Aus dem besetzten Gebiet
TU. Berlin, 18. April. Wie der Lokalanzeiaer aus Krauk- furt a. M. meldet, haben die englischen Besatzuugsbehör- üen in Wiesbaden nach langwierigen Berhandlungen mit den deutschen Behörden auf die verschärfte Paßkontrolle als Sanktion wegen der fortgesetzten Beschädigung englischer Automobile verzichtet, nachdem der Oberbürgermeister von Wiesbaden die Belohnung für die Ermittlung der Täler von 1000 auf 2000 Mk. erhöht hat. Die Paßkontrolle soll vom Freitag ab der deutschen Polizei übertragen werden, die durch deutsche Kriminalbeamte znnächsr noch ganz unauffällig lediglich bei zweifelhaften Füllen zum Zwecke der Ergreifung der Täter die Pässe revidieren wird. ES soll auch der deutschen Polizei überlassen bleiben, die evtl. Strafen festznsetzen.
Die Donez-Affcire
deö
die
Auf
Vorgehen gegen das Deulschlum in Jugoslawien
TU. Laibach, 18. April. Zufolge einer Verordnung Stadtpfarramtes in Marburg an der Trau wurde Schließung des deutschen Stadtsriedhofes ungeordnet, diesem altehrwttrüigeu Friedhof befinden sich tausende deutscher Grabsteine, die von dem deutschen Charakter der Stadt Marburg künden. Unter nicht stichhaltigen Vorwänden soll nun dieses mächtige Wahrzeichen des deutschen Charakters dieser Stadt vernichtet werden. Der Friedhof- eingang wurde bereits gesperrt, desgleichen der Friedhof- Brunnen geschlossen, sodaß es der deutschen Bevölkerung Marburgs unmöglich gemacht wurde, die Gräber ihrer Toten zu pflegen. Eine Beschwerde deutscher Bürger bei dem erst vor wenigen Jahren auS Triest nach Marburg gekommenen slowenischen Bischof Dr. Marlin war bisher erfolglos. Bis zum Herbst dieses Jahres sollen bereits die Ein- ebnungSarbeiten vorgenommen werben. In der deutschen Bevölkerung Marburgs herrscht eine ungeheure Erregung über diese kirchenbehördliche Maßnahme.
Die Faschisten überwache» die Tätigkeit der Geistlichen in Siidtirol.
TU. Innsbruck, 13. April. In einer Sitzung des faschistischen BerbanöSdirektoriums für die Provinz Bozen wurden die politischen Sekretäre aufgeforbert, das Wirken der Geistlichen zu überwachen und dem Verband Kontrollbe-
vkU5SLMLcmsscnuir voircu vsuczs osEnc»s7ell.Ekro/iO
(ö. Fortsetzung.)
Aus den Stalltüren blickten Knechte und Mägde. Als sie die Herrin sahen, fuhren sie zurück.
„Gutes Regiment," dächte Sohr und trabte der Voran» schreitenden nach, die vor dem gegenüberliegenden Gebäude Halt machte.
„Hier werden Sie schlafen," sagte die Frau, öffnete die Tür und trat in ein geräumiges Zimmer, das zu ebener Erde lag.
Sohr folgte.
Mitten im Zimmer blieb die Frau stehen, zog die Börse, entnahm ihr ein Dreimarkstück und gab es Sohr mit den Worten: „Bitte, der Miettaler. Das ist bei uns von alters- her Brauch."
Sohr zitterte die Hand, als er ihn nahm.
„Das wäre erledigt und somit gehören Sie zu uns," sagte sie, „und nun das andere: Ich gebe sechzig Mark Lohn im Monat, trage aber alle Abgaben. Wenn Sie etwas leisten, zahle ich im nächsten Monat siebzig. Sogenannte Revolutionserrungenschaften, wie Deputate und dergleichen, gibt es bei mir nicht, dafür erhalten die Leute anständige Weihnachtsgeschenke und den doppelten Monatslohn zum Erntefest. Bezüglich der Arbeit haben Sie den Weisungen des Hofmeisters Folge zu leisten, jedenfalls haben Sie ein Paar Pferde zu übernehmen. Im übrigen werden Sie ja selbst wissen, wie sich ein gesitteter Mensch zu betragen hat." Im Hinausgehen drehte sie sich noch einmal um. „Geweckt wird früh halb vier Uhr. Gute Nacht."
Sohr stand bewegungslos, versteinert, gänzlich unfähig zu reden oder irgend etwas zu tun, so hatte das Wesen dieser Frau und die Art, wie sie mit ihm sprach^ auf ihn gewirkt. Keine Frage hatte sie gestellt, nur diktiert, hatte nicht einmal entfernt in Erwägung gezogen, daß auch er Wünsche haben konnte. Nichts von dem allen. Einfach: hier bist du. hier schläfst du, das hast du zu tun, das bekommst du — aus! Schluß! Nicht einmal ihren Namen hatte sie für nötig befunden zu nennen.
So war mit ihm noch nie verfadren worden. So hätte er «inen Schweinehirten nicht engagiert.
richte über Sie Tätigkeit der Geistlichkeit in den Gemeinden zu erstatten.
TU. Berlin, 18. April. Berliner Vläiter melden ans Moskau: Im Anstrage des deutschen Botschafters vesnchre der Legationsrat Schliep erneut die jetzt im Moskauer Biltyrki-Gefängnis untergebrachten deutschen Ingenieure. Schliep hatte von der Unterbringung und Behandlung der Gefangenen im allgemeinen einen günstigen Eindruck. Nach Erledigung der erforderlichen Formalitäten wird der Botschafter Persönlich die verhafteten Reichsdeutschen besuchen.
Wie weiter gemeldet wird, bleibt der als Spitzel angesehene Köster, der noch einmal vom Untersuchungsrichter vernommen wurde, bei seinen Beschuldigungen gegen die deutschen Ingenieure. Er belastete insbesondere den Russen Paramonow, der angeblich der Anstifter eines Gruben- brandes auf der Grube „Sarja" war. Der Chef der G.P.U. besteht, wie es heißt, darauf, baß der Prozeß am 24. Mai begonnen werde. _
Schwierigkeiten bei den polnischamerikanischen Anleiheverhandlungen
Tik. Warschau, 18. April. Die seit zwei Tagen in Warschau geführten Verhandlungen um eine amerikanische Ju- vestigationsanleihe fiir die polnische Eisenbahn haben zu keinem Erfolg geführt. Der Direktor des amerikanischen Konsortiums, Bankers Trust, Tilny, hatte tangere Besprechungen mit dem polnischen Finanzministcr und dem amerikanischen Finanzkontrollenr Tcivcy. Tikncy sprach sich darnach zwar günstig über die gegenwärtige Lage der polnischen Finanzen aus, erklärte aber, daß augenblicklich eine Anleihe nicht in Frage komme. Nachdem die Verhandlungen mit Bankers Trust ergebnislos verlausen sind, wird die polnische Regierung mit Vertretern der Ehaise-Naiionalbank und der Firma Blair n. Co. in Verhandlungen treten.
Triest alS Anssaiistor sür de» polnischen Oricnthandel? TU. Paris, 18. April. Nach einer römischen Meldung der „Fnsvrmation" soll unter den zwischen Mussolini und Zalcski erörterten wirtschaftlichen Fragen auch die des Aushaus von Triest zu einem Aus- und Einsnhrhafen für den polnischen Handelsverkehr nach Süd-Europa und dem Orient im Vordergrund gestanden haben. Ob die Beratung dieser heiklen Frage zwischen den beiden Staatsmännern zu einem greifbaren Ergebnis geführt hat, darüber schweigt die Meldung.
mec sind VIS zn einem Punkt nördlich von Tschangteho an der Peking-Hankan-Eisenbahn vorgerückt. An der Tscheng- tai-Frvnt wurden die Truppen des Gouverneurs von Schansie zurückgetricben. Von Hankan sind große Trnppen- masscn über Honan nach dein Norden entsandt worden. Besprechungen eines japanischen Vertreters der Tüömanschnri- schen Eisenbahnen mit General Feng wird große Bedeutung beig'cmessen. Die Aussprache wird als Beweis dafür angesehen, daß Japan die Stellung Tschangtsolins als, wankend ansiehtz und es für notwendig hält, sich mit General Fcna als dem kommenden Mann, wenn notwendig auch gegen England und Amerika zn verständigen. Der japanische Delegierte erklärte in einem Interview, daß die japanische Unterstützung Tschangtsolins nach dessen Niederlage nunmehr beendet sei.
Kleine politische Nachrichten
Ablehnung deutscher Schifsorücksordernngen in U.L.A,
Frankreichs Gegenvorschlag
zum Kriegsverzichtspakt
TU. Paris, 18. April. Der französische Kriegsverzichts- paktvvrschlag, der am Samstag in Berlin, London, Nom und Tokio überreicht cverden soll, wird gegenwärtig am Quai d'Orsay einer letzten Prüfung unterzogen. Der Vorschlag hält sich zum großen Teil an den Wortlaut der französischen Note vom 28. März. Sobald Briand, der aus seinem Wahlkreis Nantes nach Baris zurückgekehrt ist, dem Vorschlag endgültig zugescimmt hat, wird er dem Ministcr- rat zur Stellungnahme vorgelegt werden.
„Temps" sagt heute zn dem französischen Entwurf eines Kricgoverzichipaktcs, daß dieser keineswegs in schärfstem Gegensatz zu Kcllvggs Entwurf stehen werde. Man könne nicht daran zweifeln, betont das Blatt, daß alle Großmächte den Grundgedanken eines mehrseitigen Kriegs- verzichtpakteS günstig gesinnt seien, aber man müsse sich auch ans langwierige Verhandlungen zur Abfassung einer für alle Nationen annehmbaren Formel gefaßt machen. Diese müsse ganz loyal die allgemeinen Interessen und die Interessen der Einzelstaaten wahren, um damit dein allgemeinen Frieden wirksam dienen zu können.
Erfolge der chinesischen Nordormee
Japan läßt Tschangtsolin fallen.
TU. London, 18. April. Die chinesische Nvrdarmee verzeichnet nach Berichten aus Peking weitere Erfolge gegen die nationalistischen Truppen. General Suntschuanfang berichtet, daß er bis nach der Luughau-Etsenbahn in der Nähe von Taugschan vorrückt, und dort in der Lage ist, den nationalistischen Flügel zu bedrohen. Andere Teile der Nordar-
Der Berliner „Mittag" meldet ans Washington, daß der oberste Gerichtshof sieben deutsche Forderungen für die Rückgabe deutscher Schisse abgelehnt hat, darunter die Forderung, die den Dampfer Leviathan ifrühcr Vaterland) betrifft. ö Rückgabegesnche sind noch nicht behandelt worden. Zwei sind von der Hambnrg-Amerika-Linie ausgegaugcn und eine von einer dänischen Schiffahrtsgesellschaft.
Wiederaufnahme der deutsch-titanischen Wirtschaftsver- haudiungen. Wie Berliner Blätter aus Komno melden, ist eine litauische Delegation unter Führung des litauischen Gesandten in Berlin, Sieeikauskas, zu den deutsch-litauischen Wirtschaftsverhaiidlungen nach Berlin abgefahren.
Nobile besucht Berti». Wie von maßgebender Stelle miigeteilt wird, steht der Zeitpunkt des Besuchs General Nobiles in Berlin im Augenblick noch nicht fest, doch wird bestimmt damit gerechnet, daß General Nobile vor seinem Aufstieg nach Spitzbergen die Neichdhauptstaöt anfsuchen wird.
Frankreich vor der einjährige» Dienstzeit. Kriegsminister Painlevö gab ans einer Wahlversammlung in Divonne les Bains die Erklärung ab, daß die junge» Leute, die im No- vember oder Dezember 1928 das 20. Lebensjahr erreiche», erst im November-Dezember 1929 einberufen und nach einen' Jahr wieder entlassen würden. Die Einstellnnn von 106000 Berufssoldaten, die wesentlichste Voraussetzung für die Einsührnng deS einjährigen Dienstes, mache große Fortschritte.
18 Todesopfer bei dein Mailänder Anschlag. Durch den Tod eines 11jährigen Jungen hat sich die Zahl der Todesopfer des Mailänder Bombenanschlags ans 18 erhöht. — Der in Cvmo verhaftete Kommunist konnte seine Unschuld Nachweisen.
Ausbeutung ostsibirischer Goldfelder mit deutschem «nt amerikanischem Kapital? In den letzten Tagen sank» in Cannes eine Besprechung zwischen den Vertretern einer aineri- taiiischcn Bankgrnppe, der Deutschen Bank und der Lena-Goldsields statt. Es handelte sich um die Gewährung einer Anleihe von sechs Millionen Reichsmark für die Lena- Goldficlds, die die Genehmigung für die Gvlöförderung ip Ostsibirien hat. An dieser Anleihe sollen sich die Deutsche Bank und die amerikanische Bankgrnppe beteiligen unter gleichzeitiger Mitwirkung an der Goldansbcutung in Ostsibirien.
Er >ah die Gesracc, sie von ihm iorl ging und über den Hof schritt, in nichts zerrinnen, wie alles andere, was um ihn war, auch. Er sah überhaupt nichts inehr, war gar nicht m«hr da, nur sein Körper stand seelenlos im Raum.
Der Zustand dauerte wohl fünfzehn Minuten und hätte zum vollkommenen Zusammenbruch geführt, wenn ihn nicht ein Mädchen beendet hätte, das. mit einem Teller in der Hand, in Sohrs Zimmer trat.
Es war die Mamsell Grete Kerst, das Ebenbild ihrer Herrin, ebenso groß, ebenso stark, ebenso gesund, nur mindestens zehn Jahre jünger.
„Hier schickt die gnädige Frau Essen und läßt sagen, Sie möchten den Teller hinüberbringen, wenn Sie fertig wären."
Sohr hörte nicht, was das Mädchen sagte und versw d nicht, was es wollte. Er rührte sich nicht und antwortete nicht.
Da wurde Grete Kerst dringlick)er.
„Essen sollen Sie," herrschte sie ihn an, und da er das immer noch nicht zu kapieren schien, wurde sie ungehalten: „Mensch, fassen Sie schwer. Sie sollen essen und den Teller in die Küche bringen, wenn Sie fertig sind."
Da dämmerte es Sohr.
„Ich soll —"
„Ja, ja — nur los und dann den Teller in die Küche.
„Das sagt —"
„Die gnädige Frau, jawohl."
Da war es mit Sohrs Beherrschung aus. Das war zuviel für ihn, weil es zu ungewöhnlich und zu neu war.
Mit einem Saß stand er vor dein Mädchen und schüttelte es an den Schultern.
„He, du," donnerte er heraus, „sag' deiner Frau, sie soll —," aber da besann er sich, ließ das Mädchen los und öffnete die Tür.
„Tragen Sie den Teller selbst zur Küche, mitsamt dem, was darauf ist und lassen Sie sich hier nicht wieder sehen. Verstanden! So, und nun dalli."
Draußen war Mamsell Kerst und lief mehr, als sie ging, nach dem Herrenhaus. So einen rabiaten Kerl hatte es auf FinkenscUag noch nicht gegeben.
„Was gafft ihr hier beruml" schnauzte Sohr Knechte und Mägde an, die wie vorhin, so jetzt wieder, an den Statttüren tuschelten.
Sie fuhren auseinander, weil sie den Neuen noch nicht einzureihen wußten und hätten ihm bestimmt eine Antwort nach ihrer Art gegeben, wenn sie geahnt hätten, daß er auch nicht mehr war wie sie selbst.
Als er an den Stätten vorbeigina und da und dort hin- einblickt«, griißten sie ihn. Er dankte, nahm aber von nie-
manoelli Ivrc.
Jeden seiner Schritte beobachteten sie und auch vom Herrenhaus aus schauten drei Paar Augen seinem Tun zu.
Als er an den Wagen kam, dessen Anblick ihn vor einer Stunde schon gestört hatte, weil er als einziger auf dem Hofe stand, packte er die Deichsel. Ein Ruck nach vorn, ein Stoß zurück und die Karre rollte in die Remise, dort schob er sie zurecht, damit sie mit den anderen in Reih und Glied stand-
Diese Anstrengung tat ihm wohl, sie hatte ihm die Hälfte seiner Erregung genommen und denen, die vor Kraft mehr Respekt haben, als vor haufenweisem Wissen, hatte sie gezeigt, daß mit ihm in punkto Zugreifen nicht zu spaßen war.
Dann ging er um die andere Hälfte des Hofes herum und trat in sein Zimmer.
Für ihn war ja heute Feierabend.
Er setzte sich, stützte die Arme auf den Tisch und stellte die Gegenwart vor sich hin. Mit ganz klaren Augen blickte er sie an. Da also war er untergekommen. Vier kahle Wände umgaben ihn, weißgetüncht und ohne jeden Schmuck. Ein Bett, ein Schrank, ein Tisch, zwei Stühle und ein Schemel, auf dem eine Waschschüssel stand und ein Stück Seife lag, das war die Herrlichkeit, die ihn aufrichten sollte.
So dachte sich Sohr die Zelle einer Strafanstalt oder ein Zimmer in einem Spital für die nur noch Geduldeten, für Menschen dritter Klasse, für solche, die keine Ansprüche zu stellen berechtigt sind.
Und doch, wenn er zurückdachte an seinen Besitz, hatten in solchen Zimmern nicht auch seine Tagelöhner gehaust und sich wohlgesühlt, Kinder geboren und großgezogen in solchen Zimmern, geweint und gelacht und waren in solchen Zimmern alt geworden. .. .
Gewiß, er wollte nicht mehr, wie andere. Vorläufig nicht. Zunächst war er ja geborgen. Bon Gort und den Menschen erwartete er keine Besserung seiner Lage. Den Glauben hatten sie ihm gründlich zerschlagen. Vorläufig waren es die Hände und zwar seine eigenen, von denen er sich etwas versprach, die wollte er gebrauchen, und wenn dann später auch noch aus dem bißchen Krips, das ihm die Natur verliehen. Kapital herauszuholen war, sollte es geschehen. Man sollte ihn jede Minute auf dem Quivive finden.
Aus diesen Gedanken, Vorsätzen und Erwägungen riß ihn ein kurzes Klopfen.
Sohr fuhr auf, und ohne noch „Hereinl" gebeten zu haben, sah er sich einem untersetzten, vierschrötigen Menschen von ansehnlichem Leibesumfänge gegenüber.
Besondere Umstände schienen di« auf Finkenschlag allesamt nicht zu machen. -
(Fortsetzung folgt.)
s
t