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fordert wäre, unterliegen würden, so können sie, insofern die Mehrheit der beteiligten Familienhäupter es wünscht, die Errichtung und Erhaltung einer eigenen Volksschule ihrer Konfession aus örtlichen Mitteln ansprechen. Nach den bisherigen Bestimmungen konnte die Minderheit einer Konfession die Errichtung und Unterhaltung einer Konfessionsschule aus örtlichen Mitteln nur fordern, wenn von 60 Familien der betr. Konfession Grundsteuer bezahlt wurde. Die hier bestehende katholische Volksschule hatte seither keinen Anspruch auf örtliche Mittel, da die Bedingungen zu einer derartigen Forderung nicht gegeben war. Auf Grund des neuen Gesetzes hat nun die Mehrzahl der kathol. Familierhäupier hier die Uebernahme der seitherigen Konfessionsschule von Seiten der Stadt beantragt. Das Gesuch liegt gegenwärtig, soviel wir hören, der Beratung der bürgerlichen Kollegien vor. Bei der Beschlußfassung über dieses Gesuch wird es sich hauptsächlich darum handeln, festzustellen, ob 60 katholische Familien hier anwesend sind, welche einer direkten StaotSsteuer oder einer direkten Gemeindesteuer unterliegen; hiebei muß sodann noch in Betracht gezogen werden die Frage: Wer hat als Familie zu gelten? AuS dem Ergebnis dieser Fragen ergibt sich die Entscheidung von selbst.
Aidlingen, 27. Okt. Der des Mords an der Witwe Pauline Hetzer verdächtige Schreiner Wilhelm Stürner von hier stellte sich vorgestern abend der Polizei. (Böbl. Bote.)
Stuttgart, 26. Okt. Dank den reichen Gaben und den opferwilligen Bemühungen Vieler konnte heute der württ. Landesverein vom Roten Kreuz in einer Eisenbahnwagenladung die Weih - nachtsgeschenke für unsere Krieger inSüdwest - afrika in 88 Kisten verpackt an die Hauptsawmel- stelle der freiwilligen Kranker pflege in Hamburg absenden. Mögen die Gaben den unter mannigfachen Entbehrungen und großen Anstrengungen kämpfenden Truppen frohe Weihnachten und einige Erleichterung bieten.
Stuttgart, 27. Okt. (Strafkammer.) Ein gewerbsmäßiger Hundedieb, der Serbe Kosta Dimitrijewice, wurde heute der Strafkammer aus der Untersuchungshaft vorgeführt. Der Angeklagte, der gebrochen deutsch speicht, lockte Ende März in Stuttgart einen Jagdhund im Wert von 300 an sich und verkaufte ihn um 30 an einen Offizier in Ludwigsburg. Am 14. Mai entwendete er einen Hühnerhund im Wert von 200 den er in Pforzheim um 115 verkaufte. Der Angeklagte, der erst kürzlich von der Strafkammer Karlsruhe wegen mehrerer Hundediebstähle zu 7 Monaten Gefängnis verurteilt wurde, erhielt wegen der in Stuttgart verübten Hundedieistähle 8 Monate Gefängnis.
Berlin, 27. Okt. Zum Eisenbahner- AuSstand in Rußland macht die königliche Eisenbohndirektion in Berlin bekannt: Die Station Mlawa verweigert infolge des EisenbahnerauSstandes die Annahme von Grenzzügen. Güter für Rußland nach und über Mlawa hinaus werden daher bis auf weiteres nicht angenommen, und rollende Güter angehalten und den Versendern zur Verfügung gestellt.
Hamburg. 27. Okt. Das Fremdenblatt veröffentlich den Wortlaut der Eingabe, die die Kameruner Häuptlinge wegen der Verwaltungsmethode des Gouverneurs Putikamer an den Reichskanzler und den Reichstag gerichtet haben. DaS umfangreiche Schriftstück, das am 19. Juni aus Bonaku auf Duala-Land abgesandt wurde, zählt 24 verschiedene Fälle auf, die den Eingeborenen Anlaß zu Klagen gaben.
Aus Deutsch-Ostafrika. Eine Patrouille von 10 Seesoldaten und 10 AskariS wurde in den Matumbi-Bergcn bet Mtumbei von mehreren hundert Aufständischen hartnäckig angegriffen.' Viele Angreifer fielen, zahlreiche Wvffen wurden erbeutet. DaS Bezirksamt Mrogoro hat den einflußreichen Zauberer Mbago, den Vater des HanplanführerS Wana Mbago festgenowmen. Hauptmann von Wangcvheim hatte eine Reihe schwerer Gefechte gegen Vidunda und Wäbungu. Der Feind erlitt starke Verluste. Der Telegraph nach Tabora und Muavza funktioniert wieder. Bet Jkungu sollen sich 3000 Wciutomwefi versammelt haben. Diese scheinen jedoch Korawanenträger für eine hiesige Firma zu sein und nicht, wie man es vermutete, Aufständische.
— Aus Südwest afrika: (Amtliche Melduno). Hendrik Witboi, der am 8 Oktober vor Mcjor Estorff von AnbeS nach Südosreu geflüchtet war, hielt sich zunächst in der Gegend von Gorachas nördlich von Koes auf. Aus Wassermangel wollte er sich von dort noch AmiviuS zwischen Koes und GaibiS begeben, dieses war aber schon von Teilen der Abteilung Lengerke besetzt, die in halbstündigem Gefecht den Angriff von 70 Hottentotten abwiesen. Hendrik Wirboi ging in die Sanddünen östlich von Aminius zurück. Lengerke setzt mit zwei Kompagnien und einer Batterie die Verfolgung fort und hat alle Wasserstellen zwischen Koes und Hosuur besetzt. Zu seiner Unterstützung rückte Erstör ff mit zwei Kompagnien, einem Geschütz von Gochos zunächst nach Koes, ließ außerdem die Wasserstellen Fahlgras, Doberas, UfiS, Goawus, Perfip, Kowas nvd Aubes besetzen. — Die Nachrichten über Ueberfälle bei Jerusalem und Schutldrifl find dahin aufgeklärt, daß Moren ga und Morris am 7. Oktober Jerusalem durch Verrat eines eingeborenen Polizisten einnahmcn. Hiebei fielen Leutnant Smmann und drei Reiter, ein Reiter wurde verwundet und starb später. Uebcr zwei Reiter, die gefangen waren, wird gemeldet, daß sie sich jetzt auf der Station Ukamas befinden. Der acht Mann starke Rest der Besatzung ist bei Schuitdrift auf englisches Gebiet übergetreten. Morenga ist aus der Gegend von Jerusalem mit 200 Kriegern, 300 Weibern und Kindern westwärts gezogen. Oberstleutnant v. Sem- mern verfolgt ihn in zwei Kolonnen über Eendoru und Velloodrift. Cornelius ist vor den aus Keetmannshopp nachgesavdten Truppen an Besondermaid und Chamofis vorbei in nordwestlicher Richtung abgezogen. Die Führung gegen ihn hat Major Meister übernommen, der die Gegend von Horukravz erreicht Hot. Ihm stehen im ganzen 3 Kompagnien und 1'/, Batterien zur Verfügung. In erfolgreichen Gefechten der Deutschen am nördlichen Auob, in den Seeis-Bergen, nördlich von KowaS, sowie in der
Gegend von Kob, Hoochanas und Bethanien fielen in den letzten Tagen 28 Hottentotten; 13 Männer, 63 Weiber und Kinder wurden gefangen. Infolge der Gefechte, die in den ZariS- und Achab-Bergen im September stattfanden, sind sitzt 107 HereroS des Andreas auf das englische Wolfischbay Gebiet übergetreten; darunter befanden sich 45 Männer mit 28 Gewehren, die die englische Polizei abgenommen hat.
Brüssel, 27. Okt. Der Special-Korrespondent der Jndependarce belge berichtet, der Papst sei an einem Herzleiden erkrankt und man hege große Besorgnisse, da der Papst bereits 71 Jahre alt ist.
Lemberg, 27. Okt. Dem ble wo Polski telegraphiert man unterm heutigen Tage aus Warschau: Heute überfielen Streikende den Bahnhof der Warschau- Wiener Bahn, den sie in Flammen setzte^. Die Feuerwehr weigerte sich, den Brand zu lösche«.- Erst das herbeigcholte Militär vermochte sie zur Aufnahme der Löscharbeiten zu zwingen. In der Stadt herrscht große Panik. Fortwährend finden Zusammenstöße mit dem Militär statt. Die Telegraphenleitungen sind sämtliche zerstört.
Warschau, 26. Okt. Bewaffnete Banden Übersoll« die Zeiturgsdruckereien, vernichteten die Platten und suchten den Druck zu verhindern. Der „Kmyer WarszowSki" erschien trotzdem, wenn auch sehr verspätet. Andere größere Blätter erschienen gar nicht. Die Lebensmittel- preise steigen hier und in Lodz rapid. Es tritt Kohlenwangel ein. Die Lage ist gespannt. Morgen beginnt der Ausstand in den Fabriken. In Pabionice sind ernste Unruhen ausgebrochen. Das Militär gab Salven ab, wodurch mehrere Personen getötet wurden. Einzelheiten fehlen noch.
Petersburg, 27. Okt. Ein heute erschienenes Manifest deSZaren soll eine Einlösung des Versprechens darstellcn, das dem Volk die Versammlungsfreiheit gewähren soll. Es dürfte aber angestchis der durch 12 Sonderpunkre festgelegten Beschränkungen nur geringen Eindruck machen. Insbesondere ist der die Aufsicht führenden Persönlichkeit, welche die Regierung zu jeder drei Tage vorher angemeldeten Versammlung entsendet, weiteste Vollmacht zu ihrer Entschließung in die Hand gegeben.
Petersburg, 27. Okt. Die Erregung und Spannung der Bevölkerung löste sich gestern in einen Run auf die Lebensmittelhaudlungen auf, da das Gerücht verbreitet war, daß drei Tage hindurch die Läden wegen der Unruhen geschlossen bleiben würden, was Jedermann veranlaßte, schleunigst den Einkauf von Lebensmitteln vorzunehmen. Die Läden waren so voll, daß das Publikum auf den Straßen stand. Die Preise stiegen in de« Vororten auf das dreifache. Die Geschäfte waren schnell ousverkauft. Gegen Mittag erschienen streikende Arbeiter in den Vorstädten. Militär schritt ein. Alles wurde von Panik ergriffen und man begann, die Läden zu schließen. Auf dem Newski-Prospckt wurden die großen Schaufenster mit Brettern vernagelt. Alles befürchtet Raub und Plünderung.
Und kein Licht! Die Kerzen waren tief in die Leuchter herabgrbranni; sie wußte daliegen in dem beängstigenden Halbdunkel, in welchem e» ihr war, als habe sich Jane in das Zimmer nebenan geschlichen, das ihr zum Schlafgemache bestimmt gewesen war . . .
Sie lauschte. Jedes kleinste Geräusch, da» Knacke» der Möbel flößte ihr Grauen ein. Drüben im Salon, dessen Tür weit geöffnet war, vernahm sie das unheimliche Nagen des Holzwurmes, der seine stille Tätigkeit fortsitzte, und in dem anderen Schlafgewache meinte sie immer wieder schleichende Schritte und da» asthmatische Atmen Jane'» zu hören, da» diese oft Nacht» so ruhelos in den Korridoren umhergetriebe« hatte.
Sie dachte nur noch an Jane, konnte nur an diese denken. Warum hatte sie dies!» Geschöpf nicht längst schon von sich geschickt, wie sie es selbst begehrt? So oft schon, fast immer hatte sie einen Abscheu vor dieser rohen, gefühllosen Natur ewPfunden und sich doch nicht zu dem Entschlüsse bringen können, sie in ihre Heimat zu senden, wohin sie stet« heimlich verlangt hatte.
Wa» alle» hatte sie sich gefallen lassen «on ihr! Jane hatte sie bestohlen, betrogen in der schamlosesten Weise und sie hatte da» gleichgiltig geduldet. Jane war oft sogar widerspenstig und ausfallend gewesen, namentlich, wenn sie sich ihrem Laster hingegeben und sie hatte ihr immer wieder verziehen, sobald sie wieder vernünftig war. Sie, selbst «ine so leicht erregbare, leidenschaftliche Naim, hatte ihr dann sogar Schmeichelworte gesagt, um sie wieder verträglich zu stimmen, und da» war der Dank dafür!
Aber auch jetzt «och war'« ihr dennoch, als müsse sie ihr nach; ihre Gedanken an diese» Weib hatten selbst in ihrem Schlummer nicht geruht und ihre Erscheinung an ihr Lager beschworen.
Von diesem aufspringend, rannt» sie in den Zimmern umher erschreckend
vor ihrem Schotten im Spiegel; sie setzte sich auf den Bittrand, aber da» fieberhafte Pochen de» Herzen» ließ ihr keine Ruhe. Sie warf sich zurück auf da» Lager, sie schluchzte, verhüllte schaudernd da» Antlitz mit dem Haar und stieß Verwünschungen gegen sich unh rhk'Schicksal au«.
Der erste grcue Schimmer de» Tage» fand sie schon in fast atemloser Geschäftigkeit. Sie selbst, nachdem sie sich in ihre Reiserobe gekleidet und mit zitternden Händen ihr Haar geordnet, hatte die auf den Mobilien umherliegendr Garderobe zusammengesucht uvd preßte sie rücksichtslos in den Koffer.
TodeSmoit von Gemüt!folter, Schlaflosigkeit und Anstrengung, erwartete sie danach den Tag. Unfähig zu irgendeiner klaren Vorstellung von ihrer Lage, das Antlitz gesenkt, die Hände im Schooße, saß sie in der Ecke des Sophas und jetzt kam sie auf das quälende Denken an ihn, um dessen willen sie hier war, der nicht gekommen war, als sie ihn gestern gerufen hatte.
Der Tag ging voll herauf, der erste Morgenstrahl überraschte sie in ihrem Hinbrütcn. Müde schaute sie auf, schob das Haar von der Stirn und da ihr gegenüber, war wieder der große Spiegel! Sie erkannte sich selbst nicht, wandte schaudernd das Antlitz ab und barg es auf der Lehne des SophaS.
Mit einem jähen Entschlüsse aber sprang sie auf, ging zum Spiegel und starrte sich an. „Bist du's?" rief sie heiser mit weit geöffneten Augen. Alt und häßlich! Kann so denn ein Mann dich lieben?"
Aber sich ein Herz fassend, trat sie näher; sie forschte in ihrem Antlitz, das so bleich, dessen Züge so erschlafft waren; sie blickte in ihre Augen, nnd die waren so dunkel umrandet, so glanzlos nnd — zwei Falten um ihre Mundwinkel, eine andere auf der sonst so jugendklaren Stirn! . . . Vernichtend, wirckte diese Wahrnehmung, trotzdem so viel anderes sie beschäftigte; ihre Arme fielen herab, ihr Kinn sank vor dem Spiegel auf die Brust. (Forts, f.)