803. Amts- und A^rigeökatt für den Aezrrk Halm. 8«. Mrgmz.
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Sonntag, drn 24. Dezember 1905.
Lbonn«»«it»pr. in d. Gtadtpr-Merielj. Mk. I.wtncl.rrSgerl. vitrieljährl. N°sid«MS«prktz ahn« B-stella. s. d. Orts- u. Nachbar, ortioertkhr 1 Mk„ s. b. sonst. Strt.hr Mk.l.Ill, Bestellgeld 20 Pfg.
Amtliche Aekarmtmachrmgen.
Bekanntmachung.
Oberamtsbaumwart Widmaan wird vom 1. Januar ab dis Orte des Bezirks bereisen und den Baumfatz an den Nachbarschaftsstratzen vifi- tieren. Hiebei haben ihn die Straßenwäster zu bereiten.
Diejenigen Gemeinden, welche wünschen, daß Widmann praktische Belehrungen in der Fortbildungsschule abhäli, wollen ihm direkt Mitteilung zugehen lassen.
Calw, 23. Dezember 1905.
K. Oberamt.
B o e l t e r.
Brranntmchaung der «. Zentralstelle für die Landwirtschaft, betreffend den vezng fremder landwlvtfchaftl. Wanderarbeiter.
Unter der Leitung des Herrn Gurspächters Brünninger in Großtissen, O.A. Saulgau, wird im März 1906 ein gemeinsamer Bezug fremder landwirtschaftlicher Arbeiter aus Russisch-Polen stattfinden. Diejenige« Landwirte und fonstigea Betriebs- Unternehmer, welche sich hiebet beteiligen wollen, werden anfgefordert, ihren Bedarf au solchen Arbeitern (Männern, Burschen, Arbeiterinnen) bi- späteste«- >«m 3«. d.M. beim Sekretariat der Zentralstelle für die Landwirtschaft in Stuttgart, Kanzleistraße 19, schriftlich aazumelden.
Insoweit der Wunsch besteht, frühere Arbeiter wieder zu erhalten, ist die Adresse derselben anzugeben.
Auf ihre Anmeldungen werden den Besteller» die Formulare zu Verträgen mit den Bedingungen iu Bälde zugeheu. Weniger als 4 Arbeiter können
au einen Besteller nicht vermittelt werden, da die Arbeiter sich vereinzelt nicht anwerben bezw. beschäftigen lasten.
Füc jede bestellte Person ist bis spätestens zum 15. Februar 1906 ein Sorschutz a» Reisegeld vor» 28 anH m. GlltSpächter Bräunirrger, Großtissen, O.A. Saulgan, einznsenden. Dir Abrechnung wird nach Maßgabe des Aufwands für die einzelne Person erfolgen.
Stuttgart, 20. Dezember 1905.
v. O w.
Fagesnemgkeiten.
X Gechingen, 22. Dez. Ein sehr reichhaltiges und interessantes Programm brachte der hiesige Liederkranz unter Leitung von Lehrer Günther am Abend des Thomastages im Gasthaus z. Adler zur Aufführung. Neben Männerchören von Beethoven, Löffler, Wellgert, Cromer und Rink und einem Tenorsolo „Die Ltndenwirtin", vorgetrageu von Vorstand Breitling, bot dasselbe drei komische Duette: „Doktor und Apotheker", „Offizier und Jude" und „Rekrutrn- heimweh". Den Glanzpunkt des abends bildete das Wrngert'sche Melodrama „Von Weihnacht zu Weihnacht", dessen ergreifender Text durch Lehrer Hofmann in vorzüglicher Weise zum Vortrag kam. Zum erstenmal wurde auch ein Teaterstück gegeben, nämlich das Lastspiel „Gott sei Dank, der Tisch ist gedeckt!", das von den Mitwirkenden so trefflich gespielt wurde, wie man es von Dilettanten auf dem Lande nicht besser erwarten kann. Die sehr zeitgemäße Humoreske „D'Eikommasteuer" im Gschiager Dialekt mit dem köstlichen Humor des Michels und Grelle erzielte die beste Wirkung.
Allen Mitwirkenden, auch den kleinen, sei auch an dieser Stelle gedankt.
Neubulach, 22. Dez. Die zweite Gemeinderatswahl hat nun folgendes Ergebnis gebracht: Von 114 Wahlberechtigten haben 97 abgestimmt und erhielten Stimmen bezw. find gewählt: Etadtpfleger Schwenker 86, Martin Hanselmann, Bauer 83, Heim. Roller, Schmiedmeister 73, Johann Georg Mayer, Bauer 46. Weitere Stimmen erhielten: I. Auer, Bauer a. d. Burg 45, I. Duß, Kaufmann 14, I. G. Schaible, Bäcker 11.
Altensteig, 22. Dez. Eine Diebsbande treibt gegenwärtig hier und in der Umgegend ihr Unwesen. Bei 2 hiesigen Wirten wurde nachts eingebrochen und hiebet Haushaltung?- und Kleidungsstücke, sowie eine Menge Eßwaren, Zigarren und Branntwein gestohlen. Geld fiel den Dieben keines in die Hände. Von den Dieben hat man trotz eifrigen NachforschenS der Landjägermannschaft bis jetzt noch keine Spur.
Wildbad, 22. Dez. Bei der Vornahme von Felseusprengnngeu in den Badsanlageu find zwei Arbeiter des Unternehmers Schill schwer verunglückt. Einem derselben find die Hände weggerissen worden, und beide find an de« Augen schwer verletzt.
Horb, 22. Dez. Der vorm. Streckenarbeiter Andreas Geiser, Vater von 5 Kindern, hat sich gestern in seiner Wohnung erschossen. Die kleineren Kinder spielten auf der Straße, während er die erwachsene Tochter auch wegschickte. Motiv war Schuldenlast. Die Mutter ist schon längere Zeit gestorben.
Das gnädige Fräulein.
Roman von W. v. Reiten.
(Fortsetzung.)
Inmitten der Gruppe saß Naziedda in einem großen Armstuhl, in welchem ihre schmächtige Gestalt beinahe verschwand, eine Taffe Tee ia den Händen. Ihr zu Füßen auf dem schwellenden, türkischen Teppich, der vor dem Kamin auSgebrettet war, saß, oder viel mehr lag Graf Linden, mit seinem gewohnten Spottlächeln zu ihr emporbltckend. Mehrere Herren und Damen waren stoch nm das Feuer gruppiert, die meisten iu der Nähe desselben, nur Fernande und ihr Teetisch etwas abseits, aber auch um sie standen und saßen mehrere Herren.
Frau v. Nordheim hatte endlich FeruandenS Drängen nachgegeben, und nun war es schon das zweite Mal, daß sich im Herbste eine große Gesellschaft iu Waldheim etnfand. Es war dies die Zeit der Haseuhetzen zu Pferd, welchen Sport Fernande, wie auch Naziedda leidenschaftlich betrieben. Dies aber war nicht der Hauptsport, sondern wurde nur hie und da betrieben; die Hauptsache war die Parforc jagd, an der sich dis ganze in Waldheim anwesende Gesellschaft stets beteiligte. Am Abend wurde daun getanzt, oder auch wohl einmal Theater gespielt — kurz, es war eine überaus lustige Zeit. Naztedda hatte heute nach einem anstrengenden Ritt, von dem sie erst kurze Zeit zurückgekehrt war, eines jener Kleider angezogen, die in künstlerisch ausgewählten Farben weich um den Körper fallen und ein sehr vorteilhaftes Mittelding zwischen einem Schlafrock und einer Abendtoilette bilden. Die Engländer haben es nach dem Zwecks genannt, dem es dienen soll und nennen es ein „Trazown", wir haben noch keinen paffenden Ausdruck dafür gefunden.
Linden richtete sich auf seinen Ellenbogen auf und fragte dann halblaut:
„Baronesse, weshalb find Sie eigentlich hier?"
Naziedda lächelte.
„Weil Frau v. Nordheim mich eingeladen hat."
„Botho ist verheiratet?"
„Gewiß! Sie wissen das ja am besten." Die braunen Augen funkelten einen Augenblick zornig auf ihn herab.
„Glauben Eie?" Linden lächelte vor sich hin. „Sind Eie mir denn nicht dankbar, daß ich Ihrem Bruder eine reiche Gattin verschafft?"
„Von Herzen!" sie lachte spöttisch auf, „besonders da Botho so glücklich und frei ist; Sie haben wirklich für ihn gesorgt. Fernande wr»ß, daß Li« es gewesen, der meinem Bruder zu dieser Gattin verholf-n."
„Hören Sie, Graf, das ist ganz unerlaubt. Sie belagern die Baronesse vollständig!"
Linden erhob sich.
„Ich räume Ihnen das Feld; Baronesse v. Biene ck und wir sind alte Freunde, nicht wahr?"
Naziedda wandte sich von ihm fort und zu dem jungen Manne, der den Platz emnahm, den Linden soeben verlassen. Ein bezauberndes Lächeln spielte um ihre Lippen.
„Ich bin froh, daß Ei; mich erlöst haben. Graf Linden ist nicht nach meinem Geschmack." Eie sprach die Worte wieder in jenem halblauten Ton, der jedes «och so alltägliche Gespräch anziehend machte.
Linden betrachtete sie einen Augenblick, dann wandt« er sich ruhig ab. Den jungen Ruff n mochte sie getrost von ihm aus in ihren Netzen fangen; er war ein Tor, wenn er hinemfiel, aber deS Menschen Wille ist sein Himmelreich. Er schritt zu dem Tische hinüber, an welchem Fernande noch immer saß. Hier war eine Lampe mit einem großen, roten Schirm, de, das grelle Licht angenehm dämpfte. Er ließ sich in dem leerstehenden Fauteuil an Fernande» Seite nieder. Sein Blick streifte ihr Gesicht. Der mürrisch« Zug, der früher so oft darauf gelagert, war verschwunden. Frau v. Nordheim hatte mit banger Sorge auf ihre Tochter geblickt, deren Charakter sich so plötzlich verändert hatte. Fernande war ihr ein Rätsel geworden; ihr« schlechte Laune war vollständig verschwunden, aber oft wollte es dem Mutterauge scheinen, als blickten die Augen schwermütig vor sich hin, als liege ein melancholischer Zug um den Mond. Der Mann, der sich jetzt neben ihr niederließ, hatte de» Schlüssel zu dieser geheimnisvollen Umwandlung in Händen.
„Wann erwarten Eie Ihren Bruder und dessen Gattin?" fragt« er.
„Jeden Augenblick. Mama ist deshalb heute nicht herabgekommen. Vielleicht sind sie auch schon hier."
„Kennen Eie Ihre Schwägerin?"
Der Festtage weg«« erscheint die nächste Kammer am Mittwoch, de« 27 . De-emder.