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Untertürkheim, 25. Juli. Dis alte Kelter und Zehntscheuer in der Langenstraße brannte in letzter Nacht bis auf den Grund nieder. Gefüllt mit Vorräten bot das Gebäude den Flammen reichliche Nahrung. Die Feuerwehr konnte nur die angrenzenden Wohnhäuser schützen. Die elektrische Zuleitung für den oberen Teil der Straße ist zerstört, da auf dem abgebrannten Hause ein Verteilungsständer angebracht war. In kurzer Zeit ist dies der vierte Brandfall. Ort des Feuerherds und Zeit des Ausbruchs lassen mit Sicherheit auf eine systematische Brandstiftung schließen.
Magdeburg, 25. Juli. Die „Magdeburger Zeitung" meldet aus Paris: Die Zusammenkunft des Zaren mit Kaiser Wilhelm drängt hier alles andere in den Hintergrund. Man legt der Zusammenkunft der beiden Monarchen die größte politische Bedeutung bei, ohne daß jemand den Zweck der Begegnung angrben könnte. So viel steht fest, daß die französische Regierung vorher nicht davon verständigt war. Ob das jetzt durch den Friedensvermittler Witte geschehen ist, ist unbekannt. Wittes Umgebung versichert, er habe bei seiner Abreise von der Reise des Zaren noch nichts gewußt. Man meint hier, der Zar habe angesichts der drohenden Revolution die Ratschläge des Kaisers Wilhelm anhören wollen.
Berlin, 25. Juli. Der „Voss. Ztg." wird aus Petersburg gemeldet: Die Kaiser - begegnung wird als ein Markstein in der russischen Geschichte bezeichnet, da jedermann an einen starken Einfluß des deutschen Kaisers auf den Zaren glaubt. Die russische Gesellschaft ist überzeugt, der Rat des Kaisers werde bestimmend sein für die ferneren Maßnahmen in der russischen Regierung. Der deutsche Kaiser habe darum Gelegenheit, sich die Sympathien eines großen Volkes zu erwerben. In der Petersburger Presse gibt es freilich nur Regierungskommentare über die Begegnung zu lesen, da die Zensur alle privaten Erörterungen verboten hat.
Berlin, 25. Juli. Wenn auch über den Inhalt der Unterredung zwischen dem Zaren und Kaiser Wilhelm augenblicklich nichts bekannt gegeben wird, so darf nach dem Lokalanzeiger doch versichert werden, daß zwischen den beiden Herrschern sehr wichtige politische Angelegenheiten erörtet wurden und daß beide Monarchen von dem Ergebnis ihrer Begegnung überaus befriedigt find, und diesem Gefühl auch Ausdruck gegeben haben.
Kiel, 25. Juli. Auf kaiserlichen Befehl erfährt der Stockholmer Aufenthalt unserer sieben Schlachtschiffe eine 30stündige Verlängerung. Das Geschwader trifft in Stockholm am 2. August vormittags ein.
Parts, 24. Juli. Einen Vergleich zwischen französischen und deutschen Soldaten stellte der Militärgouverneur von Lyon, General
de Lacroix, in einer Ansprache an die Truppen an, welche er anläßlich der Inspektion des 99. Jnf.- Regts. hielt. General de Lacroix war bekanntlich der Leiter der französischen Gesandtschaft, die sich zur Hochzeit des deutschen Kronprinzen nach Berlin begeben hatte. Er erklärte: „Soldaten! Ich habe anläßlich meiner jüngsten Reise nach Berlin den deutschen Soldaten genau studieren können. Ich habe gefunden, daß er gut erzogen und an Manneszucht gewöhnt ist und furchtbar für den Feind sein würde, der ihn zu bekämpfen hätte. Bei meiner Rückkehr nach Frankreich habe ich meine ganze Aufmerksamkeit auf den fravzöfichen Soldaten gelenkt, denn ich wollte einen Vergleich anstellen, und ich darf frei und offen sagen, daß der Vergleich ganz und gar zu Euren Gunsten ausgefallen ist. Mit Vergnügen habe ich festgcstellt, daß Eure großen militärischen Eigenschaften denjenigen des deutschen Soldaten in nichts nechstehen. Letzterer würde in Euch einen seiner würdigen Gegner finden."
London, 25. Juli. Aus New-Jork wird gemeldet, daß ein ungeheurer Brand in der Nähe der Stadt Austin im Staate Texas wütet und zwar in dem Gebiet, wo sich die Petroleum- qaellen und die großen Petroleum-Reservoire befinden. Die Quellen sowie die Reservoire stehen in Flammen. Ein Flächenraum von über zwei Quadratkilometer bildet ein Flammenmeer. Der angerichtete Schaden ist noch nicht zu übersehen. 20 Personen find in den Flammen umgekommen, 50 erlitten gefährliche Brandwunden.
London, 25. Juli. Wie dem „Daily Telegraph" aus Niedertexas gemeldet wird, schlug der Blitz in 11 Tanks mit einem Inhalt von 25 Millionen Fcß Oel, die ansbrannten. 6 Neger find verbrannt und 100 obdachlos, da die Hütten zerstört find. Das Feuer erstreckt sich auf eine Fläche von V« Meilen.
Petersburg, 25. Juli. Der Zar ist am Montag Abend nach Peterhof zurückgekehrt. Die Blätter machen darauf aufmerksam, daß die zweistündige Unterredung des Zaren mit Kaiser Wilhelm an Bord der „Hohenzollern" unter vier Augen stattgefunden hat und infolgedessen streng geheim gehalten wird.
Petersburg, 25. Juli. Aus Nowot- scherkaSk wird gemeldet: In sechs Dorischen Kosoken- Regimentern, deren Mobilisation soeben beendet ist, herrscht großer Aufruhr. Sie weigern sich Polizeidienste im Innern des Reiches zu leisten, was sie als eine dem Soldaten unwürdige Aufgabe hinstillen. Eines jener Regimenter, das in voller Kriegsausrüstung und in vollem Bestände zusammengetreten war, sandte dem Kosaken-Attaman ein Telegramm, worin Offiziere wie Mannschaften den Dienst im Innern des Reiches ablehnen, dagegen sich bereit erklären, ihr Leben im Kriege im fernen Osten jeder Zeit in die Schanze zu schlagen. Das Telegramm wurde sofort dem Kriegsminister über
sandt, der den Befehl erteilte, die Ruhe in den Regimentern unverzüglich wiederherzustellen.
Petersburg, 24. Juli. Der Hofminister telegraphierte aus Björko e unter dem 23. Juli: Heute Abend um 10 Uhr warf die „Hohenzollern" in der Nähe des „Polarstern" Anker. Kaiser Wilhelm mit dem Prinzen Albert tlon Schleswig Holstein und das Gefolge begaben sich im Boot nach dem „Polarstern" und wurden auf der Treppe vom Kaiser von Rußland und dem Großfürsten Michael Alexandrowitsch empfangen. Nach herzlicher Begrüßung schritten die Majestäten die Front der Ehrenwache und der Besatzung der Yacht ab und zogen sich, nachdem sie ihr Gefolge gegenseitig vorgestcllt hatten, in den Decksalon zurück. Um 11 Uhr begaben sich Kaiser Wilhelm und der Kaiser von Rußland mit ihren Gefolgen im Boot an Bord der „Hohenzollern", von wo der Kaiser von Rußland um IV- Uhr morgens nach dem „Polarstern" zurückkehrte.
Gemeinnütziges.
Legt Erdbeerbeete,an. Der praktische Ratgeber bringt eine Aufmunterung an die Gartenfreunde zur Pflanzung der so reich lohnenden Erdbeeren. Seine Ratschläge lassen sich in folgendes zusammenfassen: Die Beete rief dnrchgraben nnd reich düngen. Kräftige Setzlinge beschaffen. Den Reihen 60 ew Zwischenraum geben, immer 3 Pflanzen beieinander setzen, mit 60 vm Abstand von den nächsten 3 Pflanzen. Vor Winter mit kurzem Pferdedung decken, aber die Pflanzenherzen frei lassen. — Gartenfreunde erhalten vom Geschäfts- amt des praktischen Ratgebers in Frankfurt a. Oder die betreffende Nummer auf Wunsch kostenfrei zugesandt.
(Eingesandt.)
Zur Gesundung der Stadt.
Wenn man liest, daß für den Fremdenverkehr und für die Annehmlichkeit in den Straßen so viel'aufgewendet wird, so erlaubt sich der Einsender auf etwas aufmerksam zu machen, das ihm nicht weniger wichtig dünkt, nämlich auf den Schießgraben. Derselbe bietet wohl den umliegenden Bewohnern in Ermangelung der Kehrichtabfuhr eine Aushilfe, aber auch, besonders in t rockenen Zeiten, manchen unangenehmen Geruch, da immer mehr Abwasser, wie von der Hermann- strcße, hineingeleitet wird. Wäre da nicht eine Kanalisierung, von ca. 1 Meter weiten Röhren von der Nagold bis oberhalb der Häuser die einfachste Lösung. Wie zwischen dem Schneider'schen und Jung'schen Haus schon ein Stück eingefallen ist, so könnte noch mehr einfallen und wäre desto schwerer zu helfen. Eine Kanalisierung würde auch allein Schutz vor dem Einwerfen bieten und die betreffenden Häuserbefitzer würden dankbar sein, wenn sie vielleicht dadurch Kellerplotz gewinnen würden, nnd darum auch etwas an den Kosten tragen.
sie jetzt m dem Spiegel auch ein zweites Bild, ein ernstes, schönes und jugendliches Männergeficht mit dunklem, leicht gewelltem Haar und sinnigen, großen Augen, Dagobert zum Verwechseln ähnlich, nur vornehmer, bewußter, männlicher, als jener damals, und doch Dagobert selbst, heute Graf Sesto, der Erbe des Namens und der Besitzungen seines OheimS, der nach einem schnellen Blick auf die blendend schöne Gestalt sich über die ihm ausgestreckte weiße Hand beugte, um ihre Fingerspitzen an seine Lippen zu führen.
„Ich danke Ihnen, Graf Sesto!" lächelte sie mit einem leichten Drucke dieser Hand. „Ich war heute recht trübe gestimmt; der Sonntag, an welchem selbst mein« Leute mich im Hause verlassen, ist für mich immer ein melancholischer Tag. Die Kirchenglocken finden mich zu gottlos, um zu beten, und die Teilnahme an den weltlichen Zerstreuungen aller Anderen ist ja einer Einsamen versagt!"
Dagoberts Augen hatten, während sie sprach unverwandt» halb ernst fragend, halb lächelnd, auf ihren Lippen gehastet.
Die MaSke von San Carlo! . . . Mit einem scheinbar schwärmerischen Blicke suchte er eine Wahrnehmung zu verbergen, die sein Künstlerauge bereits gestern im Foyer des Theaters gemacht hatte, und diese« Auge gewahrte auch, wie das eben noch so bleiche Antlitz sich plötzlich mit der ganzen Glut eines Herzens bedeckte, das sich ihm schon einmal verraten hatte.
Beider Blicke begegneten sich; er sah dieses seltene Weib, da- öffentlich die Bewunderung der Welt mit der Hoheit einer Königin hinnahm, erschrocken über sich selbst, denn die Glut verschwand plötzlich aus ihrem Antlitze; er lärmen Ausdruck von Schmerz und Scham in diesem Auge und verstand, war in ihr oorging.
Er ergnff ihre Hand, behielt sie in der seinigen, führte Afra zur Causeus« und ließ sich auf ein Taburet vor ihr nieder. Unwillkürlich glitt sei» Blick wieder
über diese schönen Formen; er preßt« die Hand an die Stirn und schloß die Augen, dann schaute er zu ihr auf und bemächtigte sich wieder der weißen, im Schooße liegenden Hand.
„Verzeihung für meine Stimmung!" bat er. „Ich habe eine Schuld auf meinem Gewissen, für die ich der himmlischen Buße gewärtig bin und eine gnädige Richterin zu finden hoff-. Ich erinnere mich nämlich eines Karnevalabends in Neapel, in welchem eine MaSke mir einig« entzückende Worte sprach und nach einer süßen Verheißung verschwand, deren Erfüllung zu begehren «in neidisches Schicksal mir versagte. Ich habe ihr eine treue Erinnerung bewahrt und bitte sie um das BikenntniS: ist dies dieselbe schöne Hand, die sich mir damals zvm Abschied reichte, find dies, ich errate es, dieselben Lippen, die sich mir unter der Larve zeigten?
Ein Lächeln Afra'S war die Antwort, ein Druck der Hand bestätigte seine
Frage.
„Ja, Sie waren undankbar, Graf Sesto!" rief sie plötzlich wieder übermütig aus. „Warum verschweigen, was einzig und allein rechtfertigen kann, daß ich Sie hier empfange I Was ich damals in Neapel tat, mag vor einem strenge» Richter nicht bestehen, aber ich sah an jener tollen und wilden Stätte, zu der mich eine Laune trieb, aller heiter und glücklich, und die Tollheit der Uebrigen trieb mich zu einer Unbedachtsamkeit, die ich bereuen sollte, weil ich wenig« Minuten deS Glücks mit bitterer Täuschung bezahlte. Vergebens sagte ich mir, eS sei eine KarnevalStollheit gewesen; mein Herz hatte die Begegnung ernste, genommen, als eS sollte .. . Lessen Sie mich offen gegen Sie fein, Graf Sesto, ich muß eS sein zu meiner Rechtfertigung."
(Fortsetzung folgt.)