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schäftigt. Nach Beendigung der Arbeiten werden die Weinberge von Kleinheppach ebenso bearbeitet werden. Oekonomierat Rindt und vr. Wacker leiten diese Arbeiten.

Jlsfeld, 14. Aug. Aus dem neuen Jlsfeld berichtet die Neckar-Ztg.: Zwei In­schriften auf der Dorfmauer beschreiben uns das Bild des abgebrannten und des wieder aufge­bauten Jlsfeld. Sie lauten:Am 4. Aug. 1904 brach mitten im Dorf Feuer aus, welches mehr als 300 Bauwesen, sowie Kirche, Ratdaus, Pfarrhaus und Schulen einäscherte und 700 Personen obdach­los machte. Feuerwehren aus allen Nachbarorten, auch Heilbronn, sowie Militär kämpften verzweifelt mit deS Feuers Macht. Unser König Wildelm II besuchte die Brandstätte und tröstete viele Unglück­liche. Der Schaden an Gebäuden betrug 700 000 an Mobiliar 550 000 Das Abräumen der Brand­stätte kostete 42 000 Oberamtmann Zimmer­mann berief den Hilfsverein, dem von nah und fern an Geld und unzähligen Liebesgaben 600000 ^ zuflossen. Für einen Teil der Abgebrannten wurden in 40 Eisenbahnwagen und für ihr Vieh in 4 Ba­racken Notquartiere beschafft. Der Wiederaufbau von Jlsfeld wurde vom Hilfrverein unter Oberamt­mann Zimmermann im Auftrag der K. Stoats- regierung durch Oberbourat Leibbravd und Inspektor Fritz geleitet, durch die Architekten Bihl und Woltz, Hennings und Schweitzer, Graf und Böckle von Stuttgart, Kappler und Beckmann, Beuttmger und Steiner, Dtetz von Heilbronu, 25 Bauführer, 10 Geometer, 250 Unternehmer und 1400 Arbeiter nach dem von der Gemeindevertretung unter Schultheiß Theurer genehmigten Plan vom September 1904 bis April 1905 ohne Unfall ausgeführt. Im Sommer 1905 werden Kirche, Rathaus und Schulhorts von Prof. Schmohl und Stähelin, Architekten in Stuttgart, erbaut. Gesamtbauaufwand 1900000-^L, wozu der Hilfsverein 600 000 und der Staat ein unverzinsliches Anlehen von 500 000 ^ reichten. Gott schütze Alt- und Neu-Jlsfeld!"

Göppingen, 14. Aug. Ueber den Absturz des hiesigen Postsekretärs Müller an der Leiter- spitze liegen jetzt die Berichte der beiden Teilnehmer der Tour, Pofisekretär Sigel-Ulm und Real­lehrer Dambach - Göppingen vor. Hiernach waren am 4. ds. früh die drei Touristen von der Hanauer- hütte oberhalb Vschlaps aufgebrochen; um 8 Uhr hatten sie das Vordergufeljoch erreicht, wo sich Post- sekretär Müller von seinen beiden Begleitern trennte, um über den Bittersce, ferner auf die Leiterspitze zu gelangen. Er hatte den richtigen Weg eingcschlagcn, allerdings allein und ohne Führer. Auch die übrigen beiden Touristen trennten sich bald darauf in der Absicht, sich später wieder zu vereinigen. Während Sigel und Dambach gegen Mittag in der Gegend der Memminger Hütte zusammentrafen, blieb Müller aus. Es verging Stunde um Stunde, ohne daß von Müller auch nur eine Spur zu bemerken war. Am Samstag in aller Frühe brach Postsekretär Sigel mit dem Hüttenwart Frei auf, um noch Müller zu suchen; nach fiebenstündtgem Absuchen der Leiter­spitzengegend kehrten sie ergebnislos nach der Mem- miuger Hütte zurück, wo Reallehrer Dambach die vorübergehenden Führer und Touristen von dem Abgang Müllers unterrichtete. In der Hütte wurde angenommen, daß Müller auf der andere» Seite der Leiiei spitze ins Tal nach Pians abgestiegen sei. Tort wollten sich die drei Touristen am Samstag,

den 5. ds., treffen. Die beiden Touristen begaben sich deshalb Samstag Nachmittag nach Pians, wo sie spät nachts eintrafen. Am nächsten Morgen er­fuhren sie, daß Müller dort nicht eingetroffen war; auch blieben olle telegraphischen und telephonischen Nachfragen, die nach dem Verbleib Müllers in der Umgebung angestellt wurden, ergebnislos. Es galt jetzt als feststehend, daß Müller verunglückt war. Pofisekretär Sigel reiste nunmehr nach Ellwangen ab, um die dort bei ihren Eltern weilende Gattin Müllers auf das Schreckliche vorzubereiten. Inzwischen wurde die Rettungsstelle Grins um Absendung einer Htlfs- expedition gebeten, die denn auch am Montag, den 7. ds., früh aufbrach; da das Suchen am Momag er­gebnislos verlief, wurden die Nachforschungen an der Leite; spitze auch am Dienstag noch fortgesetzt. An diesem Tage fand man die Leiche ans einem aus dem Massiv hervorspringenden Felsstück. Müller war während des Abstiegs auf Schiebegestein ge­raten, das ins Gleiten kam und ihn bergab riß. Im Falle stürzte er auf den hervorspringenden Felsblock, wodurch er sich einen schweren Becken­bruch, sowie einen Bruch des Brustbeins znzog. Erhebliche äußerliche Verletzungen waren an der Leiche nicht wahrzunehmen; die Brille lag, im Sturz abgeschleudert, unversehrt neben der Leiche. Der Kopf zeigte nur eine Schürfwunde. Auf Grund der gerichtsärzüichen Feststellung darf als »Mittel­bare Todesursache eine starke Verletzung des Herzens, die einen inneren Bluterguß zur Folge hatte, an­gesehen werden. Müller ist etwa 50 Meter tief abgestürzt. Die Leiche wurde nach Bach im Lechtal gebracht, wo auch am letzten Donnerstag die Be­erdigung stattsand. Diese erfolgte ohne geistliche Milwirkung, da der katholische Pfarrer des Ortes die Einsegnung der Leiche des protestantischen Müller nicht übernehmen zu können erklärte und ein prote­stantischer Geistlicher nicht in der Nähe war. Es durften infolgedessen auch innerhalb der Kirchhofs­mauern keine Ansprachen gehalten werden. Das Begräbnis fand unter Teilnahme zahlreicher Tou­risten, der Einwohnerschaft von Bach und einiger Freunde des Verstorbenen statt. Der Schwieger­vater des Verunglückten, Lehrer Schick von Ell- wongen, weihte dem Verstorbenen ein schlichtes Gebet; Reallehrer Dambach-Göppingsn widmete dem un­vergeßlichen Freunde und begeisterten Naturfreund eine gehaltvolle Trauervnsprache; Postasfistent Blum- Ulm überbrachle namens der AlprnvereinSsektion Ulm und der dortigen Kollegen des Verunglückten einen Kranz von Alpenblumen, den er mit einem warmen Nachruf an der Gruft niederlegte. Die Ansprachen mußten außerhalb des Friedhofs über die kleine Friedhofsmauer hinweg gehalten werden. Postsekretär Müller war, was hier noch angefügt werden mag, als tüchtiger Tourist bekannt; er hatte die Gegend von Pians und Bach auch schon früher wiederholt besucht. Ein unglücklicher Tritt, wie er eben im Bergsport immer wieder Vorkommen kann, hat den Tod dieses in der Vollkraft seines Lebens stehenden Mannes herbsigeführt.

Gingen a. Br., 13. Aug. Gestern abend fand imEinhorn" eine Vollversammlung des hies. Gewerbevereins statt, die sich in der Haupt­sache mit der von der Regierung geplanten Reform der gewerblichen Fortbildungsschule befaßt. Nach einem Referat des Vorsitzenden, Hutmachermeister Kuppinger, an das sich eine längere Debatte anschloß, wurden die vom hiesigen Gewerbeverein zum Ver­bandstag in Hsilbrorm zu entsendenden Vertreter

beauftragt, gegen die Reform zu stimmen. Der Beschluß wurde einstimmig gefaßt und die ablehnende Haltung damit begründet, daß durch den TageS- unterricht die Lehrlinge zu sehr der praktischen Ar­beit entzogen und in zweiter Linie die Interessen der Handwerksmeister darunter zu leiden hätten. Um den jungen Leuten einen besserenSchulsack" zu verschaffen, wurde eine zeitgemäße Reform des Volks­schulunterrichts oder der Schulbesuch bis zum 15. Jahr mit entsprechender Vorbereitung auf den Be­ruf im letzten Schuljahr verlangt.

Köln, 15. Aug. Wie Privatnachrichten aus Bialostok (Rußland) berichten, kamen dort am 12. ds. Mts. bedeutende Unruhen vor. Den ganzen Tag über wurde in den Straßen ge­schossen; auch Bomben wurden geworfen. Man zählte Dutzende von Toten und Verwundeten. Das Krankenhaus nahm 15 schwer verwundete Juden auf.

Berlin, 15. Aug. Ein Telegramm aus Portsmouth meldet: Der § 2, über den die russischen und japanischen Friedensunter­händler sich einigten, soll die Räumung der Mandschurei betreffen. Die Russen find'überzeugt, daß England dem Zustandekommen eines Friedens­schlusses entgegenarbeiret, weil der Krieg nach eng­lischer Auffassung Rußland noch nicht genug geschwächt habe und deshalb fortgesetzt werden müsse. Die bekannten New-Aorker Bankiers, Schiff, Strauß und Seeligmann, sind in Portsmouth eingetroffen, um über eine russische Anleihe zu verhandeln. Die Russen wollen, wie es heißt, statt eine Entschädigung zu zahlen, Sachalin um eine große Summe zurück- kaufen.

Warschau, 15. Aug. Als sich heute früh der in Diensten der geheimen potitischen Polizei stehende Realschullehrer Oborskt von seiner Wohnung noch dem Zentralbahnhofe begeben wollte, trat ein als Bettler verkleidetes Jndividium auf ihn zu und und sprach ihn um eine Gabe an. Als er seine Börse ziehen wollte, warf sich der Bettler auf den Ahnungslosen und brachte ihm mit einem versteckt gehaltenen Dolch 5 Stiche bei, deren einer lebens­gefährlich war. Der Attentäter entkam. Die Tat stellt fick als ein Racheakt dar, da durch die An­zeigen Oborskis in der letzten Woche 15 Realschüler wegen politischer Umtriebe verhaftet wurden.

Petersburg, 14. Aug. General Linje- witsch telegraphiert unter dem 13. August: Die Japaner, die am 11. August die Offensive gegen daS Defilö Jandilin ausgenommen hatten, wurden abends zurückgeworfen, ohne daß sie das Dcfilö er­reicht hätten. Gestern früh bemerkten wir ein er­neutes Vorgehen der Japaner längs der Mavdarineu- straße westlich davon und auch westlich der Eisenbahn. Die Japaner, die in den ersten beiden Richtungen vorgingen, erreichten das DefilS am südlichen Rande des Tales, wurden ober UM 11 Uhr vormittags zurückgeschlagen. Diejenigen, die westlich der Bahn vordrangcn, wurden schon gegen 10 Uhr vormittags zurückgetrieben und zogen sich, von Kosaken verfolgt, auf ihre Stellungen zurück.

Petersburg, 16. Aug. In Riga fand gestern eine große revolutionäre Demon­stration statt, die zu blutigen Zusammen­stößen zwischen Arbeitern und Truppen führte. Gelötet wurden 52 Arbeiter und 117 verwundet. Von den Truppen blieben ein Kosakerwfftzier und 7 Mann tot auf dem Platze.

Aber zu was dies noch einmal durchleben!" rief sie, plötzlich das Haupt erhebend.Die Sonne brennt! Dort hinten winkt uns der schöne schattige Wald, den ich so liebe!" Und ihr Pferd in Galopp setzend, stürmte sie fort auf der Chaussee, nahm lachend einen breiten Graden, kehrte über denselbm zurück und jagte vorwärts, wie getrieben von ihren Erinnerungen.

dem mir eine Erfrischung reichen zu lasten ich gewohnt bin; der Ort hat herrliche, schattige Plätzchen, ich lade Sie zu einem Imbiß ein!"

Ohne seine Antwort abzuwarten, setzte sie daS Pferd in Galopp und sprengte nach einigen Minuten in das Gehege des an der Lisisce der Waldung gelegenen ländlichen EiabliffimentS.

Mir ist immer, als hätte ich den Namen Sesto schon früher gehört oder gelesen," begann sie wieder, als da» Grün des Waldes sie aufnahm.Mich dünkt, ich fand ihn einmal in den Papieren Rothenhelm'S, in einem Briefe, meine ich ... ich erinnere mich aber kaum noch; eL hatte damals für mich ja kein Interesse."

Dagobert berührte die» eigentümlich, ohne daß er es sich selbst zu erklären

wußte.

Der Name ist italienischen Ursprungs, indes bekennt sich unsere Familie zum Deutschtum ... Sir kennen ja Italien? fragte er.

Ich liebe eS, weil ich Sie zum ersten Male dort sah, Graf Sesto," er­widerte sie.Jahre sind seitdem verstrichen, ich war glücklich in meinem Unglück; mag eS strafbar erscheinen, eS war mir eine stille Genugtung, mich im Tiefsten meiner Seele für daS zu entschädigen, was mir versagt worden. Liegt nicht in der Reue über «inen unbesonnenen Schritt schon Strafe genug und sollen wie geduldig auch die Unbill tragen» die uni dafür zugefügt wird? Ich dulde eine solche nicht; ich bin ein Kind dieser Welt, ich glaube nicht, daß eS eines WeibrS Bestimmung sei, nur zu leiden und ist eS dies«, ich unterwerfe mich ihr nicht .. Aber kommen Sie I" rief sie aus, dem Pferde einen leichten Schlag mit der Gerte gebend,dort hinten in der schönen Lichtung winkt mir daS trauliche Chalet, von

Man kennt mich hier!" lächelt« sie Dagobert zu, der mit Interesse ihr zugehört, als Wirt und Knecht ihr mit respektvollem Gruße entgegen eilten. Man ist sonst gewohnt, mir zum Satte! hinauf zu reichen, was ich begehre. Ich werde heut« meinen Ruf auf's Spiel setzen; aber alles für Sie, Graf Sesto!"

Auf ihren Wink brachte man einen der Gartenstühle und mit Dagobert überraschender Grwandhrit, stand sie bereits auf demselben, als er ihr di« Hand reichen wollt«.

Sie lächelte, diese abweisend, ließ sich aber vom Stuhl in seine Arme hinabgleiten.

Versteh' mich," flüsterte sie ihm schelmisch in'L Ohr.Man soll hier wissen, daß du mir mehr bist, als dis Kavaliere, mit denen man mich hier vor» überziehen gesehen."

Dieser Blenke bringt mich in Verzweiflung," dacht« Dagobert. Er nahm ihre Hand, legte ihren Arm in dm seinigen und sie lenkte ihn in die ihr be­kannten Laubgänge de» Gartens.

Mit wirklich bestrickender Koketterie spielt« sie hier in einer GaiSblattlaube die Wirtin; st« wollte keine Bedienung und kredenzte ihm ihren LirblingSwri».

(Fortsetzung folgt.)