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ist. Es ist der 32 Jahre alte Schlosser Pauli von Nipshausen Reg.-Bezirk Trier, dessen Spezialität der Goldwaren- und Juwelcndiebstahl zu sein scheint. In seiner Tasche fanden sich Nachschlüssel, Dietriche und ein Namensverzeichnis verschiedener hiesiger Firmen, denen er wahrscheinlich einen Besuch abzustatten gedachte. Er wird zunächst dem hiesigen Amtsgericht übergeben und nach erfolgter Verurteilung nach Mannheim weiter transportiert werden, wo er sich ebenfalls wegen eines Vergehens zu verantworten hat.
Ulm, 24. Okt. Der 66jährige, erst kürzlich hieher gezogene Privatier Abraham Steiner wurde gestern früh tot in seinem Zimmer aufgefunden. Er war an einer Leuchtgasvergiftung gestorben, man vermutet infolge verschiedener Aeußerungen des Verstorbenen, daß er freiwillig aus dem Leben geschieden ist.
Aus Schloß Friedrichshafen, 21. Okt., wird gemeldet: Der König hörte vormittags die Vorträge des Oberhofmarscholls und des Flüg-l- adjutanten vom Dienst und arbeitete mir dem Kabinettschef. Gegen abend begaben sich der König und die Königin mit Gefolge nach Ravensburg, um daselbst im Konzerlhause der Aufführung von Alt-Hiidelberg durch das Schauspielpersonal, des Stuttgarter Hoflheaters anzuwohnen. Die Kgl. Majestäten wurden im Konzerthause von Stadtschultheiß Reichle und den Mitgliedern der Konzert- baukkommisfion, Kommerzienräte Spohn und Steikel, Fabrikant Otto Merz, Bankier Chile, Rechtsanwalt Metzler und Bildhauer Schlachter, und im Namen des Offizterkoips der Garnison Weingarten von Oberstleutnant v. Martin empfangen. Stadtschultheiß Reichle begrüßte die Majestäten mit einer kurzen Ansprache. Dem Bühnenvorstand der Konzerthauskommisston Fabrikant Merz überreichte der König die goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft am Bande des Friedrichsordens. Die Rückkehr der Kgl. Majestäten hieher erfolgte gegen 10 Uhr.
Pforzheim, 24. Okt. In der vergangenen Nacht erschoß sich der 20 Jahre alte Goldarbetter 3osefOechsner durch 3 Schüsse in die rechte Schlafe.
Berlin, 24. Okt. Der König von Spanien kommt am 6. November 3 Uhr nachmittags in Berlin an und begiebt sich sofort nach dem königlichen Schloß, wo er als Gast des Kaisers wohnen wird. Noch am Tage der Ankunft findet Abends ein Gala-Bankett und ein großer Empfang statt. Der König wird als Gast des Kaisers eine ihm zu Ehren veranstaltete Hofjagd in Springe bei Hannover mitmachen. Sodann besucht der König sein MagdeburgischeS Infanterieregiment Nr. 66. Von Berlin aus begiebt sich der König zum Antrittsbesuch direkt nach Wien und von dort nach München.
Berlin, 24. Okt. Auf die bekannte Proklamation des Generals v. Trotha, welche denjenigen Aufständischen, die sich freiwillig stellten, Schonung des Lebens, Arbeit und Verpflegung verspricht, soll Hendrik Witbot brieflich geantwortet haben, er lasse sich nicht einschüchtern, hege kein
Bedauern, wisse allein was es wert sei, könne seine Lage selbst am besten beurteilen und werde einen Frieden, der ihm das Leben und seinem Volke den Untergang koste, nicht machen.
Berlin, 24. Okt. In Südwestafrika find bei einem Patrouillengefecht drei Reiter gefallen und drei verwundet worden.
— Die Z e n t r al stelle der preuß. Landwirtschaftskammern wandte sich, wie die Berliner Blätter berichten, in einem Schreiben an 430 Schlachthausgemeinden in Preußen mit der Mitteilung, daß sie bereit sei, Maßnahmen gegen die hohen Fleisü preise zu treffen. Das Schreiben sagt, die Oeffnung der Grenzen in erhöhtem Maße würde die Landwirtschaft der größten Gefahr aussetzen. Die Preisbildung für das Fleisch in den Städten sei von vielen anderen Bedingungen weit abhängiger als von der Gestaltung der Viehpreise, dis dem Landwirt gezahlt werden. „Wir find bereit, Organisationen zu schaffen, durch welche wir in der Lage find, lebendes Mastvieh oder ansgcschlachtetes Fleisch in Tierhälften an die städtischen Verwaltungen abzugeben. Wenn die städtischen Verwaltungen den Vertrieb von Fleisch oder von Vieh selbst, wie cs bereits in verschiedenen Orten geschehen ist, in die Hand nehmen wollen, um die Fleischpreise zu verbilligen, und in den Städten ebenfalls Organisationen zum Vertrieb des Fleisches einzurichten, so könnte aus dem gemeinschaftlichen Zusammenarbeiten sicherlich dem Landwirt wenigstens der Produktionspreis gesichert werden, während die städtischen Konsumenten ihr Fleisch bestimmt sehr viel billiger erhalten würden." Schließlich erklärt das Kuratorium der Zentralstelle, daß es ermächtigt ist, zur Schaffung solcher Organisationen die Hand zu bieten.
Appenzell, 22. Okt. Infolge des letzten Schneefalls sind nicht nur in der Tierwieshütte am Ausstieg von Urnäsch zum Säntis „Eingefchneite", sondern auch im Gasthaus auf dem Säntis b» finden sich die Frau des Säntikwiris Törig und drei Dienstboten in gleicher Lage. Nachweisbar find dieselben nur noch mit wenig Nahrungsmitteln versehen und auch die wenige Meter höher gelezene meteorologische Station ist nicht besser daran, da dieselbe für den Winter noch nicht verproviantiert wurde. Am vergangenen Freitag versuchte man den Eingeschneiten von MegliSalp aus Entsatz zu bringen, man mußte aber wegen der drohenden Lawinengefahr und des Schneegestöbers davon abstehen.
Paris, 24. Okt. Hiesige Blätter berichten über einen Grenzzwischenfall. Der- 20jährige Sohn eines Turnlehrers Antoin in Nancy wurde, als er sich nach Metz begeben wollte, an der Grenze von deutschen Gendarmen ohne weiteres verhaftet und sofort nach Metz abgeführt. Franjöstschersetts sind bereits Schritte unternommen, um seine Freilassung zu erwirken. Mgn vermutet, daß ein Irrtum verliest und daß die Behörden den jungen Mann für den Sohn d«S früheren protestlerischen Abgeordneten Antoin halten.
Paris, 24. Okt. Heber die Auslieferung der von dem marokkanischen Räuber
Valiente gefangenen englischen Offiziere meldet der „Malin" noch folgende Einzelheiten: Als beim Eintreffen des Dampfers „Pathfinder" der Austausch der Gefangenen sich vollziehen sollte, begaben sich der Kapitän des Schiffes und der Sherif an Land, wo sie eine Unterredung mit den Räubern halten. Die letzteren forderten eine Summe von 200 000 Francs als Lösegeld, welche Forderung sie dann ans 100 000 Fror cs herabsetzten. Als auch dies abgelehnt wurde, verlangten sie die Auslieferung einer Anzahl Gefangener sowie Gewehre und Munition. Unter der Befürchtung, daß bei Ablehnung dieser Forderung die Verhandlungen scheitern könnten, wurden den Räubern eine Anzahl Gewlhre vnd Patronen, welche den Vorräten des Schiffes entnommen wurden, ausgehändigt.
Mailand, 24. Okt. Man erwartet hier, daß Kaiser Wilhelm, der der Eröffnung des Simplons-Tunnels beiwohnen wird, bei dieser Gelegenheit auch die zu dieser Zeit stattfindende Ausstellung in Mailand besuchen wird. Präsident Loubct und der König von Spanien werden zu dieser Zeit gleichfalls erwartet.
Moskau, 24. Okt. Infolge des Eisenbahner strciks und der Einstellung der Zufuhr ist in Moskau eine große Fleischnot ctngetreten. Die Fleischpreise sind bedeutend gestiegen. Sollte der Streik längere Zeit dauern, droht Nahrungsmangel einzutreten. Moskau ist mit frischem Fleisch für 8 Tage, mit Milch und Butter für 5 Tage versorgt. Die Handelsverbindungen mit auswärts werden telegraphisch aufrecht erhalten, da infolge des Streiks die Bohnpost den Verkehr eingestellt hat. — Die städtischen Arbeiter von Moskau haben dem Bürgermeister mitgeteilt, daß sie ebenfalls in den Streik treten würden, wenn ihre Forderungen nicht bis zum 28. Oktober erfüllt würden.
New-Jork, 24. Okt. Roose Veits Reise durch die Südstaaten gestaltet sich immer mehr zu einem Triumphzug. Seine Reden finden überall beim Publikum, wie bei der Presse eine enthusiastische Ausnahme. Selbst die Oppositions- Presse konstatiert einen völligen Umschwung in der Stimmnng des Südens, wo man Rooscvelt wegen seines Verkehrs mit Booker Washington (eines gelehrten Negers) schwer verübelt hatte. Viele demokratische Vereine nahmen Resolntionen an, in denen sie die Unterstützung der Politik RooseveltS ; ihren Kongreßmitgliedern zur Pflicht machen.
- Petersburg, 24. Okt. Vorgestern begab i sich Graf Wftte in einem Extrazug nach Peterhof zum Zaren. Diese Asdienz hängt mit der Bildung eines Ministerkomites zusammen. Graf Witte soll Sereits seine Ernennung zum Premier- und zum Finanzminister erhalte« haben. Ebenso soll die Ernennung des jetzigen GeneralgouvrrneurS Dur- nowo zum Minister des- Innern beschlossene Sache sein. Ferner wird für die nächsten Tagen die Veröffentlichung einer überaus wichtigen politischen Kundgebung erwartet, welche eine Erweiterung der Rechte der Reichsduma bringen dürfte. Es soll dieser Vorbehalten fein, eine Konstitutiv« onszn- arbetten nach dem Mrster der westeuropäischen konstitutionellen Staaten.
Dl-nk« selbst bot ihm einen Stuhl.
9i-b kitte um Entschuldigung, Herr Lübke, wenn ich Ihnen lästig falün muß," 'sagte er artig. „Sie find un« einmal unentbehrlich und würden »n« verpflichten, wenn Sie uns unsere Aufgabe mehr erleichtern wollten, al« «S bisher geschehen ist!"
Der Alte atmete schwer und hoch auf, dann senkte er da« Kinn a«f
ie Brust. , . ^ ^
„Soweit ich beurteilen kann, Herr Liidk«, bin ich rn der Lage, Ihnen eme reudige Nachricht zu geben," fuhr Blenke in wohlwollendem Tone fort. „Da« unge Mädchen, das vo, mehr als drei Jahren Ihrem väterlichen Schutze ent- issen wurde, ist gestern gefunden worden und wollen Sie mir jetzt ein wenig
ntgegenkommen —" ...
Papa Lübke schien der Botschaft nicht trauen zu wollen; er hielt sie für
ine Falle; so erschien e« dem ihn scharf fixierenden Blenke.
„Ich darf hinzufügen, daß wir über alle Schicksale des Mädchens vollkommen
»ufgeklärt siad!" fuhr der Letztere fort.
Lübke hob sein Antlitz und blickte forschend, argwöhnisch m das Blenke'S. „Mein Herr," sagte er mit bebender Stimme, „ich weiß nicht, wie ich Sie nennen soll. In Wien stellten Sie sich mir vor al« ..."
,Da« ist hier gleichgültig! Sie sehen mich jetzt m amtlicher Eigenschaft und nicht gerade erbaut darüber, daß Sie, von dem wir eine offene und ehrlich«
Auskunft erwarten durften ..."
„Können Sie mir Ihr Ehrenwort geben," unterbrach ihn der alte Mann,
„daß da« Mädchen wirklich gefunden ist?"
.Ich gebe r» Ihnen!" Sein Ton klang wie lauterste Wahrheit.
„Und darf ich r« sehen?" Lübke erhob sich, sein Antlitz verklärte sich vor Freude. „O, führen Sie mich zu ihr, die mir alle« war!"
„ES soll geschehen, den» sie verlangt selbst nach Ihnen, stdoch nur unter der Bedingung, daß Sie uns auf unsere Fragen ohne Rückhalt ehrliche Antwort geben. An Ihnen ist eS, zur Enthüllung eines Verbrechens -rizrürage». nach dessen Täter die Behörde bis jetzt vergeblich geforscht Hst, und zu diesem Zwecke haben wir Sie hirrher bemüht.. Sie find ein alte« Mann," fetzte er mit Feier-» lickkeit hinzu, „die Rechenschaft, dir Sie un» hir* verweigern, wird ein höherer: Richter von Ihnen begehren!"
Lübke'« Kinn sank auf dir Brust; «in Seufzer entrang sich derselben. Beide Hönde über seinen Stock klammernd- starrte er zu Bode» und harrte in langem Schweigen der Frag», die man a» itz» stellen werde. Blenke fuhr: jetzt in demselben feierlichen Tone fort:
„Ich untnloffe eS, heute schon üb«, Ihre Vergangenheit Auskunft zu verlangen; ich betrachte sie wie einen Mann, der einst bessere Tage gesehen hat, und da Ihr Leumund ein guter ist, beschränke ich mich auf das Unerläßliche. In welcher Beziehung standen Sie zu de« jungen Mädchen und wa». veranlaßt« Sie, gewissermaßen die Vaterstelle der demselben zu übernehmen?"
„Sie ist eine Angehörige meine« Familie," antwortete Lübke mit gepreßter Stimm».
„Ist sie also ein« Waise?"
„Ja I war die zögernde Antwort.
„Dacht' ich'S mir doch," brummte Blenke vor sich hin.
, Und wer wann ihre Eltern? ES ist unsere Pflicht, ihr«Herkunft aufzuklireu. da sie selbst e» nicht vermag," fragte Blenke »eite,.
Lübke schwieg; sei» Antlitz hatte sich bei dieser Frage entfärbt. „Ich bin nicht befugt, hierauf zu antworten," sprach er dumpf vor sich hin.
„Bedenken Sie, daß Ihre Weigerung Sir, der Sie bi« jetzt nur als Zeug« hier sind, m ei« unvorteilhaftes Licht stelle» muß." (Fortsetzung folgt.)