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Amtsblatt für den GberamtsbezirkNeuenbürg
m. 215_Dienstag den 15. SeMember 1931
Me Vreuken-Ilowerocdnuna
Berlin, 14. Sept. Die preußische Regierung hat die erwartete Sparnotvcrordnung veröffentlicht. Sie enthält Aen- deruugen des Besoldungsgesetzes, insbesondere bei den Beamten der Schulverwaltung; es wird eine Besörderungssperre erlaffen und das Aufrücken in den Dienstaltersstusen auf zwei Jahre ausgesetzt. Me Altersgrenze für Hochschullehrer wird aufgehoben und Versetzungen sollen äußerst beschränkt werden. Die Gemeinden werden zu allen zum Ausgleich ihrer Budgets notwendigen Sparmaßnahmen ermächtigt einschließlich des Kündigungsrechts entgegenstehender Verträge mit halbmonatiger Frist (Tarifverträge ausgenommen).
In einer Anlage werden die „Richtlinien für die Festsetzung der Bezüge von Gemcindebeamten" dargestellt.
Ter Oberbürgermeister Berlins erhält ein Grundgehalt, das den Betrag von 30 060 R.M. nicht übersteigen darf. Die Grundgehälter des Bürgermeisters und Stadtkämmerers in -er Zentralverwaltung dürfen 22 000 R.M. nicht übersteigen. Das Grundgehalt der Stadträte ist höchstens mit 16 000 R.M. festzusetzen. Die übrigen Städte sind nach ihrer Einwohnerzahl in sieben Gruppen eingeteilt. So betragen die Grundgehälter in Gruppe 1, Städte von 400 000 bis 1000000 Einwohner: Oberbürgermeister 18 000 bis 24 000 R-M-, zweiter Bürgermeister 15 000 bis 17 000 R.M.; Gruppe 4, Städte von Z6V00 bis 50 000 Einwohner: Oberbürgermeister bis 14 000 Reichsmark, zweiter Bürgermeister bis 10 600 R.M.; in Gr. 7, Städte unter 2500 Einwohner: Bürgermeister 2800 bis 5000 Reichsmark, Zulage bis 700 R.M
In der Gruppe der Städte von 100 000 bis 400 000 Einwohnern erhält der Oberbürgermeister 15 bis 18000 R.M-
In einer Pressebesprechung begründete Finanzminister Dr. Hopker-Aschosf diese Notverordnung. Das Defizit betrug am 1. April 1931 schon 20-1 Millionen; die schwebenden Schulden 274 Millionen. Bei dieser Lage zwangen die zu erwartenden weiteren Einnahmerückgänge und die Einlösung preußischer Schatzanweisungen in erheblichem Umfang zu neuen Einsparungen. Die Ersparnisse im Sachetat werden auf 50 Millionen, die Einsparungen beim Personaletat in diesem Jahre insgesamt rund 200 Millionen betragen; dies bedeutet die völlige Beseitigung der Besoldungserhöhung von 1927.
Schwere Tumulte um eine politische Versammlung
5 Schwer- und 25 Leichtverletzte
Berlin, 14. Sept. Im Sportpalast findet heute abend um Ehr eine große sozialdemokratische Kundgebung statt, bei der der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Künstler und als sein Gegenredner der kommunistische Reichstagsabgeordnete Neumann sprechen werden. Schon im Lause des Nachmittags kam es zu größeren kommunistischen Ansammlungen. Reichsbannerleute wurden mit Gejohle und aufreizenden Sprechchören empfangen. Der Verkehr in der Potsdamer Straße konnte nur mit starken polizeilichen Absperrungen ausrecht erhalten werden. Die Polizei bemühte sich, die Radau- lustigen in die Seitenstraßen abzudrängen. Gegen 18 Uhr herrschte in der Gegend des Sportpalastes starke Unruhe.
Bei den Tumulten, die sich vor Beginn der SPD.-Kund- gebung vor dem Sportpalast entwickelten, sind eine Anzahl Verletzungen zu verzeichnen. Durch die panikartige ^Flucht der abgedrängten Kommunisten wurde ein Teil der Flüchtlinge zu Boden gerissen. Die über ihnen hcrströmende Masse trat aus die am Boden Liegenden. Dabei wurden 5 Personen schwer und 25 leicht verletzt. Von den Schwerverletzten, die in Krankenhäuser geschasst wurden, hatte einer einen doppelten Beckenbruch, die anderen trugen Arm- und Beinbrüche davon.
Bis ^8 Uhr abends wurden 8 männliche Personen wegen Widerstand gegen die Polizeigewalt verhaftet.
Obwohl der Sportpalast schließlich nur bis zur Hälfte gefüllt war, hat die Polizei jeden weiteren Zutritt zum Versammlungslokal gesperrt. Vermutlich wird die Versammlung selbst in aller Ruhe abgehaltcn werden.
Die SPD.-Kundgcbung im Sportpalast war etwa gegen 23 Uhr beendet. Der Veranstaltung wohnten etwa 8500 Personen bei. Im ganzen wurden bisher 10 Personen fest- genommen. 11 Personen, darunter 3 Polizeibeamte, wurden verletzt. Nach Schluß der Versammlung haben sich besondere Zwischenfälle nicht ereignet.
Amerika zahlt Ivo Millionen Mark
Frankreich gibt seinen Widerstand auf
Berlin, 14. Sept. Binnen kurzem werden aus den Vereinigten Staaten rund 100 Mllionen Mark nach Deutschland stießen, die auf Grund von Urteilen der gemsichten Schiedsgerichtshöfe an deutsche Entschädigungsberechtigte zu zahlen sind. Gleichzeitig wird Deutschland einen (allerdings wesentlich geringeren) Betrag an Amerika überweisen, dem durch die gleichen Gerichte Entschädigungssummen zugesprochen worden sind. Es handelt sich bei diesen Klagen um Ansprüche, die durch Beschlagnahme des privaten Eigentums während der Kriegszeit hervorgerufen worden sind. Mir die deutsche Wirt-
Eiue besondere Notverordnung betrifft Las Landtags- Wahlgesetz und vermindert durch Erhöhung der Wahlguotien- ten von 40 000 auf 60 OM die Zahl der Abgeordneten um ein Drittel.
Eine entsprechende Verminderung der Zahl der Staatsratsmitglieder ist geplant, setzt aber eine Aenderung der Preußischen Verfassung voraus, die nur durch eine Vorlage im Landtag herbeigesührt werden kann.
Bei den letzten Wahlen wurden 449 Abgeordnete in den Preußischen Landtag entsandt. Nach dem neuen Verteilungsschlüssel wären es nur etwa 320 Mandatsträger gewesen. Bei einer gleich starken Wahlbeteiligung dürfte der nächste Landtag. der im Mai 1932 gewählt werden soll, aus etwa 335 bis 340 Abgeordneten bestehen, weil die Zahl der Wahlberechtigten inzwischen gestiegen ist.
Für den Reichstag ist auch bereits der Entwurf eines Neuwahlgesetzes ausgearbeitet, der vorsieht, daß auf 70 000 statt wie bisher auf 60 OM Stimmen ein Mandat entfällt.
9er Vegmn der Veratungen des ReiOSkabinettS
Berlin, 14. Sept. Das Reichsiabinett hat heute nachmittag die Beratung des großen Herbstprogramms begonnen und zwar standen heute die Fragen auf der Tagesordnung, die mit den Banken, dem Reichsanfsichtsamt usw. Zusammenhängen. Das Kabinett wird diese Verhandlungen voraussichtlich auch am Mittwoch fortsetzen und dann in Dauersitzungen möglichst bis Ende der Woche zu einem Abschluß zu kommen suchen, damit die Veröffentlichung in der ersten Hälfte der nächsten Woche erfolgen kann. Für den morgigen Dienstag sind Besprechungen zwischen dem Reichskanzler, dem Reichs- sinanzminister und den Finanzministern einer Reihe von Ländern vorgesehen, nämlich von Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden und Hessen. Es liegt aus der Hand, Laß öavei die Finanzsorgen der Länder einen Ausweg aus den gegenwärtigen Schwierigkeiten finden können.
schaft ist die Ucücrweisung von mehr als IM Millionen von erheblicher Bedeutung. Auch die Reichsbank zieht daraus ihren Nutzen, weil sie in den Besitz einer erheblichen Menge Dollarnoten kommt. Bis zum letzten Augenblick war es allerdings fraglich, ob es zu dieser Ueberweisung kommen würde. Frankreich hatte sich aus den Standpunkt gestellt, daß auch die gegenseitige Verrechnung der Schadensersatzansprüche während des Hoover-Feierjahrcs zu ruhen haben. Es kam dann zu amerikanisch-französischen Verhandlungen, die einen sehr ungünstigen Verlaus nahmen, so daß sich der amerikanische Botschafter in Paris schließlich veranlaßt sah, seine Regierung auf ein Scheitern seiner Verhandlungen vorzubereiten. Mit welchen Mitteln Washington im letzten Augenblick eine Ausgabe des französischen Widerstandes erreicht hat, ist noch unbekannt. Auf jeden Fall ist cs aber erfreulich, daß die Auszahlung der Freigaberate doch noch möglich geworden ist, dazu zu einem Zeitpunkt, an dem es absolut ausgeschlossen ist, aus dem Ausland Geld hereinzubekommen.
Gandhis Einzug in London
Gandhi traf am Samstag mittag in Follestonc ein und fuhr nach kurzer Begrüßung in einem Auto seiner Freunde nach London weiter.
Die Ankunft in London vollzog sich ohne weiteres Aufsehen. Lauter Beifall und Heilruse empfingen Gandhi im Haus der Quäker, wo ein großer Empfang stattfand, als er im Weißen Lendentuch mit nackten Beinen in Begleitung seiner Freunde (darunter des Dekans von Cantcrbnry, sowie der von ihm unzertrennlichen Miß Slade) den Saal betrat. Entsprechend den Gewohnheiten der Quäker wurde die Versammlung mit einem Schweigen von mehreren Minuten eröffnet. Der Vorsitzende gab bekannt, daß Begrüßungstelegramme von Macdonald, Baldwin, Henderson und vielen anderen führendenden Persönlichkeiten eingetrosfen seien. Seine Rede gipfelte in dem Wunsche, daß die Mission Gandhis von Erfolg begleitet sein möge. Dieser werde aber nur dann kommen, wenn die Staatsmänner in das politische Lehen die Grundsätze der Religion und der Nächstenliebe hineintrügen.
Gandhi entschuldigte in seiner Antwortredc, daß er sitzend sprechen müsse, weil er nicht die Kraft habe, es im Stehen zu tun. Er legte dann dar, wie er in den letzten 40 Jahren die indische nationalistische Bewegung mit friedlichen Mitteln aufgebaut habe; auch heute noch sehe er die Methode der friedlichen Mittel als die einzige an, die zu einem Ergebnis führen könne. Seine Ausgabe sei durch das ihm vom Kongreß übertragene Mandat an gewisse Grenzen gebunden. Er kämpfe im Namen von Millionen Menschen für die Freiheit Indiens. Ans die Schwierigkeiten in England eingehend, sagte er, das englische Budget könne niemals völlig ausgeglichen werden, wenn nicht gleichzeitig auch ein ehrlicher englisch-indischer Ausgleich geschaffen würde. Er schloß seine Rede mit dem Hinweis, daß nicht nur Indien, sondern auch die ganze Welt die größten Vorteile davon haben würde, wenn Indien seine Freiheit erhielte.
89. Jahrgang
Wücttembermsche Notdilse
Großes Hilfswerk für de« Winter
Stuttgart, 14. Sept. Angesichts des Ernstes der Lage haben die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege in Berlin im Einvernehmen mit der Reichsregierung beschlossen, ein umfassendes Hilsswerk unter dem Namen „Winterhilfe" durchzuführen. Die Durchführung dieses Sammelwerks bleibt ganz den Organisationen in den einzelnen Ländern überlassen. In Württemberg war schon vor Bekanntwerden der Absichten in Berlin geplant, wie schon im vergangenen Winter unter dem Namen „Württ. Nothilse" ein großes Hilsswerk einzuleiten. Dieses wird sich nun der Deutschen Winterhilfe anschließen, doch in durchaus selbständiger Weise. Die Württ. Nothilfe soll ein über den ganzen Winter sich erstreckendes Hilfswerk zu Gunsten der notleidenden Bevölkerung sein. Es soll nicht etwa nur in einer einmaligen Geld- und Naturalien sammlung bestehen, sondern dazu anregen, den ganzen Winter über zu Gunsten der notleidenden Volksgenossen sich einzuschränkcn, Opfer zu bringen und tätig an der Behebung der großen Volksnot mitzuarbeiten. Die Württ Nothitse will alle Organisationen und Kräfte der freien Liebestätigkeit in unserem Volke zusammensassen und dafür sorgen, daß diese sich nicht zersplittern und nebeneinander arbeiten. Das Hilsswerk wird mit einem am 15. September in der Presse erscheinenden öffentlichen Ausruf der Spitzenverbändc der freien Wohlfahrtspflege, dem sich die württ. Staatsregierung und die Kirchenbehörden anschließen, eingeleitet werden. Die Leitung des Hilfswerkes hat die Zentralleitung für Wohltätigkeit in Württemberg. In den Bezirken haben die Bczirkswohltätig- keitsvereine das Hilfswerk zu leiten. Zunächst sollen die Lebensmittelsammlungen im ganzen Lande einsetzen, dann Kleidersammlungen und Geldsammlungen. Für den Transport der Lebensmittel auf der Bahn ist Frächtsreibeit zugesagt. Auch die Reichswehr stellt ihre Wagen unentgeltlich zur Verfügung. Bei den Leöensmittelabgaben sind besonders kinderreiche Familien zu berücksichtigen. Die öffentlichen Speisungen sollen in erster Linie für Ledige und Alleinstehende bestimmt sein. Die Abgabe von getragenen Kleidungs- und Wäschestücken ist eine wesentliche Hilfe für bedürftige Einzelstehende und Familien. Wie schon im vorigen Winter sind überall, wo hiesür ein Bedürfnis besteht, Wärmestuben und Taghcime einzurichten und Freizeiten und Kurse besonders für jugendliche Arbeitslose durchzuführen. In der Erwägung, Laß Arbeit besser ist als Fürsorge, soll auch die freie Wohlfahrtspflege alle Einrichtungen der Arbeitsfürsorge fördern und unterstützen. Die Bettenhilse wird auch in diesem Jahr fortgesetzt werden. Dringend notwendig ist, daß die freie Wohlfahrtspflege auch in einzelnen dringenden Notfällen mit Geldunterstützungen eingreift und die Betreffenden vor der Inanspruchnahme der öffentlichen Fürsorge bewahrt. Hiezu gehören Landwirte, die unverschuldet in schwere Not geraten sind und denen durch eine einmalige größere Gäbe geholfen werden kann. Auch Handwerkern, die infolge des schlechten Geschäftsgangs vorübergehend in Schwierigkeiten geraten, läßt sich manchmal durch eine einmalige Gabe aushelfen. Besonders zu denken ist dabei auch an geistige Arbeiter in den freien Berufen, an Künstler und Schriftsteller, die ihre Werke nicht mehr anbringen und deren Einkommen immer geringer wird- Die württ. Nothilfe will allen Notleidenden den Akut stärken und die Hoffnung lassen, daß sie, wenn alle ihre Pflicht tun und ohne Rücksicht ans Konfession, Stand und Partei zu einer geordneten zweckmäßigen Hilfe fest zusammenstehen und Zusammenhalten, über den kommenden Winter hinübergebracht werden. Wird die Not gemeinsam getragen, dann wird sie auch überwunden werden und unserem Volk können aus dieser schweren Zeit neue Kräfte des Zusammenhalts und die Aussichten einer echten Volksgemeinschaft erwachsen.
Die Versetzung des bad. Staatspräsidenten
Karlsruhe, 14. Sept. Um die Mittagsstunde verkündeten die Glocken im ganzen Lande Badens Trauer um den verewigten Staatspräsidenten, dessen irdische Hülle heute nachmittag beigesetzt wurde. Um 3 Uhr nachmittags versammelte sich im Landtagsgebäudc eine ansehnliche Trauergemeinde. Anwesend sind sämtliche badischen Minister, ferner Rcichsinnenminister Dr. Wirth, die Ministerpräsidenten von Bayern und Sachsen, die Staatspräsidenten von Württemberg und Hessen, ferner der württcmbergische Justizminister und der württembergische Fi- nanzministcr.
Punkt Uhr wurde die Trauerfeier im Landtagsgebäude durch eine Ansprache des badisckien Finanzministers Dr. Mattes ^eröffnet. Daraus ergriff der badische Landtagspräsident Duffner das Wort, um der segensreichen Wirksamkeit des Entschlafenen als Landtagsabgeordneter zu gedenken. Als dritter Redner. bestieg Reichsinnenminister Dr. Wirth das schwarz umflorte Podest. Nach ihm sprachen noch Präsident Dr. Baumgartner als Vorsitzender der badischen Zentrumspartei und Oberbürgermeister Dr. Finter-Karlsruhe. Die Leidtragenden begaben sich nach der Trauerksindgebung im Landtag nach dem städtischen Friedhof, wo der Sarg der Erde übergeben wurde.
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Hagen, 14. Sept. Am Sonntag mittag wurden von der Polizei in einem Versammlungslokal im Stadtteil Dehringhausen ganz über» raschend 74 Funktionäre einer illegalen Kampforganisation der Kommunisten sestgenommrn. Alle Festgenommenen werden dem Untersuchungsrichter zugeführt.