754
Zuchthaus und 5 Wochen Hast. Eist vor kurzem aus dem Zuchthaus entlassen, stahl er in Calmbach in mehreren Häusern und verübte auch Zechprellerei in Naislach im Waldhorn.
Tübingen, 10. Okt. In Unterjesingen hat der verwittwete Bauer Schnaidt, welcher die üble Gewohnheit harte, im Bett zu rauchen, am Samstag einen Brand verursacht und ist bewußtlos aufgefunden worden. Er starb am folgenden Tage an Rauchvergiftung.
Böblingen, 10. Okt. Heute früh b /45 Uhr brannte das Anwesen des bodawasserfabrikanten Gottlieb Laib in kurzer Zeit vollständig nieder. Der Abgebrannte ist versichert. Die EnistehungS- msache ist unbekannt.
Unterhausen bei Reutlingen, 9. Okt. Die Baumwollspinnerei Unterhäuser: hat an 20 ihrer Arbeiter, die seit 25—50 Jahren dort in Arbeit stehen, Geldgeschenke von je 100 ^ und Diplome verteilen lassen. Diese Arbeiter sollen alljährlich eine Extrabelohnung von 100 ^ erhalten.
Reutlingen, 10. Okt. Die Milchhändler beschlossen in einer Versammlung ab 15. Oktober die Milch pr eise von 16 auf 18 pro Liter zu erhöhen. Säuglingsmilch soll sogar 20 kosten. Die Preiserhöhung wird mit der Steigerung aller Lebensmittelpreise, den hohen Vieh- und Futterpreisen begründet.
Neckarsulm, 9. Okt. Der Mord an der 16jährigen Dienstmagd Karoline Knoll vom Böttinger- hof ist, wie sich nunmehr bestätigt hat, von dem 17jährigen Sohn des Gutspächters Binkele verübt worden. Der jugendliche Mörder hat in Mosbach, wohin er in Untersuchung abgeführt wurde, da der Mord auf badischem Gebiet erfolgte, ein Geständnis abgelegt. Der „Bad. Beob." berichtet zu dem entsetzlichen Fall: Als am 5. Okt. der Landjäger sich in den Hof deS Pächters Binkele begab, um Nachforschungen anzustellen, erfuhr er durch Zufall, daß sich der älteste Sohn Binkeles seit drei Tagen sich nicht mehr habe sehen lassen. Der Vater Binkele teilte mit, daß sein Sohn im Bett liege. Der Landjäger begab sich an das Bett, in dem de: junge Mensch mit Kratzwunden im Gesicht und einer Schnittwunde am Finger lag. Er gab an, er habe eine Rauferei gehabt, die Wunde am Finger habe er sich beim Abziehen eines Hasen zugezogen. Da dem Landjäger von einer Rauferei nichts bekannt war, führte er den Verdächtigen in das Gefängnis nach Neckarsulm ab. An demselben Tag fand man den mit Blut gedrängten Anzug des Verhafteten im Heu versteck: und das blut- gedrängte Taschentuch. Vor die Staatsanwaltschaft Moosbach verbracht, levgnete Binkele zunächst, sah sich aber zu einem Geständnis genötigt, als ihm seine blutgedrängten Sachen vorgehalten wurden. Siebenmal hat er das Taschenmesser angesetzt, bis dem Mädchen der Hals durchschnitten war. Mißbraucht hat er sein Opfer nicht; er ist vielmehr nach Ausführung der Mordtat nach Hanse geflohen.
Waldsee, 10. Okt. Gestern früh 4 Uhr entstand im großen Stadelgebäude des Fürstlichen Oekonomieguts Hopfenweiler Feuer. Dazu schreibt das „Waldsee'r Wochenblatt": Das Feuer ging vom Futterlagerraum aus und verbreitete sich, an den bedeutenden Futtervorräten reichlich Nahrung findend, mit unglaublicher Schnelligkeit über das ganze Gebäude. Glücklicherweise konnte ein Teil der Fahrnis, sowie der gesamte große Viehstand, ca. 200 Stück, vom Verwalter m?d dessen Dienstpersonal gerettet werden. Die Habe von 5 Knechten, die bei AuSbruch des Brandts beschäftigt waren, ist mitverbrannt. Ueber die Entstchungsursache ist noch nichts bekannt.
Chemnitz, 10. Okt. Gestern Abend tagte hier eine von etwa 1000 Arbeitern der sächsischen Maschinenfabrik vormals Hartmann besuchte Versammlung. Insbesondere wurden die Lohn- bedingnugen einer scharfen Kritik unterzogen. Im Anschluß daran wurde auch über den großen Streik in der Berliner Metall-Industrie diskutiert. Es wurde folgende Resolution angenommen: Die heute tagende Metallarbeiter-Versammlung nimmt Kenntnis von dem Riesenkampf in der Berliner Metall- Industrie. Die Anwesenden erwarten, daß von Chemnitz Niemand nach Berlin fährt, um dort als Streikbrecher zu arbeiten. Desgleichen verspricht die Versammlung, ihre streikenden Kollegen moralisch und materiell zu unterstützen und Schritte zu unternehmen, möglichst schnell Mittel zu verschaffen zur Unterstützung der durch den Uebermut der Unternehmer ausgesperrten Berliner Kollegen.
Berlin, 9. Okt. Noch langem, schwerem Krankenlager verstarb heute morgen im Elisabeth- Krankenhans im 56. Lebensjahr die Gemahlin des Oberbefehlshabers in Südwestafrika, Frau Bertha v. Trotha. Schon seit Wochen gab ihr Befinden zu ernster Besorgnis Anlaß. Ihr ältester Sohn weilt an der Seite des Vaters als Oberleutnant der Schutztruppe in Südwestafrika, während der zweite Sohn als Oberleutnant im 2. Garde-Regiment z. F. steht.
Berlin, 10. Okt. Zum Kampf in der Berliner Elektrizitätsiudustrie schreibt die Tägl. Rundsch.: Die Lage hat sich seit Samstag wenig geändert. Während von einer Seite gemeldet wird, daß die Aue sichten auf eine Einigung infolge privater Vermittlungsversuche beträchtlich gestiegen seien, heißt es andererseits, daß bis zur Stunde weder von der einen, noch von der anderen Seite Annäherungsversuche gemacht worden seien. Auch die Etuigungsverhandlungev, die bekanntlich von Magistrat v. Schulz geführt wurden, find nicht wieder ausgenommen worden. Bei dieser Sachlage werden die Metallindustriellsn ihren Beschluß, die gesamten Arbeiter der Verbandsbetriebe auszusprrren, am 14. ds. Mts. durchführen, falls cs nicht noch in letzter Stunde zwischen den Elektrizität?firmen und ihren Arbeitnehmern zu einer Einigung kommt.
Die Entlassung soll in der Weise vorgenommen werden, daß zehn Prozent der Arbeiter ihre Stelle behalten, ebenso die Arbeiterinnen. Von manchen Unternehmern sind die Arbeiter schon dahin verständigt worden, daß sie zwar dem Beschluß deS Verbands zufolge die Arbeiter entlassen müssen, aber durchaus Milde walten lassen wollen.
— Die „Deutsche Fleischerzeitung" hat an den preußischen Landwirtschaftsminister v. Podbtelski folgenden offenen Brief gerichtet: „Ew. Exzellenz haben am 11. August erklärt, daß die damals herrschende Fletschten ernng, vor allem der Mangel an guten Schlachtschweinen, in 4—5 Wochen beendigt sein würde. Seit dsiftr Zeit find nun heute 9 Wochen verstrichen und die Voransage Ew. Exzellenz hat sich nicht erfüllt, im Gegenteil haben olle große Schlachtviehmärkte in Deutschland den Beweis gegeben, daß die von Ew. Exzellenz ausgesprochene Annahme, die Fleischteuernng würde in 4—5 Wochen beendet sein, ein — Irrtum gewesen ist. Auf dem Berliner Viehmarkt am 12. August war die Prcisnotierung für Schweine 6 8 Mark, am Mittwoch den 4. Oktober dagegen 71 Mark; in Wahrheit aber herrschte ein solcher Mangel an «nr einigermaßen schlachtreifer Ware, daß innerhalb einer halben Stunde diese Qualität zn Preisen bis 78 Mark pro 10 0 Pfd. ausverkauft war. Ferner wurden gute Mastkälber bis 96 Pfg. pro Pfund Schlachtgewicht verkauft. Auch der heutige Sonnabendmarkt zeigte dasselbe Bild, es wurden sogar 80 Mark für ausgesuchte Posten gefordert. Diese unwiderlegbaren Tatsachen geben den unumstößlichen Beweis, daß Ew. Exzellenz in Bezug auf die Leistungsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft am 11. August sich im Irrtum befunden haben. Ein solcher Irrtum ist aber für die Ernährung, für die Tatkraft und dos Wohlbefinden von vielen hunderttausend«« von Menschen nicht nur verhängnisvoll, sondern von unabsehbarer Tragweite. Möchten daher doch Ew. Exzellenz auf des schnellste alle die Maßregeln treffen, welche erforderlich sind, Ihren Irrtum vom 11. August auszugleichen!"
Hamburg, 10. Okt. Als Gabe der freien Hansestadt Hamburg für die durch die Erdbeben in Italien Geschädigten ist vom Senat dem italienischen Generalkonsul von Hamburg ein Betrag von 5000 überwiesen worden.
— Am 5. d. M. überfuhr der um 8.45 Uhr von Bregenz noch Lindau abgehende Eisen- bahrzug eine 18jährige Kellnert», die schreckliche Verletzungen erlitt und sich in Schmerzen wand. Es erregte allenthalben Unwillen, daß mau die Verunglückte, die fortwährend jammernd um Hilfe flehte, auf dem steinigen Boden liegen ließ, ohne daß von dem Bahnpersonal irgend welche Anstalten zu ihrer Rettung oder zur Linderung ihrer Lage getroffen wurden in der Annahme, daß vor dem
„Sie müssen schon Nachsicht haben mit meiner ungleichen Laune; ich bin Ihnen dcshalb nicht minder dankbar. Am Nachmittage finden Sie mich; wenn Ihre Zeit Ihnen gestattet . . ."
„So, so! Ich habe ihr also die Laune verdorben!" brummte Blenke in sich hinein. „Gertrud wird am besten berichten können, in welcher Verfassung sie zurückgekehrt ist! ... . Mit einer Verbeugung fügte er sich ihrem Wunsche und sie trat in das Hotel.
Als er die Linde» hiuaufschritt, legte sich eine Hand auf seine Schulter. Dagobert stand neben ihm.
„Sie haben mich lauge warten lassen, denn ich hatte im Kunstladen, hinter den Bildern versteckt, denselben Posten eingenommen, den Sie in Rom im Corsa tnne hatten."
„Nun, was haben Sie> bemerkt?" rief Blenke, hastig seinen Arm ergreifend. „Ich durfte ja nicht sogleich ans mein Ziel lossteuern! Reden Sie!"
„Sie schloß erschreckt die Augen vor dem Bilde und wandte sich ab!"
„Ganz meine Beobachtung! Wir haben sie! Keine andere, als sie, hat das Rädchen beiseite geschafft! ES muß ein Familieuzusammenhang zwischen ihr und demselben existieren; was hätte sie sonst bestimmen können!"
Dagobert senkte die Stirne.
„Ich gestehe Ihnen; DaS ist eS, was mich schon länger beunruhigte! Aber vermögen Sie fich vorzustellen, Herr Blenke, daß ein Weib wie dieses, schlecht genug sein könnte, nm sich an dem Leben eines so nnschnldsvolleu Rädchens zu vergreifen?"
„Hm! Sie selbst wohl nicht, aber die JrlSnderm! Ich sagte Ihnen ja, welch' «in scheußliches Handwerk sie früher hier betrieben hat. Die Prozedur ist folgend«: Man bemächtigt fich durch irgend eine List des Mädchen» — wie
das in diesem Fall« möglich gewesen, begreife ich allerdings noch nicht!" Hätten Sie damals doch nur den jungen Mann etwas schärfer ins Auge gefaßt, der Ihnen flüchtig abends an der Ecke begegnete, als sie das Mädchen zu dem LLbke begleiteten. Es muß Wicdenstsin gewesen sein. Unmöglich ein anderer, für den das Mädchen fich heimlich interessiert haben könnte, denn sie war damals doch wohl noch zu jung dafür! . . . Also, um darauf zurückzukomme»! Man bemächtigt sich seines Opfers, sendet eS unter falschen Vorspiegelungen, wenn e» elternlos ist, wie dieses, nach irgend einem entfernten Ort, am besten in so eine Pension. Von dort wird eS hnnlich weiter geschafft, und kein Mensch weiß, wrhin eS gekommen, das Geschäft ist immer dankbar! Alles schon dagewesen . .. Erwägen Sie: Zweitausend Pfund! . . . Aber ich muß ins Bureau, um zu hören, ob man in Wien noch nichts aus diesem Wiedenstrin herausgebracht hat. Erwarten Sie mich in Ihrer Wohnung."
Blenke verließ ihn.
„Kein Zweifel," murmelte Dagobert vor fich hin . . . Sie ist eS! . . . Aber wenn . . ."
Er riß fich lsS von dem Gedanken und kehrte zurück.
37. Kapitel.
Blenke saß gleich darauf eifrig beschäftigt in seinem Bureau. Ein dickes Aktenstück lag vor ihm.
„Es ist vor allem notwendig," rief er aufspringend, „dieser Jrländertn ein volles Geständnis abzupressen, denn von dem Lübke wird nicht zu erfahre« sein, welche Hausnummer ihm damals für das Couvert aufgegebeu worden ist. Er wird fich wieder auf seine Gedächtnisschwäche berufen, und renitent bleiben."
Während er grübelnd im Zimmer mnherschritt, brachte man ihm ein Billet.
(Fortsetzung folgt).