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und der Prinzessin ein sehr intimer Verkehr ent­wickelte, und die Prinzessin ganz unter den Eirfluß des Frl. Milewsky geriet. Das Bestreben ging deshalb dahin, die Prinzessin Amalie von dem Frl. Milewsky zu trennen und in Ausführung dieses Vorhabens gingen höchst merkwürdige Vorgänge in Kairo vor sich, über die man sich bis heute noch nicht recht klar geworden ist. Frl. Milewsky, die mit der Prinzessin Amalle zusammen in Kairo im Savoy-Hotel Zimmer zum täglichen Mietspreise von 500^ bewohnte, wurde eines To geS von zwei Arabern in den Straßen Kairos überfallen und in einen bereitstehenden Wagen gehoben, der sie in ein Haus der weit draußen liegenden Vorstadt führte. Dort erschien bald der Kammerherr des Herzogs Ernst Günther, Herr v. BlumeMhal, bei ihr und erklärte, sie müsse so schnell als möglich nach Deutschland reisen, da sie sich schwer an der Tante der deutschen Kaiserin vergangen habe. Frl. Milewsky bat, ihr doch wenigstens zu sagen, was sie verbrochen habe, es wurde ihr aber die Antwort zuteil, daß sie das in Deutschland durch den Herzog Ernst Günther erfahren werde. Es wurde ihr so­dann ein Schriftstück zum Unterzeichnen vorgelegt, in dem sie sich verpflichten sollte, in Zukunft von der Prinzessin Amalie zu lassen. Nachdem Frl. Milewsky vier Tage lang in Gewahrsam gehalten worden war, wurde sie nach Port Said trans­portiert, wo sie in einem eleganten Zimmer ein- geschlossen wurde. Vor den Fenstern patrouillierten zwei Soldaten mit geladenem Gewehr auf und ab. Von hier wurde sie schließlich nach Deutschland überführt. Hier erfuhr sie, daß ihr zur Last ge­legt wird, die Prinzessin Amalte bestohlen zu haben. Unter ihren Sachen befanden sich nämlich zahlreiche Schmuckgegenstände, die der Prinzessin Amalie ge­hört haben sollen, so u. a. eine runde Brosche mit Diamanten und Rubinen, ferner ei« goldenes Ketten­armband, eine Brosche mit Goldtopasen und ferner noch ein Perlenhalsband, dessen Perlen sämtlich echt gewesen sein sollen, bei ihrem Funde aber hauptsächlich unechte Perlen enthielten. Wegen dieses Diebstahls hatte sich Frl. Milewsky im September v. Js. vor dem Berliner Landgericht zu verantworten. Die Verhandlung wurde vertagt, Frl. Milewsky aber wegen Fluchtverdachts in Haft genommen. In dieser Verhandlung gelangte ein Brief der Prinzessin Henriette an den Herzog Ernst Günther zur Kenntnis des Frl. Milewsky. In diesem Brief wird Frl. Milewsky als eine große Verbrecherin hingestellt, es wird ihr alles mögliche schlechte nachgesagt, sie des Diebstahls bezichtigt und es wird die Wendung gebraucht, daß alles, was den Namen Milewsky trage, schon an sich Ver­brecher sei. Wegen dieses Briefes hat Frl. Milewsky gegen die Prinzessin Henriette die Privat-Beleidi- gungsklage erhoben. Ihr steht als Rechtsbeistand Rechtsanwalt Graefe aus Berlin zur Seite, während die beklagte Prinzessin durch den Justizrat Rendtorff-Kiel vertreten wird.

Dares-Salam, 29. Sept. Zn dem Aufstande in Ostafrika, der im Abnehmer: begriffen ist, wird berichtet: Nigmann hat sich von Jringe mit der Kompagnie Hassel aus Mahenge vereinigt. Hauptmann Funk hat mit seinem De­tachement auf dem Marsche von Süden Kilossa er- erreicht. Die Abteilung hatte auf dem Wege viele erbitterte Gefechte. Der Feind verlor virls Tote und Proviant. Die Aufständischen fechten, da sie sich durch Zauber kugelsicher wähnen, sehr tapfer. Sie beschießen täglich deutsche Stationen und Posten. Die Station Songea scheint eingeschlossen zu sein. Die Lage im Bezirk Langenburg ist besser. Am 15. Oktober wird eine neue formierte Kompagnie von Kilwa auf Songea marschieren. 30 Mann Marineinfanterie sollen bis Liwale abgehen und diesen Posten neu besetzen.

Litterarisches.

Württt- Kursbuch. Die Winter-Ausgabe des von der K. Generaldirektion der Württ. Staatseisen­bahnen bearbeiteten, von der Union Deutsche Ver­lagsgesellschaft, Stuttgart, ausgegebenen Württemb. Kursbuches ist soeben erschienen. Diese Ausgabe enthält die Fahrpläne für Post und Eisenbahn in Württemberg und Hohenzollern, die Eisenbahn- und Dampfschiffahrts­verbindungen in Süddeutschland, der Schweiz, dem größeren Teil von West-, Mittel- und Norddeutschland und von Oesterreich, eine Eisenbahnkarte von Mittel­europa und eine solche in größerem Maßstabe von Süd- westdentschland. In diesen Karten sind die Nummern der einzelnen Fahrpläne rot eingedruckt und die Haupt­durchgangslinien durch dicke Linien bervorgehoben. Die Bearbeitung des Kursbuches ist übersichtlich und zu­verlässig, es hat, da es die süddeutschen Verhältnisse be­sonders berücksichtigt, als das beste Kursbuch für Süddeutschland längst die Anerkennung des reisenden Publikums gefunden.

Standesamt Kak».

Geborene.

23. Sept. Anna Christiane Heinrike, Tochter des Gott­lieb Heller, Bäckers hier.

28. Emilie Margarete, Tochter des Jakob Staiger,

Schreiners hier-

Getraute.

27. Sept. Philipp Mast, Gärtner von Jgelsberg mit

Anna Moyer von hier.

G esto rb en e.

28. Sept. Lina, Tochter des August Matthias Glock,

Steinhauers hier, 11 Tage alt.

L»ndi»irts>hast1. Krjikksikttin Calw.

Den nachgenannten 7 Käufern von Original­simmen taler-Farren find folgende Beiträge verwilligt und zwar:

1) Der Gemeinde Liebclsberg . . . 148

2) Martinsmoos . . 126

3) Oberhaugstett . . 103

4) Althen gstett . . . 174

5) Deckenpfronn . . . 184

6) Farrevhalter Gaffer, Altbulach . . 127

7) Gutspächter Fahriou, Hof Dicke . 138

zusammen 1000 Calw, 29. September 1905.

Der BereivSvorparrd.

Reg.-Rat Voelter.

stelle übernommen und das üblich« Geldgeschenk überreichen lassen.

In Pforzheim wurden durch eine Gasexplosion in der Küche der neubezogenen Wohnung St. Georgenstraße 19 der Goldarbeiter Friedrich Kolb im Gesicht und an den Händen schwer, seine Tochter am Kopf und seine Frau an der Hand weniger schwer verletzt. Es scheint, daß tags zuvor bei der Legung des Gasrohrs nicht die nötige Sorgfalt geübt wurde.

Berlin, 29. Sept. Heute Vormittag 11 Uhr erschienen die Vertreter der Arbeiterschaft der Elektrizitätsbranche auf dem Einigungs­amt des Gewerbegerichtes und legten die Anrufung protokollarisch fest. Die Arbeitsgeber sollen noch im Laufe des Tages amtlich hiervon unterrichtet werden. Die für den Nachmittag anberaumten Versammlungen fielen deshalb aus.

Berlin, 29. Sept. Der Inhalt des Marokko-Abkommens wurde nach erfolgter Unterzeichnung in Paris und Berlin bekannt ge­geben.

Berlin, 29. Sept. Die Berliner Blätter äußern ihre Befriedigung über den Abschluß des Marokko-Abkommens. DieNat.-Ztg." schreibt: Durch den Ausgang der Verhandlungen wird in schlagender Weise die Unterstellung englischer Blätter widerlegt, wonach Deutschland bet seinem Verhalten in der Marokkoangelegenheit von Hinter­gedanken geleitet wurde als ob es sich bei dieser Frage lediglich um einen Vorwand für andere Zwecke handle! Sollte daher das deutsch-französische Abkommen dazu beitragen, allen derartigen Miß­deutungen ein Ende zu machen, so könnte dieses Ergebnis als ein Sywptom der friedlichen Ent­wicklung der internationalen Beziehungen betrachtet werden.

Kiel, 27. Sept. (Kammerfrau und Prinzessin.) Vor dem hies. Schöffengericht wird morgen die Privatbeleidigungsklage der Kammer­frau und Gesellschafterin der verstorbenen Herzogin Amalie von Schleswig-Holstein, Fräul. Anny Milewsky gegen die Prinzessin Henriette von Schleswig-Holstein, die Gemahlin von Esmarch, verhandelt werden. Der Prozeß dürfte den ganzen Fall Milewsky, der die Gerichte schon so lebhaft beschäftigt hat, auftollen. Frl. Milewsky ist die Tochter eines Fleischermeisters aus Marggrobowa, hat die Schneiderei erlernt und ist dann Kammer­frau bei mehreren vornehmen Damen gewesen. Im September 1898 trat sie bei der Prinzessin Amalie von Schleswig-Holstein als Kammerfrau ein und wurde später zur Gesellschafterin der Prinzessin er­hoben. Sie begleitete die Prinzessin auf fast allen Reisen und gelangte mit ihr im Februar 1901 nach Kairo. Tie Verwandten der Prinzessin waren mit Frl. Milewsky jedoch nicht zufrieden, da nach ihren Wahrnehmungen sich zwischen der Gesellschafterin

heilen, ohne sie von seinen Motive« und Zwecken zu unterrichten, und als diese bei Afra eintrat, war eS ihr natürlich schwer zu begreifen, was man nur mit dieser wunderbar schönen Frau Vorhaben könne.

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Wieder rin« Viertelstunde darauf trat Gertrud nach bescheidenem leisen Pochen zu ihrer neuen Herrin, dir unbeschäftigt in träumerischem Sinnen, die Wange in di« Hand gestützt, im Schatten de» Vorhanges am Fenster saß.

Gnädigst« Frau,- begann sie, an der Türe bleibend, in schüchternem Tone,ich komme im Auftrag des Herrn von Bodenberg, der dies soeben mit seinen Empfehlungen ins Hotel brachte."

Sie zeigte ein Kouvert und näherte sich langsam, als Afra ihr Aufmerk- samkeit schenkte.

Herr von Bodenberg schien sehr beeilt, er ließ mich an den Wage» rufen und sagte mir, er wage eS, der gnädigsten Frau, der vielleicht eine kleine Zer­streuung erwünscht sei, eine Loge im Zirkus zu offeriere», die er mühsam für sie erkämpft habe. Im Fall« die gnädige Freu sie benutzen wolle, möge ich sie begleiten; er sei durch sei», Verwandtschaft sehr beansprucht und werde erst später am Abend in der Loge seine HonnrurS machen."

ES ist gut! Ich danke Herrn von Bodenberg für sein- Aufmerksamkeit!" Afra gab dem Mädchen einen Wink, das Couvert auf den Tisch zu legen, und Gertrud entfernte sich wieder.

Die Zeit kriecht doch langsamer, al» ich hoffte," seufzte Afra.Der Tag ist lang und ... ich fürchte mich vor d»m Alleinsein am Abend." Ein leichtes Frösteln befiel sie bei dem Gedanken.Ich will seine Einladung an­nehmen; ich bin fremd hier, also ohne Belästigung. Gertrud kann mich ja begleiten!"

Sie erhob sich, schritt wieder unruhig im Zimmer auf und ab, streckt« dir

Arme und faltet« die Hände über dem Haupte, betrachtete sich im Spiegel ung bemerkte, daß die Langeweile doch gar zu sehr di« Züge erschlaffe. Sie gähnte, ging an den Wänden des SalonS umher und betrachtete mit Gleichgiltigkeit, nur um di« Zeit zu töten, dir wertlosen Bilder an denselben.

Als endlich dis Zeit der Abendtoilette gekommen war, ließ Afra Gertrud rufen und befahl ihr» sich in den Koffern zu orientieren und ein« paffende Robe auszuwählen. Sie wollte sich überzeugen, ob sie ebensoviel Geschmack wie Ge­schicklichkeit besitze.

Und Gertrud wählte wirklich unter der überreichen Garderobe diejenige di« der unberechenbaren Laune ihrer Herrin heute gerade am meisten zusagte. Diese lächelte zustimmend, mit Befriedigung sah sie des Mädchens flinke Hand an ihrer Person beschäftigt. Eie wollte kein Geschmeide antun, nicht auffallen, am liebsten von Niemandem bemerkt sei»; sie folgte Bodenberg« Einladung nur, um nicht zu verletzen, denn sie sei eigentlich gar nicht in der rechten Stimmung; jede andere Zerstreuung wäre ihr lieber gewesen als der Zirkus. Und doch stand sie nach einer kleinen Stunde so schön da, daß die verschlagene Gertrud lächelnd zu sagen wagt«:

Die gnädige Frau werden dennoch alle überstrahlen!"

Indes Afra, wie bereitwillig sie dies hinnahm, wechselt« daraufhin plötzlich wieder die Stimmung; sie hob, vor den Spiegel tretend, den Arm und nahm da« kokette Hütchen vom Scheitel.

Jenen anderen reich« mir, er paßt besser für den Zirku»!" rief sie, auf einen Hut deutend.

Auch den Schleier, ich will nicht gesehen sein! Nar um die Zeit zu töte«, gehe ich; auch die Sortie behalte ich natürlich an. Ich werde nicht lauge bleiben und mir Vorwürfe machen, daß ich überhaupt gegangen bin."

(Fortsetzung folgt.)