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Beine überfahren, so daß er infolge der erhaltenen schweren Quetschungen in bedenklichem Zustande darniederliegt.

Alpirsbach, 28. Juli. Ein schwerer Unfall drohte am letzten Montag dem Zug 321, indem der Stationswärter kurz vor Ankunft des Zuges noch einen schwerbeladenen Langholzwagen passieren ließ. Dieser hatte das Geleise noch nicht ganz überfahren, als der Zug heranbrauste und den Langholzwagen umwarf. Der Zug konnte sofort zum Stehen gebracht werden. Ein nennenswerter Schaden ist nicht entstanden.

Reutlingen, 28. Juli. Die Heils­armee hat hier in 6 Jahren so festen Fuß gefaßt, daß ihr bisheriger Beisaal nicht mehr ousreicht. Sie baut sich daher gegenwärtig ein eigenes Haus mit einem großen Versammlungslokal, das in Bälde fertiggestellt sein wird.

Pfullingen, 28. Juli. Zwei hiesige Bür­ger wurden durch Rutschungen in einem Kiesbruch am Uesulaberg erheblich verletzt. An dem Auf­kommen eines derselben wird gezweifelt.

Heilbronn. 26. Jali. In dem Prozesse des früheren Oberbürgermeisters Hegel maier gegen die Stadtgemeinde wegen Nachzahlung rück­ständiger Gebühren und Zinsen aus dieser Summe, hat der Gemeinderat in nichtöffentlicher Sitzung vom 20. Juli beschlossen, sich bei dem Urteil des OberlandeSgerichts Stuttgart zu beruhigen und dos Rechtsmittel der Revision an das Reichsgericht nicht zu ergreifen. Die Stadtpflege hat bereits die Urteilssumme samt den dem Kläger zugesprochenen Zinsen, etwa 9000 an Oberbürgermeister Hegel­maier abgeführt.

Heilbronn, 28. Juli. Ein wegen Körper­verletzung und Widerstands festgenommener Schretner- geselle aus Hof ihn Bayern, sollte an das Kgl. Amtsgericht abgeliefert werden. Der Wachhabende zeigte dem Gefangenen vor Antritt des Transports seine Effekten vor, welche mit ihm übergeben werden sollten, worunter sich auch ein Messer befand. Mit einem Satz stürzte sich der Festgenommene auf seine Effekten, ergriff das Messer und ohne daß es ver­hindert werden konnte, brachte er sich zwei erhebliche Stiche auf der rechten Seite in den Hals bei. Einer scheint die Schlagader berührt zu haben. In großem Bogen spritzte das Blut hervor. Nachdem ein Not­verband angelegt war, wurde er dem Krankenhaus übergeben.

Ulm, 25. Juli. Ein wasserscheuer Soldat ist der Musketier Eugen Wucherer von der 9. Komp, des Jnf.-Regts. Nro. 124 in Weingarten. Beson­ders das Baden war ihm ein Greuel, und um vom Schwimmunterricht losznkommen, ließ er sich von einer Unbesonnenheit Hinreißen, die ihn unter der Anklage der verleumderischen Beleidigung eines Vorgesetzten vor das Kriegsgericht brachte. Am 9. Juli meldete er seinem Hauptmann, daß der als Schwimmlehrer tätige Unteroffizier Karl Wucherer (kein Verwandter) ihn am 4. Juli so nachlässig an der Leine gehalten habe, daß er mit dem Kopf

fortwährend unter Wasser gekommen sei und eine Menge Wasser geschlackt habe. Das habe ihm Mageuschmerzen und Seitenstechen verursacht. Das Standgericht leitete gegen den Unteroffizier Wucherer das Verfahren wegen vorschriftswidriger Behandlung ein, während desselben stellte es sich aber heraus, daß Musketier Wucherer am 4. Juli gar nicht beim Schwimmen gewesen war. Er gestand dann ein, daß er die Anschuldigung nur deshalb ersonnen habe, weil er gehofft habe, auf diese Weise vom Schwimmen, vor dem er stets Angst gehabt, ganz wegzukommen. Das Kriegsgericht erkannte auf falsche Anschuldigung und sprach eine Gefängnis­strafe von 2 Monaten 15 Tagen aus.

Waldshut, 26. Juli. Der in der Nacht vom 26. auf 27. Februar an der 16 Jahre alten Karoline Reinbold verübte Lustmord wird nun doch seine Sühne finden. Wie bereits bekannt gegeben, hat der vor einiger Zeit in Kempten wegen eines schweren Sittlichkeitsverbrechens verhaftete 32 Jahre alte Hansbursche Josef Brücke! aus Baden-Baden, der hierher transportiert wurde, ge­stern dem Untersuchungsrichter ein reumütiges Ge­ständnis abgelegt. Ec kam am Sonntag, den 26. Februar, nachmittags, von Obersäckingen hierher, besuchte mehrere Wirtschaften und wollte nachts gegen 1 Uhr im Bahnhofhotel übernachten. Da ihm der Zimwerpreis zu hoch war, ging er weiter und wollte den Etadtmufikboll im Kornhaus be­suchen, wurde daselbst aber von einem Türsteher zurückgewiescn. Brücke! ging dann über die Ueber- führungsb: ticke und traf dann einige Zeit nachher mit der vom Ball heimkehrenden Karoltne Reinbold zusamtncn. Ec unterhielt sich mit ihr und begleitete sie gegen ihre in der Schmitzingerstraße gelegene Wohnung. Vor der Einfahrt zum Zementplatz des Peter Schmidt hier hat er das Mädchen erwürgt, über den Zaun auf den Lagerplatz geschleppt und hier sein scheußliches Verbrechen vollendet.

Paris, 28. Juli. Aus Fez wird gemeldet: Der Mahkzen habe das Anerbieten deutscher Finanz­institute für ein Darlehen zu 2 Millionen zu nied­rigem Zinsfuß angenommen und bereits 2 Küsten­panzer in Deutschland bestellt, sowie auf Voranschlag Tattenbachs deutsche Ingenieure mit den Vorberei­tungen für die Hafenbanten in Larache und Satdia betraut.

Warschau, 28. Juli. Seit 3 Wochen streiken 4500 Arbeiter der hiesigen englischen Spinnerei. Um ihre Forderungen durchznsetzen, sperrten die Streikenden alle Zugänge zur Fabrik ab. Der Warschauer Gouverneur entsandte eine Infanterie-Abteilung, worauf die Arbeiter ihre Posten verließen, doch fordern sie andauernd die Annahme ihre Forderungen. Die Verwalter der Fabrik traten zu einer Beratung zusammen. Die Situation ist gefährlich. Etwa tausend Kanalisations-Arbeiter find im Ausstand. In Dombrowa mißhandelten die Arbeiter einer Hutfobrik den Direktor.

Petersburg, 28. Juli. DieNowoje Wremja" schreibt zu der jüngsten Kaiserbegeg­

nung: Wir glauben nicht zu irren, wenn wir den Charakter der Kaiserbegegnung in den Schären mit der Begegnung des Präsidenten Loubct mit König Eduard VII. auf dessen Rückreise aus Algier nach England vergleichen. Wenn sogar diese offizielle Begegnung und der Besuch des englischen Geschwa- ders in Brest die Festigkeit und den Bestand deS französisch-russischen Bündnisses nicht im geringsten erschüttert, so kann auch die Kaiserbegegnung das französisch-russische Bündnis in keiner Weise erschüt­tern. Die beginnenden Friedensverhandlungen zwi­schen Rußland und Japan find ein derartig großes Weltereignis, daß eine Bestätigung der freundschaft­lichen Beziehungen zwischen den Monarchen Rußlands und Deutschlands als ein sehr wertvolles Element erscheint, welches die Wellpolitik gegen besonders starke Schwankungen sichert. Ebenso muß man die Bestätigung dieser freundschaftlichen Beziehungen zwischen Rußland, dem Bundesgenossen Frankreichs, und Deutschland für ein gutes Omen halten für die friedliche Erledigung der aus der französsch- englischen Annäherung entspringenden und die Ma- rokkokonferenz veranlassenden Fragen. Im gegen­wärtigen Augenblick ist besonders wichtig, festznstellen, daß zwischen den europäischen Staaten eine Soli­darität besteht und die Kaiserbegegnung in den Schären hat hinsichtlich der weiteren Befestigung dieser Solidarität große Bedeutung.

Petersburg, 28. Juli. Von völlig ein- wandsfreier Seite verlautet, daß die Kaiser- Zusammenkunft auf Anregung des Zaren erfolgte, der einen dementsprechenden Wunsch äußerte, als er von den diesjährigen Reiseplänen des demschen Kaisers hörte. Bezüglich der inneren Politik äußerte sich der deutsche Kaiser lediglich in ganz allgemein gehaltenen Sätzen etwa dahin, daß jede Regierung stets die gesunden und starken Kräfte der Nation kennen und sie rum Nutzen des Ganzen verwerten müsse. Das Thema der Volksvertretung in kon­kreter Form wurde gar nicht berührt. Einen wei­teren Spielraum nahm die Friedensfrage ein. Des Kaisers Anschauungen Härten in den obersten Kreisen ungeheuren Enthusiasmus h-rvorgerufen. Man hege die Hoffnung, neben Frankreich werde nun auch Deutschland Rußland in Washmgion moralisch und materiell zur Seite stehen. Auch Marinefragen wurden erörtert.

New - Aork, 28. Juli. Japan hat der Unions-Regierung vertraulich mitgeteilt, seine Dele­gierten würden am ersten Konferenztage den Russen gewisse Hauptbedingnngen vorlegen. Erschienen diese den Russen unannehmbar, so würden sie ihnen er­klären, daß fernere Sitzungen überflüssig seien. Man verstehe hier unter diesen Bedingungen: Zah­lung der Kriegskosten, Abtretung von Sachalin, der Liaotung-Halbinsel sowie der Eisenbahn bis Charbin, feiner Zurückgabe der Mandschurei an China und Anerkennung des japanischen Protektorats über Korea. Japan wird auch die Neutralistrung von Wladiwostok verlangen und sich dafür seinerseits bereit erklären, von der Befestigung Port Arthurs Abstand zu nehmen. Graf Komma wachte dem

unsere« Suchen« hat man daheim, wie es scheint, bereis große Lust, mich zu vergessen und mich al« einen Bergnügungstourrsten zu betrachten, da meine Be­richte l-ider immer sehr inhaltslos blieben. Allerdings folgte ich oft einer fal­schen Spur und verschwendete dadurch viel Zeit; ist e« auch diesmal so, dann werde ich Sir bitten müssen, mir einen Posten als Verwalter Ihre« Schloff S, da« mir sehr gefallen hat, zu geben, denn meine Carriöce ist dann verloren; man wird mich al« Beamten auf die Totenlistr setzen, wenn da« nicht schon geschehen ist.*

Aber ich habe doch einige Zuversicht," fuhr er fort.Lassen Sie uns einen Blick zurückwerfen; von meinen Jrrtümern soll dabei keine Rede sein, denn das würde uns zulange aufhalten. Als ich das Glück hatte, damals von Ihnen auf Ihre Güter, namentlich in das romantische Stammschloß Ihres seligen OheimS von mütterlicher Seite geführt zu werden, das Ihnen in Er­mangelung aller direkten männlichen Erben so unerwartet zufiel, waren wir genötigt, vierzehn Tage dort zn verweilen, da Sie bei Ihrem persönlichen Erscheinen wegen der Adoption und der Uebernahme der Güter eine Menge von Formalitäten und Verhandlungen mit den Behörden zu erledigen hatten. ES waren wonnige Tage für mich, wenn ich auf der Terasse sitzen und in die wunderbaren Täler hinab schauen durfte, wenn abends der Duft der Orangen meinen Sinnen schmeichelte, oder ich über das von der Zeit dunkel gewordene Boden-Getäfel durch die Säle und Galerien des Schlosses schreiten durste.

Erst als ich all» die Bilder alter berühmter Meister in diesen Galerien durchstudiert hatte, brachten Sie mir ein kleines Pastellbild, da« Sie bereits im Winter von ihrer Rückkehr «ach Berlin bei flüchtigem Besuch auf Ihrem

Hauptgut durch Zufall in der Wohnung des kürzlich verstorbenen Intendanten gefunden und als fremdes Eigentum nicht mit sich zu nehmen wagten. Sie forderten mich auf, Ihnen zu sagen, mit wem dieses Bild eines etwa Vier­oder fünfjährigen Mädchens Aehnlichkeit habe. Ohne weitere Ueberlegung eilte ich in mein Zimmer und suchte die Photographie des verschwundenen Mädchens, von dem wir einige Abdrücke mit auf die Reise genommen hatten, und wir beide waren einig, daß eine unverkennbare Aehnlichkeit zwischen beiden in die Augen springe.

Aber das war alles und wenig, wie ich mir noch der ersten Ueber- roschung gestehen mußte. Diese weichen Kindeszüge mußten nach elf oder zwölf Jahren einen ganz anderen Ausdruck angenommen haben und Niemand war auch vorhanden, der uns über den Ursprung des Bildes Aufklärung hätte geben können, denn der einstige Besitzer desselben, der Intendant, war tot, sein Weib schon vor ihm gestorben und sein Sohn war ausgewandert. Ihr Oheim, ein jähzorniger Sonderling, der mit den Behörden seiner Heimat in steter Fehde gelebt, hatte geschworen, seine Güter mit keinem Fuße mehr zu betreten und den Armen derselben j de Wohltat zu entziehen. Fern von denselben ver­heiratet« er sich in reifem Alter und soll mit seiner Frau, die nach wenigen Jahren starb, sehr unglücklich gewesen sein. Danach erschien er nur einmal, wie man sagt, mit einem Kinde, bei seinem Intendanten und übergab in Gegenwart desselben seinem bevollmächtigten Notar ein Testament, da» nach einer bestimmten Reihe von Jahre» geöffnet werden sollte, wenn er, der große Reisen vorhabe, nicht bi« dahin zurückgekehrt sei.

(Fortsetzung folgt.)