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Landesversammlung abgehalten, die von dem Vorstand Schmid-Platzhof geleitet und mit einem Hoch auf den König eröffnet wurde. Sodann verbreitete sich der ReichstagSabgcordnete Lieber, mann v. Sonnenberg in längerer Rede über wirtschaftspolitische Zeitfragen, wobei er zunächst die Notwendigkeit der Organisation des ländlichen und städtischen Mittelstandes mit dem vorbildlich wirkenden Bund der Landwirte betonte um Herr deS Liberalismus und der Sozialdemokratie zu werden und zwar schon bei den nächsten Reichs- tagSwahlen. Der Handwerker brauche Organisation und einen ehrbaren KanfmannSstand müsse man großziehen durch die Bekämpfung der Bazare mit ihrer Schmutzkonkurrenz. Der Redner verneinte auf Grund zahlreicher Ziffern das Vorhandensein einer Fleischnot und matz die Schuld an der Fleisch­teuerung ebenfalls an der Hand der Statistik dem Zwischenhandel zwischen Bauer und Fleischer zu. Bezüglich der Handelsverträge erhoffte er durch ihre Ausführung und Handhabung eine weitere Brsserung der Verhältnisse. Schließlich forderte er die Küu- dixung der Handelsverträge mit Argentinien und England und machte auf die drohende Kriegsgefahr von Seiten Englands aufmerksam. Da müsse der Bauernstand imstande sein, das Vaterland zu ver­proviantieren. Er sei gesund und werde mit dem bür­gerlichen Mittelstand die inneren und äußeren Feinde des Vaterlandes bezwingen. Der Redner schloß seine mit großem Beifoll aufgevommenen Ausführungen mit einem dreifachen Heil dem Vaterlande und dem Kaiser. Der von dem Geschäftsführer, Redakteur Körner, vorgctragene Jahresbericht ergibt eine Zunahme der Bundesmitglieder um 1034 auf 21684. Redakieur Schrempf sprach über die Landes­politik und betonte dabei besonders, daß die größte Fleischnot in Württemberg in den Bauern­häusern herrsche und zwar schon seit einem Mensch-alter. Von einem Vtehmangcl sei keine Rede. Mit dem Urteil über die neue Einkommensteuer müsse man noch zurückhalten. In den Eisenbahnfragen werde das würltcmbergische Volk sich verbluten, angesichts der großen Ausgaben, wenn nicht ein Verband angelegt werde. Die großzügig angelegte Reform sei durch Bayern zu Wasser geworden. Der Veifassungsreform werden die Vertreter des Bundes möglichst freundlich gegenüberstehen und keinen Fortschritt hindern. In der Stellung der Parteien erlebe man wunderbare Dinge; die Verbrüderung zwischen der deutschen Partei und der Volkspartei richte sich gegen den Bund. Wäre der Bauernstand im Lande einig, dann könnte er die Gesetze machen. An der Spitze der Sozialdemokratie stehe nicht der Bebel, sondern der Jude Singer und der Bebel sei derBabbel*. Schrempf schloß mit einem Hoch auf das Blühen, Wachsen und Gedeihen des Lundes, einer starken Säule des Volkes und deutscher Kraft. (Lebhafter Beifall.) Folgende Resolution zur Fleisch­teuerung wurde einstimmig angenommen: Die Landesversammlung des Bundes der Landwirte in Stuttgart richtet an die königl. Staatsregierung die Bitte, dem Drängen der Gegner der Landwirtschaft noch O-ffnung c..' Grenzen und Erleichterung der Vieh- und Fleischeinfuhr vom Ausland nicht nach­zugeben. Alle Landwirte Württembergs rechnen bestimmt darauf, daß die Schvtzmatzregeln zur

Verhinderung der Seucheneinschleppung nicht ab- geschwächt, sondern aufrecht erbalten werden. Bei der großen Bedeutung, die die Viehzucht bei unserer Volkswirtschaft hat, bet den großen Vermögenswerten mit ca. 8 Milliarden Mark, die im württembergtschen und deuischen Vtehstand enthalten find, und bei dem großen Interesse unserer zahlreichen kleinbäuer- licken Brvö kerung an der Vieh- nud Schweinezucht hoffen wir zuversichtlich, daß unsere Landwirte den norwendigen Schutz und die staatliche Unterstützung auf diesen Gebieten nach wie vor erhalten werden, lieber den deutschen Reichstag und unsere Reichspolitik sprach der Reichstagsabgeordnete vr Wolfs. Er stellte u. a. eine wohlwollende Prüfung der Flottenvorlage in Aussicht und be­tonte die Verdienste des Bundes in der Handels­vertragspolitik. In den Kolonien müsse man die farbige Bevölkerung zur Arbeit heranziehen. Er ermahnte schließlich zum Zusammengehen des ge- werblichen und des bäuerlichen Mittelstandes. Land­tagsabgeordneter Haug brachte ein Hoch auf den Vorsitzenden und den Geschäf sführer des Bundes aus. Rechtsanwalt vr. Spröhnle überbrachte Grüße des 3. R ichstagswahlkceises und des Unter­landes und bezeichnet« als den einzig wahren Block, auf den sich das Vaterland verlassen könne, das gute Bürgertum und den richtigen Mittelstand. Reichstagsabg. Liebermann v. Sonnenberg sprach das Schlußwort, das in ein 3foches Heil auf die Führer d,s Bundes auSklang. Mit Avfingung des Liedes:Deutschland, Deutschland über alles* schloß die Versammlung nach 4stüudiger Dauer.

Fr enden stadt, 23. Nov. Gegenwärtig wird die evang. Smdtkirche mit elektrischer Be­leuchtung versehen. Nach Beratung durch Oocr- bourat Dolmetsch und mit Genehmigung der K. Domäaendirek ion, welcher die Baulast an der Kirche zukommt, während die Kirch rpflege die Kosten der Einrichtung trägt, wurden Nernplampen gewählt. Die Träger an den Wänden und die Kronen über den Lampen find in feiner Wttse nach Form wie Bemalung dem Etil der Küche ange- paßl; die Lampen verbreiten eine Fülle von Licht. Die Leitung der Einrichtung lag in den Händen des BauamtSwelk ueisters Vogt, die Ausführung der Arbeiten hat die bewährte Firma Glauner hier übernommen.

Ulm, 27. Nov. Am Samstag früh wurde hinter Spielmannsau bei Oderstdoif unterhalb des sogen. Sperbachtobel von dem Jagdaufseher Rt-tzler eine ziemlich verweste männliche Leiche gefunden. ES wird vermutet, daß düselbe mit dem vermißten Lehrer Bolz von hier identisch ist.

Berlin, 25. Nov. Die Nachricht vom Tod Hendrik Witbois hat erneute Bestätigung ge- fanden; er ist bereits am 29 Okt., eine Stunde nach seiner Verwundung, gestorben. Der Anhang seines Nachfolgers Samuel Isaak fitzt am Fischfluß, östlich von Berseba. Weitere starke Banden vou Witbois find nach dem Hudup gezogen. (Der Hndup mündet wstlich von Gtbeon in den Leder- flaß, ein n Zufluß des G. Fischflusses) Südlich von Gib on wurde, wie nachträglich gemeldet wi d, am Fischfluß am 13 Nov ein Pcovtantwagen über­fallen, wobei 4 R iter fielen und 4 Reiter ver­

wundet wurden. Dagegen gelang es am 18. Nov. dem Leutnant Fiscker mit 25 Reitern und 2 Maschinen­gewehren östlich Nauroroams, 20 km südlich von Gibeon, ein Hottentottenlager überraschend anzu­greifen. Der Feind verlor 7 Mann, einige Gewehre wurden erbeutet. Auf deutscher Seite wurde ein Reiter schwer verwundet. General v. Trotha hat, wie beabsichtigt, am 19. Nov. von Lüderitzbucht mit dem DampferPrinzregent" die Heimreise au- getrcten. Seine Ankunft wird in Hamburg für den 12. Dez erwartet. Oberst Dame hat die Geschäfte des Kommandos der Schutz:ruppe übernommen; er b-findet sich seit dem 21. Nov. auf dem Marsch von Lüderitzbucht nach KeetmanShoop.

Paris, 25. Nov. Die hiesige Presse be­schäftigt sich vielfach mit der Abwesenheit deS deutschen Botschafters Fürsten Radolin beim gestrigen Golodiner zu Ehren des Königs von Portugal im Elysee, wobei sich der Botschafter durch den ersten S-kretär vertrete» ließ. Es heißt, die Abwesenheit sei dem Umstande einer neuen leichten Spannung zwischen Frankreich und Deutschland wegen der Einennnng R voils zum Vertreter Frank­reichs auf der Marokko-Konferenz zuzuschreibeu. Verschiedentlich wird sogar die Abwesenheit als eine neue Verschlechterung der deutsch-französischen Be- zi Hungen aus gelegt.

Konstantinopel, 25. Nov. Mit der Flo t t e n-D e m o n st rat io a ist heute ohne weitere Benachrichtigung oder Ultimatum begonnen werden. gen wirdMytilene* besetzt werden und sodannTenetos*. Schlnßltch sollen die Dar­danellen blockiert werden. Die Botschafter zeige« sich beunruhigt, wegen möglicher Verwickelungen. Die Nachricht von der Ablehnung der Forderungen der G oßmächte seitens des Sultans wurde gegen alle G wohnheit unter der muhamedauischen Be« völk !ung noch in der Nacht grfl ssentlich verbreitet.

Landwirtschaft!. Syirksmreiu.

Am Do«a«er»1a- 3V. Nov., (Arrdreas- feierla-) vackwiriogs S Uhr, findet tm Gast- Hof zum Walvhorr» Irr Calw

Generalversammlung

statt mit folgender

Tagesordnung:

1) Vortrag des Herrn Gutspächters Bräuninger auf Hof Georgenau über Anbau und Pflege d>r Kulturpflanzen.

2) Vortrag d«s Kt si n- und Rechenschaftsberichts pro 1. April 1904/05.

3) U brrgobe der D plome von der letzten staat­lichen Bezkks-Rindvtehschau.

4) V rtkilung von landwirtschaftlichen Kalendern.

Jedermann ist hi-zu sekundlichst eiugeladen.

Calw, 24. November 1905.

Der Vsreiusvorstand:

Voelter, Regieruugsrat.

Hletlameteil.

vsnl voslsnbsrlei', Oalvv.

Nazirdda lacht« spöttisch auf.

Glauben Sie denn, mir liegt so viel daran? Wie wenig sie mich kennen I"

Nordheim preßte einen Augenblick die w-ißen Zähne in die Unterlippe, seine dunklen Augen tavtten förmlich vor unterdrvckier Heiterkeit. Sie hattm da« Schloß erreicht und Naziedda sprang rasch, ohne seine zur Hilf« daroebotere Hand zu beachten, aus dem Sattel, er trat mit einer tiefen Verbeugung zurück, dann ging er direkt hinauf in das Zimmer seiner Mutter. .Diese empfing ihn mit dem gewohnten, liebevollen Lächeln, sie saß am Fenster, rin Buch in der Hand.

Nun, gut uutrrhalten?*

Er ließ sich zu ihren Füßen nieder und lehnte den Kopf an ihre Kniee, wie er es wohl als Kind getan; ihre Rechte strich liebkosend über sein Haar.

Mutter, nimm Dich in Acht, überlasse Fernande nicht zu sehr dem Ein­flüsse dieser Freundin.*

Aber weshalb? Fernand« kann manches Gut« von ihr lernen.*

O ja, da» leugne ich nicht, aber sie gefällt mir nicht und du weißt, wie schwach Fernande ist.*

Frau v. Nordheim schüttelte ungläubig da« Haupt.

Du bist ungerecht, Hugo. Sieh Dir doch nur dies« unschuldigen, braunen Kinderaugea an; waS hat sie Dir getan?*

Mir?* er lachte, .nicht»! Aber ich glaube. Du hast recht, ich bin zu streng und so lang« da» Auge meiner geliebten Mutter über jenen beiden wacht, ist mir auch nicht bange. Er zog ihr« Hand an die L'ppen und sah empor in di« dunklen Augen, di« de« seinen so sehr gliche» und so zärtlich und stolz zu­gleich auf ihn herabblickten.

Ach, Mutter, wo fände ich in der ganzen Welt wieder eine Frau, die Dir glrichkäme, ich glaub« e« ist unmöglich.'

Frou v N-rdheim wollte antworten, da erschien in der Türe Naziedda« rolgoldene» Haupt.

Darf ich die Dämmerstunde bei Ihnen zubringen?* fragte sie, ohne den jungen Mann in der hrremdrechenden Dunkelheit zu bemerken,ich bin da» von Mama so gewöhnt; o. Sie ziehen mich so an, darf ich?*

Groß, mein Kindl* Frau v. Nordheim warf dem Sohne «inen vor­wurfsvoll-» Blick zu; wie unrecht hatte er da» junge Mädchen beurteilt. Diese war näber getreten, nun wich fis mit einem kleinen Aufschrei zurück.

Wie Sie mich erschreckt habe»!* Liebe Frau v. Nordheim, vergeben Sie mir, hätte ich geahnt, daß Ihr Sohn da ist, wäre ich nie mit der indiskreten Bitte hier »ingetreten *

Nordheim hatte sich erhoben.

Ich bitte. Baron ffe, bleiben Sie, und zwingen Sie mich nicht, meine Mutter zu verlassen, wn haben keine Geheimnisse," und schob ihren Sessel herbei, nahm jedoch seinen früheren Platz nicht mehr rin, sondern setzte sich an da« off ne F-nst-r. Naziedda lehnte sich bequem in ihren Sessel zurück; ein licht- grünrS G-wand ersetzte das dunkle Rritkostüm, an ihrer Brust prankte ein« einzige, dunkelrote Ros«.

Ich muß beichten,* sagte sie lächelnd,ich weiß nicht, wa« ich au» Fer­nande machen soll, ich habe sie heut» schon zweimal gekränkt und mein« es doch so gut mit ihr, wie soll ich r« anfangen Frau v. Nordheim?*

Hugo wandte sich ihr zu.

Folgen Sie meinem Rate, Baronesse, lassen Eie fit ihre eigenen Wege gehen.*

DaS ist Männrrurteil, ich will sie aber zu meiner Freundin haben.* (Fortsetzung folgt.)