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Industrie werden dem Handwerk die Lehrlinge entzogen sei nicht stichhaltig; hierüber könne sich eher der Landwirt beklagen. Ueberhaupt sei die Zahl der Havdwerkslehrlinge in den letzten Jahren gestiegen. Auch über die Wirtschaft?- und sozialpolitische Gesetz­gebung klage der Handwerksmann ungerechifertigt. Der VerficherungSzwang nehme dem Handwerksmann große Last ab; er sorge nicht bloß für den Hand­werksgehilfen sondern auch für den Meister, dem eS freibleibt, auch der Versicherung beizutreten. Ge­fährlicher als diese äußern Feinde seien die innern, die dem Handwerkerstände selber anhasten, wie Mangel anBildungshunger", Unpünktlichkeit in der Lieferung der Arbeit, Mangel an richtiger Kal­kulation, Engherzigkeit, Selbstüberhebung, Mißtrauen gegen seine Kollegen u. s. w. Mit einer Mahnung, die Handwerker möchten sich fest zusammenschließen und vorerst gegen diese innern Feinde kämpfen, dann würden die äußern von selbst fallen, schloß der Redner seine Ausführungen. Der Vorsitzende dankte beiden Rednern für ihre Vorträge. Aus der Mitte der Versammlung wurden als weitere Feinde des Handwerks genannt: die Mißgunst und Unred­lichkeit der Geschäftskollegen, der Mangel an einem Gesetz über das Submissionswesen und die Saum­seligkeit der Architekten, sowie die Unkenntnis der Gesetze (Verjährungsfrist). Ueber letzter« Punkt gab Hr. Stodischultheiß Conz eine kurze Belehr­ung und wies auf die diesbezüglichen, stets wieder- kchrenden Notizen im Gewerbeblatt hin. Nachdem der Gankasster Hr. Uhrmacher Zahn den kurzen Kassenbericht verlesen, wurde Neuenbürg als nächstes Gauort gewählt und der dortige Gewerbevorstand Gollmer zum Gauvorstand erklärt. Hr. Ober­lehrer Köbele aus Nagold stellte im Namen deS dortigen Gewcrbevereins den Antrag, bei künftigen Wanderversammlungeu möchte nun mehr ein längerer Vortrag gehalten, damit auch noch Zeit für die Debatte übrig bleibe, welcher Antrag ein­stimmig angenommen wurde. Nachdem derselbe Redner dem Gauvorstand Hrn. Schlatterer für seine Vereinslätigkeit und insbesondere für die freundliche Leitung der Gauversammlung gedankt, schloß der Vorsitzende die Versammlung.

Calw, 1. Nov. Wie man uns mitteilt, wird am Donnerstag, 9. Nov., Pfarrer Mahnert aus Marburg in Steiermark, abends 8 Uhr, im Vereinshaus über die evangel. Bewegung in Steiermark sprechen. Der Redner, der bei der Landesversamwlung des Evong. Bundes in Nkuenlürg ungkmeiu intenssavt und packend sprach, ist schon seit 5 Jahren an der Arbeit in Steiermark. WaS er zu bieten Hot, dürste weite Kreise interessieren.

* Calw, 1. Nov. Die zwischen dem Alb- verein und dem Schwarzwaldverein bestehenden Differenzen haben leider zu keinem Ausgleich, sondern zum offenen Bruch geführt. Das Streitobjekt bildet die Wegmarkierung zwischen Schwenningen und Tuttlingen; dieses Gebiet gehört zum schwäbischen Albverein. Der Schwarzwald­verein hat seinen Höhenweg von Pforzheim bis Schoffhausen durch das genannte Gebiet geführt und auch bezeichnet, was zu Gegenvorstellungen von Setten des Albvereins Anlaß gab. Beide Vereine führen für ihre Stellung in dieser Angelegenheit triftige Gründe ins Feld. Auf der am Sonntag in Plochingen stattgefundenen Herbstversawmlung

des Albvereins wurde nun bezüglich des Vorgehens des württ. Schwarzwaldvereins in dem Gebiet deS Schwäbischen Albvereins folgende Resolution an­genommen: Da der württ. Schwarzwoldverein auf die vor mehreren Monaten in den Blättern des Schwäbischen Albvereins erfolgte Veröffentlichung keinerlei entgegenkommende Schritte getan hat, um den durch sein Vorgehen herbeigeführten Zwist zu beseitigen, beschließt die heutige Mitgliederversamm­lung des Schwäb. Albvereins einstimmig, jeden Vereinsverkehr mit dem württemb. Echwarzwaldverein bis auf weiteres abzubrechen.

* Calw, 1. Nov. Die Weihnachts­feiertage und das Neujahr bringen in diesem Jahr eine reiche Zahl von Feiertagen. Es sollen nämlich der erste Weihnachlsfeiertog und das Neu­jahrsfest auf einen Montag; wir haben also vom 24.-27. Dezember, demnach 4 Tage nacheinander Feiertage. Innerhalb zweier Wochen liegen 5 Feier­tage einschließlich der Sonntage.

Calw, 1. Nov. Der gestern beim Wölfles- b runnen erschossen aufgefnndene junge Mann ist der 24.Jahre alte Schreinergehilfe Karl Leonhardt von hier. Bis vor kurzem stand derselbe in Stuttgart in Arbeit und seit wenigen Togen hielt er sich bei seiner Mutter in Calw auf. AIS Grund der Tat darf wohl Lebensüberdruß angenommen werden.

X Neuweiler, 29. Ost. Morgen verläßt uns noch langjähriger treuer Wirksamkeit Herr Schullehrer Pfrommer, um nach seinem künftigen Wirkungskreis Eindelfingen überzvfiedeln. Am Freitag Abend brachten ihm seine Schüler aus Dank­barkeit ein Ständchen. Am Samstag Abend ver­sammelte sich dann die Gemeinde im Lamm, um dem ollverehrten Lehrer noch eine Abschiedsfeier zu veranstalten. Zuerst nahm der OUsg-ifiliche das Wort und hob die Verdienste des Scheidenden hervor, die er sich auf verschiedenen Gebieten (als Lehrer, Organist und Mitglied des Kirchengemeinde- rats wie auch als Vorstand beim Auffichtsrat der Darlehenskasse) bei der Gemeinde erworben. Mit Bedauern über den bevorstehenden Verlust des hier allseits beliebten Lehrers und dem Wunsch, daß es ihm in Sindelfingen gut gefallen und Wohl ergehen möge, versicherte er ihn der unwandelbaren Anhäng­lichkeit seiner Gemeinde. Als zweiter Redner erhob sich der Vorstand des Militärvereins, Hr. Kaufwann Wahr, um dem Scheidenden für seine treue Teil­nahme am Vereinsleben zu danken; seine Rede klang in ein kräftig oufgenommenes Hoch aus. Sichtlich gerührt dankte der also Gefeierte für die vielen ihm gewordenen Aufmerksamkeiten und ver­sicherte die Gemeindemitglieder seiner, wie feiner Familie unwandelbaren Anhänglichkeit an den Ort, wo er seinen Hausstand gegründet und an Freuden und Leiden der Bewohner stets Anteil genommen habe. Er bat zum Schluß alle An­wesenden die Schule in ihrer so überaus wich­tigen Arbeit für das Volkswohl durch verständnis­volle Mitarbeit kräftig zu unterstütze«. Später gab er noch einen hochinteressanten Bericht über die Entwicklung der von ihm gegründeten Schulsparkosse, die seit ihrem Bestehen etwa 10000 uwgesetzt hat. Dann trug noch Hr. Lamwwirt Burkhard

zu des Scheidenden Ehren ein Gedicht vor, in dem seine Verdienste nach Gebühr hervorgehoben waren. Besonders noch verschönert wurde der Abeud durch musikalische Darbietungen, worin der Gesangverein und der Chor der hiesigen Tewplergemeiude mit einander wetteiferten. Die wohlgelungene Feier wird allen Teilnehmern in bester Erinnerung bleiben.

Leonberg, 30. Okt. Unter den dies­jährigen Neubauten nimmt wohl die erste Stelle ein der Bau der neuen W. Stohrer'schen Maschinen­fabrik; massig, und doch die landschaftliche Umgebung nicht störend, erhebt er sich mit seinem wuchtige«, hübschen Turmauftrag an der dem Bahnhof zu- gek'hrten Spitze auf der Anhöhe in unmittelbarer Nähe der Bahnhosgüterstelle. Wann der Betrieb aus der alten, im engen Glcwstal g'legenen Fabrik verlegt werden kann, ist noch nicht bestimmt. Einen weiteren Schritt in der Bebauung unserer Bahu- hofgegend wird die, wie es heißt, von Fabrikant Schmalzt ied geplante Erbauung einer Villa in der Nähe deS neuen Bezirkskommandos bilden.

Stuttgart, 31. Okt. Gestern nachmittag h äugten sich auf dem Güterbahnhof ein Ankuppler und ein Hilfswärtcr an eine Raugiermaschiue. Beim Ueberfahren einer Stellweiche wurden beide vom Weichehebel erfaßt und ab geworfen. Der eine erlitt einen Rippevbruch und wurde ins Katharinen- Hospital verbracht. Der andere, der eine Bauch- querschung erlitt, wurde in seine Wohnung überführt.

Reutlingen, 31. Okt. Das Kind deS Bäckers Rietb in der Tübingerstroße ist au den Folgen der R auchvergiftung gestorben. Die Wärterin hatte ein Bettfiück zu nahe am Ofen auf- gehängt. Dasselbe geriet in Brand, und als es bemerkt wurde, war das Zimmer ganz von Rauch gefüllt.

Eßlingen, 31. Okt. Am vergangenen Samstag fiel eine hiesige Frau einem Betrüger da­durch zum Opfer, daß sie einem Mann von un­gefähr 2830 Jahren 30 und verschiedene Odstiäcke aushändigte, welche der Betrüger angeblich im Aufträge des Ehemannes der Frau abholte. Vom Täter fehlt jede Spur. Gestern nachmittag wurde im Hauptladen des hiesigen ConsumvereiuS eingebrochen und dabei ca. 160 gestohlen.

Plochingen, 31. Okt. Gestern Nachmittag kam lt.Eßl. Zeitung" ein Mann von Hattenhofen OA. Göppingen zu einem hiesigen Arzte, um sich von dems'lben untersuchen zu lassen. Als er wieder auf dem Wege zum Bahnhof war, fiel er ganz in der Nähe desselben plötzlich zn Boden. Der herbei- gerufdne Arzt konnte nur noch den Tod des ManneS konstatieren.

Oberndorf, 31. Okt. Am letzten Sonn­tag besichtigten hier viele Fremde die Gedenktafel für Echeffkl's Mutter. Zur Aussprache über die Lage deS BuchdruckereigewerbeS hatte sich am letzten Sonntag hier der Bezirksvereiu Reutlingen des deutschen Buchdruckervereins zu einer Bezirks- Versammlung vereinigt. ES wurde zu einem ge­meinschaftlichen Accidevz-Diuckpreisjprif Stellung genommen und diese Frage einer allgemeinen Förderung empfohlen. Der unlauteren Konkurrenz seitens der Buchbinder- und Schriftgießereien soll entgegengetreten werden. Die Postverwaltung soll in einer Eingabe um bessere Berücksichtigung der

Ein Vermächtnis wagst du e« zu nennen? Ich sah, daß du Böses mit dem Kinde vorhattest! Ich sagte euch Lebewohl, blieb aber heimlich in deiner Nähe und beobachte, wie, als dein Gatte dich für einige Tage allein gelaffen hatte, jenes schleichende, heimtückische Weib, deine Vertraute, die du selbst noch bei dir behieltest, das Kind einer armen Aukwandererfamilie übergab, die e» gegen eine beträchtliche Summe mit nach Amerika nehmen sollte. Da» arme Ge­schöpf folgt« den Leuten gerne, denn eS hatte nie einen freundlichen Blick von dir gesehen. E» war die rechtmäßige Erbin deines Gatten, aber eS stand deinen habsüchtigen Plänen im Wege; deshalb gabst du «» heimlich fort in die Hände der fremden Leut«; ich aber bemächtigte mich seiner. Um eS vor dir zu retten, verschwand ich mit ihm; du solltest «S erst wieder sehen, wenn e» selbst vor seinen Vater Irrte» und seine Rechte fordern könne. Mein Unglück wollte, daß du e» dennoch erspähtest und e« mir stahlst durch gedungene Hände! ... Ich aber stehe jetzt vor dir und frag«: Wo hast du da» Kind?"

Afra erzittert« innerlich. Die so ungestüm herauSgestoßen, Frage erschütterte ihre Haltung, aber sie faßte sich.

Hatte ich, die Mutter, kein Recht über da» Mädchen?" rief sie au».

Nicht zu seinem Verderben! Aber dein Werk ist durch Gotte« Hand nicht gelungen! Da» Kind ist wieder gefunden; e» ist hier!" rief er mit bewegter Stimm«.Gott hat e» vor dir gerettet l Zu ihr hoffte ich eben geführt zu werden, zu ihr, die ich so lange vergeblich gesucht hatte!"

Warum fragen Sie mich also!" spottet« Afra, innerlich doch erschüttert.

Der Alt« raffte sich zusammen, er tat noch einen Schritt vorwärts und starrt« ihr in» Antlitz.

Und wo hast du deinen Gatten?" rief er drohend.Rede, wa» ward au» ihm?"

Afra'» Gesichtsnerven zuckten; fi« wandte sich ab.

Wer hat da» Recht, mich danach zu fragen? rief sie abweisend.Er kränkelte fortwährend und starb, mich als Witwe zurücklaffend."

Noch einen Schritt trat jetzt der Alte vor. Kühn und ungestüm, sich zu ihr beugend, rief er mit halber Stimme: Er starb an schleichendem Gift, da» man ihm eingeflößt hatte! Du haßtest auch ihn, wie du das Kind haßtest! Du wolltest beider ledig sein!" Drohend erhob er abermals den Arm gegen sie.

Eine Lüge! Gott ist mein Zeuge! Ich tot ihm kein Leid!" Afra'S Antlitz war leichenblaß, aber hoch und feierlich aufgerichtet sprach sie diese Worte.

Lode nicht noch mehr Sünde auf dich, indem du den Name» Gotte» auf deine Zunge nimmst!" rief er, ihren Arm ergreifend.Ich selber mußte, geführt durch seine unsichtbare Hand, der Zeuge seine» Tode» werden! Gott selbst mußte dei nem Verbündeten, den du gedungen, mir das Kind zu entfernen, den Gedanken eingeben, mich, der. wie du damals erforscht hattest, in untergebener Stellung mein Brot verdiente, um zugleich für daS arme Mädchen zu sorgen Gott selbst, sage ich, wußte jenem Entführer den Gedanken ringeben, gerade mich mit der Nachricht an seine Auftraggebern» zu senden, daß alle» vorbereitet sei! Höre genau, wa» ich dir sage," fuhr er fort, ihren Arm schüttelnd.Ahnungslos de- trat ich die Wohnung, die er mir angedeutet; die Türe war verschlossen, di, Glocke abgestellt. Niemand empfing mich in den dunklen Vorräumen."

Afra streckt« erschreckt und mit einer wilden Geberde de» andern Arm gegen ihn au», ihr Mund öffnet« sich, um ihm Schweigen zu gebieten, ihr, Auge», weit geöffnet, starrte» ihm entsetzt entgegen.

Nein, höre mich! Höre mich zu Ende, denn Gotte» Stimme selbst ist r«. di« au» mir redet!" rief e, feierlich mit krampfhaft gespanntem Antlitz, während fi« sich losgemacht hatte und vor ihm zurückwich. (Fortsetzung folgt.)