Volkspartec behält ungefähr ihre Stellung bei, bekundet aber Neigung zum Rückgang.
Der Donez-Prozetz.
Moskau, 20. Mai. Zweifellos wird der Versuch unternommen, auf das Gericht, das über die Donez-Angelegenheit urteilen soll, einen Druck auszuüben, der sich weniger gegen Handlungen der Angeklagten richten, als die „Schädlichkeit des Kapitalismus" Nachweisen soll. „Prawda" gibt zu, daß das Bezirksplenum der Bergarbeiter in Schachth das Gericht zu beeinflussen versuchte, indem es im Namen von 20 000 Arbei tern den Obersten Gerichtshof um ein schonungsloses Urteil ersuchte. „Jswestija" hat — wohl in Erkenntnis des schlechten Eindrucks dieses Schrittes — nicht den Gerichtshof, sondern den Staatsanwalt als den Adressaten dieses Ersuchens genannt. Vom Podium des Gewerkschaftshauses herab wurde am Samstag die mehrere hundert Seiten lange Anklageschrift verlesen. Sonderbarerweise wurden die Angriffe gegen die polnischen und französischen Behörden weggelassen. Anschließend wurden die Angeklagten gefragt, ob sie sich schuldig bekennen. Etwa 40, darunter Otto und Meyer, verneinten mit fester Stimme. Äadstieber macht einen sehr verwirrten Eindruck, er bestreitet, etwas vom Bestehen einer Organisation zum Schutze der Sowjetregierung zu wissen, behauptet aber, daß angeblich untaugliche Maschinen für brauchbar erklärt worden seien. Wie gemeldet wird, wird der Donezprozeß ohne Ausschluß der Oeffentlichkeit zu Ende geführt werden. Die Streichung der Stellen in der Anklageschrift, die sich auf die Beziehungen zu den französischen und polnischen amtlichen Stellen erstrecken, wird auf Druck der französischen und polnischen Vertretung in Moskau zurückgeführt.
Ausbau amerikanischer Flottenstützpunkte im Stillen Ozean.
Washington, 20. Mai. Das Repräsentantenhaus hat 0 179 500 Dollar für den sofortigen Bau von Flottenmunitionsdepots in Hawthorne (Nevada), Cavite (Äuzon-Philippi- nen) und auf Hawai bewilligt. Ein Kontrakt für 35 leichte Bombenflugzeuge in Höhe von einer Million Dollar ist von dem amerikanischen Kriegsamt an einen Konzern in Pennsylvania vergeben worden.
Aus Stadt und Bezirk.
Neuenbürg, 22. Mai. Im festlich geschmückten „Bären"- Saal hielt die Ortsgruppe Neuenbürg des Württ. Schwarzwald Vereins ihre Familienfeier mit Lichtbildervortragam Samstag ab. Der unermüdliche Vorstand, Stadtpfleger Essich, entbot den Willkommgruß und gab in längeren Ausführungen Rückblick und Ausblick. Sein Sorgenkind sind die Wanderungen. Wohl könne man, was die Zahl der Wandernden anbetreffe, zufrieden sein, aber es sei eine ausfallende Erscheinung--daß gerade die älteren Wanderer sich mehr und mehr zurRckziehen und das scheine ihm bedenklich für die fernere Entwicklung des Vereins, auch in erzieherischer Hinsicht unserer Jugend gegenüber. Auch die Jugend schließe sich seiner Bitte an, von den älteren nicht verlassen zu werden. Den Mittelpunkt des Abends bildete ein Lichtbildervortrag, gehalten von dem Wanderwart des Karlsruher Männerturnvereins, Herrn Wilhelm Rudolf, über „Sommer und Winter im bayerischen Allgäu". Der Vorsitzende hieß ihn mit herzlichen Schwarzwaldgrüßen willkommen. An Hand von etwa 110 Photoplatten, mit Eifer und Liebe zusammengetragen, zeichnete der Vortragende ein Landschaftsgemälde größter Art aus die Weiße Leinwand. Liebliche Täler, saftige Wiesengründe, glitzernde Sckmcefelder, sanftes Mittelgebirge und himmelanstürmendes Hochgebirge, einfache Alm- Hütten und herrliche Königsschlösser. Kempten, Jmmenstadt, Füssen am Lech, Hohenschwangau, Neuschwanstein, Sonthofen (Grünten), Walsertal (Breitachklamm), Stillachtal, St. Lo- retto, Einödsbach, Nebelhorn, Hochgrat. In andächtigem Schweigen wurde der Führung des Lichtbildervortrags gefolgt, und in solcher Stimmung die geistige Wanderung erlebt. Sie soll uns sagen, daß wir nicht notwendig haben, unsere Schritte ins Ausland zu lenken, um Genüsse dieser Art zu suchen, sondern daß auch das deutsche Vaterland dem offenen Auge Schönheiten bietet, welche wir im Auslande erhabener nicht finden.
Dort wo der Bayernberge stolze Kette,
Sich mählich senkt hinab zum schwab'schen Meer,
Noch einmal dicht gedrängt ragt um die Wette Von hohen Gipfeln ein gewaltig Heer.
Allgäuerland, voll blumenreicher Auen, darüber dunkles Waldgeheimnis schweigt, darüber hoch der sonnbeglänzten grauen Felsberge Kranz in blaue Lüfte steigt,
Allgäuer Land, von Bach- und Flussesrauschen,
Von Herdenglockenklingen rings erfüllt,
mann, Malermeister, Höfen, A. Blcher, Fabrikant Neiww,^ Dr. Brauer, Amtsgerichtsrat, Neuenbürg, Fr. Braun nungSrat, Stuttgart, E. Häußler, Rektor, Neuenbürg N mann, Buchhalter, Höfen, E. Holzer, Fabrikdirektor, Rötend P. Lutz, Postmspektor, Neuenbürg, Ehr. Mangold rungsrat, Neuenbürg, Siegle, Oberlehrer, Illingen yE' marer, Oberpräzeptor, Cannstatt. Der Vorsitzende iiberbÄ' die Glückwünsche der Hauptverwaltung in Stuttgart un^?^ jenigen der Ortsgruppe Neuenbürg mit der Bitte an die gezeichneten, dem Verein noch viele Jahre die Treue wahren. Auch ein schmuckes Wanderabzeichen für hervo^ gende Beteiligung bei den Jahreswanderungen konnte an eiben eifrige Mitglieder verteilt werden. Die Veranstalt, wurde verschönt durch eine gediegene Vortragsfola? Ä Streichorchesters der Musikschule Neuenbürg unter Leit»,., von Musikdirektor Müller. Eine Tanzunterhaltung besMni den in allen Teilen wohlgelungenen Familienabend. DanÄ gedacht sei an dieser Stelle denjenigen Damen des Vereins die sich der Mühe unterzogen, den Saal mit Tannenreis un» Blumen so überaus stimmungsvoll zu dekorieren; nicht r»lM trug ihre Arbeit dazü bei, für die Veranstaltung eine gute R« sonnanz zu schaffen.
(Wetterbericht.) Infolge einer über Mitteleurnn. befindlichen Depression ist für Mittwoch und Donnerstag mer noch wechselnd bewölktes, auch zu zeitweiligen Nieder schlügen geneigtes Wetter zu erwarten.
Da mag die Seele sanft geborgen lauschen, bis sie sich leis in Traum und Frieden hüllt.
Reicher Beifall bewies die Dankbarkeit für das Geschaute und Gehörte. Anschließend wurden die Jubilare für 25jährige Mitgliedschaft im Verein durch Verleihung des goldenen Ehrenzeichens geehrt. Es sind dies die Mitglieder: Fr. Acker-
Württemberg.
Calw, 21. Mai. (Ueberiahren und getötet.) Freitag abend wurde auf der Straße beim „Adler" in Althengstett die 76jährige Elisabetd Weik Witwd von dem mit seinem Auto fahrenden Müller Lutz erfaßt und mit ihrem Enkelkind zu Boden geschleudert. Während das letztere nicht unbedeutende Verletzungen daoontrug, wurde dir Großmutter bewußtlos weggetragen. Ohne wieder zu sich gekommen zu sein, starb sie nach zwei Stunden.
Stuttgart, 21. Mai. (Pensionskasse für Körperschaftsbeamte > Die Pensionskasse für Körperschaftsbeamte hatte in der Zeit vom i April 1925 bis 31. März 1926 eine Einnahme von 5621116 und eine Ausgabe von 5145326 RM. Die Rücklage beträgt 1252487 RR Die Zahl der Mitglieder betrug auf 31. März 1926: Beamte im Dienst 8937 (i. V. 9011), Ruhestandsbeamte 1677 (>623), Witwen und Vollwaisen 1303 (1221), Unterstützungsempfänger 79 (75).
Heilbronn, 20. Mai. (Mietwucher.) Das erweiterte Schöffengericht hat den Eierhändler Wilhelm Bloß wegen fahrlässigen Mietwuchers zu. 1800 Mark Geldstrafe verurteilt.
Achtung! Weingärtner!
Die starken Regenfälle der letzten Tage lassen einen erst» Ausbruch der Peronospora in den Tagen vom 30.—31. Mai erwarten. Die Weinberge sind daher unter allen Umstände» bis zu diesem Zeitpunkt mit einer einprozentigen Kupferkall- oder I,5prozentigen Nosprasenkalkbrühc zu bespritzen, wobei darauf zu achtel, ist, daß die Unterseite der Blätter und die Gescheine gründlich getroffen werden. Da die Heuwurmmotten seit einiger Zeit bereits in ziemlich großer Zahl fliegen, s» ist der Kupferkalkbrühe auf je 100 Liter 150 Gramm eines Grünpräparates zuzusetzen. In solchen Lagen, wo die Motte» besonders stark fliegen, ist sofort eine leichte Bestäubung mit einem arsenhaltigen Verstäubungsmittel durchzuführen. Wir weisen besonders darauf hin, daß auch die erfrorenen Weinberge unbedingt gespritzt werden müssen, da andernfalls das Holz nicht ausreift und im nächsten Jahr kein Ertrag zu erwarten ist. In verschiedenen Gemarkungen tritt die Kräuselkrankheit in stärkerem Umfange auf. Hier ist eine Bespritzung mit einer einprozentigen Solbarbrühe oder einer 1,5prozen- tigen Nikotinürühe (1,5 Kg. 8—lOproz. Tabakextrakt auf 1« Liter Wasser) durchzuführen, wobei darauf zu achten ist, daß die Blattunterseitcn gründlich .mit der Brühe gewaschen werden.
Weinbauversuchsanstalt Weinsberg. Dr. Kramer.
Vermischtes.
Vorbei ist's mit der Frühlingspracht im bayerischen All gäu. Die Gemsen und Hirsche rückten in den letzten Tagen wieder näher dem Tale zu; ein böses Wetterzeichen. Sonntag früh begann es denn auch bis zu einer Meereshöhe von All Metern zu schneien, noch ehe die letzte Kälte- und Schneewelle abgezogen war. Weithin leuchten die Buchen dunkelgelb in» Tal; alle jungen Triebe der Bäume, die sich zu früh hervorgewagt hatten, sind erfroren, während die Spätblüher, wie
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Landbund 21637 St. 1 Man., Volksrechtpartci 1932 St. 0 Man., Mittelstandspartei 6775 St. 1 Man., Partei für Rechtsund Mieterschutz 1072 St. 0 Alan., Anhalter Haus- und Grundbesitzer 8125 St. 2 Mandate. Die Demokraten und die Sozialdemokraten, die im vorigen Landtag 10 Mandate zusammen hatten und damit die Regierung bilden konnten, haben letzt nur noch 17 Mandate, so daß sie also eine Mehrheit nicht mehr bilden können. Demgemäß ist damit zu rechnen, daß in Anhalt die Große Koalition kommt.
Amtliches Endergebnis der Oldenburgischcn Landtagswahl.
Oldenburg, 21. Mai. Soz. 66 613 (39 219), Mandate 11 (9), Kommunisten 8380 (3579), Mandate 2 (0), Wirtschaftspartei 11717 (0), Mandate 2 (0), Hitler 17114 (0), Mandate 3 (0), Unpolitische Liste Reents 1261 (0), Mandate 0 (0), Demokraten 21716 (23 879), Mandate 5 (5), Landesblock 11213 (60 516), Mandate 9 (15), Völkisch-Nationaler Block 1894 (4101), Mandate 1 (0), Christi. Nat. Reichspartei 1331 (0), Mandate 0 (0), Ehr. Nat. Bauernpartei 11616 (0), Mandate 3 (0), Zentrum 39 570 (12 701), Mandate 9 (10). Die eingeklammerten Zahlen sind die Stimmen bzw. Mandate der Wahl von 1921.
Die Berliner Morgenprefse zu den Wahlen, die allerdings nur zu den in den ersten Morgenstunden vorliegenden Ergebnissen Stellung nehmen konnte, stellt das starke Anwachsen der Sozialdemokratie und die schweren Verluste der Deutschnationalen fest. In dem „Montag" heißt es: Der ganze Kampf, der von der Mitte her gegen die Deutschnativ - nalen geführt worden ist, hat praktisch nur das Ergebnis gehabt, daß die Deutschnationalen eine Anzahl von Mandaten verloren haben. Dieser Mandatsvcrlust verhindert wahrscheinlich die Bildung einer Mehrheitskoalition ohne die Demokraten und Sozialdemokraten. Ein erfreuliches Ergebnis dieses Wahlkampfes ist zu verzeichnen: In O verschießen haben die Polen das eine Landtagsmandat, das sie besaßen, verloren. Die,„Deutsche Allgemeine Zeitung" sagt: Die Sozialdemokraten haben den erwarteten Stimmenzuwachs im ganzen Reick erzielt, aber' in ihrem Triumph ist ein Mißklang. Es ist ihnen keineswegs gelungen, den Kommunisten die erhoffte Niederlage beizubringen. In erschreckendem Maße haben die bürgerlichen Wähler vieler Warnungen zum Trotz sich den aussichtslosen Splitterparteien zugewandt. Das „Tageblatt" zieht die Bilanz: „Kein Rechtsblock mehr. Das ist das wichtigste Ergebnis des gestrigen Wahltages". Der „Vorwärts" jubelt: „Unser ist der Sieg."
Ausland.
Das Echo der Reichstagswahl in Frankreich.
Paris, 20. Mai. Der Berliner Havasvertreter kommt nach dem Ergebnis der Reichstagswahlen zu der Schlußfolgerung, daß es keinem Zweifel mehr unterliegen könne, daß der neue Reichstag nach links orientiert sein werde. Die Kommunisten würden, wenn nicht die zweitstärkstc, so doch die drittstärkste Partei fein. Der Berliner Berichteratter des „Petit Parisien" behauptet, daß der Sieg der Sozialdemokraten vollständig sei, das Vorrücken der Kommunisten bedeutend, die Niederlage der Deutschnationalen sehr schwer. Der „Matin" läßt sich melden, daß einstweilen nur viele Resultate aus den Städten bekannt seien, weshalb cs verfrüht wäre, endgültige Schlußfolgerungen zu ziehen. Aber man könne bereits sagen, daß die Sozialisten und Kommunisten sehr beträchtliche Fortschritte machten und die Deutschnationalen an Boden verlören. Am meisten überrascht den Berichterstatter des „Matin" das Ergebnis von Hamburg. Aus dem Ergebnis in den Großstädten gewinnt der Berichterstatter des „Excelsivr" den Eindruck, daß man vor einem ungewöhnlichen Anwachsen der sozialdemokratischen Stimmen stehe. Frankfurt scheine allein eine Ausnahme zu machen, weil dort die Sozialisten und Kommunisten zahlreiche Fortschritte gemacht hätten. Die Volkspartei hätte besonders in München den Deutschnationalen Stimmen abgenommen. Die Demokraten seien im Rückgang begriffen. Der „Popu- laire" jubelt und ist überzeugt, daß die Sozialdemokraten ihre Stimmcnzahl um 25 Prozent vermehrt hätten. Mit Bedauern stellt das Blatt jedoch fest, daß auch die Kommunisten einen Stimmenzuwachs zu verzeichnen hätten; denn für den französischen Sozialisten gibt es keinen ärgeren Feind als die Kommunisten. Die „Humanite" behauptet, daß man das Wahlergebnis nicht nach außenpolitischen Gesichtspunkten beurteilen dürfe, wenn Sozialisten u. Kommunisten gewonnen hätten, sei dies auf die Wirtschaftskrise in Deutschland zurückzuführen. Die „Ere Nouvelle" schreibt: Das Werk des Friedens und der deutsch-französischen Annäherung werde nunmehr ohne Unterlaß fortgesetzt werden können. Das deutsche Volk habe gut gewählt, alle Franzosen der Linksparteien würden mit ungeheurer Freude diese gute Nachricht vernehmen. Nunmehr würden auf beiden Seiten des Rheins die Männer guten Willens vollkommene Freiheit haben, um an der Wiederversöhnung der beiden großen Nationen zu arbeiten. In seiner Morgenausgabe schreibt der „Petit Parisien": Vollkommener Sieg der Sozialisten, noch relativ größerer Sieg der Kommunisten, Erfolg der Wirtschaftspartecen, offenkundige Niederlage der Deutschnationalen, die zu einer kleinen Partei herabstnken.
Mag auch Sie Liebe weinen ..
Roman von Fr. Lehne.
52. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.)
„Ach. die Louison weiß schon, was sie will! — Na. nun lassen Sie den Tee nicht kalt werden! Ich habe Ihnen frische Erdbeermarmelade mitgebracht. Fräulein." sagte das Mädchen gutmütig.
„Ich danke Ihnen, Betty. Wo sind die Kinder?"
„Vorhin waren sie noch auf der Terrasse. Ich glaube, jetzt sind Sie ins Atelier gelaufen. Genau weiß ich es nicht."
„Dann geben Sie doch, bitte, etwas acht auf die beiden! Ich kann das Zimmer nicht gut verlassen." .
„Ja. ich weiß. Komtesse Titi würde es sonst gleich klatschen."
„Wir wollen Sissi jetzt aber nicht mehr stören: sie hat viel zu tun!" bemerkte Lore mahnend. Ihr war das Gespräch mit dem gutherzigen Mädchen doch etwas unangenehm, da sie sich von jeder Vertraulichkeit mit dem Personal fern hielt — trotzdem hatte jeder sie gern.
„Gott, ja, die arme Sissi!" mit einem mitleidigen Blick auf das emsig arbeitende Kind verließ Betty das Zimmer.
Wieder verging eine Weile.
Da hob Lore lauschend den Kopf. War es nicht, als ob sie draußen im Park Theklas Helle Stimme hörte und Ossis lustiges Lachen dazu?
„Sissi — hör' mal! Ist das nicht Titi? Hier im Hause scheinen sie nicht zu sein. Sonst würden wir sie schließlich doch gehört haben —Eine leichte Unruhe hatte sie erfaßt.
„Vielleicht sind sie nach dem Weiher gelaufen! Neulich sagte Titi zu Mama, sie möchte mal mit dem Kahn fahren und sehen, ob die Wasserrosen noch nicht blühen. Aber Mama hat es nicht erlaubt!"
Sofort erhob sich Lore und legte ihre Arbeit aus der Hand.
„Komm, meine Sissi, wir wollen den beiden nachgehen — selbst auf die Gefahr hin, daß Mama uns ausschilt. Ich habe keine Ruhe, wenn ich Titi und Ossi nicht im Hause weiß."
Graf Rüdiger lag in einem bequemen Trrumphstuhl auf dem Balkon vor seinem Zimmer. Die Wärme hatte ihn schläfrig gemacht. Als er jetzt langsam die Augen öffnete, sah er gerade die junge Erzieherin mit Sissi in einen schmalen Weg einbiegen, der nach dem Weiher führte. Er lächelte ein wenig vor sich hin.
„Schau, schau. Fräulein Lore — ungehorsam? Ich denke, wir Haben Zimmerarrest!"
Lore beschleunigte ihre Schritte — kaum, daß das Kind ihr folgen konnte. Eine innere Unruhe trieb sie vorwärts.
Bald hatten die Beiden das Ufer des Weihers er-, reicht. Die Nachmittagssonne brütete darauf und ließ goldene Funken in dem dunklen Wasser aufsprühen.
Lores Herzschlag stockte fast: ihre geheimen Befürchtungen sah sie bewahrheitet: die beiden Kinder saßen in dem Kahn, der durch Titis ungeschickte Ruderschläge langsam und unregelmäßig fortbewrgt wurde!
„Komtesse Thekla, ich bitte Sie. kommen Sie zurück!"
„Fällt mir gar nicht ein! Ich mache, was ich will.
— Sie haben mir gar nichts zu befehlen. Fräulein Berger! Uebrigens werde ich es der Mama sagen, daß Sie doch draußen sind. Das ist also Ihr Gehorsam
— na. Sie werden schon sehen!" rief Thekla.
„Ich bitte Sie. Titi. seien Sie doch wenigstens vorsichtig."
Zum Trotz schlug Thekla heftig, herausfordernd, ins Wasser, daß der Kahn zu schaukeln begann, was den beiden Insassen ein unbändiges Vergnügen zu bereiten schien.
Lore rang die Hände und warnte das Mädchen.
„Ach. haben Sie sich doch nicht so. Fräulein! Ich bin doch kein kleines Kind mehr." Thekla streckte zur Bekräftigung oder Widerlegung dieser Behauptung die Zunge heraus. Der Kahn trieb immer weiter.
Lore sah, daß ihre Bitten zwecklos waren. Sie wollte den Vater der Kinder holen, daß er ein Machtwort spreche.
Aber nach wenigen Schritten kehrte sie um: Sissis ängstliche Stimme hatte sie zurückgerufen.
Und sie sah etwas, das sie erbeben ließ: beide Kinder neigten sich weit über den Rand des Bootes, um die Wasserpflanzen auf Blüten und Knospen zu untrr- suchen.
Heiser vor Erregung trug Lore der kleinen SW auf, so schnell wie möglich Onkel Rüdiger zu holen. Die Angst stieg siedendheiß in ihr empor.
Das leichte Fahrzeug schwankte bedenklich nach der einen Seite. — und da — Grausen erfüllte sie — es schlug um, trieb kieloben — beide Kinder waren mit einem markerschütternden Schrei ins Wasser gefallen.
Blitzschnell streifte Lore ihren Kleiderrock ab und stürzte, sich ohne Besinnen ins Wasser. Di? Hilferufe der Kinder gelten ihr in die Ohren, trieben sie zur Anspannung ihrer Kräfte an. Sie erreichte Ossi, packte ihn und hielt ihn fest. In Todesangst klammerte sich der Knabe an sie, daß er sie in ihrer Bewegungsfreihe-t hinderte und sie bald ihre Kräfte erlahmen küb""
Zum Herzerbarmen rief Thekla:
„Hilfe. Hilfe!"
Doch Lore konnte der Versinkenden und Wiederam- tauchenden keine mehr bringen. Sie fühlte ein Samen und Brausen in den Ohren, und sie dachte nur immü das eine: „Ossi", und dann verschwimmend: „Rüdiger . Mit Entsetzen wurde sie gewahr, daß die Entfernung bis zum Ufer für ihre Kräfte zu groß war — der Atem gehorchte ihr nicht mehr. — Und der Kahn war auch nicht zu erreichen: durch den Stoß war das leichte Fahrzeug weit abgetrieben. . .
Der Legationsrat sah vom Balkon aus die^ klein« Nichte so ängstlich und eilig den Weg allein zuruckkom- men, den sie vorhin in Begleitung ihrer Erzieherin e geschlagen — er hörte sie rufen, sah sie winken — — Da svrang er schnell auf uno eilte in fast mm übliche: Ungestüm die Treppen hinunter. (Fortsetzung folgt.)