Hmwta, KeUagc !» Mr. 180. IS. Auzuft 1905.
Die schwarze Dame. -
Roman von Hans Wachenhusen.
(Fortsetzung.)
Afta bot alles auf, um den ganzen Zauber ihrer Anmut, ihrer Laune ja ihres UebermuteS auf ihn auszugießen, sprach einmal wie ein ausgelassenes Kind, dann wieder durchlief sie das ganze Register spontaner Stimmung, versank in träumerischen Ernst, und in solchen Momenten haftete ihr schönes, großes Auge mit der Frage auf ihm: „Du, in dem ich mein Alles suchte und gefunden zu haben glaubte, kannst Du lieben, wie eine Afra es verlangt?"
Und auch er, als er dies eben noch so frohe Auge sich trüben sah, er suchte zu bekämpfen, was sein Gefühl verbot, sich ihr schrankenlos hinzugeben; was seine Empfindung ihm nicht diktierte, das sprach aus ihm die Galanterie. Er sagte ihr Worte, die herzlich klangen, mit dem einschmeichelnden Tone, der seiner Stimme eigen, er plauderte mit ihr und bot seine UnterhaltungSgabe auf. Aber Afra, die ihm mit der Aufmerksamkeit des Herzens lauschte, empfand endlich doch, daß aller dies nicht an das letztere gerichtet war.
„Graf Sesto," sagte sie melancholisch, das Warum in seinen Augen suchend, „ich weiß, man nennt Sie kalt und gefühllos gegen die Frauen; ich begreife wohl, eS ist eine der gefahrvollsten Kaprizen eines weiblichen Herzens, nicht nach altem Herkommen die Initiativ« von Seiten des Mannes zu erwarten, aber ich verstehe ja leider nicht zu sein, wie die Anderen. Ich glaube mich fähig, gehorsam, ein artiges Kind zu sein, wenn ich geliebt werde, aber gerade das blieb mir ja seit meiner Kindheit versagt. Was es nun ist, das mich gerade an Sie fesselt, mich so unvorsichtig, ja töricht macht, das frage ich mich stündlich; ich finde auch die Antwort nur in meiner eigenwilligen, mir selbst ungehorsamen Natur; aber daß diese sonst ohne Eigensucht ist, mögen Ihnen die Umstände erklären, unter welchen diese Neigung entstand."
Sie unterbrach sich, als überlege sie, ob eS klug sei, zu sprechen, was sich ihr auf die Zunge drängte, aber ihr Herz kannte keine Klugheit.
„Als ich Sie zum ersten Male sah, damals in Bergen, hatte mich eben Fürst Valonia verlassen, einer der bekanntesten römischen Nobili, der das unheilbare Siechtum Rothrnhelm'S zu seinen Gunsten aurzubeuten bemüht war. Er hatte geschworen, ich müsse sein werden, sobald ich frei wäre. Er, der im Albaner Gebirge eine der schönsten Villen besaß, suchte mich auf allen meinen Wegen, ich aber empfand nichts für diesen Mann, den erklärten Lieblmg der römischen Frauen; ich duldete seine Huldigungen aus Langeweile. Da führte Ihr Weg Sie an mir vorüber. Sie sahm mich nicht, aber vom nächsten Morgen an suchte mich Valonia vergebens auf meiner Promenade.
„Ein Jahr verstrich," fuhr sie nach kurzem Schweigen fort, „ein Jahr . . könnt' ich eS anSstreichen au« meinem Leben, aus meiner Erinnerung! . . Ich war frei geworden, aber diese Freiheit war mir eine Qual. Ich irrte friedlos umher, nirgends Genüge findend. Ich ward eine GlückSsucherin der eigensinnigsten Natur ... Ja, eS ist wohl eine unglückselige Natur, die «einige! ES trieb mich nach Rom zurück und immer wieder dahin! ..."
Dagobert wechselte bei ihren letzten Worten die Farbe. Afca sah es und hielt betroffen inne; sein gezwungenes Lächeln aber beruhigte sie. Trotzdem trat bei Beiden doch einige Verstimmung ein, die sie nicht zu bemeistern vermochten. Afra reichte ihm endlich die kleine, zarte Hand über den Tisch.
„Bin ich eine Törin, so haben Sie Mitleid mit mir," sagte sie trübe lächelnd. „Und Sie werden es mit mir haben, wenn ich Ihnen noch Eins bekenne: Jenes Albergo im Albaner Gebirge, von dem ich mit Ihnen sprach, ich habe es als Eigentum erworben, seit Valonia seine fruchtlosen Bewerbungen etnstellte. Dort in der Einsamkeit verweilte ich Monde lang, zur Verzweiflung meiner Dienerin; von dort aus machte ich meine Ausflüge nach Rom, ungesehen unbeachtet, aber das schöne Besitztum steht verlassen, seit ich Sie in Neapel traf..."
„Sie sehen, wessen ein törichtes Herz fähig ist," schloß sie, beunruhigt durch das Erscheinen anderer Gäste im Garten. Resigniert schaute sie zum Himmel auf. „Die Sonne wird bald ihre Höhe erreichen; lassen Sie uns aufbrechen!"
St e erhob sich, den Schleier über ihr Antlitz legend, als wollte sie von den Fremden nicht bemerkt werden, in der Wirklichkeit aber nur, um Dagobert nicht zum Zeugen ihrer Stimmung zu machen. „Was ich Ihnen bekannte, Graf Sesto, wird mir wenigstens einen aufrichtigen Freund gewonnen haben ... Nicht wahr — Sie find es?"
Dagobert suchte ihre Hand, um sie zurückzuhalten. Er wollte sprechen. Sie wandte sich hastig, wie beschämt über sich selbst, und schritt hoch bewegt zum Ausgang des Gartens.
„Wollen Sie nach dem Theater, da- ich zu besuchen gedenk-, ein Stündchen bei einer Einsamen verplaudern, Sie werden willkommen sein ... als Freund I" Sie betonte dal Wort, da« vom Schleier bedeckte Antlitz noch immerfort wendend.
»Graf Schönebrrg I" rief sie plötzlich erschreckend und auf eine Reitergruppr
blickend, die eben vor das HauS sprengte. „Kann man denn nirgends unbemerkt sein!" Eie nahm hastig Dagobert'- Arm und schritt auf die Pferde zu. „Mögen sie sehen wie gleichgültig sie mir sind!" rief sie unwillig, und ohne die Kavaliere zu beachten, schwang sie sich, von Dagobert unterstützt, in den Sattel und jagte davon.
Der Letztere war in der Tat in der peinlichsten Stimmung. Blenke! Blenke! rief e« immer wieder in ihm. Sie war also zu jener Zeit in Rom gewesen! Der Gedanke wich nicht von ihm. Auch in ihr ging «8 sichtbar stürmisch zu, denn schweigend, in wilder Hast galoppierte sie zur Stadt zurück.
Vor dem Gittertore ihrer Villa reichte sie ihm die Hand und Dagobert gewahrte durch den Schleier den herben Zug um ihren Mund. Er sah auch die stumme Anklage in den Augen, die sie jetzt zu ihm aufschlug — doch nur einen flüchtigen Moment. Sie kämpfte nieder, was ihr Herz so schwer gemacht; der Unmut über sich selbst gewann die Oberhand; ihr Frauenstolz empörte sich, fand aber einige Versöhnung, als sie in Dagobert's Miene eine so beredte Bitte um Verzeihung las.
Afra faßte sich schnell und streichelte scheinbar unbefangen den Hals ihre« Pferdes, ehe dasselbe fortgeführt ward; dann sich zu Dagobert wendend, lächelnd mit weit geöffneten Augen, in denen doch das verräterische Naß der Träne» die Lider zu überquellrn drohte, während der SchmerzenSzug sich tiefer um ihre Mundwinkel grub, bog sie die Gerte heftig in den Händen zusammen.
„Habe ich Ihnen den Vormittag recht schwer gemacht, Herr Graf, so verzeihen Sie!" sprach sie mit nervösem Zittern der Lippen, in erzwungener Heiterkeit. „Ganz Wien rechnet heute im Karl-Thea!er auf einen lachenden Abend ; entschädigen wir uns dort!"
Sie reichte ihm flüchtig die Hand, und ehe er diese festhalten und ihr beschwichtigende Worte sagen konnte, trat sie in den Garten.
„Du!" rief sie zusammenfahrend, denn Jane, die langsam die Terrasse herabgekommen, stand mit ihrem stumpfen, unfreundlichen Gesicht vor ihr und schaute sie wie eine Warnerin an.
Sie würdigte dieselbe keines weiteren Blickes und Jane folgte ihr schweigend in ihr Ankleidezimmer.
„Laß mich allein! Ich rufe dich!" herrschte sie die Dienerin an, als sie ihr Reitgewand von sich geworfen hatte. Sie hüllte sich in das Peignoir. Die Kühle des vor der Sonne abgeschlossenen Zimmers befiel sie, als sie allein war.
„Wie kalt!" rief sie fröstelnd, obgleich das Blut durch den scharfen Ritt doch so erhitzt war. Sie streckte sich auf da« Ruhebett und zog da« Peignoir fest über der Brust zusammen.
„Warum mußt' ich so töricht sein, ihm das alles zu sagen nur aus Furcht ihn zu verlieren! Schätzt denn der Mann, waS sich so wohlfeil ihm bietet? Und welch' ein verhängnisvoller Zug muß mich so unerbittlich gerade ihm in die Arme treiben, der mich nicht einmal zu begehren scheint! Um seine Freundschaft bat ich schließlich, ihm Frist gebend, er möge mich lieben lernen, immer nur aus der Besorgnis ... um ein Almosen! . . . Aber er wird kommen . . heute Abend, und tät er es nur aus .. . Artigkeit ... armseliger Notbehelf.. . Aber ich könnte nicht mehr ohne ihn sein! Eine Sklavin könnte ich ihm werden, zu seinen Füßen liegen — eine Närrin wie Jane spottet, wenn sie so kaltherzig fragt, was daraus werden solle! . . . Weiß ich's denn? Will ich'S denn
wissen? . . . Seit ich ihn wieder sah ist eine Gewalt über mich gekommen,
gegen die ich vergeblich ankämpfen würde."
Sie richtete, sich plötzlich in dem Ruhebett auf; bleich und vor sich hin starrend, krampfte ihre Hand sich über der Brust in das Peignoir.
„Aber eine andere Kraft ist mir gewachsen, nach der ich so lange vergeblich gesucht habe!" flüsterte sie vor sich hin. „Ich will Mittel finden, sie von mir zu entfernen, diese« häßliche Geschöpf! Sie ist eS die mir Unglück bringt; sie brachte «S mir immer! . . . Es ist nicht Aberglaube ohne sie werde ich freier und zufriedener sein. Ich will sie bitten in ihre Heimat zurückzukehren; sie spricht ja immer davon, wenn sie mich erzürnen will; sie weiß nicht ... und ich habe bisher noch nicht den Mut gefunden, eS ihr zu sagen . . ."
Während des letzten Wortes, das sie kaum hörbar, mit dem Kinn auf der
Brust, geflüstert hatte, vernahm sie ein Geräusch im Zimmer. Ei« wagte kaum aufzuschauen, denn sie ahnte, wer komme . . Jane stand ungerufen vor ihr.
Sie schloß die Augen vor dem so impertenten Gesicht der Dienerin, dar sie gewohnt war, wenn diese mit ihr unzufrieden.
„Was willst du?" herrschte sie die Lästige an.
Jane begegnete ihr mit brutalem Ernst.
„Der schöne Kavalier wird uns Unglück bringen," antwortete sie mit schwerer Zunge. „Ich sagt' eS schon damals in Neapel nach jenem Maskenball. Ich hab'S wieder aus dem Traum!"
„Geh, du hast wieder getrunken, während ich fort war!" Afra wandte mit Verachtung dar Antlitz ab.