Amts- und ArrzeigMM für den Bezirk Halw
80. Jahrgang
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Samstag, -en 2. September 1905.
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Sum 2. September W03.
Vom Berghang grüßt das Heidekraut Und schmückt die kahlen Felsenwände; Verklungen ist der Sensen Laut,
Des Sommers Wonnen geh'n zu Ende:
Da steigt ein Tag zum Lichte ans.
Den deutsche Herzen heilig halten,
Weil er nach trüber Zeiten Lauf Ein neues Deutschland half gestalten l
Doch drang hinaus kein Jubelschall,
Kein lautes Feiern mehr seit Jahren;
Es schwieg das Lied vom Donnerhall,
Um treu den Frieden rings zu wahren,
Bis plötzlich fern am Horizont Aufzuckte jäh ein Wetterleuchten,
Und in das Land, lenzübersonnt,
Gewölk aufzog, das lang wir scheuchten.
An einem seid'nen Faden hing Das scharfe Schwert aus Eris Schmiede, Und auf des Messers Schneide ging Wie anno siebzig bang der Friede.
Rot glomm im Korn des Mohnes Glut Wie einst, als sie die Trommeln rührten: Da traf ein kalter Strahl gar gut Den schlimmen Brand und die ihn schürten I
Gottlob, die Flammen sind verkokst;
Still in die Scheide fiel der Degen;
Kein blutig Ringen hat bedroht.
Kein Hufgestampf der Fluren Segen;
Kein Kriegsmarsch gellt; zum Walzertakt Darf froh der Bursch sein Mädel schwenken. Doch für den Tag von Sedan packt Uns mächt'ger diesmal ein Gedenken!
Denn trotz der Jahre langer Flucht Lebt der Respekt vor Sedans Recken,
Warnt jenes Tages schwere Wucht,
Den Zorn Alldeutschlands neu zu wecken! Pflückt ihnen drum ein frisches Reis,
Die kühn bei Sedan sich geschlagen,
Und als deS Kampfes schönsten Preis Den Frieden uns'rer Tage tragen!
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Altensteig, 3l. Aug. Die 63 Jahre alte Inhaberin der Bierbrauerei und des Gasthauses zu den „Drei Königen", Sara Luz, fiel gestern abend 9'/, Uhr, als sie die Treppe hinaufging, rücklings herab und erlitt einen Schädelbruch, infolgedessen sie nach kurzer Zeit starb, ohne zum Bewußtsein gekommen zu sein. Die Tochter fand ste blutüberströmt im Korridor des Hauses liegen. Vor 4 Jahren kam der Mann der Frau Luz jählings nms Leben, indem er von jungen Burschen beim Abwehren von Streitigkeiten in seiner Wirtschaft durch Schläge auf den Kopf so schwer verletzt wurde, daß er nach kurzer Zeit verschied.
Enzklö sterle, 29. Aug. Heute verließ uns der als Dekan nach Knittliugen ernannte Pfarrer Miller, der 16 Jahre lang in hiesiger Gemeinde segensreich wirkte. Die von der Gemeinde veranstaltete Abschiedsfeier im Gasthaus zum „Waldhorn", an der sich auch die hier weilenden Luftkurgäste beteiligten, gab Zeugnis von der Beliebtheit des Scheidenden.
Stuttgart, 31. Aug. Die wiederholt vorgekommenen ThphuSerkrankungen, die auch schon mehrfach tötlich geendet haben, rufen in
der Einwohnerschaft eine begreifliche Erregung hervor. Ihren Ursprung scheint die Typhusseuche in dem CafS Marsche! an der oberen Königsstraße genommen zu haben. Das Haus wurde im Jahre 1889 durch die rühmlich bekannten Architekten Etsenlohr und Weigle neu gebaut. Die Baufläche war äußerst klein und mußte, um den Betrieb eines Cafös zu ermöglichen, aufs äußerste ausgenützt werden. Aber die Lösung dieser schwierigen Aufgabe scheint durchaus nicht gelungen zu sein. Ein großer Mißstand liegt vor allem darin, daß weder in der Post- noch in der oberen KöntgSstraße ein Kanal vorhanden war, der eine richtige Entwässerung der Arbeitsräume möglich machen würde. Ein solche Entwässerung ist aber in einer Konditorei absolut notwendig, weil darin täglich viele Zentner Roheis verarbeitet werden müssen. Nun mußte in dem betreffenden Haus ein seit Urzeiten vorhandener Brunnenschacht als Senkloch benützt werden. Stuttgart aber steht bekanntlich auf einem Boden, der in einer gewissen Tiefe kein Wasser mehr durchläßt. Das Eenkloch war mit Schlamm und Wasser gefüllt und dieser Inhalt mußte seitwärts answeichev; der ganze umliegende Boden einschließlich des Fundaments des Hauses ist deshalb mit gärender Feuchtigkeit geschwängert. Die Abortgrube wurde aus Asphaltsteinen hergestellt, aber ganz in die Nähe der Abortgrube mußte der Backofen gesetzt werden, dessen ausstrahlende Wärme die Asphaltsteine erweichte und den Grubeninhalt erwärmte. Durch Aufstellung von elektrischen Pumpen versuchte man nun den Inhalt der Senkgrube auf die Straße zu befördern. Zwei Putzfrauen waren ständig beschäftigt, nm für die Reinlichkeit der Arbeitslokale zu sorgen, aber all diese Arbeit mußte naturgemäß unzulänglich bleiben, weil eben ein Anschlnßkanal stylte. Glücklicherweise find derartige Verhältnisse in Stuttgart doch sehr selten, und es wäre eine Ungerechtigkeit, wenn man das ganze Nahrungsmittelgewerbe der Unreinlichkett beschuldigen wollte, wie das geschehen ist. Die städtischen Baubehörden tragen offenbar die Verantwortung für die Zustände im Mmschel- schen Hause. Warum — so möchte man fragen — haben die Stadtbehörden, die doch sonst überall ein Kanalsystem eingerichtet haben, bis jetzt für die verkehrsreiche obere Königstraße keinen Kanal vorgesehen? Warum hat die Baubehörde und die Baukontrolle solche Einrichtungen schon beim Hausbau geduldet? Müssen zuerst förmliche Typhusherde entstehen, bis man endlich gründliche Abhilfe schafft? Man durfte während der heißen Tage dieses Sommers an manchen Häusern nicht Vorbeigehen, geschweige denn manche Häuser betreten, ohne einem entsetzlichen Gestank ansgesctzt zu sein. Die dringendste Aufgabe der Stadt Stuttgart ist es deshalb, hier Wandel zu schaffen und, koste es, was es wolle, überall Klosetspülung einznrichten und dementsprechend aber auch die Kanalisation überall und lückenlos auszuführen. Ein Zustand, wobei man die Abwasser der Küche oder irgend eines Geschäfts erst in Kübeln auf Leitern hinanftragen und in eine offene Röhre schütten muß, damit das Wasser wenigstens auf die Straße gelange, ist unhaltbar. Die Stadtverwaltung möge schleunigst nach der Sache sehen und nicht erst lange Kommissionen zur Untersuchung solcher Fälle einsetzen, die auch vom Laien, der von derartigen Dingen Kenntnis bekommt, ohne weiteres erkannt werden.
Stuttgart, 31. Aug. Kartoffelgrobmarkt auf dem Leonhardsplatz. Zufuhr 600 Ztr. Preis 2.20—3.30 per Ztr. — Krautmarkt aus dem Charlottenplatz. Zufuhr 2000 St. Preis 18—22 ^ pro 100 St. — M ostobstmarkt
auf dem Wilhelmsplatz. Zufuhr etwa 150 Ztr. Preis 5.50-6 pro Ztr.
Dillweißenstein, 30. Aug. Gestern Mittag ereignete sich hier ein bedauerlicher UnglückSfall. Das 2'/-jährige Söhnchen des PspierarbeiterS PH. Rentschler stürzte vom Schaufenster des Bäckermeisters Knans in die dort angebrachten eisernen Staketen. Tätlich verletzt wurde das Kind vom Platze getragen. An seinem Auskommen wird gezweifelt.
Straßberg (Hohenzollern), 30. Aug. Der Mörder der Anna Hartmann, ihr Geliebter Fridolin Gern, der sich nicht, wie der „Alb- bote" meldete, erschossen hat, kam vorgestern Abend nach 6 Uhr auf der Ebingerstraße in den Ort hereinmarschiert und kehrte im „Schloß" ein, das heißt er fuchtelte unter der Türe mit dem Revolver herum. Dann ging er, wie der „Neue Albbote" berichtet, den Bahrchosweg entlang nach dem Bahndamm, zu Rad verfolgt vom Schloßwirt und bissen Schwager, die aber zunächst nichts weiter ausrichten konnten, da ihnen Gern den Revolver entgegenhielt. Mittlerweile kamen 6 weitere Männer dazu, die den dem Walde znstrebenden Burschen umringten. Ein beherzter Schmied warf sich trotz der Drohungen des Mörders auf diesen und entwand ihm die Waffe, anscheinend gerade zur rechten Zeit, um eia weiteres Unglück zu verhüten. Gern wurde dann an den Bahnhof transportiert, um mit dem Arbeiterzug nach Sigmaringen befördert und an die Gendarmerie ausgeliefert zu werden. Auf dem Bahnhof sammelte sich natürlich eine große Menschenmenge an, die eine drohende Haltung annahm. Das veranlaßte Gern gegenüber einem entrüsteten alten Manne zu der Aeußerung: „Wart, Alter, ich komm' wieder!" Auch soll er geäußert haben: „Wenn mir mein Leben nicht lieber wäre, als der Anna das ih stge, dann hätte ich mich auch gleich erschossen!"
Straßberg (Hohenz), 31. Aug. Vorgestern war dem „N. Albboten" zufolge die Staatsanwaltschaft hier, um in der Mordaffaire Gern Erhebungen zu veranstalten; auch fand vorgestern die gerichtliche Sektion der Leiche der ermordeten Anna Hartmann statt. Eine Kugel hatte das Herz durchbohrt, die andere das Gehirn. lieber die Vorgischichte und den Verlauf der schrecklichen Tat entnehmen wir dem gen. Blatt noch weiter, daß Gern mit der Hartmann vor mehreren Jahren einen Alimentenprozeß hatte, den er aber verlor. Gern scheint die Heirat mit Anna Hartmann, die auf seine Veranlassung für die allernächste Zeit vereinbart war, im Grund als Last empfunden zu haben. Trotz der gerichtlichen Ergebnisse hegte er Zweifel, daß er der Vater des 4—5 Jahre alten Kindes der Hartmann sei. Und schon wiederholt soll er geäußert habe», daß man noch Btldertafeln herumtragen und Traktätlein verkaufen werde mit der Ueberschrift: „Fridolin Gern als Doppelmörder." Am Abend der Tat verließ Gern um 11 Uhr die Wirtschaft z. „Adler", wobei einer der Gäste sagte: „Dir muß man ja bald auf die Hochzeit, Fridolin!" Dieser antwortete: „Zuerst komme ich noch ins Zuchthaus!" Der Bruder der ermordeten Hartmann hörte wie Gern unterwegs einen Schuß abgab, und eilte aus Furcht einen andern Weg nach Hause. Gern war unterdessen am Hartmann'schen HauS angelangt und rief der Anna, er müsse ihr etwas sagen wegen der Hochzeit und warum er heute mittag nicht gekommen sei. AIS der Bruder an dem Paar vorbeikam und sich in die Kammer begab, hielt Gern seine Braut umschlungen. Der junge Hart-