meiner Reform- unck ortkop. fukbslckeiclung!
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Das nationalsozialistische Wirtschaftsprogramm
„Es muß anvers werben!" Diese Ueberzeugung, -atz etwas Grundlegendes geschehen mutz, um aus -er immer furchtbarer werdenden Wirtschaftsnot herauszukommen, ist allgemein. Und wie stets in Zeiten, in denen alle seitherigen Forme« des Staats- und Wirtschaftslebens überholt z« sein scheinen, schießen auch heute neue Vorschläge und Pläne zur Ueberwindung der Not geradezu aus i>em Boden. Bon Rechts bis Links hält jede Gruppe gewissermaßen eine „Generallösung" z»r Neuordnung der Wirtschaft bereit. Wir beginnen heute mit einer Aufsatzfolge die in objektiver Darstellung die Grundgedanken dieser verschiedenen Reformpläne zu schildern versucht. T. Schrift!..
Es gibt kein einheitliches nationalsozialistisches Wirtschafts- Programm. In der Partei selbst sind die Kämpfe zwischen den Anhängern der individualistisch-kapitalisffschen Wirtschaftsordnung und der sozialistisch-gebundenen Wirtschaftsordnung noch nicht endgültig entschieden. Wir halten uns daher an die Ausführungen des Dr. Herbert Albrecht, Mitglied -des Reichstags und der nationalsozialistischen Reichsführung, die er soeben in seiner Eigenschaft als engster Mitarbeiter von Dr. Gottfried Feder, im Auftrag der Partei der Oeffentlichkeit zur Verfügung stellt. Nach nationalsozialistischer Auffassung ist Las Wirtschaftsprogramm der NSDAP. Bestandteil des Gesamt- Programms. Die Partei lehnt es ab, das Wirtschaftsprogramm ohne Zusammenhang mit dem Staatsprogramm zu verwirklichen oder verwirklichen zu lassen.
Der Nationalsozialismus, der bereits im vergangenen Jahr die Verstaatlichung der Großbanken gefordert hat, fordert die restlose Sofortverstaatlichung des gesamten Kreditwesens. Nur wenn der Staat seine volle Währungshoheit in Verbindung mit der Verstaatlichung des Kreditwesens durchzusetzen vermag, ist er nach nationalsozialistischer Auffassung in der Lage, im Zusammenhang mit den innen- und außenpolitischen Maßnahmen durch eine Währungs- und Kreditreform die Arbeitslosigkeit beheben zu können. Am Anfang der gesamten nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik steht die Arbeit und nicht das Kapital. Nur die Arbeit vermag Kapital zu schaffen, niemals verläuft der Weg umgekehrt. Da in Deutschland auf der einen Seite Arbeitskräfte, auf der anderen Materialien und vor allem ein außerordentlicher Bedarf vorhanden sind, erscheint es dem Nationalsozialismus widersinnig, wenn die Arbeiter stempeln gehen müssen und die Materialienbesitzer Konkurrenz machen, während die Bedarfdeckung durchaus unzulässig ist. Die Frage der Arbeitsbeschaffung steht daher im Vordergrund des nationalsozialistischen Wirtschaftsprogrammes.
Der Nationalsozialismus vertritt jedoch die Auffassung, daß das vorhandene Geld und der bisher zur Verfügung gestellte Kredit nicht ausreicht, um der Arbeitslosigkeit Herr zu werden. In Verbindung mit dem Gesamtprogramm soll durch ersparte Arbeitslosenünterstützungsgelder, Wohlfahrtsgelder, durch Mehreingänge der Sozialversicherung und Steuern sowie dem noch vorhandenen eigenen Kapital der Wirtschaft eine Summe zur Verfügung gestellt werden, welche die Durchführung des eigentlichen Arbeitsbeschaffungsprogrammes wenigstens in den Grundzügen ermöglicht. Da jedoch auch diese Summe nicht ausreichen dürfte, um die vielen Millionen Arbeitslosen wieder in die Betriebe zurückzuführen, plant der Nationalsozialismus die Neuschaffung von Geldmitteln in der Form staatlicher, produktiver Kreditschöpfung. Sparprämienanleihen, wie sie Brüning geplant hat, und Auslandskredite lehnt die Führung der Hitlerpartei grundsätzlich ab. Als Beispiel einer falschen Geldneuschaffung wird die Maßnahme des früheren Reichsfinanzministers Dr. Dietrich bezeichnet, der durch Notverordnung den Silbergeldumlauf pro Kopf der Bevölkerung von 20 auf 30 Mark, insgesamt also um die Summe von 600 Millionen Mark Silbergeld
ölandarten im Nebel
Roman von Herbert B. Fredersdorf.
Copyright by: Carl Duncker Verlag, Berlin W. 62. 36. Fortsetzung.
Porck muß sich beherrschen, um ruhig zu bleiben:
„Eine Nachricht, Eva, seien Sie ganz ruhig, Kind — ich habe ja Zeit — ruhen Sie sich aus — was denn, von wem?"
Er hat die Hände zu Fäusten geballt, auf den Tisch gestutzt, gegen die harte Kante der Holzplatte, man muß den Druck fühlen.
Eva ist wieder ganz klar, sie kann sogar lächeln, als sie mit ihrer kleinen Hand die Faust des Generals streichelt:
„General Massenbach läßt Ihnen sagen: „Er gehe nit Porck, wohin er geht, ohne Bedenken, ohne Rückhalt, ojne Zögern!"
Es ist sehr still im Zimmer, so still, daß man die Atemzüge Horcks hört, der immer noch an der gleichen Stelle steht. Eva betrachtet angstvoll sein Gesicht. Die eisernen Zuge sind zuerst noch starr, dann lockert sich alles, die Augen, deren ferner Ausdruck sie erschreckt hat, beginnen zu leuchten, der schmallippige Mund lächelt sogar beinahe —. ^,!s Fäuste lösen sich. Porck dreht sich herum und fängt an, httz und her zu gehen. Jetzt steht er an der Tür, wiederholt mit starker Stimme:
„Ohne Bedenken, ohne Rückhalt, ohne Zögern — ich werde ihm den Weg erleichtern — Wernsdorf kann ihm den dienstlichen Befehl' geben, das wird ihn entlasten — und bei mir kom.mt's darauf auch nicht mehr an, wenn es schief gehen iollte. Aber es wird nicht schief gehen!"
Er kommt auf Eva zu, umarmt sie, drückt sie an sich:
„Eva. Mädelchen, Eva, kleiner couragierter Kerl, du weißt nicht, was mir diese Nachricht bedeutet!"
Es klopft an der Tür, man hört Seydlitz' Stimme:
„Höchste Zeit, Exzellenz, die Russen werden schon warten!"
Vorck ruft, ohne sich umzudrehen:
„Werden noch etwas Zeit haben. Diebitsch kann ruhig warten^ bis es mir paßt!"
Er streicht Eva über das Haar:
„Ich danke dir, Kind, ich danke dir sehr."
Er bemerkt plötzlich, daß Eva weint, warme Tropfen fallen auf seine Linke, die sie immer noch umarmt hält:
„Was ist denn, Eva, was hast du denn, Mädel?"
Sie kann nur stammeln:
„Friedrich — ich habe ihn gefunden — verwundet. Mein Gott, er darf nicht sterben! Sie müssen mir helfen, er ist wieder nach Tilsit zurückgebracht worden, Legrand hat ihn gerettet."
Sie weiß, daß sie wirres Zeug redet, alles durcheinander, aber Porck wird sie schon verstehen, begreifen, was sie will —
Der General nickt:
„Zurück nach Tilsit — so — ich kenne Legrand nicht —"
„Ein französischer Kapitän — aber ein wundervoller Mensch, der einzige Mensch, den ich da hatte, ja, er liebt mich, er ist mir nachgeritten — und da fanden wir Friedrich, er hat ihn auf sein Pferd gesetzt."
„Ich schicke heute noch einen Adjutanten zu Mafsenbach, der soll sich nach dem Befinden deines Friedrich erkundigen und ihn grüßen."
Seydlitz ist wieder draußen:
„Exzellenz, die Russen warten, wollen Exzellenz die ganze Konvention aufs Spiel setzen?"
„Nein, mein Sohn, jetzt komme ich! Eva, lebe wohl, warte hier auf mich, und Kind, ich bin nicht sehr fromm, aber es wäre vielleicht gut. wenn du in der nächsten Stunde für Preußen und für mich beten würdest, es ist jetzt Zeit dazu. Auf Wiedersehen!"
Der General springt trotz seiner dreiundfünfzig Jahre wie ein junger Kerl aufs Pferd, Seydlitz und Oberst Roe- der sind neben ihm. Der kleine Kavalkade reitet auf die Mühle zu, in der die Zukunft Preußens, die Zukunft Europas entschieden werden soll.
Oberstleutnant Llausewitz trabt zu Diebitsch, der seinen Gaul wie in der Reitbahn Ächten gehen läßt.
„Ich fürchte, Zjvrck wird uns wieder zum Narren halten, wir warten eine Stunde." ...
Diebitsch sieht nicht auf.
„Noch fünf Minuten . . . fünf Minuten!"
Da tauchen am Horizont die drei Reiter auf.
Die Konvention ist besprochen, die sieben Artikel, die
den Verbleib der preußischen Truppen, ihr Unterkommen, ihre Neutralität bis zum 1. März. Verpflegung und Selbständigkeit den Russen gegenüber regeln, liegen auf dem Tisch im Wohnzimmer des Müllers, Tinte und frisch geschnittene Gänsekiele daneben.
General Diebitsch atmet auf, als Porck, der bis dahin fast mürrisch und ernst war, nun erklärt:
„In Ordnung, meine Herren — zur Unterschrift!"
Der russische General setzt sich, zeichnet seinen Namen, -macht dem Preußen Platz.
Und in diesem Augenblick, in der Sekunde, während Porck vor dem sauber beschriebenen Blatt Papier sitzt, die Feder in der Hand, bereit, seinen Namen unter den Vertrag zu malen, von dem er noch nicht weiß, ist es ein Pakt mit dem Himmel oder mit der Hölle — in diesem Moment verwandeln sich die Schriftzeichen da vor ihm, werden selbständig. Linien, Männchen, Armeen, Berge, Täler und Flüsse — Heimat, Preußen!
Da dehnt sich sein Land, sein Vaterland — nicht mehr Berlin, Potsdam, Magdeburg, Stettin — nur ein großes, weites Gelände, es liegt offen da, jedem Zugriff preisgegeben. Gestern war der Franzose hier — jetzt —
Die Unterschrift Diebitsch wird klarer.
Jetzt packt der Russe zu.
Und Porck setzt die Feder an und zieht seinen Namen, fest und bedächtig — es ist wieder ein Papier, das da vor ihm, aber es ist das vielleicht wichtigste Papier, das seit vielen Jahren in Preußen unterschrieben wurde. Der Gänsekiel ist nicht von Blut naß. sondern von mäßig guter bläulicher Tinte — und es ist doch Blut.
Als Tsorck sich erhebt, steht er vor Diebitsch. der ihn mit leuchtenden Augen ansieht und die Arme öffnet. Ist es Form, ist es wirkliche Rührung? — Porck tritt auf ihn zu, die beiden Heerführer umarmen sich wortlos, heftig, beinahe ist es wie das Ringen Herakles mit Antaios. Dann reitet man ab.
Es ist fast Mittag geworden, der Mittag des Mittwoch, 30. Dezember 1812.
*
(Fortsetzung folgt).