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des gewerblichen und kaufmännischen Mittelstandes unentbehrlichen Forderungen unterstützen: 1. Er­höhung der Warenhaussteuern auf den gesetzlich zu­lässigen Höchstbetrag. 2. Ausschluß der städtischen Beamten von der Leitung und Verwaltung der Konsumvereine. 3. Einführung des Mittelpreis­verfahrens bei Vergebung städtischer Lieferungen und Arbeiten. 4. Stellungnahme gegen olle Be­strebungen der Gemeindeverwaltung, gewerbliche und kaufmännische Betriebe zu übernehmen. 5. Aus­schluß der Mitglieder der bürgerlichen Kollegien von städtischen Submissionen und Lieferungen. Weiter wurde beschlossen, eine Versammlung der Vorstände der hiesigen gewerblichen und wirtschaftlichen Vereine zum Zweck der Stellungnahme zur GcmetnderatSwahl einzuberufen.

Maulbronn, 3. Okt. Seit 14 Tagen wird der 13jährige Sohn braver hiesiger Eltern, welcher wegen eines Vergehens vor die Schranken des Ge­richts kommen sollte, vermißt. Alle Nachforsch­ungen blieben erfolglos.

Rottenburg, 2.Okt. Die Hopfenpceise steigen langsam aber stetig. An den letzten beiden Tagen wurden an der städtischen Wage 215 Ballen abgewogen. ES wurden 6570 »4L bezahlt.

Zum Jägerfest in Eßlingen gibt das Festkomitee folgendes bekannt: Den l. Kameraden zur Nachricht, daß auf das am Samstag, den 14. Oktober d. I. vorgesehene Bankett im Kugel'schen Festsaale ein großer Wert gelegt wird, weil die Begrüßungsrede gehalten und die Kameraden durch Musik, Gesang und sonstige Vorträge sich an diesem Abend gut amüsieren werden; es werden deshalb die l. Kameraden ersucht, an diesem Abend recht vollzählig zu erscheinen. Für die von auswärts eintreffenden Kameraden sind Freiquartiere in Aus­sicht gestellt, so daß dieselben mit wenig Kosten dem Feste an allen 3 Tagen anwohnen können. Sie werden daher ersucht, ihre Anmeldungen für Frei­quartiere rc. so bald als möglich bei Hrn. Kamerad Widmann zu machen.

Großglattbach, 2. Okt. Vorgestern wurde der über 70 Jahre alte Schneidermeister G. Geiger wegen schwerer Mißhandlung seiner Frau, die an den Folgen einiger Schläge am Donnerstag verstarb, in Haft genommen und an das Kgl. Amtsgericht Vaihingen eingeliefert. Geiger soll seine Frau schon früher mißhandelt haben und wird als grob und geizig geschildert. Bei Durch­suchung seiner Wohnung fand man. daß derselbe sich ca. 5000 »4L in allerlei Münzsorten znsammen- grhäuft hatte.

Horrheim, 2. Okt. Lese dauert fort. Schon ziemlich viel verkauft zu 120130 »4L 1 Kauf zu 140 »4L pro 3 kl. Käufer find ein­geladen.

Ulm, 30. Sept. (Kriegsgericht.) Wegen Mißbrauchs der Dienstgewalt hatte sich der Unteroffizier Carl vom Feldartillerieregiment 49 zu verantworten. Er hat im Dezember 1900 den Kanonier Schlipf aus Aalen und etwa ein Dutzend anderer Kanoniere in vielen Fällen so lange üben lassen, bis sie vollständig erschöpft waren. Schlipf wurde dadurch so mitgenommen, daß er als ein dem dauernden Siechtum verfallener Mann entlassen werden mußte. Infolge Unter stützungSansprüchen seiner Angehörigen, kamen die Vorfälle zur Kennt­nis der Behörden. Die Verhandlung gegen Carl fand unter Ausschluß der Oeffentlichkeit statt. Das Urteil lautete, entsprechend dem Antrag des Anklage­vertreters, auf 2 Monate Gefängnis bei sofortiger Verhaftung.

Ulm, 2. Okt. Sicherem Vernehmen zufolge wird der Bebel'sche Erbschaftsprozeß nun doch durch Vergleich beendigt werden und zwar durch ein Entgegenkommen Bebels. Lader Rechtsstreit für die Verwandten KollmannS wenig Aussichten bietet, so werden diese höchstwahrscheinlich sich mit der ihnen von Bebel freiwillig angebotenen Summe von etwa 130140000 »4L zufrieden er­klären. Ein Teil von ihnen hat die» bereits getan. Zu Bebels Verfügung würden dann nach Abzug der Kosten noch etwas über 200000 »4L bleiben.

Crailsheim, 2. Okt. Bon einem plötz­lichen Tod ereilt wurde ein 17jähr. Rädchen aus Niederstetten. Sie war in Stuttgart, um sich einer Operation zu unterziehen, wurde jedoch abge­wiesen. Bei der Rückkehr überfiel sie auf dem

hiesigen Bahnhof eine Schwäche und im Wartesaal starb sie in den Armen ihres Vaters.

Gründelhardt b. Crailsheim, 3. Okt. Ein recht bedauerlicher Unglücksfall hat sich vor­gestern im nahen Hellmannshofen zugetragen. Beim Schüßen zu einer Taufe hat sich der Schmiedssohn Leonhard Kvödler die linke Hand so schwer verletzt, daß 2 oder 3 Finger verloren sein werden, auch trug er an der Seite noch eine erhebliche Verwun­dung davon.

Karlsruhe, 2. Okt. Beim hies. sozial­demokratischen ParteiblattVolksfreund" ist heute vormittag das Setzerpersonal in Streik getreten. Die Ursache ist die Anschaffung einer Setzmaschine, während bisher nur Handsetzer beim Volksfreund in Arbeit standen. Die Setzer werfen der sozial­demokratischen Geschäftsführung vor, sie habe bei der Etvst'llnng der Setzmaschine den Tarif des Buchdruckerverbandes gebrochen. Denn während dieser Tarif Vorsicht, daß bet Neueinführung der Setzmaschine in einer Druckerei das erste Personal der Setzmaschine möglichst aus den Handsetzern des betreffenden Geschäftes herangeiildct wird, stellte sich derVolksfreund" ein geübten Maschinensetzer aus einer andern Druckerei an. Darauf legte das gesamte Setzerpersonal die Arbeit nieder. Die Setzer haben Streikposten beim Volksfreund aufgestellt.

Heidelberg, 2. Okt. Eln^e stürzt ist heute früh halb 7 Uhr der die Fahrbahn des Neckars überspannende Bogen der neuen Brücke über den Neckar, welche von der Neben­bahn Mannheim - Weinheim - Heidelberg - Mannheim erbaut wird. Die Spannweite des Bogens beträgt 14 Meter, ist also eine außerordentlich große. Ein Absprießen des Bogens war, wenn die Schiffahrt nicht gehindert werden sollte, außerordentlich er­schwert oder fast ganz unmöglich. Dies und der Umstand, daß ein schwerer Dampskcan auf der Spannung sich befand, verursachte, daß die Eisen- konstruktion der eigenen und der Last des Kraus nicht standhalten konnte. Die eisernen Träger brachen an den Pfeilern, als ob sie von Holz ge­wesen wären, durch und der ganze Brückenbogen stürzte mit dem darauf befindlichen Kranen in den N-ckar. Ein Glück war cs, daß dieser bedauerliche Unfall sich außerhalb der Arbeitszeit, die morgens 7 Uhr beginnt, zugetragen hat. Sonst wären die Folgen unabsehbare gewesen. Immerhin ist auch jetzt der verursachte Schaden ein ganz beträchtlicher und die Fertigstellung der Brücke, die bevorstand, unliebsam verzögert worden. Auch die Schiffahrt auf dem Neckar mußte infolge des Unfalls eingestellt werden.

Berlin, 2. Okt. Vom Streik der Ber­liner Elektrizitäts-Industrie: Die großen Berliner Elektrizitätswerke sind von der Polizei umstellt behufs Schutzes der Arbeitswilligen. Die große Berliner Straßenbahn hat den Betrieb um etwa die Hälfte eingestellt. Letzte Nacht waren Feuerwehrleute zur Aufrechterhaltung des Betriebs der Berliner Elektrizitätsindustrie kommandiert. Die neueren Nachrichten lauten: ES find keine wesentlichen Aenderungen im Lohnstreit der Elektri­zitätsindustrie zu verzeichnen. Größere Störungen im Stroßenbahnverkchr und in der Beleuchtung kamen nicht vor. Die Haltung der Ausständigen ist ruhig. Störungen der Ordnung erfolgten nicht. Die Arbeiter hielten zohlreiche Versammlungen, von denen eine polizeilich aufgelöst wurde, weil sie nicht angemeldet war. Heute finden 25 Versammlungen statt.

Berlin, 3. Okt. Heute Morgen find die Arbeiter der Glühlampenwerke in der Huttenstraße nnd Helmholtzstratze in den Soli­daritätsstreik getreten. Die Arbeiterinnen dieser Werke haben sich ihren kämpfenden Genossen angeschlossen. Für die Glühlampenwerke fanden ge­stern in den Germaniasälen und im Moabiter Ge­sellschaftshause Versammlungen statt, in denen ein­stimmig folgende Erklärung beschlossen wurde. Die versammelten Arbeiter uud Arbeiterinnen erklären, daß, nachdem sie Kenntnis von de« Ursachen des Streiks und dem derzeitigen Staude der Aussperr­ungen genommen haben, sie eS für ihre Pflicht erachten, ihre von den Elektrizitätsfirmen ausgesperrten ArbeitSgeuosseu zu unterstützen. Die wirksamste Art der Unterstützung erblicken die Versammelten darin, daß auch sie die Arbeit ntederlegen und keiner von

ihnen zur Arbeit geht. Dieser Beschluß wurde heute in Kraft gesetzt. Auch die Arbeiter und Arbeiterinnen der Nernst-Lampenfabrik haben heute Morgen die Arbeit niedergelegt. Die Arbeiter verhalten sich vollkommen ruhig Große Geldsarnrnluagen zu Gunsten der Ausgesperrten und Streikenden werden für den Fall vorbereitet, daß die Massen-Aussper- rung andauert oder, wie befürchtet wird, wettere Kreise ziehen sollte. Die Gesamtzahl der Feiernden wird auf mindestens 38 000 veranschlagt. Die heutige Versammlung der Straßenbahnangcstellten, die im Gewerkschoftshanse tagt, will allerdings über Lohnerhöhungen, Durchschnittsverdienst und Wahl­recht verhandeln, aber es besteht in den Kreisen der Straßenbahn-Arbeiter nicht die Absicht, zur Zeit einen großen Streik zu beginnen. Auch bei den Omnibus-Angestellten ist keine Stimmung für einen Solidaritätsstreik vorhanden. Dagegen ist es nicht von der Hand z« weisen, daß bei einer längeren Dauer des Kampfes auch diese Arbeiter- Kategorien in den allgemeinen Kampf mit hinein- gerissen werden. Für die Ausgesperrten und Streikenden der Elektrizitätsfirrnen weiden heute nachmittag um 2 Uhr 25 Versammlungen in Berlin stattfinden. Die Zahl der Arbeitswilligen, die sich gestern den Elektrizitätswerken anboten, ist sehr groß. Auch aus der Provinz find Arbeitswillige in großer Zahl etngetroffen. Sie wurden unter starkem polizeilichem Schutz nach den Kraftstationen im Innern der Stadt gebracht. Bisher kam es zu keinerlei Ausschreitungen. Heute Vormittag fanden in verschiedenen Stadtteilen Versammlungen der Ver­trauensleute statt. Die Situation wurde allgemein als günstig für die Arbeitnehmer angesehen, zumal da sich die Zahl der nach Eintritt des Streikes in den Elektrizitätswerken verbliebenen Arbeiter weiter verringert hat. Man nimmt an, daß in nächster Zeit sowohl die elektrische Straßenbeleuchtung als auch der Betrieb der Straßenbahn noch weitere Einschränkungen wird erfahren müssen.

Paris, 3. Okt. Präsident Loubet empfing den deutschen Spezialgesaudten Dr. Rosen, der die Verhandlungen über dos Marokko-Ab­kommen zum Abschluß brachte.

Marseille, 3. Okt. Kapitän Bougouin, der gestern aus Tokio hier eintraf, erklärte in einem Jnterviiw, die japanische Regierung habe ihm gegenüber eine sehr feindselige Haltung eingenommen, welche ganz speziell Frankreich treffen sollte. Der Kapitän beabsichtigt, die Spionage-Angelegenheit, derentwegen er in Tokio verhaftet wurde, in allen ihren Einzelheiten der Oeffentlichkeit zu übergeben. Die von ihm abge- sandteü Telegramme seien von den japanischen Be­hörden beschlagnahmt worden. Bougouin beklagt sich ganz besonders darüber, daß er zwar begnadigt aber nicht rehabilitiert worden sei.

Dar es Ealam, 3. Okt. Von Ltndi (Deutsch-Ostafrika) kommt die Meldung, daß die Wangoni die Gegend am mittleren Rovuma zu beunruhigen versuchen. Hauptmann Seyfried marschiert auf Mossassi, um ihnen entgegen zu treten. Aus Jringa wird ge­meldet, daß Sergeant Pietsch am 19. Sept. in Kidugala eingetroffen ist. Eine Anzahl Missionare mit Familien hat sich nach Kidugala in Sicherheit gebracht, andere find in Lupimbe und Emmaburg geblieben. Die Misfiousstation Madibira ist ge­sichert. Sultan Merere ist mit seinem Anhang in Neutengula. An der Westgrenze des Bezirks Jringa ist Alles ruhig. Das Kanonenboot Seeadler ist in Dar es Salam eingetroffen und ankert dort mit den Schiffen Thetis und Bussard.

Larrdrmrtschaftl. Lyrrksverem.

Es wird hiemit bekannt gegeben, daß in der Tchweiriezuchtstalio« Sirrdttrrge« sämtliche Ferkel verstellt find und im günstigsten Fall erst wieder im Monat November Bestellungen ausgeführt werden können.

Unter 2 Monat dürfen die Ferkel nicht ab­gegeben werden und kostet somit ein männliches Tier 36 »4L und ein weibliches 30 »4L

Etwaige Bestellungen wollen sofort an den Vereinssekretär Herrn Amt-Pfleger Fechter ge­sandt werden, welcher dieselben sammeln und «ach Sindlingen senden wird.

Calw, 3. Okt. 1905.

Der Bereivsvorftanv.

Voelter, Reg.-Rat.