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Molttag de« s. Sktoder ISSl

Amerikareise des Aeichskaazlers?

Paris, 4. Okt. Als neueste Sensation taucht wieder dasl Gerücht einer Reise des deutschen Reichskanzlers nach Wa­shington aus. Der Leiter des republikanischen Parte,vorstan- öes der Bereinigten Staaten, Robert Lucas, hat nach einer Agenturmeldung mitgeteilt, daß Brüning zu einem Besuch «och Ende dieses Monats nach Washington eingeladen werden würde.

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Die aus Paris kommende Meldung über eine bevor­stehende Einladung des Reichskanzlers nach Washington ist einstweilen noch nicht amtlich bestätigt worden. Man erinnert sich daran, daß, als vor einigen Wochen ähnliche Meldungen eintrafen, auf die Schwierigkeiten einer längeren Abwesenheit des Reichskanzlers von Berlin hingewiesen wurde. Die Mög­lichkeit einer Reise des Reichskanzlers nach Washington ist Wohl theoretisch auch während des französischen Besuchs in Berlin erörtert worden. Man ist aber in der Wilhelmstraße der Auffassung, daß auch während der nächsten Monate die innerpolitischc Situation kaum so klar sein wird, daß der Reichskanzler für drei bis vier Wochen die Reichshauptstadt verlassen könnte.

Da dem Washingtoner Kabinett sowohl die grundsätzliche Neigung des Kanzlers zu eurer persönlichen Besprechung wie auch die innerpolitischen Schwierigkeiten, die einer Reise ent- gegenstehen, bekannt geworden sein dürsten, bleibt abzuwarten, ob eine offizielle Einladung erfolgt.

AmerikanMe Initiative in der AbrüstungSfrage

Amerika und die deutsche Ostgrenze

Washington, 8. Okt. Im Staatsdepartement fand gestern eine sicbcnstündige Besprechung zwischen Staatssekretär Dtim- son und dem Sachverständigen für die Abrüstungssragc, Se­nator Morow, statt, lieber den Gegenstand der Konferenz, an der auch der Generalsekretär der amerikanischen Delegation zur Genfer Abrüstungskonferenz, ferner der Referent für Westeuropa und der Leiter der wirtschaftlichen Abteilung teil- nahmen, wird Stillschweigen bewahrt.

Baltimore Sun" will aber aus angeblich guter Quelle erfahren, daß man den Entwurf eines Sicherheitspaktes aus- gearbcitet habe, der, entsprechend französischen Wünscl)en, wei­tergehe als ein bloßer Konsultativpakt. Dieser Plan soll es Frankreich und Polen ermöglichen, Abstriche bei ihren Land- Heeren vorzunehmen und einer den deutschen Wünschen ent­gegenkommenden Regelung der polnischen Korridorfragc zu- zustimmen, damit im Osten Europas das Gefühl stabiler Ver- Wtnisse hergestellt werde.

Das grave RevifionSprogramm -es Faschismus

Rom, 3. Okt. Zu einem wichtigeir Beschluß in der Außen­politik kam in seiner heutigen Nachtsitzung der große faschi­stische Rat, das entscheidende Partei- und Verfassungsorgan des faschistischen Italien.

Mussolini sprach eine Stunde lang über die Innen- und Außenpolitik. Daraufhin wurde von allen anwesenden Mini­stern und Würdenträgern des Faschismus die Erklärung be­schlossen, daß die Weltsituation nicht zu einer Lösung kommen könne, wenn nicht ohne Zögern Maßnahmen ergriffen wür­den, die in erster Linie das Weltproblem der Rüstungen Uno das der Schulden und der Reparationen erfassen. Die Tätig­keit Grandes in Genf sei voll zu billigen, denn rr habe gegen alle Vorurteile und Schwierigkeiten die internationale Frage der Rüstungen auf eine realistische nud konkrete Ebene ge­bracht.

Bemerkenswert ist noch, daß der Generalsekretär der Par­tei, Giurati, den vollen Beifall des großen Rates fand, als er forderte, daß der Faschismus durch Propaganda dem Auslande in seiner wahren Weltbedeutung bekannt gemacht werden soll entgegen allenausländischen Nachahmungen und Verfälschun­gen" des Faschismus, die mit diesen Worten gewissermaßen verworfen werden.

Auftrieb -er englischen Wirtschaft

London, 4. Okt. Es zeigt sich immer deutlicher, daß die englische Wirtschaft durch die Pfundentwertung einen Auf­trieb erfahren hat. Besonders aus der Schiffahrt, der Ma­schinen-, Gruben-, Baumwolle-, Kunstseide- und Holzindustrie «egen günstige Berichte vor. Zum ersten Male seit langer Zeit haben auch die

Arbeitslosenziffer« einen Rückgang.

Im nordwestlichen Industriegebiet werden für die letzten Age 21000 Erwerbslose weniger ausgewiesen. Der Lanca- mrer Distrikt meldete eine Zunahme der Produktion aus allen

Vriining spricht vor -em Neichsrat

Berlin, 4. Okt. Die Notverordnung, die mit ihren 30Punkten" eine kleine Gesetzessammlung für sich bildet, soll am Montag in zweiter Lesung verabschiedet und am Dienstag oder Mittwoch den Länderregierungen in einer öffentlichen Vollversammlung des Reichsrates unterbreitet werden, die der Kanzler mit einer Darstellung unserer wirtschaftlichen und politischen Lage einleiten will.

Treviranus gegen Eurtins?

'Paris, 4. Okt. Die neueste Entwicklung in Deutschland wird von der Pariser Presse mit einiger Besorgnis verfolgt. Es wird zwar registriert, daß die Reichsregierung, wie derEx- celsior" schreibt,um jeden Preis die Mark verteidigen will", aber Gerüchte über schwere Uneinigkeiten im Kabinett selber lassen die Zukunft problematisch erscheinen. Nach den hiesigen Berichten hätten vier Minister Lreviranus, Grüner, Schiele und Schätze! Dr. Eurtins' Haltung in Gens desavouriert. Eurtins sei entschlossen, aus jeden Fall zu demissionieren. An­dererseits werden in der hiesigen Presse die Zwischenfälle an der Ruhr und das Aufslackern kommunistischer Streiks auf den Schissen und in den Häfen als ernste Symptome angesehen.

IMernattonale Herabsetzung -er Gow-erkulg?

Berlin, 3. Okt. WieUnited Preß" an maßgeblicher Stelle erfährt, hat der Generaldirektor der Bank für inter­nationalen Zahlungsausgleich, Quesnah, den Plan einer all­gemeinen Revision des Goldstandards ausgearbeitet, der bei der nächsten Direktionssitzung der Bank für internationalen Zahlungsausgleich am 12. Oktober porgelegt werden soll. Es handelt sich bei diesem Projekt um die Herabsetzung der Gold deckungen der beteiligten Staaten auf die Hälfte, also ans 2b Prozent des Notenumlaufs, nachdem die bisherigen Gold­deckungen im Durchschnitt etwa 4b Prozent betrugen. Ques- nahs Plan soll nicht nur denjenigen Staaten Hilfe bringen, die an Goldmangel leiden, sondern auch die Lage der Länder, die in Golöüberfluß ersticken, verbessern. Man hofft, daß eine Neuverteilung der Goldbestände zustande kommen würde, die eine Belebung des internationalen Handelsverkehrs Hervor­rufen müßte.

Gebieten. Seit Jahren ereignete cs sich zum erstenmal wieder, daß chinesische Firmen Baumwollorders nach England gelegt haben.

Was den Stand der Schiffahrt betrifft, so waren im August 153 Schiffe allein aus dem Thnc stillgelegt. Diese Schiffe sind mittlerweile auf 140 heruntergegangen. Die Frachtsätze sind gestiegen. Eine Flotte von acht Dampfern ist von Plymouth nach den Waliser Häfen abgegangen, um von dort ans

Kohle nach den Mittelmeerhäfen

zu verfrachten. Man rechnet mit gesteigertem Kohlecxport nach allen Ländern, die den Goldstandard beibehalten haben. Dagegen glaubt man, weniger mit den skandinavischen Staa­ten konkurrieren zu können, weil die dortige Geldentwertung die wirtschaftlichen Auswirkungen der englischen Abkehr vom Goldstandard wettgemacht hat.

Der Verlust der Reichsbank an Gold und ausländischen Devisen wird in der englischen Presse lebhaft kommentiert. Es wird jedoch darauf hingcwiesen, daß dieses Ergebnis durch verschiedene Ereignisse hervorgerufen wurde, die einmaligen Charakter answeisen und sich schwerlich wiederholen bürsten. Es fällt jedoch auf, daß viele deutsche Exporthäuser augen­scheinlich den Erlös aus ihren Verkäufen im Auslande belasten haben.

Fm übrigen steht gegenwärtig die amerikanische Gold­position im Mittelpunkt des Interesses. Man vernimmt nicht ohne Erstaunen, daß Amerika im Zeitraum vom 2«. Septem­ber bis 2. Oktober 57 916 23b Dollars in Gold an das Aus­land hat abgeben müssen, von denen allein 49 674 53b Dollars nach Frankreich flössen.

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Athen, 3. Okt. Im reich beflaggten Hafen von Piraeus, in Gegenwart einer zahlreichen Menschenmenge, umarmte und küßte heute Veniselos den türkischen Minister Jsmed Pascha bei seinem Eintreffen. Es ereigneten sich keine Zwischenfälle. Zu Ehren des Gastes finden zahlreiche Empfänge und Fest­esten statt, auch in der Sowjetgesandtschast. Nach der Ratifi­zierung des türkisch-griechischen Vertrages wird Jsmed Pascha Dienstag abend nach Rom und von da nach Budapest abreisen. Alle Zeitungen enthalten sehr herzliche BegrLßungsartikel.

Auszug aus der SVD.

Die Breslauer Ortsgruppe gründet eineSozialistische Arbeiterpartei Deutschlands"

Breslau, 3/ Okl. Am Freitag abend fand in Breslau eine von dem durch Parteibeschluß ausgeschlossenen Vorsitzenden des Breslauer Ortsvereins der SPD., Rechtsanwalt Dr. Eck­stein, einberufene Versammlung statt, die von etwa 3000 Per­sonen besucht war und in der die sozialdemokratischen Reichs­tagsabgeordneten Ziegler und Seydcwitz sprachen. Am Schluß der Kundgebung, auf der sich Seydcwitz und Ziegler scharf gegen die Toleriernngspolitik der deutschen Sozialdemokratie aussprachen, die einer Ohnmachtspolitik gleiche und den For­derungen der Arbeiterschaft nicht entspreche, wurde eine Ent­schließung angenommen, in der cs u. a. heißt: Die Partei­organisation Breslgu erklärt stch mit ihrem Führer Eckstein solidarisch und betrachtet sich als aus der SPD. ausgeschlossen. Die bisherigen Parteigenossen und das ganze deutsche Prole­tariat werden zur Gründung derSozialistischen Arbeiter­partei Deutschlands ausgerufen. Die Entschließung wurde gegen 4 Stimmen angenommen. Mit einem Hoch ans die neu­gegründete Partei wurde die Versammlung geschlossen.

Pfarrer Eckert ausgeschlossen

Ncbertritt zu den Kommunisten

Der badische Landesvorstand beschloß in seiner Sitzung am letzten Freitag, den Mannheimer Pfarrer Erwin Eckert wegen Zellenbildung in der Partei und groben Vertrauensbrnch, unter Ausschluß des statutarischen Verfahrens, mit sofortiger Wirkung aus der Partei auszuschließen. Pfarrer Eckert hatte an den Ortsvereinsvorstand der Sozialdemokratischen Partei Mannheim ein Schreiben gerichtet, in dem er ersucht, über den Landesvorstand beim Parteivorstand in Berlin vorstellig zu werden und von diesem zu verlangen, daß ein Ausschuß eingesetzt werde, der die Angelegenheit Seydcwitz zu unter­suchen habe mit der sofortigen Aushebung des Ausschlusses von Seydcwitz aus der Partei. In diesem Schreiben bekennt sich Pfarrer Eckert zur Zellenbitdung in der Partei, indem er u. a. schreibt, er werde die Verbreitung derFackel" auch wei­terhin zu organisieren Versucher: und die freie Verlagsgesell- schast unterstützen. Er mache sich also desselben Vergehens schuldig, wegen dessen die Genossen Seydcwitz und Rosenfcld ausgeschlossen worden seien. Außerdem erklärt Eckert zum Schlüsse, daß er an der auf Sonntag von Seydcwitz nach Berlin zusammenberufcnen Konferenz teilnehmen werde.

Wie aus einer Feststellung des sozialdemokratischen Lan­desvorstandes weiter hervorgeht, versuchte Eckert, der Führer der religiösen Sozialisten, schon seit langem, Zellen in der Partei zu bilden und illegale Zusammenkünfte zu organisie­ren. Er mußte sich dieserhalb vor dem Vertrauensmänncr- kürper der Sozialdemokratischen Partei Mannheims am 11. August verantworten. Hier gab Eckert am Schluffe der Ver­handlung die Erklärung ab, daß er cingesehen habe, daß er nicht mehr an solchen Zusammenkünften sich beteiligen werde. Dieses Versprechen gegenüber den Parteigenossen hat Eckert nicht gehalten, sondern seine heimlichen Konferenzen weiter geführt.

Wie verlautet, tritt am Dienstag der Vorstand der reli­giösen Sozialisten zusammen, um zu der durch den Ausschluß Pfarrer Eckerts aus der SPD. geschaffenen Lage Stellung zu nehmen. Vermutlich dürfte der aus Mitgliedern der SPD. bestehende Vorstand das Verhalten Eckerts mißbilligen und Eckert selbst die Aemter niederlegen, die er bisher im Verband religiöser Sozialisten bekleidete.

In einem Rundschreiben der Bezirksleitung Baden-Pfalz der KPD. wird mitgcteilt, daß Pfarrer Eckert Mitglied der nächsten russischen Delegation sein werde.

Die »Sozialistische Arbeiterpartei-

in Berlin gegründet

Berlin, 4. Okt. Am Sonntag ist auf einer Reichskon­ferenz der sozialdemokratischen Opposition die Gründung der Sozialistischen Arbeiterpartei beschlossen und Sannt die Spal­tung der Sozialdemokratie gewissermaßen feierlich sanktioniert worden.

Die Gründungskonferenz fand, wie eine Berliner Kor­respondenz zu berichten weiß, in einem Charlottenburger Lo­kal, dessen Adresse aber geheim gehalten wurde, statt. An ihr nahmen über 200 Delegierte teil, die von den insgesamt 32 Reichstagswahlbezirken 25 vertraten. Auch Abgeordnete der Sozialistischen Arbeiterjugend waren mit ihren Bannern er­schienen. Das Referat hielt der Reichstagsabgeordnete Seyde- witz, der eigentliche Inspirator der Bewegung und wohl auch der neuen Partei. Er tadelte die Tyrannei des soizaldemo- kratischen Parteivorstandes, wies aus Vermittlungsversuche der letzten Zeit hin, die von namhaften Führern der Inter­nationale, so auch von dem Führer der österreichischen Sozial­demokraten, Otto Bauer, ausgegangcn seien, und entwickelte dann die Grundsätze« der neuen Partei. Sie wolle eigentlich gar keine Partei, sondern nur eine Kampsgenossenschaft sein. Man wolle die Taktik der Demokratie anwenden, werde aber notfalls auch Mittel der Diktatur nicht verschmähen. Schließ­lich kündigte Seydewitz noch an, daß vom 1. November die Sozialistische Arbeiterzeitung" als Organ der Neugründung erscheinen werde.

Klaus Zweiling, der bisher Redakteur des sozialdemokra­tischen Parteiblattes in Plauen war, will sich, wie auf der Gründungskonferenz noch mitgeteilt wurde,wehrhaft" ma­chen und dem sozialdemokratischen Reichsbanner wohl nach österreichischem Muster einen sozialistischen Schutzbund ent- gegenftellen. Das hat gerade noch gefehlt!