wurde die Wahl des Arztes vorgeschrieben. Eine große Anzahl Aerzte wurde von der Kassenpraxis ausgeschlossen und erlitt dadurch schweren wirtschaftlichen Schaden. Der Zusammenschluß ärztlicher Ortsvereine im Jahre 1900 in Eßlingen, der heutige W.A.V., sollte aus dieser mißlichen Lage sür Abhilfe sorgen. Auch im Reiche faßte der Gedanke einer Aerzteorgani- sation Fuß und nahm in dem Leipziger Aerzteverband bald feste Gestalt an. 1921 erfolgte die Gründung einer Versor- gungskasse, deren Einnahmen aus einer zehnprozentigen Abgabe aus dem ärztlichen Honorar bestehen und deren Leistungen Invaliden- und Hinterbliebenenrenten, sowie Sterbegelder umfassen. Am 1. Januar 1925 wurde auch eine Altersversorgung angegliedert, um den alten Aerzten das Ausscheiden aus der Praxis zu ermöglichen. Ob freilich das Opfer der Aerzte hierfür, nämlich eine zwölfprozentige Abgabe aus alle Honorars, auf die Dauer tragbar sein wird, erscheint fraglich. Die Mitteilung, daß anläßlich des Jubiläums der Ausschuß des Württ. Aerzteverbandes und die Verwaltung der ärztlichen Unterstützungskasse 17 000 Mark zur Unterstützung von Witwen und Waisen der Aerzte zur Verfügung gestellt habe, rief große Befriedigung hervor. Zur Ehrung und zum Gedächtnis der verstorbenen Führer und Begründer des Verbandes erhoben sich die Anwesenden von den Sitzen. Der Redner schloß mit einem Appell an die junge Aerztegeneration, festzuhalten an den Standesideen, um nach weiteren 25 Jahren das goldene Jubiläum mit dem Bewußtsein feiern zu können, dem Volke, dem Vaterlande und dem Stande gedient zu haben.
Eine nicht enden wollende Reihe von Glückwunsch- und Begrüßungsreden folgte den mit freudigem Beifall aufgenommenen Ausführungen des Vorsitzenden. Die Verteter der Behörden, der Stadt Stuttgart, des Arbeitsminifteriums, der Tübinger Fakultät, der Krankenkassen, des Stadt. Gesundheitsamts, des Deutschen Aerzteverbandes, der Tier- und Zahnärzte brachten im Namen der Körperschaften Wünfche dar. Die Festsitzung wurde beschlossen mit einem Gesangsvortrag von Frau Dr. Berner.
Nach einem im kleinen Saal des Hauses des Deutschtums eingenommenen Gabelfrühstück versammelten sich die Festteilnehmer um >63 Uhr wieder im Sitzungsraume zu dem mit Spannung erwarteten Vortrage von Professor Dr. Müller- Tübingen über „Die Ueberfüllung des ärztlichen Berufes". Er führte etwa folgendes aus: Wenn eine Ueberfüllung des ärztlichen Berufes vorhanden ist, so muß einige Zeit vorher naturgemäß eine Ueberfüllung des Studiums bestanden haben. Das war in der Tat der Fall. In Tübingen studierten im Jahre 1919 815 Hörer Medizin. Das war soviel, als manche kleine Universität vor dem Kriege überhaupt an Hörern hatte. Freilich haben vielleicht viele nach dem Kriege aus wirtschaftlichen Gründen eine kleine Universität vorgezogen. Im Sommer 1919 verließen dann 138 approbierte junge Aerzte die Hochschule und zogen hinaus messt unter Auslassung des praktischen Jahres. Doch diese nach dem Kriege und in der unseligen Inflationszeit einfetzende Ueberflutung des ärztlichen Berufes hat nun schon wieder bedeutend abgeflaut. Im vergangenen Wintersemester waren in Tübingen 215 Medizinftudierende, also nur noch 25 Prozent von der Höchstzahl im Jahre 1919. Am Ende dieses Sommerfemesters wurden nur 22 Approbationen erteilt. Auch an den anderen Hochschulen Deutschlands liegen die Verhältnisse ähnlich. Die Zahl der Medizinstudierenden bewegte sich allgemein ungefähr auf der Höhe des Jahres 1905. Zu der vielfach angeschnittenen Frage der Rationierung des medizinischen Studiums nahm der Redner eine ablehnende Stellung ein. Dagegen sei eine schärfere Handhabung der Prüfungen zu empfehlen und unter großer Heiterkeit stellte der Redner auch in Aussicht, daß in Zukunft die Quote der Durchfallenden größer sein werde. Die gründliche Ausbildung als Assistent liege heute noch sehr im Argen. Um eine Verlängerung des Medizinsstudiums werde man über kurz oder lang nicht herumkommen.
Weitere Vorträge hielten Dr. Neunhöffer-Stuttgart über die Versorgungskasse der württ. Aerzte und Medizinalrat Schmidt-Stuttgart über Aerzte und Medizinalbeamte in Württemberg. Diese Vorträge fanden großen Beifall. Abends fand dann ein Feftkommers im großen Stadtgartensaal statt.
Am Sonntag, den 27. Sept., hielt der ärztliche Landesverein seine Jahresversammlung ab. Auf der Tagesordnung stand neben dem Geschäftsbericht noch zwei von Professor Dr. Linser- Tübingen über spezifische und nichtspezifische Reizkörpertherapie und von Dr. Berner-Stuttgart über Sport und Arzt.
Naben
Vom Schwarzwald, 22. Sept. (Die Kuh und das Fahrrad.) Sitzen da einige Autofahrgäste gemütlich im „Rößle" in Gschwend im Wiesental. Nebenan stärkten sich zwei andere Gäste, >die ihre Fahrräder, der Ehrlichkeit des Schwarzwälders
Vom Glück vergeffen.
Roman von Fr. Lehne.
9. FoUje^'.mg. (Nachdruck verboten.)
„Die richtige Ruh' fehlt mir halt doch! Lasse nur gut- sein, Theres! Wenn ich arbeit', nachher ist's mir halt leichter! Der Toni und die Marthel spielen hinten bei den Hausmeisterskindern, da kann ich schön beim Bügeln bleiben! Die Köchin von Dr. Riesbecks gibt mir 2 Mark, wenn ich ihr die Wäsche bügle! 's war halt zuviel diesmal durch den Besuch!"
Gleichmäßig glitt das Plattesten über die großen Wäschestücke hin und her.
„Wo ist eigentlich die Cenzi hingegangen, Mutter?" fragte die Theres schon wieder von der Tür aus, „und wann kommt sie wieder?"
„Sie wollte mit einigen Freundinnen ins Zsartal — zum Nachtessen ist sie wieder daheim."
„Mutter, ich glaub's halt net recht, was die Cenzi uns da sagt!" bemerkte Theres zögernd, „neulich schon Hab' ich sie mal aus einer Lüg' ertappt — 's Dirndl ist hübsch —"
„Jesses Maria, auch noch die Sorg' —" fing dis Mutter an zu jammern, „wie bin ich schon geschlagen!"
Es tat der Theres leid, durch ihre Andeutung der Mutter Unruhe geschafft zu haben. Seufzend machte sie sich wieder an ihre Arbeit. Heute wollte es gar nicht so recht vorwärts gehen, obwohl das Schriftstück, das sie abzutippen hatte, sie sehr interessierte.
Aber ihre Gedanken machten ihr zu schaffen. Es ließ sich nicht wegdenken, das Elend mit dem Vater, der Ausgeher in einem großen Geschäftshaus^ gewesen war und der in einer schwachen Stunde anvertrautes Geld unterschlagen hatte! Dieses Vergehen mußte mit einer mehrmonatlichen Gefängnisstrafe gebüßt werden. Wie schwer litten alle darunter, kaum wagten sie noch, den Leuten ins Auge zu sehen! Ihr täglicher Gang in das Geschäft glich einem Canossagang — Theres fühlte sich förmlich gezeichnet. Und sie hatte es schmerzlich empfunden, daß der erste Buchhalter im Kontor, der Herr Reigl, der sich sonst viel um sie gekümmert hatte, sich jetzt merklich von ihr zurückgezogen und
vertrauend, vor das Haus gestellt hatten, beim Vesperschoppen. Während dieser allgemeinen Erholung in der stillen Gaststube zieht als einzige Unterbrechung die von der Weide Heimkehrende Viehherde am Hause vorüber. Plötzlich bemerkt einer der Gäste, wie eine der Kühe ein Fahrrad über den Hals gehängt, als ob nichts geschehen wäre, zwischen den anderen Kühen weiterzieht. Seltsam überrascht eilten die Gäste ins Freie, der Herde nach, um die Kuh von ihrem einzigartigen Halsschmuck zu befreien. Nach mancherlei Mühe gelang es endlich, das Fahrrad über den Kopf und die Hörner der Kuh zu entreißen: und es dem erst jetzt seinen Verlust wahrnehmenden erstaunten Eigentümer wieder zurückzugeben. Bei näherer Prüfung der Sache stellte sich heraus, daß die Kuh an der Wirtschaft hinter dem an die Wand gelehnten Fahrrad einiges Grün entdeckte und beim Fressen mit dem Kopf durch den Rahmen des Fahrrads geschlüpft war, sich nicht mehr aus der Schlinge ziehen konnte und so kurzerhand, mit dem Rad um den Hals weiterging.
Konstanz, 28. Sept. Der Friseurmeister Wilhelm Honsel von der Insel Reichenau, der wogen eines Herzleidens im Krankenhaus Aufnahme gefunden hatte, ist in der Nacht auf letzten Mittwoch dort entwichen und hat wahrscheinlich in einem Anfall von Schwermut den Tod in den Wellen gesucht. Man fand die Oberkleider und den Hut am Ufer des Sees bei der fog. Schopflenstraße, und die weiteren Nachforschungen ergaben, daß Honsel ungefähr acht Meter in das Wasser gelaufen, dort niedergekniet und ertrunken ist. — In der Nacht zum Samstag brach in Konstanz gegen 3 Uhr in der Kartonnagefabrik von F. Mayer ein Brand aus, der in kurzer Zeit zwei Lagerschuppen einäscherte. Die Fabrikationsräume konnten gerettet werden, haben aber unter den Wassermassen so schwer gelitten, daß die Fabrikation für längere Zeit eingeschränkt werden muß. Die Entstehungsursache konnte bis jetzt nicht festgestellt werden.
Singen, 28. Sept. Der Gemeinderat hat in feiner letzten Sitzung beschlossen, das ganze Anwesen zum „Gambrinus", Vordergobäude und Saalbau zum Presse von 15 000 Mark zu verkaufen. Der Erlös soll zum Ausbau der Scheffelhalle dienen.
Aus Baden, 28. Sept. Ein Metzger aus der Nachbarschaft von Löffingen band, da die Schranken am Bahnübergang geschlossen war, eine Ziege, die er im Ort gekauft hatte, am Schrankenholmen fest, um die Zeit bis zur Vorüberfahrt des Zuges in der benachbarten Wirtschaft abzuwarten. Da die Schranke nach Ausfahrt des Zuges von der Station aus bedient wurde, ist das Tier vom Schrankenbaum mit in die Höhe gezogen worden und hing nun strampelnd am ungewollten Galgen. Der Metzgermeister war nicht wenig überrascht, als er zurückkommend das Tier so vorfand und es aus seiner üblen Lage befreien mußte.
Radolfzell, 28. Sept. Die Diebe, die im Spätjähr 1923 in der Villa Haufchildt, dem früheren Scheffelbesitz, mehrmals eingebrochen und Gegenstände im Wert von über 10 000 Mark entwendet haben, konnten erst jetzt ermittelt werden. Die Villa war damals unbewohnt. Ein fünf Zentner schwerer Kassenschrank, der auch mitgenommen wurde, führte zur Ermittlung der Täter. Am Freitag wurden in dieser Angelegenheit drei Personen verhaftet, darunter eine unter dem Spitznamen „Jurist" sehr bekannte Persönlichkeit aus Moos.
Heidelberg, 26. Sept. Nach dem endgültigen Ergebnis der Volkszählung vom 16. Juni hat Heidelberg 73000 Einwohner.' Von der ortsanwesenden Bevölkerung entfallen 16,72 Prozent Prozent auf das männliche und 53,28 Prozent auf das weibliche Geschlecht. Im Durchschnitt kommen in Heidelberg auf 100 Männer 111 Frauen.
Vermischtes
Außer Berfoljgung gesetzt. Studienrat Dr. Vezin in He- chingen, gegen den eine gerichtliche Untersuchung wogen Urkundenfälschung zur Wahlzeit und wegen Störung des Gottesdienstes in der Hechinger Stiftskirche schwebte, ist, im elfteren Falle infolge des kürzlich ergangenen Amnestieerlasses für Politische Vergehen, außer Verfolgung gesetzt worden; auch der zweite Fall wurde niedergeschlagen.
Ein Pechbqgel. Vor einiger Zeit wurde einem Handelsmann von Gundelfingen das Fahrrad gestohlen. Der Täter wurde gefaßt und hatte sich vor dem Schöffengericht zu verantworten, wozu auch der Bestohlene als Zeuge geladen war. Als dieser nach der Verhandlung in den Vorraum trat, bemerkte er zu seinem Schreck, daß sein neues Fahrrad, das er dort hinterstellt hatte, ebenfalls gestohlen war.
Diebstahl. Einem Hanauer Juwelier wurde in einem Hotel in der Friedrichstadt in Berlin ein brauner Lederkoffer gestohlen, in dem sich Juwelen im Werte von 30 000 Mark befanden. Der Juwelier kam vor einigen Tagen mit einer Kollektion von Ringen, Uhren, Broschen und Anhängern nach Berlin. Während seiner Abwesenheit vom Hotel gab er den Koffer bei der
WWW»»»»»»»!»» > >
den früheren herzlichen Ton auf einen rein geschäftlichen gestimmt hatte. Das tat arg weh! Dennoch mußte sie den Kopf oben behalten, mußte der ganz fassungslosen Mutter Stütze sein, die Schreckliches sann und aussprach. In bangen schweren Nächten rang sie mit der Mutter, bot alle Ueber- redungskünste auf — sie erinnerte sie an die Kinder — „was sollen denn der Toni und die Marthel ohne dich tun? — Und der Vater, wenn er wiederkommt? Was soll aus dem werden? Doppelt gut müßte man doch zu ihm sein —"
Damit hatte sie das Richtige getroffen! Die Mutter raffte sich auf — nein, sie durfte die Ihren nicht feige im Stich lassen; sie mußte bleiben! — Es hieß Brot für die Kinder schaffen. Eine müßige Stunde vertrug ihr Leben jetzt erst recht nicht mehr. Von früh bis spät abends mußte gearbeitet werden. Der Ausfall von des Vaters Verdienst war bitter zu spüren. Getreulich steuerte Theres von ihrem Gehalt mit bei.-
Da wurde heftig an die Tür geschlagen und Theres hörte laut weinende Kinderstimmen.
Mit leisem Seufzer unterbrach sie wiederum ihre Arbeit — was hatten die kleinen Geschwister? Und dann kam es heraus — unter vielem Schluchzen und Tränen; die Hausmeisterskinder hätten anfangs ganz nett mit ihnen gespielt, bis der Huber Sepp gekommen sei; der habe sie fortgestoßen und gesagt, sie gehörten nicht hierher, mit ihnen tät er nicht spielen, wo ihr Vater doch im Gefängnis säße und ein Dieb sei-
Theres war ganz blaß geworden, wie in körperlichem Schmerz zogen sich ihre Augenbraunen zusammen, und Tränen des Zornes füllten ihre Augen. Was war wohl schlimmer als Kindergrausamkeil? Bis jetzt hatte man den beiden Kleinen noch verheimlichen können, wo eigentlich der Vater war! Er war verreist, hatte man gesagt, und damit waren die Kinder zufrieden gewesen in der Aussicht, daß er ihnen etwas „recht Schönes" mitbringen würde!
Und nun diese schmerzliche Enttäuschung! Dieb -I Gefängnis! Für Kinder über alle Matzen schreckliche Begriffs! Sie hatte alle Mühe, die Kleinen nur einigermaßen zu beruhigen, während die Mutter verzweifelt jammerte.
Da klingelte es. Durch das Guckloch der Tür sah Theres
Hotelbesitzerin ab. Die Frau hatte den Koffer in ihrem Privatzimmer aufbewahrt. Aus diesem Zimmer ist nun der Koffer im Laufe des Donnerstagabend oder in der Nacht zum Freitag entwendet worden.
Ein gutes Examen. Der 18 Jahre alte Zögling W. Zeitlin der Taubstummenanstalt Weißensee hat sein Abiturienten-Exa- men mit dem Prädikat „Außerordentlich gut" als erster und bisher einziger Taubstummer Deutschlands bestanden.
Der „Heiland von Tirol" verurteilt. Aus Innsbruck schreibt man: Der Kurpfuscher Hans Göhrer, der behauptete, ein Magnetopat zu sein und durch Händeauflegen Heilungen vornehmen zu können, wurde nun vom Gericht wegen Kurpfuscherei zu zehn Tagen Arrests verurteilt. Durch einige gelungene Kuren hatte man ihm, insbesondere wegen der einfachen Heilungsart, in Kreisen von Gläubigen den Namen „Der Tiroler Heiland" beigelegt. Göhrer hatte sich bereit erklärt, vor einer fachmännischen Kommission Heilerfolge und auch seine Methode zu zeigen. Diesem Vorschlag kam das Gericht nach, der Vorstand der medizinischen Klinik, Prof. Steurer in Innsbruck, hat aber in seinem Gutachten über Göhrer ausgedrückt, der „Wunderdoktor" habe in fast allen Diagnosen weit fehlgegriffen. Göhrer hinwieder behauptete, die Kommission habe ihn beeinflußt und konfus gemacht, also wurde er vom Gericht als Kurpfuscher erkannt und verurteilt, aber man hat ihm auch mildernde Umstände zuerkannt, und zwar unter anderen, daß er laut Zeugenaussagen auch wirklich auf Erfolge Hinweisen konnte.
Mit der Schlachtmaske getötet. Ein Schlächtermeister in einer kleinen schwedischen Stadt hatte die Schlachtmaske, die zum Betäuben des Schlachtviehs dient, einen Augenblick beiseite gelegt. Sein fünfjähriger Sohn nahm die Maske, setzte sie im Spiel dem dreijährigen Brüderchen auf den Kopf und schlug auf den Zündstist. Der Schuß ging los und tötete den Kleinen auf der Stelle.
Elegante Räuber. Ein unangenehmes Abenteuer hatte kürzlich ein Ehepaar, als es nach dem Theater sein Zimmer in einem Newhorker Hotel aufsuchte. Kaum war die Tür ins Schloß gefallen, so trat ein eleganter Herr in Frack und Lach der sich hinter einer Portiere verborgen hatte, vor die beiden hin, verbeugte sich höflich und sagte in verbindlichem Tone: „Entschuldigen Sie bitte, wenn ich zu so später Stunde störe, aber ich brauche dringend einige Kleinigkteien, die sich in ihrem Besitz befinden!" Dabei spielte er in nicht mißznverstehender Weise mit einem kleinen Browning, und um die Lage noch Peinlicher zu gestalten, tauchten zwei weitere Gentlemen von nicht geringerer Eleganz auf, die gleichfalls jeder an einem niedlichen Piftölchen herumfingerten. An Widerstand war unter diesen Umständen nicht zu denken. Die „Kleinigkeiten", auf die sie es abgesehen hatten, waren natürlich die Wert- und Schmucksachen, die das Ehepaar bei sich hatte. Sobald sie ihnen ausgehändigt waren, ergriff der Sprecher wieder das Wort und sagte: „Ich bin Ihnen sehr verbunden, daß Sie uns gestattet haben, die Sache auf so kavaliermäßige Weise zu ordnen. Aber ich kann es leider nicht darauf ankommen lassen, daß Sie sich unseres Besuches allzu bald rühmen. Ich muß Sie daher noch einer kleinen Operation unterziehen, die Ihnen aber bestimmt gut bekommen wird. Die Operation war eine nach allen Regeln der Kunst ausgeführte Chloroformierung, die bewirkte, daß das ausgeräuberte Ehepaar erst gegen Mittag des nächsten Tages das Bewußtsein wiedererlangte. Bon den stechen Räubern fehlt jede Spur. Beim Betreten des Hotels hatte sie niemand gesehen. Als sie es verließen, benutzten sie feelerr- ruhig die Hintertreppe und taten so, als ob sie von einer Tanzunterhaltung! aus einem der Gesellschaftsfäle kämen. Der Pförtner faßte umso weniger Verdacht, als er sah, wie die drei eleganten Herren ein nicht minder elegantes Privatauto. bestiegen, das vor dem Hotelportal auf sie gewartet hatte.
Aufttzgende Jagd. Die Fahrgäste eines Ueberseedampfers, der Ende voriger Woche in den Hafen von Newhork einlief, waren Zeugen eines aufregenden Schauspiels. Ein Jagdboot der Küstenwache verfolgte ein Rennboot, das offenbar Alkohol an Bord hatte. Das Schmuggelschiff war dem Jagdboot an Schnelligkeit überlegen. Außerdem schien es kugelsicher zu fein, denn alle Salven, die die Maschinengewehre des Jagdbootes abfeuerten, prallten an dem Schiffe ab. Das Schmuggelschiff nahm während der zweistündigen Jagd zweimal den Weg um die Freiheitsstatue und war gerade darauf und daran, das Weite zu gewinnen, als seine Maschine den Dienst versagte. Das Polizeiboot war nunmehr rasch zur Stelle und beschlagnahmte eine Ehampagnerladung im Wert von einigen Hunderttausend Mark. Wie sich nun herausstellte, war das Schmuggel- schifs gepanzert. Die Kommandobrücke des Kapitäns war mit kugelsicheren Platten umgeben, die eine große Zahl von Kugelspuren aufwiesen. Der Kapitän und die Bemannung waren unverletzt geblieben.
eine junge Dame mit einem kleinen Paket stehen. Sie öffnete und fragte nach dem Begehr.
„Ich komme auf Empfehlung von Fräulein Hanna Likowski und möchte Frau Obermeier sprechen!" sagte die Dame und trat auf Thereses Aufforderung ins Zimmer.
Frau Obermeier, deren Gesicht und Augen deutlich zeigten, daß sie geweint hatte, trat ein, die Dame schüchtern begrüßend.
„Fräulein Hanna Likowski ist eine gute Freundin zu mir, die mich an Sie empfahl, da Sie Hemdblusen gut arbeiten" — die Dame wickelte aus dem Papier einen zart- farbenen, schmal gestreiften Flanell, „kann ich darauf rechnen, daß ich diese Bluse bald bekomme? Ich brauche sie nötig. Ünd Sonntag nachmittag, dachte ich mir, sind Sie am sichersten im Hause anzutreffen."
Frau Obermeier verstand; sie konnte ihren Tränen nicht länger gebieten; sie schluchzte laut auf.
„Mutter —" mahnte Theres leise.
„Ja, ich schäm mich ja selber! Doch weil Fräulein Hannerl so arg gut ist-! Ich weiß, wie sie es meint —"
Die junge Dame griff nach der verarbeiteten Hand.
«Ja, es gibt wohl keinen, der so gut ist wie die Freundin, die mich an Sie empfahl, Grüße für sie aufzutragen und gesagt, Sie sollten nicht verzagen! Auf schlimme Tage folgen auch wieder gute! Und wenn etwas ist. so sollen Sie nur getrost zu Fräulein Hanna kommen!"
„Dös kann ich ja net, da mir die Frau Kommerzienrat ja das Haus verboten hat, weil — weil —" schluchzte sie von neuem, „ich Hab' so viel Kundschaft verloren! Die Frau Kommerzienrat denkt halt gar so streng und — ich bin doch wahrhaftig unschuldig — und schlecht ist mein Mann a net
— er ist nur in schlechte Gesellschaft gekommen, weil er so
viel gutmütig ist — und da hat er nachher selber net gewußt." -Hier schlug ihr Ewendoline auf die Schulter.
— „Regen Sie sich nicht auf! Ich weiß alles! Und wenn Sie nicht zur Frau Kommerzienrat gehen wollen, so kommen Sie zu mir — hier meine Adresse: Ewendoline von Reinhardt —! Morgen wird ein Paket für Sie hier abgegeben; nehmen Sie es an; es ist von Fräulein Hanna --
(Fortsetzung folgt.) .