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Anzeiger Wr Sas Lnztal unv Umgebung.
Amtsblatt für Sen Oberamlsbezirk IlLULNbürg.
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87. Jahrgang.
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Stuttgart, 1. Juni. Der Württ. Staatsgerichtshof ist auf Donnerstag, den 6. Juni, einberufen worden, um zu den Anfechtungen der letzten Landtagswahlen durch die Volksrechl- partei Stellung zu nehmen, soweit sie sich auf die vom Itaatsgerichtshof für das Deutsche Reich als verfassungswidrig Gezeichnete Bestimmung des Landtagswahlgesetzes gründen.
Vom Finanzausschuß.
Stuttgart, 31. Mai. Der Finanzausschuß des Landtags setzte heute die Etatsberatung fort bei Art. 75. Regierungsseitig wird über die einzelnen Titel (anhängige Aufwertungsprozesse usw.) Ausschluß gegeben. Abgelehnt wird ein kommunistischer Antrag betr. Auseinandersetzung mit dem landesherr- liä>en Hans. Der Finanzminister bespricht die Frage der Zusatzversorgung der Staatsarbeiter. Ein Zentrumsredner wendet sich - gegen einen sozialdemokratischen Antrag betr. Ueberweisung der württembergischen Staatsarbeiter in die Zusatzversorgungsanstalt des Reiches. Staatspräsident Bolz erklärt auf Anfrage, daß der Beirat der Landeswasserversorgung einen Unterausschuß eingesetzt habe, der die vorliegenden Projekte der Wasserversorgung von Stuttgart zu untersuchen habe. Nach vorläufiger Schätzung würden die Kosten der Ähwarzwaldwasserversorgung so hoch sein wie der Ausbau der Landeswasserversorgung. Einstinrmig angenommen wird ein Antrag Winker (Soz.), ab 1. Juli 1929 — entsprechend den am 31. Mai aufzustellenden Grundsätzen — Zusatzrenten an invalide und ältere Staatsarbeiter und deren Hinterbliebene auszubezahlen. Bei Kap. 77 gibt der Finanzminister Ausschluß über Notstandsbeihilsen. Min.-Rat Füll teilt mit, daß die Zahl der Besuche wesentlich zurückgegangen sei. Bei Kap. 78 macht ein Zentrumsredner geltend, daß über den 31. März IM hinaus Abfindungen an ausgeschiedene Beamtinnen nicht mehr stattsinden dürfen. Staatspräsident Bolz kündigt die Einbringung einer neuen Wegordnung zu gegebener Zeit an. Die Unterhaltung der Nachbarschaftsstraßen sollte in der neuen Bezirksordnung zur Pflichtaufgabe gemacht werden. Die Regierung sei bestrebt, die Etterstraßen mit den Staatsstraßen zugleich herzustellen. Präsident Euting weist auf die großen Aufgaben der Straßenbauverwaltung hin. Der Umbau der Ettcr- straßen werde energisch betrieben. Es handle sich aber um 100 Kilometer Etterstrecken, dis einen Aufwand von 30 Millionen Mark erfordern würden. Es könne aber nicht alles aus einmal gemacht werden. Ein Antrag Winker (Soz.), dem Landtag den Entwurf eines Weggesetzes vorzulegen, in dem die Stra- ßenlasten zwischen Staat, Amtskörperschaften und Gemeinden in gerechtiger Weise verteilt werden, wird angenommen. Ebenfalls angenommen wird ein Antrag Winker (Soz.), das Staats- Ministerium zu ersuchen, bei der Befestigung oder Bewalzung von Staatsstraßen solche Etterstrecken, die an dem Straßenzug der Staatsstraßen liegen, gegen teilweisen ode« vollständigen Kostcnersatz ebenfalls zur Ausführung zu bringen. Die übrigen Anträge Winker wurden abgelehnt. Einem Ersuchen der Stadt Nagold (Hochwasserschäden) will die Regierung Rechnung tragen. Ein sozialdemokratischer Redner ersucht um Gewährung eines Staatsbeitrags für die Gemeinden des Mainhardter Waldes (Wasserleitungsbau). Staatspräsident Bolz erklärt, daß sie spätestens im Jahre 1860 berücksichtigt würden. Dasselbe gelte hinsichtlich der Bühlertal-Gruppe. Fortsetzung Samstag 9 Uhr.
Stuttgart, 1. Juni. Der Finanzausschuß des Landtags setzte am Samstag die Etatberatung bei Kap. 97 (Staatslotterie) fort. Nach Mitteilungen des Finanzministers sind die Verhandlungen der süddeutschen Länder mit Preußen abgeschlossene ' Kap. 91 (Berg- und Hüttenwerke) führte zu einer längeren Anssprache. Finanzminister Dr. Dehlinger wandte Nch dabei gegen einen Zeitungsartikel und bezeichnete es als unwahr, daß in Wasseralfingen die sozialen Leistungen ab- gebaut worden seien. Die Behauptung, wonach ein Sohn des früheren Finanz Ministers Liesching als Tantiemendirektor in Wasseralfingen tätig sei, werde am besten durch die Tatsache gekennzeichnet, daß dieser Sohn im Jahre 1914 in Rußland gefallen ist. Die gute Hoffnungshütte habe Wasseralfingen mit emem Aufwand von 3,1 Millionen Mark aufgebaut. Der Artikel, wie der in der „Schwäb. Tagwacht" seien durch ihre Unwnhrhxit und Verhetzung geeignet, die Arbeiterschaft zu schädigen und Gefahren für den Bestand des Werkes zu ichasfen. Ein sozialdemokratischer Redner suchte die Ausführungen des Ministers mit dem Hinweis zu entkräften, daß die Arbeiterzahl.zurückgehe und daß es an führenden Leuten mit Sachkenntnis fehle. Regierungsrat Dr. Scheffel und Direktor Katzmaier traten den sozialdemokratischen Ausführungen entgegen. Ein Zentrumsredner führte den Artikel der „Tagwacht" auf parteipolitisches und gewerkschaftliches Agitationsbedürfnis ^anick. Ein anderer Zentrumsredners erklärte sich von den Ausführungen der Direktion weitgehend befriedigt. Ein demokratischer Redner bezeichnete die sozialdemokratische Ktitik als uberscharf. Von sozialdemokratischer Seite wurde ein Antrag rmgebrocht mit dem Ersuchen an das Staatsministerium, seinen ganzen Einfluß dahin geltend zu machen, daß die zurzeit ganz oder teilweise stillgelegten Teile der Hüttenwerke Wasseralfingen und Fricdrichstal alsbald in betriebsfertigen Zustand gebracht und baldigst wieder in Betrieb genommen werden. Flnanzminister Dr. Dehlinger erklärte, daß dieser Antrag vertragswidrig sei und von der Guten' Hosfnungshütts nicht Votiert werden könne. Der Betrieb müsse nach privatwirt- chaftlichen Grundsätzen geführt werden. Dev Berichterstatter Dr. Hieber bezeichnete die Artikel als sachlich nicht berechtigt M?"als betriebsschädigend. Die Hauptursache der Krisis in Wasseralfingen sei die allgemeine wirtschaftliche Lage, nicht aber fehlerhafte Betriebsführung. Schließlich bedauerte auch em sozialdem. Redner die Entgleisungen in den Artikeln. Beim
Kap. 89 (Forsten) wurde regierungsseitig mitgeteilt, daß trotz Rückgangs der Holzpreise die im Etat vorgesehenen Einnahmen wohl erreicht würden. Ein Redner des Zentrums und ein Redner des Bauernbunds wünschten vermehrte Abgabe von Laubstreu. Finanzminister Dr. Dehlinger erörterte die Frage der weiteren Verringerung der Forstbezirke und erklärte, man müsse das Ergebnis der Arbeiten des Sparkommissars ab- warten. Der Autobetrieb der Forstverwaltung habe sich bewährt. Die Abgabe von Waldgras werde in weitem Umfang gestattet, aber bezüglich der Laubstreu sei Vorsicht am Platze, denn der Waldboden brauche Düngemittel. Am Montag nachmittag beginnt die Beratung des Justizetats.
Die Gefallenen Ehrung des Stahlhelm.
München, 1. Juni. Nachdem Samstag mittag eine Festsitzung des Bundesvorstandes und eine solche des kulturpolitischen Ausschusses des Stahlhelms stattgefuirden hatte, fand der Empfang der Ehrengäste des Stahlhelms im Regina- Palasthotel statt. Um 1 Uhr begann der Aufmarsch der Fahnenabordnungen aus dem Platz vor dem Armee-Museum, wo sich 1800 Bundesfahnen zu beiden Seiten des Münchener Kriegerdenkmals ausbauten. Um 5 Uhr nahmen die Standartenträger der 21 Landesverbände mit Kranzträgern Ausstellung. Unter Trommelwirbel betraten, geleitet von einer Ehreneskorte, Generalfeldmarschall von Mackensen, Großadmiral von Tripitz und der bayerische Generaloberst Gras von Bothmer, von Heilrusen begrüßt, den P4gtz. Zu ihnen gesellten sich als Vertreter des Hauses Wittelsbach die Prinzen Ludwig Ferdinand und Adalbert. Nach den Klängen des alt- niederländischen Dankgebetes hielt der zweite Bundessührer des Stahlhelms, Düsterberg, eine Ansprache. Anschließend wurde das Lied vom guten Kameraden angestimmt, während die Fahnen sich zur Ehrung der Gefallenen senkten. Als erster betrat der Bundessührer Seldte die Krypta und legte im Namen der Bundesleitung einen Lorbeerkranz nieder. Die Abordnungen der 21 Landesverbände folgte dann ebenfalls mit Kranzspenden. Zuletzt betraten Großadmiral von Tirpitz, Generalfeldmarschall von Mackensen und Generaloberst Graf Bothmer die Gedächtnisstätte.
Hindenlmrgs Gruß an den Reichsfrontsoldatentag.
Berlin, l. Juni. An den 10. Reichsfrontsoldatentag in München hat der Reichspräsident von Hindenburg folgendes Begrüßungstelegramm gerichtet: „Den zum 10. Reichsfrontsoldatentag in München versammelten alten Kameraden entbiete ich meinen kameradschaftlichen Gruß. Ich verbinde damit den Wunsch, daß die bedeutsame Tagung von Vaterlandsliebe und Kameradschaft beseelt sei. Dieser Geist, der uns im Felde zu großen Taten befähigte, soll sich in den Nöten der Gegen- warts in tätiger Mitarbeit am deutschen Wiederaufbau und im Streben nach wahrer Volksgemeinschaft bekunden, v. Hindenburg."
Berliner Blätter zur Einigung in Paris.
Die „Germania" stellt in ihrem „Der erste Eindruck" über- schriebenen Artikel fest, daß Deutschland keineswegs günstig abgeschnitten habe. Die Zahlen überstiegen nach allgemeiner deutscher Ansicht unsere Leistungsfähigkeit. Sie seien politische Zahlen. Der „Lokalanzeiger" sagt, die scheinbare Ermäßigung der Jahresleistungen sei mit Zugeständnissen erkauft, die den Wert der Einsparung erheblich überstiegen. Allein die teilweise Aufgabe des Transferschutzes könne nicht ausgewogen werden. Im „Börsencourier" wird hervorgehobcn, daß man sich grundsätzlich geeinigt habe, man werde aber nach den Erfahrungen, die man bei dieser an Ueberraschungen so reichen Konferenz gemacht habe, noch immer damit rechnen müssen, daß noch Schwierigkeiten auftauchten. Das „Berliner Tageblatt" berichtet, daß die Regelung der belgischen Marksrage die Anerkennung der erfolgten Einigung in Frage stelle. Die belgischen Sachverständigen beständen darauf, den I)oung-Plan nicht eher zu unterzeichnen, bis ihre Forderung ans 37 Jahreszahlungen von je 25 Millionen Mark bewilligt worden sei. Sie bemühten sich, und zwar scheinbar mit gewissem Erfolge, andere Gläubigergruppen für eine Unterstützung ihrer Weigerung zu gewinnen. Die „Deutsche Allgemeine Ztg." berichtet, daß sowohl Dr. Schacht wie der belgische Vertreter Francgui ihre Vollmachten zu Verhandlungen über die Markfrage schon vor einigen Tagen ihren Regierungen zurückgegeben hätten. Die „Vossische Zeitung" sagt, Deutschland habe keinen Anlaß, das Konferenzergebnis mit besonderer Genugtuung zu begrüßen. Immerhin hätten die deutschen Sachverständigen ihr Möglichstes getan.
Der Stinnes-Prozetz.
Berlin, 1. Juni. In der am Samstag fortgesetzten Verhandlung im Anleihebetrugsprozeß gegen Hugo Stinnes und Genossen fragte Rechtsanwalt Dr. Sandeck, Mitverteidiger des Angeklagten Schneid, den Angeklagten Bela Groß, wie er zu der Auffassung komme, daß die Aufziehung von Organisationen zur Erfassung des Anleihealtbesitzes nach dem Gesetz strafbar sei. Im ganzen Gesetz stehe keine solche Strafbestimmung, es sei nur die Erfassung bestimmter Nummern untersagt, und bestimmte Nummern wollten Schneid und die anderen nicht zu erlangen suchen. Der Angeklagte Bela Groß verwies demgegenüber auf die Ausführungsbestimmungen und blieb bei seiner Behauptung. Staatsanwalt Berliner betonte, es werde Aufgabe der Sachverständigen sein, zu beurteilen, ob das, was die Angeklagten beabsichtigt haben, gesetzlich sei oder nicht- Bela Groß bekundete weiter, er habe mit dem Angeklagten Nothmann nicht viel über die Anleihegefchäfte gesprochen. Umsomehr habe es ihn daher überrascht, daß Nothmann ohne weitere Einleitung gesagt habe, daß er ihm 100 000 R.M. geben wolle, welchen Betrag er gegebenenfalls bis 350 000 R.M.
erhöhen wollte. Nach den Mitteilungen, die ihm, Groß, zu- ' gekommen seien, hätte man das Geschäft in Rumänien nur machen können, indem man Neubesitz als Altbesitz vorwies. Um sich über Las Risiko der Anmeldung von Neubesitz als Altbesitz klar zu sein, habe sich der Angeklagte bei einem Rechtsanwalt Auskunft eingeholt. Dieser habe ihn auf die Gesetzesbestimmungen hingewiesen, und ihm erklärt, Laß man den Neubesitz zurückweisen könnte und Ordnungsstrafen bis zu 10 000 R.M. drohten. Der Angeklagte legte Wert auf die Feststellung, daß das materielle Ergebnis aus dem Kriegsanleihegeschäft für ihn nicht wichtig war, er wollte vielmehr nur mit der Firma in Verbindung kommen. Im übrigen kenne er eine Berliner Großbank, deren Namen er nicht nennen wolle, die auch wider besseres Wissen Neubesitz als Altbesitz angemeldet habe. Dann bekundete er weiter, mit einem von Stinnes erhaltenen Betrag in Höhe von 100 000 Mark versucht zu haben, in Rmnänien bei Banken und Sparkassen Anleihematerial zu bekommen. Dabei habe er offen mit Großbank- Direktoren verhandelt. Schließlich seien 2 Anträge für die zweiten 100 000 R.M. zustandegekommen. Direktor Nothmann habe dann die Anleihe bei der in Rumänien zuständigen Stelle eingereicht. „Da es aber sehr lange dauerte, ehe etwas erledigt wurde, suchte ich," so betonte Groß weiter, „den Regierungsrat Steiger vom Reichsverkehrsministerium in seinem Amte .auf. beschleunigen. Steiger stellte große Honorarforderungen, die brieflich vereinbart wurden. Er verlangte sogar eine Vollmacht, um offiziell als Vertreter der Anleihegeschäftsinteressenten auftreten zu können. Nach der Mittagspause bekundete Angeklagter Groß weiter auf Befragen durch den Vorsitzenden, er selbst habe in Berlin Stinnes nicht zu sprechen bekommen.
Er schilderte dann, wie es zu Differenzen zwischen ihm und Nothmann gekommen sei. Hintenherum habe er erfahren, daß Nothmann ihm die Befugnis zum Wirken an dem Anleihegeschäft entzogen habe mit der Begründung, er könne kein Vertrauen mehr zu ihm haben. Darauf habe er mit Rechtsanwalt Anthal die Zurückziehung aller Anleiheanmeldnngen erörtert. Der Angeklagte betonte noch, nach Mitteilung Noth- manns habe Stinnes keine Kenntnis, von seiner. Groß, Tätigkeit im Anleihegeschäft gehabt. Sodann wurde die Vernehmung des Angeklagten Bela Groß unterbrochen, da der Angeklagte erklärte, er sei vollkommen erschöpft und außer stände, der Verhandlung weiter zu folgen. Seine Vernehmung soll am Montag fortgesetzt werden.
Zeugen im Jakubowski-Prozctz.
Neustrelitz, 1. Juni. In der weiteren gestrigen Vernehmung im Jakubowski-Nogens-Prozeß wurde die mögliche Be- teilignng des Knechtes Blöcker und des Arbeiters Krenzfeld an der Ermordung erörtert. Auf diese Möglichkeit weist die Aussage der Frau Kühler im Lokaltermin hin. Der Vorsitzende erinnert daran, daß Jakubowski behauptet hat, Kreuzfeld habe ihm erzählt, Blöcker habe das Kind in das Moor geworfen. Später sollen Blöcker und Kreuzfeld die Leiäie gemeinsam anderweitig versteckt haben. Der Nebenkläger nimmt sich Blöcker vor, erhält aber nur ausweichende Antworten, er kenne das Moor, in dem die Leiche versteckt wurde, gar nicht; er wisse nur, daß Krenzfeld dort öfters Holz gesammelt habe.
Es bleibt aber der Eindruck, daß Blöcker mehr weiß, als er sagt.
In der Nachmittagsverhandlung wurde die sofortige telephonische Ladung des Zeugen Paul Krenzfeld beschlossen, da sich schwere Belastungsmomente gegen ihn ergeben haben. Ferner soll am Montag der mecklenburgische Staatsminister a. D. Hustedt, der seinerzeit die Begnadigung Jakubowskis abgelehnt hat, als Zeuge vernommen werden. Besonders bemerkenswert ist dann die Zeugenvernehmung des Pfarrers Buhre, des Seelsorgers der Gemeinde Pahlingen, der sich, da er aus Estland stammt, der russischen Kriegsgefangenen sehr angenommen hat. Seiner Bekundung nach stand die Familie Nogens sittlich am tiefsten in der ganzen Umgebung. Die Glaubwürdigkeit von Frau Kühler erscheine außerordentlich zweifelhaft. Dagegen müsse er erklären, daß Jakubowski die Zustände in der Familie günstig beeinflußt hat. Der Zeuge hat sich oft mit Jakubowski unterhalten, meist russisch, da das Deutsch Jakubowskis ein Kauderwelsch aus Plattdeutschen und russischen Worten, für eine Unterhaltung nicht ausreichte. Auch über das Verschwinden des kleinen Ewald hat Pfarrer Buhre mit Jakubowski gesprochen und ihm unter Hinweis auf das Beichtgeheimnis nahegelegt, sich zu offenbaren. Jakubowski blieb aber immer dabei, daß er unschuldig sei, und der Zeuge hatte auch den Eindruck, daß er die Wahrheit spreche. „Ich glaube bestimmt nicht, daß er aktiv an dem Mord beteiligt war, vielleicht daß er etwas von der Sache gewußt hatte." Sehr bedeutungsvoll für die Beurteilung des Falles Jakubowski ist auch die Meinung des Zeugen, daß er es als vollständig ausgeschlossen bezeichnet, daß Jakubowski einer deutschen Gerichtsverhandlung folgen kannte. (Seinerzeit bei der Hanvtverhandlung gegen Jakubowski war nämlich vom Gericht kein Dolmetscher zugezogen worden.) Mit dem Zeugen Justizinspektor Müller hat Jakubowski bei dem Vormundschaftsgericht wegen des kleinen Ewald zu tun gehabt. Ihm hat Jakubowski auch von dem Verschwinden des kleinen Ewald Mitteilung gemacht. Auch dieser Zeuge hält es für möglich, daß bei der Verhandlung mit Jakubowski, der sich nur schwer verständlich machen konnte, Jrrtümer unterlaufen sind. Zu erregten Szenen kommt es bei der Vernehmung des Zeugen Dunker, der Vormund der beiden unehelichen Kinder Jakubowskis war und dessen ungünstige Aussage in der seinerzeitigen Hauptverhandlung ausschlaggebend für die Verurteilung Jakubowskis geworden ist.
Da der Zeuge das typisch slawische Lächeln Jakubowskis, das dieser auch bei ernsten Anlässen zur Schau trug, als zynisch auslegt, legt Rechtsanwalt Dr. Brandt Verwahrung dagegen ein, daß der Zeuge in dieser Art Stimmung gegen Jakubowski zu machen sucht.