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Baihingen, 2. Nov. Gestern Abend wurde ein Insasse des hies. Arbeitshauses, Christian Hesser von Königsbronn, O.A. Heidenheim, nach vorausgegangenem Wortwechsel von einem anderen Insassen Namens Leonhard Clement von Schlath, O.A. Göppingen, durch einen Stich in die linke Brustseile mit einem Stiletmeffer so schwer verletzt, daß der Tod sofort eintrat. Der Täter ist verhaftet.

Besigheim, 2. Nov. Die Person des gestern morgen auf Markung Neckarwestheim im Neckar gefundenen Mädchens ist jetzt bekannt. Es ist die gemütskranke Tochter des Bauern Rüdel von Ottmarsheim O.A. Marbach. Dieselbe hatte sich in der Nacht vom 31. Oktober auf 1. November vom Elternhause entfernt und ist ohne Zweifel in der Nähe von Ktrchheim a. Neckar in den Fluß gestürzt.

Großbottwar. Zu Ehren des von hier scheidenden Herrn Oberkontrolleur Häußler haben sich am EamStag mittag die Obersteuerbeamten des Bezirks im Gasthof zumLamm" versammelt, um dem Scheidenden Lebewohl za sagen. In ernster und humoristischer Rede wurde der Weggang des allseitig beliebten und tüchtigen Beamten be­dauert, und ihm und seiner Familie in dem neuen Wirkungskreis von ganzem Herzen ferneres Wohl­ergehen gewünscht.

DerPforzheimer Anz." teilt seinen Lesern mit, daß die Bäcker der Stadt Pforzheim die Brotpreise erhöhen werden und dieses ihr Vorgehen in folgender Zuschrift begründen:

Ja ganz Deutschland macht sich eine Steigerung der Bedürfnisse des täglichen Lebens geltend. Die Fletschpreise find vor einer Reihe von Monaten bedeutend gestiegen. Ebenso die Milch- und Mehlpreise und letztere dürften noch eine weitere Steigerung erfahren, zumal die in Rußland herrschenden Unruhen die Ausfuhr von Getreide auf lange Zeit fistieren. Aber auch bei den jetzigen Mehrpreisen ist es den Bäckern nicht möglich, das Brot zum bisherigen Preise herzustellen, wollen sie nicht mit Verlust rechnen. Wie in anderen Städten, sehen sich deshalb die hiesigen Bäcker veranlaßt, einen kleinen Preisausschlag eintreten zu lassen, und kostet von heute ab Schwarzbrot 1. Sorte per Kilo 28 Pf. Schwarz­brot 2. Sorte per Kilo 25 Pf. Dem einzelnen macht dieser minimale Aufschlag nichts aus, da­gegen litte der Bäcker, an den fortgesetzt höhere Anforderungen gestellt werden, bedeutenden Schaden, müßte er zum seitherigen Preise ver­kaufen. Das einsichtige Publikum wird deshalb gegen die aus Not bedungene kleine Erhöhung Einwendungen nicht machen können."

Pforzheim, 2. Nov. Vor einiger Zeit verkauften lt.Pforzheimer Anzeiger" 2 Hausierer aus Wien, die hauptsächlich mit Peiseiteppichen handelten, an einen hiesigen Fabrikanten ein Bild als echt Lenbach'scheS zum Preise von 2300 Der Käufer ließ das Bild von einem Sachver­ständigen in München begutachten, wobei sich heraus­stellte, daß das Bild nur eine Nachahmung ist und infolgedessen nur einen geringen Wert besitzt. Auf erstattete Anzeige wurden die beiden Händler ver­haftet, der eine in Mannheim, der andere in Baden- Baden. Der in Baden-Baden festgenomwene A. Weiß wurde hierher überführt und ins Amtsgefängnis gebracht. Dort hat er sich am Dienstag mit seinem Taschentuche erhängt. Das Bild ist inzwischen auch auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft zur Be­gutachtung in München gewesen. Die beiden Händler haben hier auch einen Perserteppich für 180 verkauft; doch soll dieser tatsächlich den Wert haben. Wie man von anderer Seite mitteilt, habe Weiß das Bild in gutem Glauben als echt verkauft. Wenn sich das Gemälde als gefälscht erwiesen habe, so sei Weiß eben selbst betrogen worden. Die Ursache zum Selbstmord müsse anderswo als im Btlderhandel liegen.

Berlin, 1. Nov. DieNordd. Allg. Ztg." veröffentlicht heute abend einen eingehenden Bericht über die gestrige Audienz derAbordnung des Deutschen Städtetages beim Reichskanzler. Darnach erklärte Fürst Bülow in längerer Rede: Er verkenne keinen Augenblick, daß eine ungerechtfertigte Verteuerung notwendiger Lebensmittel zu einer schweren Schädigung und zu einer Bedrängnis weiterer Volksklassen führen könne. Er verkenne ebensowenig, daß der verantwortliche

Leiter der Reichs- uud Staatsgeschäfte die Pflicht habe, solche Schädigungen zu verhindern oder ein- zuschränkeu. So weit eS in seiner Macht liege, die Erhaltung unseres deutschen Viehbestandes ent­sprechend den vitalsten Interessen unseres Volkes, nicht nur der Landwirtschaft sondern deS gesamten Volkes, solange er an verantwortlich leitender Stelle stehe, werde er niemals Hand dazu bieten, den deutschen Viehbestand durch Außerachtlassung not­wendiger Vorsichtsmaßregeln oder durch einseitige Maßnahmen zu gefährden. Er werde es nicht unterlassen, in gemeinsame Erwägungen mit den Bundesregierungen darüber zu treten, ob Erleichte­rungen an den Grenzen eintreten können, wenn er die Ueberzeugung gewinne, daß solche Erleichterungen zweckmäßig wären. Zu dieser Ueberzeugung fehle aber vorläufig die Voraussetzung. Wenn Maßregeln zur Beseitigung der Uebelstände getroffen werden sollen, so müsse man zunächst klar sehen über die Gründe der Uebelstände. Zugegeben sei eine zum Teil erhebliche Steigerung der Viehpreise, ins­besondere bei den Schweinen. Es frage sich aber, ob diese Steigerung auf einen Viehmangel im In­lands oder auf andere Ursachen zurückzuführen sei. Es frage sich ferner, ob die Preise an den Markt­orten im Verhältnis stehen zu den Stallpreiseu, die Großhandelpreise zu den Detailpreisen, oder ob ein ungerechtfertigter Aufschlag von Zwischenpreisen erhoben werde. Wenn die etwa erforderliche Orffaung der Grenze sich nicht ohne Gefahr der Seuchen- Einschleppung durchfuhren lasse, so müsse man von dieser Maßregel Abstand nehmen, weil dann die Landwirtschaft auf's schwerste geschädigt und eine wirkliche Fleischnot eintreten würde. Schließlich bedürfe es auch der Feststellung, ob im Auslande genügend Vieh zur Ausfuhr vorhanden sei und die Preise wesentlich geringer seien als im Inlands. Die angeordneteu Erhebungen wären dem Abschluß nahe und würden die Grundlage weiterer Ent­schließungen für die preußische StaatSregiernng bilden.

Der Aufstand in Deuts ch-Eüd- westafrika. Berlin, 1. Nov. Oberstleutnant v. S emm ern mit der Abteilung Koppy hatte am Oranjlfluß einen äußerst schweren Kampf mit einem sehr starken Gegner von mindestens 400 Mann, darunter Morenga, Morris und Johannes Christian. Nachdem der Kampf bis zur Dunkelheit gedauert hatte, räumte der Feind am andern Morgen die verschanzte Stellung und zog westwärts ab. Die Verfolgung war mit den erschöpften Truppen und wegen des Proviant- und Munitions­mangels unmögl ch. Der Feind hatte, laut Angabe der englischen Polizei, die den Kampf vom Südufer des Oronj flusstS beobachtete, starke Verluste. Auf deutscher Seite find tot: 3 Offiziere und 13 Mann; schwer verwundet: 3 Offiziere und 18 Mann; leicht verwundet: 13 Manu; vermißt: 5 Mann. Die Truppen gedachten, am 31. Oktober in Warmbad einzutrcff.n; sie leisteten Großartiges im Ueber- winden ungewöhnlich-r Strapazen und unerschütter­licher Tapferkeit im Gefecht. Außerdem wird ge­meldet, daß Hendrik Witboi, noch vergeblichen Versuchen, durch Angriff - auf die besetzten Wasserstellen Amin ins und Kirrib-Ost Wasser zu bekommen, 350 Weiber und Kinder halb verdurstet zurücktteß, darunter seine rächsten Angehörigen, die jetzt von den deutschen Truppen nach Keetmaunshopp ge­bracht werden. Witboi flüchtete von Kartdib in nordwestlicher Richtung. Major von Estorff ging am 25. Ok-ober mit 1 Kompagnie, 2 Geschützen und 2 Maschinengewehren von Mukorob und mit 80 Reitern und 2 Geschützen von Fahlgras aus ihm entgegen, während Major v. Lengerke mit 1 Kompagnie Md 1 Batterie ihm über Geiaub folgt.

Berlin, 2. Nov. DemBerl. Tagebl." wird aus St. Petersburg telegraphiert: Die feste H and Trepows hat am gestrigen kritischen Tag (1. Nov.) Ruhe geschaffen, wenn dieser Erfolg auch mehrere Menschenleben gekostet hat. Mittwoch vor­mittag fand vor der Universität eine große An­sammlung statt, welche von einem Leibgarderegiment zu Pferd auseinaudergetrieben wurde. Bei diesem Zusammenstoß büßten 3 Studenten das Leben ein und 10 Verwundete blieben auf dem Platz liegen. Hierauf wurde gegen 2 Uhr nachmittags eine große Demonstration vor der Kasankathedrale veranstaltet, welche von den berittenen Gendarmen gleich unter­drückt wurde. In RegieruugSkreisen spricht man

viel von einer bevorstehenden Diktaturperiode uud nennt sogar den Freitag als den Tag der Pro­klamation. Die Ruhe in der Stadt ist nicht Wester gestört worden. Augenblicklich (Mittwoch mittag) liegen die Straßen fast menschenleer, und eS scheint, als wenn die Bewegung gegen die Regierung im Abnehmen begriffen sn; doch ist eS schwer, solches mit Sicherheit zu behaupten, da die Bewegung in den letzten Tagen wie Flut und Ebbe gewechselt hat. Jedenfalls haben die Arbeiter und das Volk eingksehen, daß die Regierung entschlossen ist, Ernst zu machen und weitere Unruhen niederzu­werfen. In der Stadt Petersburg wurden abermals auf rotem Papier gedruckte revolutionäre Prokla­mationen verteilt, in denen die Abdankung des Herrschers gefordert wird.

Moskau, 1. Nov. Hier hat das kaiser­liche Manifest einen vollständigen Stimmungswechsel hervorgerufen. Die Radikalen warnen vor zu großem Optimus. Da jedoch die bürgerlichen Kreise zu­frieden find, das Groß der Bevölkerung gegen die Aufwiegler Stellung nimmt uud ferner die Eisen­bahner den Srreik aufgegeben haben und alle Fa­briken ihre Tätigkeit oufnahmen, hofft man, daß schon heute vollständige Ordnung eintreten wird. Auf telegraphischen Befehl Wittes wurden alle im Stadtgesängnis internierten, administrativ Verurteilten in Freiheit gesetzt.

Petersburg, 1. Nov. Auf der Bahn­linie zwischen Batum und Tiflis überfiel eine aus 150 Köpfen bestehende Tatarenbande einen Zug, brachte ihn zum Entgleisen und plünderte einen Waggon mit Waffen. Ein in dem Waggon sich defintlicher Soldat wurde rötlich verwundet.

Petersburg, 1. Nov. Gestern vormittag ließ Witte alle Chefredakteure der Blätter zu sich berufen und bat sie, auf die öffentliche Meirung einzvwirken, weil er seine schwere Arbeit beginnen wolle gestützt auf die wohl­gesinnten Teile der Gesellschaft, so schwer und trost­los der gegenwärtige Moment auch sei. Er habe den Justizmiuister veranlaß:, die Frage einer politischen Amnestie in Angriff zu nehmen und er sichere zu, daß in kmzester Zeit volle Preßfreiheit gewährt und ferner das Wahlrecht auf der breitesten Grundlage durchgeführt werde. Er habe auch An­ordnungen getroffen, daß kein Todesurteil vollstreckt werde. Er bitte um einige Wochen Zeit und etwas mehr Vertrauen. Die Anwesenden forderten die sofortige Entlassung Trepows vou seinem Amt und die Entfernung des Militärs aus den Straßen, ferner die Bildung einer Bürger-Miliz. Witte er­widerte, die Entfernung des Militärs sei wegen der öffentlichen Sicherheit nicht angängig. Trrpow werde glücklich sein, von seinem Amte zurücktreteu zu können.

Petersburg, 1. Nov. Gleich nach 12Uhr mittags begonnen kolossale Massevdemonstratioueu gegen das Manifest. Vor der Kasan-Kathedrale sammelten sich mehrere tausend Menschen, haupt­sächlich Arbeiter und Studenten mit roten Fahnen an. Revolutionäre Reden wurden gehalten. Als­dann zog die Menge auf den Platz vor dem Wiuter- polais und nahm völlig ungehindert dort eine Demonstration gegen die Regierung vor. Unter dem Gesang revolutionärer Lieder zogen sie durch die Suchen, unterwegs immer mehr anwachseud.

Hongkong, 1. Nov. Dem Rcuterschen Bureau wird cus Kanton gemeldet, daß 5 ameri« konische Missionare, 2 Männer uud 2 Frauen und 1 Kiud, am 28. Oktober von Chinesen in Ltenschan getötet worden seien.

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Samstag, 4. Nov. 6'/- Uhr abends: Vorbereitungs­predigt und Beichte, Herr Stadtpfarrer S ch roi d. 20. Sonntag «ach Hrinit., 5. Nov. Aesormationsfest. Vom Turm- 206. Kirchenchor: Psalm 95, Kommt, lasset uns anbeten rc., von Mendelssohn. Predigt­lied: 212. Ein feste Burg re. 9'/i Uhr: Beichte in der Sakristei. 9'/- Uhr: Vormitt--Predigt. Herr Tekan Roos. Abendmahlsfeier. 5 Uhr: Abend- Predigt, Herr Stadlpfarrer Schund. Das Opfer ist für die württemb. Bibelanstalt bestimmt. Donnerstag, 9. Nov. 8 Uhr abends M VereinshauS: Vortrag von Herrn Pfarrer Mahnert über die evang Bewegung in Steiermark.

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