zweites vlatt.

nztäler.

Zweites vlatt.

121.

Ma de» 25. Mai 1928.

86. Jahrgang.

Ivo

Württemberg.

Naaold 24. Mai. (Hat man den Mörder?) Zu dem Alten- Raubmord und über das Geständnis des verhafteten «mer von Nagold, die Frau Steiner ermordet zu haben, treibt derGesellschafter", die Behauptungen, daß über die Uerschaft keinerlei Zweifel mehr bestehen, seien etwas vor- ,'i ia Die Anklage gegen den Maier stützt sich einzig und allem . eine Selbstbezichtigung, auf die Selbstbezichtigung eines nankbaften Menschen, eines Psychopathen, der sich der Trag­weite »'einer Handlungsweise nicht bewußt ist. Wer erinnern diesem Zusammenhang an den Fall Lochmann in Stuttgart, ebenfalls ein lSjähriger Mann unter eingehender Schilde­rung seiner Tat sich des Mordes bezichtigte. Bei einer genauen 4 Mrüfung ergab sich seiner Zeit, daß die Angaben erdacht und erfunden waren und wirklich wurde erst spater der ttnrk- >ilde Täter gefaßt. Aehnlich in unserem Falle, denn die Nach­prüfungen feines Handelns vor und nach dem Morde und noch io manches andere ergaben sich als unwahr. Z. B. will der Mer den Anzug bei Gebr. Theurer und den Rucksack in einem Steinbruck) gestohlen haben. Beide Behauptungen erwiesen lick bis fetzt als nicht richtig. Weiter bezeugen seine Eltern, - ihr Sohn in der Zeit vom 7. bis 20. jenes Monats, nach­dem er vorher an der Nagold-Korrektion und nach diesem Zeit- v«nkt auswärts gearbeitet hatte, nicht aus dem Hause gekom­men sei. Noch manche andere Nachforschungen stehen im Wider- ivruch zu Behauptungen und Erzählungen. Eigenartig im Ralle der wirklichen Täterschaft abstoßend ist auch das Ver­halten des Maier, der wohlgemut und guter Dinge ist und nach der Verbüßung seiner Strafe einen besseren Lebenswandel beginnen und evtl, nach Nordfrankrcich gehen möchte. Wir «ollen zu dieser ganzen Affäre nicht ja und nicht nein sagen, sondern als Außenstehende abwarten, bis von maßgebender stelle die undeutbare Wahrheit bewiesen ist, und bewiesen ist bis zum Augenblick nichts.

Stuttgart, 2t. Mai. (Vorstandssitzung der Wurtt. Land- «irtschaftskammer.) Die Württ. Landwirtschaftskammer hielt am 21. Mai eine Vorstandssitzung in Stuttgart ab. Me 19. Hauptversammlung findet am 30. und 31. Mai im Sitzungs­saal der früheren Ersten Kammer in Stuttgart statt. Die Tagesordnung wurde wie folgt festgesetzt: Geschäftsbericht für >827, Rechnungsergebnis 1926/27, Haushaltsplan 1928, Not­programm und Absatzfragen, Landw. Betriebsverhältnisse nach den Ergebnissen der Buchführungsabschlüsse, Steuerfragen und laufende Angelegenheiten. In Aussicht genommen sind zwei Sitzunastage. Am Nachmittag des zweiten Tages soll eine Besichtigung der Landw. Hochschule Hohenheim stattfinden. Der Haushaltplan wurde eingehend durchberaten. Außerdem wurde noch eine Reihe lausender Angelegenheiten behandelt.

Stuttgart, 23. Mai. (Vorsicht bei Leistung von Zahlungen für abwesende Mitbewohner.) Die Neigung, für abwesende Mitbewohner bestellte Waren aus Gefälligkeit entgegenzuneh- «en und dafür Zahlung zu leisten, wird seit einigen Tagen von einem Jungen im Älter von etwa 14 Jahren betrügerisch «usgebeutet. Der jugendliche Schwindler spielt sich als Bote eines Haushaltungsgeschäfts auf und behauptet, er sei beauf­tragt, einen bestellten Schlüssel abzugeben; er bitte, da der Be­steller nicht zu Hause sei, den Schlüssel entgcgenzunehmen und den geringen Betrag von 2.50 Mark ausznkegen, damit er den Weg nicht doppelt machen müsse. Das Polizeipräsidium warnt vor diesem Betrüger und ersucht um Mitwirkung bei dessen Ermittlung.

Stuttgart, 24. Mai. (Haftprüfungstermin im Handwerks­kammerprozeß.) Die im Handwerkskammerprozeß in Unter­suchungshaft befindlichen Angeklagten Wolf, Gerhardt und Klemm haben das Haftprüsungs-Verfähren beantragt. Am Freitag, den 25. Mai, findet deshalb vor der 3. Straskammer des Landgerichts Stuttgart Termin in nichtöffentlicher Sitzung

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statt, in dem entschieden wird, ob die Angeklagten bis zur Hauptverhandlung aus der Haft entlasten werden.

Cannstatt, 24. Mai. (Eine Unbegreiflichkeit Franzö­sischer Marmor im Kursaal.) Im Kursaal Cannstatt werden gegenwärtig unter Leitung des Städt. Hochbauamts der Um­bau der Garderobe und sonstige notwendige Bauarbeiten vor­genommen. Der Gardcroberaum wird bekanntlich vergrößert und unterirdisch eingerichtet. Nun stellt sich, wie dieEann- ktatter Ztg." erfährt, heraus, daß das Hochbauamt mit der Ausführung der umfangreichen Wandverkleidung eine Nürn­berger Firma unter Verwendung von man höre und staune französischem Marmor betraut hat. Und dabei haben in Cannstatt und Münster seit neuerer Zeit tatkräftige Männer in der Travertingewinnung einen Industriezweig geschaffen, der einigen Hundert Leuten Brot und Arbeit bringt.

Hcilbronn, 24. Mai. (Festgenommen.) Der Kaufmann Willy Wolf von hier, der noch verschiedene Strafen zu ver­büßen hat und gegen den ein neues Verfahren schwebt, ist mit einem geliehenen Auto durchgegangen. Er wollte auf seiner Flucht das Auto verkaufen und dann nach Amerika auswan­dern. Auf Grund eines von der Kriminalpolizei erlassenen Funkspruchs wurde er jetzt in Rempa im Rheinland verhaftet und das Auto beschlagnahmt.

Tuttlingen, 24. Mai. (Eine Beschwerde des Gemeinderats.) Durch Beschluß des Steuerverwaltungsausschusses ist der Stadtgemcinde Tuttlingen ein Zuschuß aus dem staatlichen Ausgleichstock für das Rechnungsjahr 1927 in Höhe von 20 000 Mark verwilligt worden. Dieser Bescheid bedeutet eine herbe Enttäuschung. Im Rechnungsjahr 1926/27 wurde bei 19 Pro­zent Umlage ein Zuschuß von 34 000 Mark gewährt, Heuer bei 20 Prozent Umlage nur 20 000 Mark. Vorgesehen war im Etat ein Zuschuß von mindestens 50 000 Mark. Der Gemeinde­rat hatte sogar einen Zuschuß von 100000 Mark beantragt. Der Gemeinderat beschloß, gegen diesen Bescheid Einspruch beim Steuervertcilungsausschuß bezw. falls dem Einspruch nicht entsprochen würde, beim Ministerium des Innern und der Finanzen zu erheben.

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auch die Liebe wemen ...

Roman von Fr. Lehne.

55. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.)

Seren Sie ruhig, Kind! Wir alle wissen, was Sie getan haben!" Rüdiger sprach ihr mit seiner gütigen Stimme beruhigend zu.Ewig wird unsere Familie in Lhrer Schuld bleiben!"

Sein Mitleid mit der Schwägerin inachte dem Gs- luhl einer zornigen Empörung Platz angesichts einer solchen Ungerechtigkeit.

»Mir aus den Augen!" rief die Gräfin außer sich, ich kann sie nicht mehr sehen, die Schuld am Tode mei­nes Kind ist sie verläßt mein Haus noch heute trotzdem du dich als ihr Ritter und Beschützer aufspielst."

Das wird sie nicht!" entschied Rüdiger,die Ret­tern; deines Kindes hinausjagen schlägst du so aller Gerechtigkeit ins Gesicht? Sprichst du so aller Dank­barkeit Hohn? Ich habe mich Fräulein Bergers ange- uommen, wie ich bei jedem zu handeln pflege, der Un­recht erleiden muß. Ottokar, hast du denn kein Wort lur das Mädchen, dem du so viel zu danken hast?"

Vorwurfsvoll wandte er sich an seinen Bruder, der o schwach und unmännlich den Borwürfen seiner Frau -'-'A Einhalt gebieten konnte.

Ich will Lore Berger halten, als sei sie mein nies Kind! Sie soll sagen, was sie begehrt! Alles

rch ihr geben, weil sie mir meinen Sohn gerettet hat!' sagte er jetzt mit schwankender Stimme, ging auf Lore zu. schloß sie in die Arme und drückte einen Kuß auf ihre Stirn.

Die Gräfin brach in ein hysterisches Lachen aus, das dann in ein krampfhaftes Schluchzen überging.

Ich begehre nur das eine: daß man mich noch heute nach dem Wunsch der Gräfin gehen läßt!" ent- -egnete Lore,nicht um alles in der Welt kann ich nach «em. was ich habe hören müssen, noch eine Stunde hier dklben."

Sie wantre an bas Lager des jungen, frühvollende- ten Kindes und erfaßte dessen erkaltete Hand.

Du weißt jetzt vielleicht, wie gern ich dich gerettet, wie gern ich jetzt an deiner Stelle wäre! Wie schweres Unrecht die Vorwürfe sind, die man mir gemacht du weißt es!" flüsterte sie mit zuckenden Lippen, den trä- nenoollen Blick auf das entstellte Gesicht Theklas gerich­tet. Und noch einmal:Du weißt es!"

In schlichter Größe stand sie da.

Ihre Gedanken waren weit weg, man sah es an dem fremden Ausdruck ihres Gesichts, über das ein Er­schrecken ging, als Rüdiger sie jetzt anredete, und sie be­stimmen wollte, doch zu bleiben.

Sie schüttelte den Kopf.

Nein! Ich kann nicht bleiben. Nur Ossi möchte ich noch einmal sehen!" bat sie mit versagender Stimme.

Vor seinem Bett sank sie nieder. Er lag in fried­lichem Schlummer er schlief wohl seiner Genesung entgegen. Sie preßte die brennenden Augen auf die seidene Decke. Wie schwer wurde es ihr doch, sortzu- gehen wie mit tausend Armen fühlte sie sich gehalten

-und doch brannte ihr der Boden unter den Füßen.

Sie mußte fort gleich trotz der körperlichen Schwäche, der sie kaum noch Herr werden konnte. Alles drehte sich um sie; große feurige Ringe kreisten vor ihren Augen.

Doch mit Bettys Hilfe hatte sie bald ihren Anzug vollendet.

Das Päckchen mit den Briefen der Mutter nahm sie an sich und ihre Barschaft. Alles übrige sorgsam ein- zupacken und ihr nachzuschicken, versprach ihr unter Trä­nen das ihr treu ergebene Mädchen.

Unten in der großen Halle vertrat ihr der Lega­tionsrat den Weg. Anscheinend hatte er auf sie gewar­tet. Mit schmerzlichem Vorwurf sah er sie an.

Wollen Sie wirklich Ihren Eigensinn durchsetzen? Ich lasse Sir nicht fort, Lore Berger."

Schwenningen, 24. Mai. (Protestversammlung gegen Ak- kordabzüge.) Die Arbeiterschaft der beiden zusammengeschlos­senen Firmen Kienzle und Th. E. Haller versammelte sich am Dienstag nachmittag im Saalbau zu einer gemeinsamen Be­triebsversammlung, in der scharf gegen die bei der Firma Kienzle vorgenommenen Akkordabzüge protestiert wurde. Die Versammlung ist der einmütigen Auffassung, daß auch die Fa. Kienzle Tarsttreuc zu halten hat und Akkordrcgulierungen nur nach den Bestimmungen des Kollektivabkommens der llhrcnindustrie vorgenommen werden dürfen. Die Gewerk­schaftsleitungen des D.M.V. und D.H.V. werden beauftragt, alle geeigneten Schritte zu unternehmen, um die unberechtig­ten Abzüge rückgängig zu machen.

Rottweil, 24. Mai. (Die WasterversorgungsgruppcObe­rer Neckar" gescheitert.) Am Dienstag fand hier die Abstim­mungstagfahrt über die geplante Wasserversorgungsgruppe Oberer Neckar" unter dem Vorsitz des Ministerialrats Pflei- derer statt; anwesend waren die Vertreter der 10 beteiligten Gemeinden. Ministeialrat Dr. Pfleiderer sprach als Vertreter des Ministeriums und stellte einen Staatsbeitrag', von 15 Pro­zent in Aussicht, außerdem könne mit einem Beitrag von 10 Prozent von Seiten der Zentralkaste für das Feuerlöschwesen gerechnet werden; die Gesamtkosten des Projekts sind aut 776 000 Mark veranschlagt. Lbcrbaurat Groß gab nochmals einen llebrblick über das Projekt der Gruppenwasserversor- gung und dessen Vorteile und empfahl, die Durchführung zu beschließen. Eine rege Aussprache seitens der Vertreter der Gemeinden schloß sich au, in der Obcrbaurat Groß und Land­rat Regelmann Aufschlüsse und Erläuterungen gaben. Bei der darauffolgenden Abstimmung ist die Durchführung der ge­planten WasserversorgungsgruppeOberer Neckar" jedoch ge­scheitert. Landrat Regclmann bedauerte das Scheitern und erklärte sich bereit, mit den Gemeinden Fühlung zu halten, um den Plan, der unzweifelhaft Vorteile für die Beteiligten in sich birgt, zu einem geeigneteren Zeitpunkt wieder aufzu­greifen.

Wilhelmsdorf, OA. Ravensburg, 23. Mai. (Blutgieriger Hund.) Zu der Meldung betreffend den traurigen Anblick dreier Kaninchenzuchtanlagen hier wird noch folgendes mit­geteilt: Anfangs Mai wurden in der Gemeinde Wilhelmsdorf und Esenhausen in 3 aufeinander folgenden Nächten 3 Hasen­ställe aufgerissen und zusammen 27 Stück Kaninchen getötet. Alsbald konnte festgestellt werden, daß die Tat nicht durcy Menschenhand, sondern durch ein blutgieriges Tier verursacht wurde. Nachdem 3 Nächte hintereinander solche Hasenställe, die mangelhaft geschlossen waren, ausgerissen und Hasen getötet worden waren, hat sich der hier stationierte Landjägerbcamtc und ein weiterer Mann in der vierten Nacht am Tatort auf­gestellt, um den Täter zu ertappen. In der Mitternachtsstunde kam plötzlich ein großer, starker? gelbscheckiger Bernhardiner- Hund an einen der Hascnställe geschlichen und machte sich als­bald wieder mit Aufreißcn der Hasenställe zu schassen. Mit einem Schrotschuß wurde nun der bis jetzt noch unbekannte Hund schwer verletzt, der stark blutend sich noch entfernen konnte, aber zweifellos verendet sein dürfte.

Gmünd, 24. Mai. (Ein reumütiger Sünder.) Ein hiesiger Gastwirt erhielt dieser Tage einen Brief aus weiter Ferne, dessen Inhalt wert ist, der Oeffentlickikeit unterbreitet zu wer­den. Im Herbst des Jahres 1877 hat, so berichtet dieRems­zeitung", ein Wanderbursche in einem hiesigen Gasthaus or­dentlich gezecht. Er glaubte, einen Jugcndschcrz zu machen, als er seine Zeche im Betrag von 20 Mark schuldig blieb. Von hier aus ging die Wanderung nach Ungarn. Seitdem dachte in Gmünd kein Mensch mehr an diesen unbekannten Wauder- gesellen. Welch eine Neüerraschung durfte nun der obige Gast­wirt nach 50 Jabreu erfahren? Ein Brieflein, von unbekannter

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Sie müssen es doch, Herr Graf! Eigensinn iag.-a Sie bei mir nennen Sie es so! In Ihren Kresien würde man es anders, würde man es Ehrgefühl nen­nen."

Lore, rechten Sie doch nicht nnt den Ausdrücken einer halb unzurechnungsfähigen Frau! Ihren An­gehörigen gegenüber können wir die Verantwortung auch nicht übernehmen, Sie in einen; solchen Schwüche- zustand reisen zu lassen."

Das lassen Sie meine Sorge sein, Herr Graf? Ich weiß. Sie meinen es gut init mir aber bei meiner Mutter bin ich am besten aufgehoben! Für mich ist hier kein Bleiben mehr niemand kann mich halte,,. Und wenn ich die Nacht durchlaufen müßte!"

Niemand? Auch Sissi nicht? TW, die Sie so nötig braucht?"

Erinnern Sie mich nicht an Sissi!" murmelte sie mit erstickter Stimme,machen Sie es mir doch nicht so schwer!"

Lore, bleiben Sie hier, ich bitte Sie . beinahe hätte er gesagt:um meinetwillen!" Doch noch recht­zeitig bezwang er sich.Sie können ja die Reise nickt machen! Erinnern Sie sich, was der Arzt verordnet hat!"

Der Mensch kann viel, wenn viel von ihm ver­langt wird," entgegnete sie mit dem schwachen Verlock eines Lächelnslassen Sie mich gehen und haben Sie Dank für Ihre große Güte gegen mich!"

Er preßte seinen Mund auf ihre Zand, und m'l Erbeben fühlte sie die Berührung seiner Lippen. Wie im Schwindel schloß sie die Augen.

Rüdiger sah, ihr Entschluß war unerschütterlich.

Er vertraute sic dem Schutze des Arztes an, de jetzt fortfahren wollte. Bei dessen Familie sollte die Nacht verbringen, um am anderen Tage die Ne. nach ihrer Heimat an-utreten.

(Fortsetzung folgt.)

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