Sträflinge natürlich bereitwilligst zurücktraten. Hierauf wurden die Anstricharbeiten wieder fortgesetzt. Erst nach einiger Zeit kamen zwei Angestellte der Firma zu den Toraufsehern und meldeten, daß ihr Firmenauto verschwunden sei. Und da kam man erst darauf, welchen Streich die beiden Häftlinge gespielt hatten. Bis heute fehlt vom Auto und den Sträflingen jede Spur.
„Weihnachtsstollen, garantiert ohne Margarine", hatte die bekannte Leipziger Firma „Okina" kurz vor Weihnachten auf vielen Werbezetteln und Anpreisungen bekannt geben lassen; das Pfund war für nur 75 Pfg. angeboten. Wegen Vergehens nach Z 1 des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb war der Inhaber des Betriebes, Generaldirektor Ernst Schneider, von verschiedenen Geschäftsleuten angeklagt worden und darnach durch Strafbefehl zu 1500 Mark Geldstrafe oder 30 Tagen Gefängnis verurteilt worden. In dem Strafbefehl kam zum Ausdruck, daß über die Beschaffenheit und Herstellungsart von Waren wissentlich unwahre und zur Irreführung geeignete Angaben gemacht worden seien. Es sei der Eindruck erweckt worden, als werde zu diesen Stollen nur Butter verwendet. Tatsächlich seien aber die Stollen mit Erdnußschmalz gebacken worden. Gegen den Strafbefehl erhob Schneider Einspruch, der jetzt vor dem Leipziger Amtsgericht verhandelt wurde. Er machte geltend, daß er die Wahrheit geschrieben habe. Ueberall sei der Vorwurf erhoben worden, er verwende für seine Stollen minderwertige Margarine. Dagegen habe er sich gewendet, er habe es dabei aber nicht nötig gehabt, sein Geschäftsgeheimnis zu verraten. Der Nahrungsmittclchemiker der Stadt Leipzig erklärte, daß die Stollen einwandfrei gewesen seien. Erdnußschmalz sei ein sehr gutes Nahrungsmittel. Während der Staatsanwalt beantragte, den Einspruch zu verwerfen, kam das Gericht zur Freisprechung. Allerdings hätten Personen glauben können, es werde zu den Stollen nur Butter verwendet, aber es sei nicht erweislich, ob eine solche Täuschung beabsichtigt und bewußt vorgenommen worden sei. Man habe dem Angeklagten vorgeworfen, er verwende Margarine, und gegen diesen Vorwurf habe er sich wenden wollen. (Man sieht als Käufer aus diesem Prozeßgang, wie genau man sich über Anpreisungen zurechtsuchen muß, um am Ende nicht trotz alledem der Geprellte zu sein.)
Sensationeller Raubüberfall im Zentrum Lonvons. Kürzlich leistete sich die Verbrecherwelt Londons einen ihrer kühnsten Streiche. Mitten im rasenden Verkehr, 20 Meter vom wachhabenden Schutzmann unternahm eine Bande einen verwegenen Ucberfall, ohne daß der Schutzmann, der zusah, sich klar wurde, was vorging. Etwa um Uhr nachmittags hielt ein Juwelier in seinem Auto vor seinem Geschäft. Er kam eben vom Londoner Diamantenklub und hatte dort Edelsteine von ansehnlichem Werte gekauft. Die Steine verwahrte er in einem Lederbeutel, den er in die Tasche steckte. Als er nun zu seinem Geschäft fuhr, folgte ihm ein anderer offener Wagen dicht nach, der hinter ihm hielt. Als nun der Juwelier ausstieg, sprang ein junger Mann aus dem verfolgenden Wagen und ging ganz unauffällig einige Schritte neben dem Juwelier. Plötzlich aber zog der Räuber einen Metallgegenstand aus der Tasche und schlug damit mit aller Wucht gegen den Magen des Juweliers. Dieser brach halb ohnmächtig zusammen, während ihm der junge Mann das Ledertäschchen mit den Edelsteinen entriß. Er sprang sofort in sein Auto„ das rasend davonfuhr, ehe der Schutzmann begriff, was eigentlich vorfiel. Er konnte, nur noch die Nummer des Wagens feststellen.
Das Gesetz der Lebenserhaltung beherrscht alles Lebende. Ein besonders gutes Beispiel dazu liefern die 1200 Arten von Kakteen, die in Nord- und Südamerika heimisch sind. Ihr ganzer Lebenskampf geht auf Wasserbedarf hinaus, und darum besteht das Wesen aller dieser Pflanzen darin, in der Regenzeit große Mengen Wasser in sich aufzunehmen, um sie in der trockenen Zeit zu verbrauchen. Ein Baumkaktus kann viele Hektoliter Wasser in sich aufspeichern. Biele Kakteen in den Trockengebieten von Arizona und Sonora legen sich einen Wasservorrat zu, mit dem sie zwei bis drei Jahre reichen können. So etwas tun aber nicht nur Kakteen. Eine Kletterpflanze aus der Familie der Kürbisse, die in Sonora heimisch ist, speichert Wasser in einer ausgeweiteten Grundfläche in solcher Menge auf, daß man Pflanzen beobachtet hat, die es fertig gebracht haben, fünfzehn Jahre lang von ihrem Wasservorrat zu leben.
Der Briefmarkenhändler-Kongretz tagt in Venedig und ist aus aller Welt besucht. Es soll hier Stellung gegen die Inflation auf dem Gebiete der Briefmarken-Ausgaben der Länder gefaßt werden; die Entschließung richtet sich in erster Linie gegen die in letzter Zeit immer stärker in Erscheinung tretende Herstellung von Erinnerungs- und Jubiläumsmarken, die es den Sammlern unmöglich macht, die Vollständigkeit ihrer Markensammlungen aufrecht zu erhalten, ohne riesige Beträge und Vermögen hineinzustecken. (Solange die Postverwaltungen Geld dabei verdienen, wird ihnen Wohl niemand das Geschäft Verbieten dürfen. Es ist schon lange eine besondere Einnahme
quelle der Post aller Länder, durch Neuausgabe von Briefmarken riesige Summen unentwerteter Marken für Markensammlungen einzunehmen. England stellt für diesen Zweck sogar ungummicrte Exemplare zur Verfügung, da sie haltbarer seien und im Farbendruck leuchtender erscheinen. — Des einen Freud ist des andern Leid, oder des einen Brot ist des andern Tod. Möge unseren Markensammlern dies zum Trostwort dienen.)
CSrdoba, die Stadt der Kalifen
Bon Dr. Erich Rall-Madrid.
Wieviel mag der Eifer der christlichen Eroberer des 13. Jahrhunderts, mag die Zeit zerstört und umgestaltet haben, um aus der Stadt am Guadalquivir, dem Mittelpunkt des arabischen Abendlandes, mit ihrer Universität, ihren angeblich 600 Moscheen, ihrem Raum für eine Million Menschen die stille Provinzstadt von achtzig- oder hunderttausend Einwohnern zu machen, die sie heute ist. Es erinnert an die stolze Vergangenheit die Hauptmoschee mit ihrem geräumigen Vorhof, einige Türme, Gemäuer, Grundmauern von Mühlen im Fluß und die ganze Anlage des alten Stadtteils.
Eine auffallende Ruhe empfängt den Besucher, der von der breiten, asphaltierten Calle del Gran Capitän her das Gassengewinkel betritt. Gewiß, es ist heute Karfreitag, zwar kein sehr hoher Festtag in der spanischen Christenheit. Aber es fehlen in dieser Stadt ja die Straßenbahnen; es fehlen in diesen schmalen Gassen sicherlich auch werktags die vielen Kraftwagen, einfach deshalb, weil sie nicht, oder nur schwer durchkommen.
Es ist von Reiz, sich durch die Gäßchen sozusagen treiben zu lassen: „irgendwo kommt mmp doch heraus", unten am Flußufer. Sie sind mit Kleinpflaster oder mit Steinfließen belegt und im Gegensatz etwa zu denen von Toledo sehr sauber. An den in weiß gehaltenen Häusern fehlen selten die kaum vorspringenden Baikone oder schweren Eisengitter. Am meisten wird der Fremde angezogen durch die fast überall anzutreffenden Jnnenhöfe, Patios genannt, die kennzeichnend sind für die Städte Andalusiens und für die ursprünglich arabische Anlage. Man kann von der Straße einen Blick hineintun oder nähertreten. Ihre Ausstattung ist ein Maßstab für den Wohlstand der Bewohner. Da stehen Fächerpalmen oder eine Zypresse, da blühen Geranien, plätschert ein Brunnen. Teppiche, Sessel, Stühle machen den Raum wohnlich. Sicherlich läßt sichs hier gut sein, wenn die brennende Sommersonne untergegangen ist.
Wir stoßen plötzlich auf die „Mezquita", die Moschee, und sind enttäuscht, weil wir uns ein hochragendes Gebäude vorgestellt haben. Vom Glockenturm, der im 16. Jahrhundert in die hohe Umfassungsmauer eingebaut wurde, läßt sich ein Ueberblick gewinnen. Da ist zunächst, unmittelbar zu unseren Füßen, der „Orangenhof", ein großes, gepflastertes Viereck mit Orangenbäumen und kleinen Wasserbecken, der Treffpunkt müßiger Polizisten, spielender Kinder, Zuckerwarenverkäufer und Bummler. Die Moschee, ein riesiger, rechteckiger Block von nur 15 Meter Höhe, könnte man fast für ein einstöckiges Fabrikgebäude mit vielen flachen und parallellaufenden Giebelaufsätzen halten, wären nicht Türmchen aufgebaut und ragte nicht aus ihrer Mitte eine Kirche hervor.
Das Innere liegt in geheimnisvollem Halbdämmer. Das unergründlich scheinende Gewirr der Säulen und der weiß und dunkelrot bemalten „Hufeisen"-Bogen, deren Durchblick sich mit jedem Schritt verändert, ist teils grell beleuchtet, teils tief beschattet. Das Auge schaut sich müde an der Symmetrie, der Verjüngung, den Ueberschneidungen von Bogen und Geraden. An Werktagen mag der Besucher sich ungestört hingeben, heute ist diese Kirche laut. Fremdenführungen, das Ein und Aus der Einheimischen, Scharen von Zöglingen einer Priesterschule, Meßgesang. Nachmittags durch übel verzerrende Lautsprecher verbreitete Festpredigten; eine andächtig lauschende Menge; die Frauen aller Stände in der spanischen Tracht der Karwoche: schwarzes Kleid, im Haar einen breiten und kunstvollen Kamm von 15—20 Zentimeter Höhe und darüber gezogen der feine schwarze Schleier, die Mantilla...
An der Plaza de Canovas, die von neuzeitlichen Geschäftshäusern eingerahmt ist, das übliche Treiben: vor einem der Kaffeehäuser trinkt man ein Gläschen Bier (es wird viel Bier getrunken in Spanien) oder Kaffee; Zeitungs-, Krawatten-, Lotterielose-Verkäufer machen die Runde, andere rufen Meer- krebsc und in Oel geröstete Kartoffelscheiben aus; zerlumpte alte Männer suchen Zigarettenstummel oder betteln. Betteln ist ein Beruf südlich der Pyrenäen.
In solchen Augenblicken spanischer Bequemlichkeit kann man sich des Gefühls nicht erwehren, als könne unter diesem blauen Himmel keine Unruhe, keine Mißstimmung aufkommen, als müsse in dieser träumenden Stätte verschwundener Kultur das große Leben der Welt leiser rinnen, als gebe es kein von Not und Ungerechtigkeit zerwühltes Europa.
kr. Derzeit bietet der Rundfunk eine Vortragsfolge über die Frau in ihrem Verhältnis zur Zeitung. Zuletzt sprach die bekannte Abgeordnete Frau Professor Rist in ihrer klugen, scharfsichtigen Weise über die Frau als Mitarbeiterin der Zeitung. Die Gedankenfolge ging u. a. dahin, die Tagespresse durch die Mitarbeit der Frau inhaltlich zu bereichern, vermöge der schöpferischen Eigenart der Frau. Wertvoll waren vor allem die Auslassungen über die Frauen- und Kinderbeilagen der Zeitungen. Beide Beilagen können ihre Aufgabe nicht ernst genug fassen, ausgehend vom Gedanken: „Es muß der Mann die großen Welten bauen, es steht und fällt ein Volk mit seinen Frauen." — Der Vormittag bietet gegenwärtig jeweils um 10 Uhr wertvolle musikalische Programme. Es werden nicht viele Hörer Zeit haben, der hoch und ernst gerichteten Musik zu folgen. Man denke indessen auch an die Anstalten und Krankenhäuser, an alleinstehende Personen und an die Welt der Alten. Diesen liegt sowohl das jeweilige Brunnenkonzert aus irgend einem unserer Bäder — auch Wildbad! — wie ani Mittwoch die Konzerte für Violine und Cello, am Donnerstag die russische Violinmusik. Sokolows Suite Opus 18 erschien wie ein großes Lied der Sehnsucht. Eine Orgelspielerin wie Renate Noll oder wie die Ueber- tragung des Orgelkonzerts aus der Mannheimer Christuskirche ist schon nach der technischen Seite ein Genuß. Dazu kommt das Erlebnis des Raumes. Es ist unvergleichlich, wenn unser eigenes Zimmer gleichsam mit einem ganz fernen Kirchenraum schwingt. Auf dem Gebiet der Kammermusik hörte man Wendling, sodann aber das Zagreber Streichquartett. Auch in den nicht slavischen Tonsätzen spürte man das Temperament des Ostens, das Gluten des Feuers der Seele des Ostens. Von den Festakten und besonderen Anlässen, welche übertragen wurden, sei wenigstens die Eröffnung der Ausstellung der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft zu Mannheim angcmerkt. Es wurde auch eine Führung durch diese Wanderausstellung geboten, das größte Jahresereignis auf dem Gebiete der deutschen Landwirtschaft. Eine Hörfolge „Jugend und Rundfunk" zeigte nur, wie unklar die Jugend in ihrem Verhältnis zum Rundfunk ist. Das muß so fein. Wann, wo und wie soll denn die Jugend einen Standpunkt gegenüber dem Rundfunk gewinnen? Sie hat anderes zu tun. Ist den Anforderungen der Schule genügt, und sie sind nicht klein, so möge sich die Jugend lieber auf dem Sportplatz tummeln. Müssen doch wir Große und Alte scharf sichten und bremsen, um nicht in der lieberfülle des Gebotenen gleichsam zu versinken. Dabei sind wir in der Regel eher Herr über unsere Zeit als die Jugend. Diese kann unmöglich namentlich die Abenddarbietungen genießen. Denn der Frühbetrieb der Schule von heute fordert ausreichenden Schlaf. Wenn daher abends um 10 Uhr aus London der III. Akt der „Meistersinger" von R. Wagner übertragen wird wie am 31. Mai oder wenn am 1. Juni abends 10.20 Uhr ein Zeitbericht aus Ungarn dessen unhaltbare Lage von heute zeichnet, so muß die Jugend verzichten, wenn sie gut beraten ist. Denn weder mit der Londoner Uebertragung, noch mit der Lage Ungarns ist anderen Tags etwas in der Schule zu beginnen. Solange ihre Pforten sich nicht schlossen, muß aber sie das erste Wort haben.
Gemütvolle Seelen
Bei Bürgermeisters ist fünfzigster Geburtstag des Hausherrn. Alles feiert den Gestrengen. Das Haus ist förmlich von Blumenspenden überschwemmt. Auch die alte Putzfrau will gratulieren. Staunend bewundert sie die Blumenpracht. Scheint ganz gerührt. Und mit einem Schürzenzipfel am Auge meint sie tiefbewegt: „I du mei liebs Herrgöttle — wie wird da erst's Begräbnis werde!"
*
Als in einem Dresdner Theater eine Operette zum xten Male aufgeführt wurde, fragte ein Sänger einen Feuerwehrmann, der seit der Premiere allabendlich löschbereit in den Kulissen stand: „Das muß doch recht langweilig sein, zum zehnten Male dasselbe Stück sich anschauen zu müssen? Aber das ist doch sicher leichter Dienst für Sie und Erholung?" Der Feuerwehrmann zuckte die Achseln Und antwortete: „Das is Geschmaggsache! Ich fier mein Deel lesche liewer ä Großfeier!"
-i-
Raubanfall auf einen Herrn. Einer der Banditen hält dem Opfer die Pistole auf die Brust. Der andere räumt ihm die Taschen aus. Plötzlich sagt dieser entrüstet: „Sie müssen sich mal das Loch in der Tasche zunähen lassen — wie leicht hätten Sie da das Portemonnaie draus verlieren können!"
32. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.)
Da sprang Susi zitternd aus dem Sessel, ballte die kleinen Händchen und rief empört: „Nur Pa hat über Entlassungen zu entscheiden!"
Einige Sekunden herrschte lautlose Stille im Raum. Eine unheilschwangere Ruhe, nur jener vergleichbar, die einem furchtbaren Unwetter vorauszugehen pflegt. Dann brach aber auch schon das Gewitter mit elementarer Gewalt los.
„Susanne! Bist du denn von Sinnen? Du wagst es, mir in Gegenwart eines Dienstboten zu widersprechen?"
„Johann ist kein Dienstbote, Tante! Pa hat ihn mit seiner Frisur engagiert. Und die bleibt so!"
„Daß ich dir nicht gleich — —!" Krebsrot und unfähig, sich noch länger zu beherrschen, hob Tante Elisa die Hand.
Susi fuhr zurück.
„Schlagen? Mich schlagen? Das wirst du dir noch einmal überlegen!" So drohend war ihre Haltung, so flammend ihr Blick, daß Tante Elisa unwillkürlich die Hand sinken ließ. Mühsam gefaßt wandte sie sich an den Mann an der Tür.
„Gehen Sie!"
Johann zögerte. Auch er war bleich geworden und sah mit zusammengepreßten Lippen zu der Komteß hinüber, die die aufsteigenden Tränen herunterzukämpfen tapfer bemüht war.
„Hinaus!" schrie Tante Elisa erbost. „Und morgen mit.
tag punkt Zwölf hier angetreten, sonst-Sie wißen
sa wohl Bescheid!"
Da verließ er wortlos das Zimmer.
„Nun zu dir!" wandte sie sich zornbebend an die Nichte. ,So ein ungeratenes Geschöpf bist du also! Sich auf Seiten »er Dienstboten zu stellen! Pfui, schäme dich! Das ist Auf
ruhr! Meuterei! Das — das ist der Gipfel aller deiner
bisher gelieferten Schandtaten!"
Sie lachte hart auf.
„Dein heutiges Betragen wirst du noch bereuen! Ich werde deinem Vater alles berichten. O," brach sie in Tränen aus, „wie merkt man hier auf Schritt und Tritt die fehlende, sorgende Frauenhand!"
„Besonders die deine hat uns hier noch gefehlt!" erwiderte Susi giftig. „Gerade die, die du vorhin so zärtlich erhoben hast!"
„Schwelge!" Klatschend fuhr ihre Hand auf den Tisch. „Marsch! Auf dein Zimmer jetzt mit dir! Du wirst es heute zur Strafe nicht mehr verlassen! Und morgen wirst du mich für dein heutiges Betragen um Verzeihung bitten! Davon wird es abhängen, ob ich deinen Stubenarrest auf- heben werde oder nicht. Im übrigen schreibe ich noch heute deinem Vater, damit er weiß, was für ein Früchtchen von Tochter er sein eigen nennt. So, nun geh!"
Susi ging. Nein, sie lief. Nein, sie stürmte. Zum Schloß hinaus und zur Garage hinüber.
„Johann! Johann!"
„Gnädigste Komteß?"
Bleich, sehr bleich, eine düstere Falte auf der Stirn, tauchte des Chauffeurs Gestalt aus dem Hintergrund des Schuppens auf.
„Machen Sie sich und den Wagen für eine größere Reise fertig, Johann!"
Er starrte sie an. „Gnädigste Komteß wollen-?"
„— ausrücken!" Schluchzend sank sie auf das Trittbrett des in der Garage stehenden Kraftwagens. „Ich ertrage es nicht länger. Den ganzen Tag nur Schikanen. Von morgens bis abends. O. daß Pa auch so lange fortbleiben muß!"
Schluchzend preßte sie das Taschentuch vor die Augen.
Johann wurde es ganz eigen zumute. Er hätte die Hand ausstrecken, ihr Köpfchen streicheln und sie tröstend an sich ziehen mögen. Und tat es dennoch nicht —
„Gibt es denn keine andere, keine bessere Lösung, Komteß?" murmelte er nur. „Vielleicht-"
Aber Susi wehrte ab.
„Keinen Tag bleibe ich länger hier! Keinen Tag! Einsperren will sie mich! Und um Verzeihung soll ich sie bitten!"
„Und-und das alles-das alles eigentlich nur
meinetwegen!" sagte er bedrückt. „Nur darum, weil Sie sich für mich einsetzten!"
Da lächelte sie unter Tränen und sah zu ihm auf: „Sprechen Sie nicht so. Johann. Pa ist es ganz gleich, wie Sie Ihre Haare tragen, das wissen Sie ja. Die Tante geht es nichts an. Und — und mir gefallen Sie eben so am besten, basta!"
Befreiend lachte er auf. Susi trocknete ihre Tränen und erhob sich. „Morgen früh fahren wir ab!"
„Morgen schon?" Und als sie lebhaft nickte, fragte er leise: „Wieder ins Blaue hinein?"
„Nein," erwiderte sie errötend, „diesmal nach Berlin. Ich könnte ja auch zu meinem Vater nach Pommern, aber das möchte ich nicht der Leute wegen. Und dann ist es ihm vielleicht auch nicht recht. Nein, wir fahren nach Berlin. Dort wohnt Fräulein von Weißbach, eine alte Dame, die früher Lehrerin im Adelsstift war, wo auch ich mich eine zeitlang befand. Fräulein von Weißbach und ich verstanden uns glänzend. Sie war faktisch der einzig vernünftige Mensch dort. Vor einem halben Jahr ist ihr Bruder gestorben, der ihr ein hübsches Landhaus hinterließ. Dort wohnt sie nun, seitdem sie ihren Beruf an den Nagel g^ hängt hat. Erst vor vier Wochen hat sie an Pa und mich einen netten Brief geschrieben. Dorthin fahren wir. Das alte Fräulein nimmt mich mit tausend Freuden auf."
„Und wie lange?"
„Ach, nur ein paar Tage. So lange, bis Pa wieder aus Pommern zurück ist."
Johann kratzte sich bedenklich hinter dem Ohr. „Gnädigste Komteß stellen sich so etwas gewiß zu einfach vor.'
„I wo. Geld nehme ich mit. Dazu brauche ich meine Tante nicht. Na, und Proviant — Sie wissen ja, wie ich das Zeug in nötigen Mengen und ausgesuchter Qualität zu finden weiß. Gehen Sie man morgen früh wieder in oie Waschküche! Also abgemacht! Kein Mensch braucht etwas zu erfahren!" (Fortsetzung folgt.)