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Amtsblatt für den Gberamtsbezirk Neuenbürg
Nr. sr
Freitag de» «. März 1SS1
98. Iabrgang
zulassiuist res Stahlhelm-Volksbegehrens
Magdeburg, 5. März. Auf den vom Stalsthelmbund der Frontsoldaten gestellten Antrag auf Einleitung eines Bolksbegehrens zur Auflösung des preußischen Landtags hat der preußische Minister des Innern dem ersten Bnndesfnhrer des Stahlhelms, Franz Seldte, unter dem 4. März mitgeteilt, daß er die Auflegung von Eintragungslisten für ein Volksbegehren „Landtagsauflösung" bei den Gemeindebehörden zn- gelasien habe. Die Bekanntmachung der Zulassung wird am 1 ». März im Deutschcn Reichsanzeiger und im Preußischen Staatsanzeiger veröffentlicht. Landeswahlleiter ist der Präsident des preußischen statistischen Landesamtes, Geh. Oberregie- rnngsrat Dr. Saenger, sei« Stellvertreter der Vizepräsident dieses Amtes, Dr. Höpker.
Berlin, 5. März. Wie der Amtliche Preußische Pressedienst mitteilt, bestimmt die Bekanntmachung der Zulassung des Volksbegehrens „Landtagsauflösung" u. a.: Die Auslegung der Eintraguugslisten für ein Volksbegehren „Landtagsauslösung" bei den Gemeindebehörden wird zugelassen. Vertrauensmann der Antragsteller ist der Fabrikbesitzer Franz Seldte, Magdeburg, sein Stellvertreter der Oberstleutnant a. D. Theodor Düsterberg, Halle a. S.
Zur Form der Durchführung wird ausgeführt: Alle beteiligten Behörden haben die Vorbereitungen für die Durchführung des Eintragungsverfahrens sofort in die Wege zu leiten. Die für die Eintragungen notwendigen Eintragungslisten werden den Gemeindebehörden von Len Vertrauenspersonen oder ihren Beauftragten zugesanüt werden. Die Gemeindebehörden dürfen die Annahme der Eintragungslisten nicht verweigern. Der Empfang ist unverzüglich zu be
stätigen. Die Auslegung der Listen hat in der Eintragungs- frist, die vom 8. 4. bis 21.4. 1931 läuft, zu erfolgen. Werden die Eintragungslistcn erst nach Beginn dieser Frist oder so kurz vorher bei der Gemeindebehörde eingereicht, daß eine rechtzeitige Auslegung nicht mehr durchführbar ist, so verkürzt sich die Eiutragungssrist entsprechend. Alle Eintragungsberechtigten der Gemeinden müssen die Möglichkeit haben, innerhalb der festgesetzten Frist sich in die Listen einzutragen. Im Falle des Bedürfnisses können auch für Kranken- und Pflegeanstalteu besondere Einrichtungen getroffen werden. Die Gemeindebehörden haben durch Anschlag oder sonst in ortsüblicher Weise bekannt zu geben, wo, an welchen Tagen und zu welchen Tagesstunden die Unterschriften in die Listen eingetragen werden können. Es ist unzulässig und kann die Ungültigkeit der Eintragungen bewirken, wenn sie außerhalb der bekanntgegebenen Eintragungszciten oder -Räume vorgenonnnen werden.
Die Eintragungsränme müssen während der Eintragungsstunden ständig mit einem Beamten der Gemeinde besetzt sein. Erfolgen Eintragungen in Abwesenheit der Amtspersonen, die mit der Durchführung des Eintragungsgeschäftes betraut sind, so sind sic ungültig. Der Eintragungsfchein darf nur voir der Gemeindebehörde des Wohnortes und nur nach Prüfung der Eintragungsberechtigung ausgestellt iverden und zwar in der Zeit vom 11. 3. bis 7. t. 1931. Nach Ablauf dieser Frist ist eine Ausstellung unzulässig. Die Eintragungen sind bei Vermeidung der Ungültigkeit eigenhändig vorzunchmen. Eine in der Eintragungsliste einmal abgegebene Unterschrift kann nicht zurückgenommen werden. Nach Ablauf der Eintragungsfrist haben die Gemeindebehörden die Eintragungslisten unverzüglich abzuschließen und sie den Vertrmrenspersonen oder ihren Beauftragten anszuhälidijwn.
Aus -em Reichstag
Berlin, 5. März. Der Reichstag konnte die zweite Lesung des Etats des Innenministeriums noch nicht beenden. Endgültig verabschiedet wurden die Novelle zum Pfandbriefgesetz und das Gesetz über Eintragung von Hypotheken in fremder Währung. Die Novelle zum Privatversicherungsgesetz ging an den volkswirtschaftlichen Ausschuß.
Das Flottenbarrprogramm
Berlin, 5. März. Das Bauprogramm der Reichsmarine- leitung, das dem Reichshaushaltsplan beigegeben ist, besteht, wie der „Börsenkurier" berichtet, mit Rücksicht auf die ungünstige Finanzlage ans zwei Teilen. Der erste Teil des Pro- grammes steht u. a. den unaufschiebbaren Ersatz der vier ältesten Panzerschiffe vor. Der zweite Teil wird später den Ersatz der übrigen uns belassenen vier Panzerschiffe sowie der letzten drei Kreuzer enthalten. Das Panzerschiff I soll im Lause des Jahres 1332 und das Panzerschiff 8, für das jetzt die erste Rate voll 10,8 Millionen angefordcrt wird, bis zum Jahre 1931 fertiggestellt werden. Für das Panzerschiff I, Ersatz Preußen, werden einschließlich der Armierungell in diesem Haushalt 16,8 Millionen angefordcrt. Weiter enthält der Haushalt l931 Ä,7 Millionen für Neubauten, 2,1 Millionen für Torpedoarmierungen, sodaß der Gesamtbetrag für Schiffsbauten und Armierungen rund SO Millionen gegenüber 10,8 Millionen im Vorjahre beträgt.
Die Sozialdemokratie und die Finanzierung des Panzerschiffes 8
Berlin, 5 .März. Der Schwerpunkt der heutigen Verhandlungen zwischen den Sozialdemokraten und der Reichsregie- rung lag in einer Besprechung der Steuer-sachverständigen. Es handelte sich dabei um die Frage, ob es möglich- ist, in Form von Steuerzuschlägcn auf die höheren Einkommen und Vermögen eine Verständigung über eine Art Wehrbeitrag zu finden, durch deir das Panzerschiff 6 finanziert werden könnte. In sozialdemokratischen Kreisen verlautet, daß beim Zentrum eine gewisse Geneigtheit für diese Gedankengänge bestände, dagegen finden sie in der Fraktion der Deutschen Volkspartei scharfe' Ablehnung, wie auch in der Fraktionssttzung heute abend zum Ausdruck kam. Nach Informationen voll sehr gut unterrichteter anderer Seite sind die Aussichten für eine Verständigung aus dieser Basis recht gering. Der Kanzler selbst dürfte Wert darauf legen, unter allen Umständen ein langes Feilschen um Zugeständnisse zu vermeiden. Es ist wahrscheinlich, daß er den Sozialdemokraten schon morgen in diesem Sinne seinen Standpunkt bekannt gibt. Heute abend hielten übrigens das Zentrum und die Sozialdemokraten auch noch Fraktionssitzungen ab, um sich mit den aktuellen Problemen zu beschäftigen.
Kommunique über die sozialdemokratische Fraktionssitzung
Berlin, 5. März. Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion veröffentlicht über eine mehrstündige Fraktionssitzung, die sie heute abend abhielt, folgendes Kommunique:
Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion beschäftigte sich am Donnerstag mit der Haltung der Sozialdemokratie z« den schwebenden politische« Fragen, insbesondere zum Wehretat
und zum Ban des Panzerschiffes 6. Sie wird ihre endgültige Stellungnahme von den allgemeinen politischen Erwägungen und von den Entscheidungen über die sozialpolitischen und die finanzpolitischen Anträge der Sozialdemokratie abhängig machen.
Das Ergebnis von Men
Wien, 5. März. Der Wiener Staatsbesuch ist zu Ende. Nach den Blättermeldungen ans Wien, auch die nicht nur offiziellen und offiziösen, soll er überaus glücklich verlausen sein. Darüber wäre an sich nicht viel zu sagen. Aber auch sonst gut unterrichtete Beobachter versichern: Es sei in diesen vorwiegend wirtschaftspolitischen Verhandlungen ein grundsätzliches Einverständnis erzielt worden mit dem Ziele: Zoll- Union. Den Nachdruck wird man dabei aus das Eigenschaftswort „grundsätzlich" zu legen haben. Von heute auf morgen werden, leider, die Zollschranken noch nicht fallen. Auch dann wird dieses Ereignis überaus bedeutsam bleiben.
Worauf kam es bei dem Weiner Besuch an? Daß man sich einmal zusammensctzt, und miteinander die Wege bespricht, die man gehen will und die zu gehen auch möglich sind, und baß man über ein engeres Zusammenarbeiten und dessen Modalitäten einig wurde. Ist das, wie wir hoffen, geschehen, so war schon viel erreicht. Vor allem, daß Oesterreich und das Reich nicht mehr oder nicht wieder durch die vielerlei an einer nichtdeutschen Organisierung des mitteleuropäischen Raumes interessierten Mächte auseinander manövriert werden können. Die Zollunion selber wird man Wohl einem späteren Manöver überlassen müssen. Einstweilen gibt cs da noch uranche Hemmungen: Hüben und drüben, aber vielleicht mehr hüben als drüben. In diesen Dingen erfahrene Männer glauben übrigens, daß es leichter sein möchte, über eine Zoll-Union einig zu werden, als über einen Handelsvertrag, bei dem um die einzelnen Tarispositionen immer neuer Zwist erwächst.
Die Niederlande im Falle eines Krieges
ErLMrung des niederländischen Außenministers
Haag, 5. März. In Beantwortung einer Anfrage, welche Stellung die Niederlande im Falle eines Kriegsausbruches zu anderen Staaten einzunehmcn hätte, hat der Außenminister der Ersten Kammer eine Erklärung zugehen lasten, in der- betont wird, daß sich nach Ansicht der Regierung Holland im Hinblick auf seine Mitgliedschaft beim Völkerbunde nicht mehr iir allen Len Fällen, ind enen dies im Jahre 1911 noch möglich gewesen wäre, für neutral erklären könne. Bei einem Kriegsausbruch müsse man davon ausgehen, daß einer krieg- führenden Macht der Durchmarsch durch holländisches Gebiet nur unter den im Völkerbundspakt vorgesehenen Bedingungen gestattet werden dürfe und daß in den übrigen Fällen Holland vollkommmene Handlungsfreiheit habe. Die obligatorische Beteiligung an einer wirtschaftlichen Blockade, die sich gegen den als Angreifer bezeichnten Staat richte, beschränke sich gleichfalls auf die im Völkerbundspakt vorgesehenen Fälle. Die holländische Wehrmacht sei nach Auffassung der holländischen Regierung nicht ans Grund der Bestimmungen des Völkerbundspaktes zur praktischen Beteiligung an einem Kriege genötigt. Holland müsse im Gegenteil dazu beitragen, der Ausdehnung eines eventurllen kriegerischen Konfliktes vorzubeugen und die Einbeziehung holländischen Gebietes in die Kriegszone zu verhindern.
Der Flottenpatt
Rom ,5. März. Aus zuverlässiger italienischer Quelle erfahren wir, daß die amtliche Bekanntgabe der Einzelheiten der französisch-italienischen Flottenverständigung folgende Zahlen enthalten wird:
In der Größe der sogenannten Capital Ships — Schlachtschiffe — haben sich beide Mächte aus eine Maximaltonnage für einzelne Schisse von 23 333 Tonnen sowie auf eine Bestückung von nickst über 30 Zentimeter Kaliber geeinigt. Keine der beiden Flotten wird bis zum Jahre 1936 mehr als zwei dieser Schiffe in Dienst stellen. Bezüglich der Flugzeugmutterschiffe werden sich beide Mächte innerhalb der Maximalgrenze von 13000 Tonnen halten. Für schnelle Kreuzer von 10 000 Tonnen besteht die effektive Parität beider Länder bereits und bleibt unverändert. Jedes der beiden Länder besitzt davon sieben Stück, teils fertig, teils im Bau. Von diesen Schiffen werden bis znm Jahr 1936 keine neuen gebaut.
Für die leichten Kreuzer mit einer Bestückung bis höchstens 15,5 Zentimeter Kaliber und für die Hochsee-Torpedoboote ist vereinbart worden, daß nur die durch Alter ausfallenden Schiffe erneuert werden sollen. Im Jahr 1936 wird Italien auf diese Weise für diese Typen über eine Tonnage von, 17 000 Tonnen, Frankreich über eine sollhc von 51000 Tonnen verfügen. In der Unterseebootsklaffe sollen bis zum Jahr 1931 keine neuen Schiffe aufgelegt und bis zum Jahr 1936 ebenfalls nur die durch Alter notwendig werdenden Erneuerungen vorgenommen werden. In dieser Klasse wird Italien bis zum Jahr 1936 über 52 700 Tonnen, Frankreich über 81900 Tonnen verfügen.
Der allgemeine Stand der beiden Flotten wird UW für Jtalicn 141 000, für Frankreich dagegen 670 OM Tonnen zeigen. Frankreich wird dann also eine ziffernmäßige Ucberkegen- heit von 230000 Tonnen besitzen. Dafür wird Italien im Jahr 1936 an wirklich neuwertigen Schiffen 136 (M Tonnen besitzen, während Frankreich nur 586 OM Tonnen neuwertige Schiffe buben wirst. Dex Unterschied beträgt alia in diesem Fall genau 150 000 Tonnen.
Ramttn vor dem Mikrophon
Moskau, 1. März. Der zweite Tag des Moskauer Prozesses versetzte uns in den Ramsin-Prozeß vom November 1930 zurück. Bon zwei GUP.-Beamten vorgeführt und von den Zuhörern neugierig betrachtet, erschien, im Anzug und Aussehen unverändert, der damalige Hauptangcklagte Professor Ramsin vor dem Mikrophon, vor dem im Gerichtssaal alle Aussagen gemacht werden. Ramsin wurde diesmal als Zeuge vernommen, ebenso sein politischer Freund Laritschew (sowohl Rainsin als auch Laritschew wurden seinerzeit zum Tode, aber nachher zu zehnjähriger Freiheitsstrafe verurteilt. Es ist Ramsin aber gestattet, wissenschaftlich zu arbeiten). Neues brachten die stundenlangen Aussagen Ramsins und Larit- schews kaum. Sie sagten ihr Ja und Amen zur Darstellung des Anklageaktes, wonach die Ramsinpartei der mcnschewisti- schen Gruppe Geldmittel zugeführt habe. Erstaunlich wirken aus den Landeskundigen dabei die Summen, die genannt werden. Tenn bei dem hiesigen niedrigen Lebensniveau wären 80 OM Rubel für Werbearbeit hier und 90000 Rubel für Werbearbeit dort, sehr hohe Beträge, denen eine ioeitver- zweigte Organisation hätte entsprechen müssen. Aber andererseits wird der Angeklagte Suchanow genauestens verhört, woher, wieson und mit welchen Mitteln er zu einer Schreibmaschine kam, wobei es sich erweist, daß er sie sich hat leihen müssen, —
Viel Lärm um nichts! Geredet, kritisiert, debattiert und meinetwegen auch geheimtuerisch mit dem Auslande korrespondiert mögen Liese Moskauer Menschcwisten haben. Aber man braucht nur dem Redefluß mancher dieser „Verschwörer" zuzuhören und ihnen die unverkennbare Befriedigung am Gesicht abzulesen, daß sic hier eine Rolle spielen und von einem gestillten Saal angehört werden, um die Siutation so zu beurteilen, wie sie es verdient.
VMamerttsrmsMinrg in Angora
Stambul, 1. März. Das Stambuler Abendblatt „Akscham" veröffentlicht heute in allergrößter Aufmachung eine Meldung aus Angora, nach der Mustafa Kemal auf Grund der Eindrücke seiner Rundreise durch Anatolien die sofortige Auflösung des Parlaments für notwendig halte, damit die Bevölkerung durch Neuwahlen ihrer Meinung über die Politik des Kabinetts Jsmal Pascha Ausdruck geben könne. Das Stambuler Blatt. Las diese Information wiedergibt, glaubt, daß die Nationalversammlung schon morgen diesen Wunsch des Präsidenten erfüllen und Selbstauslösung beschließen werde. Das Blatt kündigt weiter an, daß der Zusammentritt eines neuen Parlaments automatisch Leu Rücktritt der Regierung herbeifiihren werde, doch sei trotzdem mit einer Neubetrauung Jsmet-Paschas zu rechnen.
Diese ganze Meldung weckt die Erinnerung daran, daß bereits vor Jahresfrist eine Gruppe von Abgeorvncten, die Kemal Pascha besonders nahestehen, eine Opposition gegen Jsmet-Pascha innerhalb der Regierungspartei organisieren wollten, noch bevor Feti Bei mit Kemals Zustimmung eine liberale Oppositionspartei gründete, die drei Monate später wieder aufgelöst wurde.
Da jetzt keine andere organisierte Partei außer der Regierungspartei? vorhanden ist, würden Neuwahlen wahrscheinlich zu einer klärenden Auseinandersetzung innerhalb der Partei führen. Jsmet-Pascha selber scheint mit der Auflösung des Parlaments einverstanden zu sein, wcil er sich der Mehrheit der Partei sicher zu sein glaubt.