406
machte auf die dem Antrag entgegenstehenden Schwierigkeiten aufmerksam, die im Falle der Schaffung von Zuschußkassen zur Invalidenversicherung in einigen Bestimmungen der letzteren, aber auch darin bestehen, daß mehrere größere Städte für ihre Unterbeamten bereits Pensionskaffen errichtet haben. Jedenfalls würden die Gemeinden, ev. auch der Staat, namhafte Beiträge zu leisten haben. In der Debatte fand der Kommissionsantrag allgemein eine sympathische Aufnahme, wobei eine gleichzeitige Regelung der Pensionsverhältnisse der Staats- und Gemeindeunterbeamten gewünscht und von der Gewährung der Pension an die letzteren auch eine Besserung für den Dienst selbst erhofft wurde. Zum Schluß erledigte das Haus noch einige Petitionen persönlicher Natur durch Ueber- gang zur Tagesordnung. Dienstag Nachmittag Gewerbe- und Handelsschulen.
Stuttgart 26. Mai. Die Abg. Liesch ing, Schmid -Freudenstadt und Schmid - Maulbronn haben in der Abg. Kammer folgenden Antrag eingebracht: die Kammer wolle die Bereitwilligkeit aussprechen, die Zustimmung zur Gewährung eines einmaligen Beitrags durch die K. Staatsregierung zu der vom Württ. Kriegerbund zu Gunsten der württ. Teilnehmer an dem Feldzug 1870/71, an den vor 1870 geführten Kriegen und an den Kämpfen der Schutztruppen, sowie von deren Hinterbliebenen gesammelten Spende „König Wilhelmtrost" in Höhe von 30 000 zu geben.
Stuttgart 27. Mai. Anläßlich der 14. Hauptversammlung des Verbandes deutscher Elektrotechniker hatte der „Württembergische elektrotechnische Verein" für heute für die Teilnehmer derselben einen Ausflug nach dem Lichtenstein und nach Reutlingen arrangiert. Gegen V 2 I Uhr mittags kam man mittelst Extrazuges in Honau an. Der starken Steigung halber konnte die große Zahl der Teilnehmer nicht auf einmal von letzterem Orte nach der Station Lichtenstein befördert werden, so daß die eine Hälfte auf einen späteren Zug Zurückbleiben mußte, wodurch sich denselben Gelegenheit bot, auch die „Olgahöhle" in Augenschein zu nehmen. Auf Schloß Lichtenstein angekommen, wurde den Teilnehmern im Forsthaus ein Frühstück gegeben, von der Firma C. und E. Fein Stuttgart, gereicht. Hieran schloß sich eine photographische Gruppenaufnahme und eine Besichtigung des Schlosses. Kurz nach 6 Uhr traf man wieder in Reutlingen, empfangen von der Reutlinger Stadtkapelle, ein, wo im „Hotel Kronprinz" ein gemeinsames Mittagessen stattfand, während dessen die vorgenannte Kapelle konzertierte. Neben mehreren Reden und Toasten hielt auch Oberbürgermeister Hepp (Reutlingen) eine Ansprache, in der er die Anwesenden namens der Stadt Reutlingen willkommen hieß Md in der er auf die große Bedeutung der Elektrotechnik hinwies. Auch an gesanglichen und humoristischen Vorträgen fehlte es nicht, sodaß hier die Wogen der Fröhlich
keit, welche den ganzen Tag über infolge des Regenwetters nicht so recht zum Durchbruch kommen konnte, bald recht hoch gingen. Noch während sich der Zug in Bewegung setzte, ließ die Reutlinger Kapelle ihre Weisen ertönen/ Allenthalben hörte man volle Befriedigung äußern. Den Schluß des Tages bildete eine gemütliche Zusammenkunft im Garten des „Hotels Royal".
Eutingen OA. Horb 27. Mai. Der hiesige Ortsvorsteher fühlte sich während eines Holzverkaufs im Gemeindewald plötzlich unwohl und bat um eine kleine Pause. Als man nach kurzer Zeit nach ihm sah, hatte ein Herzschlag seinem Leben ein Ende gemacht.
Tübingen 27. Mai. Im Pfrondorfer Walde wurden von dem Jagdpächter 2 Wilderer ertappt, als sie eben den in einer Schlinge gefangenen Rehbock fortschaffen wollten.
Heidenheim 26. Mai. Gestern Abend ist der Streik der Zimmerleute auch beendigt worden, indem dieselben sich bedingungslos unter den alten Lohn gefügt haben.
Wurmberg 27. Mai. Am Donnerstag stürzte ein Radfahrer aus Mönsheim so unglücklich von seinem Rad, daß er mit zertrümmerter Schädeldecke liegen blieb und ohne das Bewußtsein wieder erlangt zu haben nach einer Stunde starb. — Dem Schullehrer Gollmer von hier wurde aus Anlaß seiner 25jährigen Tätigkeit an der hiesigen Schule seitens der Gemeinde und seiner Schüler sinnige Geschenke überreicht.
Sufflenheim 21. Mai. Von einem rührenden Beispiel von treuer Mutterliebe weiß die „Hag. Ztg." zu berichten. Die heute zu Grabe getragene Witwe Körner, nahe an den 80er Jahren stehend, war schon längere Zeit leidend und, wohl ihren nahen Tod voraussehend, hatte sie nur noch den einen Wunsch, ihren Sohn, den Direktor der Porzellanfabrik des deutschen Kaisers in Cadinen, mit seiner Familie zu sehen. Obwohl sie auf das Gefährliche der weiten Reise aufmerksam gemacht wurde, wollte sie dieselbe wagen und erklärte, wenn sie nur noch zwei Tage bei ihrem Sohn bleiben könne, so sei ihr Heisester Wunsch erfüllt und sie wolle dann gerne sterben. Und wie gewünscht, so geschah es. Freitag vor acht Tagen reiste sie von hier ab, kam glücklich bei ihrem Sohne an und starb dort nach drei Tagen, zufrieden und glücklich, ihr einziges Kind und ihre kleinen Enkel noch einmal gesehen zu haben.
Leipzig 26. Mai. Eine von 2000 Buchbindern besuchte Versammlung nahm Stellung zu dem Buchbinderstreik. Es wurde ein neuer Tarifentwurf mit erhöhten Forderungen vorgelegt, der auf drei Jahre Gültigkeit haben soll. Der Entwurf fand einstimmige Annahme. Es wurde beschlossen, in den drei Plätzen Leipzig,
Berlin und Stuttgart erst dann die Arbeit wieder aufzunehmen, wenn der Buchbinder-Arbeitgeber- Verband den neuen Tarif anerkannt haben wird.
B erlin 26. Mai. (Reichstag.) Präsident Graf Ballestrem eröffnet die Sitzung mit der Mitteilung, daß eine einmalige Eintragung in die Präsenzliste genügt an den Tagen, an denen mehrere Sitzungen stattfinden. Sodann wird der Antrag wegen Vertagung des Reichstages bis zum 13. November vom Haus angenommen. Es folgt die zweite Beratung des Handels- und Schiffahrtsvertrages mit Schweden. Der Handelsvertrag wird angenommen. Ferner werden die hierzu vorliegenden Resolutionen, mit denen die verbündeten Regierungen einverstanden sind, mit großer Mehrheit angenommen. — Es folgt die zweite Beratung des zweiten Ergänzungsetats und des Ergänzungsetats für die Schutzgebiete. Entsprechend den Kommissionsbeschlüssen werden auch diese Etats ohne Erörterung bewilligt. Damit ist die Tagesordnung erschöpft. Nächste Sitzung heute 1 Uhr. Tagesordnung: Fortsetzung der dritten Lesung des Etats, des Ergänzungs-Etats und des Handelsvertrages mit Schweden.
113. Sitzung vom 26. Mai 1 Uhr. Ohne Debatte wird zunächst der Handels- und Schiffahrtsvertrag mit Schweden in 3. Lesung angenommen. Es folgt die Fortsetzung der 2. Beratung des Ergänzungsetats. Von den noch unerledigten Forderungen für die Kolonieen hat die Kommission die für Ostasrika geforderten vier neuen schwarzen Kompagnien, die für Südwestafrika geforderten 10 Millionen Mark zur Entschädigung der Farmer, sowie die 5 Millionen zum Bau der Bahn Keet- mannshop-Kubub abgelehnt, im klebrigen genehmigt, darunter 500000 Mark Beihilfe zur Ansiedelung in Südwestafrika. Abg. Semmler (nat.) beantragt, 3 Millionen zur Hilfeleistung aus Anlaß von Verlusten infolge der Eingeborenenaufstände zu Gunsten von Personen, die sich in Südwestafrika ansiedeln wollen, zu bewilligen. Kolonialdirektor Hohenlohe betont in seiner längeren Ausführung, daß es von eminenter Wichtigkeit sei, daß man den Süden in der Kolonie nicht aufgebe, sondern in der Hand behalte und wenigstens 1000 Mann dort belasse. Redner bittet, noch den Bahnbau zu bewilligen, der auch von großem wirtschaftlichem Wert sei. Abg. Dr. Arendt (Rp.) tritt für die Forderung ein, während Abg. Ledebour (Soz.) namens seiner Partei den Antrag ablehnt. Abg. Spahn (Ztr.) erklärt, das Zentrum könne sich nicht von der Notwendigkeit dieser Bahn überzeugen. Nach Bemerkungen der Abgeordneten Staudy (kons.) und Sernmler (nat.) erklärt Oberst Deimling, er hoffe nach seiner Ankunft in Südwestafrika, bald mit den Aufständischen aufzuräumen. Die Aufgabe des Südens sei nicht zu empfehlen. So lange er die Ehre haben werde, das Kommando zu führen, werde der Süden nicht aufgegeben werden. (Unruhe.) Darüber hat nur Einer zu bestimmen, sonst Niemand. Bewilligen Sie die Bahn, so können die Truppen entbehrt werden. Nach weiterer Erörterung, in welcher mehrere Abgeordnete lebhaft Klage führen über den Ton, den Oberst Deimling der Volksvertretung gegenüber angeschlagen hat, wird die Debatte geschlossen. Die Forderung für den Bahnbau wird mit 186
daß die Freiwache nicht vor der Ablösungszeit gerufen werden sollte. Es war dies, wie ich einsah, sehr vernünftig, denn das Schiff befand sich augenblicklich in solcher Ordnung, daß, mochte kommen was da wollte, es nicht überrascht werden konnte. Somit hatte ich auch keine Veranlassung mehr, mir noch länger den Schlaf zu entziehen, ich ging in meine Koje und legte mich nieder.
Seeleute lernen es, schnell einzuschlafen und rasch munter zu sein; sie lernen sogar in einem kurzen Schließen der Augenlider Erfrischung zu finden. Ein Landbewohner kann sich das nur schwer aneignen. Ich wurde geweckt, als es acht Glasen schlug, sprang sogleich auf und ging auf Deck.
Es war noch dunkler als zur Zeit, in der ich in meine Koje ging; kein Stern war jetzt sichtbar; die Nacht lag wie Tinte auf der Tiefe und die Windstille hatte etwas geradezu Beklemmendes. Die Dünung war noch dieselbe wie vorher.
Sowie der Kapitän mich sah, befahl er mir, das Vor-Marssegel fest- machen zu lassen. Bei der totalen Finsternis dauerte es eine ganze Weile, bis ich nach vorn kam; Schritt für Schritt tastend und nach einem Halt für die Hände suchend, tappte ich breitbeinig vorwärts. Weniger würde ich auch nicht gesehen haben, wenn ich stockblind gewesen wäre, nur zuletzt leitete mich der Schimmer, den die Vorderkastell-Lampe auf das Deck warf.
Obwohl ich die gesamte Mannschaft heranzog, nahm die Arbeit, weil eben keiner sehen konnte, viel mehr Zeit in Anspruch, als wenn sie bei heftigem Sturm, am Tage, hätte gemacht werden müssen. Mitternacht war längst vorüber, als sie beendet war und ich die Freiwache entlassen konnte.
Nun lagen wir beinahe vor Top und Takel, hätte der Kapitän aber besohlen, auch noch den Rest der stehenden Segel aufzugeien so würde dies nur dem ungewöhnlichen Charakter der Nacht entsprochen haben.
* Duckling war unten, wie ich durch das Oberlicht sah; er lag aus
gestreckt auf einer Bank der Kajüte, bereit, beim ersten Ruf aufzuspringen. Ich wunderte mich, wie er es anfing, sich so sicher auf der Bank zu halten. Ich für meine Person wäre bei jedem Rollen unfehlbar heruntergefallen.
Die Windrose im Kompaßhäuschen schwankte hin und her. In diesem Augenblicke zeigte die Richtung des Schiffes Nord-West. Ich dachte bei mir: „Mehr Leinwand als das Schiff jetzt trägt, dürfte es wahrhaftig nicht haben." Es war am Ende doch nicht ohne Gefahr, wenn ein plötzlicher, scharfer Windstoß es traf. Während ich mir alle Möglichkeiten ausmalte, die ein- treten könnten, rief mich der Kapitän, der auf der Steuerbord-Seite des Rades stand, zu sich.
„Sind die Decks klar?" fragte er mich.
„Alles klar, Sir."
„Falls und Schoten der nicht gerefften Segel?"
„Völlig in Ordnung."
„Wie ist augenblicklich die Richtung?"
„Nord-West, halb Nord."
„Beobachten Sie scharf nach Süden und melden Sie mir gleich, sowie Sie sehen, daß der Himmel sich dort aufklärt."
Bei dem Scheine des Kompaßlichtes sah ich, wie er den Finger in den Mund steckte und dann in die Höhe hielt; aber kein anderes Lüftchen war zu spüren als der kurze Zug, den das Ueberholen des Schiffes nach der einen oder anderen Seite verursachte.
Kaum zehn Minuten waren vergangen, seitdem er zu mir gesprochen hatte, da sah ich gerade hinten am Horizont etwas, was ich für das Licht eines Schiffes hielt. Ich war im Begriff, dies zu melden, als noch ein Licht gerade darüber aufblitzte, dann noch ein kleines schwaches Licht westwärts davon und dann noch eins.
(Fortsetzung folgt.)