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Böblingen, 20. Juli. Dem heutigen Vieh markt, der von dem denkbar schönsten Sommerwetter begünstigt war, wurde außerordentlich viel Vieh, besonders aber viel Kühe und Rinder zugeführt. Der Handel ging durchweg in allen Gattungen sehr schleppend. Die Preise gingen denn auch infolge des anhaltend trockenen Wetters und und des geringen Nachwuchses an Grünfutter ganz merklich zurück. Durchschnittlich wurde für jedes Tier 30 und mehr Mark weniger geboten und mancher, der gern abgesetzt hätte, mußte sein Rind, wenn überhaupt ein Käufer da war, wieder mitnehmen, um nicht Geld zu verlieren. Ochsen galten das Paar 800—1235 Stiere 450—800 Kälberkühe galten 400—480^ — Der Schweine- markt war über Erwarten gut befahren. Handel im allgemeinen zufriedenstellend mit guten Preisen. Milchschweine galten 30—48 Länferschweine 48—80 ^ je per Paar.
Urach, 21. Juli. Am Gasthaus zu den „4 Jahreszeiten" wurden dieser Tage durch den Oberomtsbaumeister Koch aus Böblingen HebungS- versuche gemacht, die als durchaus gelungen zu verzeichnen find. Innerhalb 2 Tagen wurde daS 3stockige Gebäude um 2 m gehoben.
Göppingen, 21. Juli. Heute Nacht ist das Dawpfsägewerk von Joh. Weber vollständig abgebrannt. Der Schaden an Gebäuden, Maschinen und Holzvorräten beträgt weit über 150000 Mark. Als Entstehungsursache wird Selbstentzündung des Triebwerkes vermutet.
Tuttlingen, 21. Juli. Unweit der Stadt landete gestern Nachmittag ein Luftballon, besetzt mit einem Leutnant und 2 Mann, der Lustschifferabteilung in Berlin zugehörig, zur Zeit nach Straßburg abkommandiert. Der Ballon war vormittags in Straßburg aufgestiegen und hatte in etwa 3'/» Stunden den Schwarzwald überflogen. Die größte Höhe, die er erreicht hat, soll 3000 w sein.
Friedrichshafen, 21. Juli. Gestern unternahmen die Kgl. Majestäten eine Rundfahrt auf dem Obersee. Die schön geschmückte „Königin Charlotte" verbrachte die Allerhöchsten Herrschaften mit ihrem hohen Gast, der Großfürstin Wladimir von Rußland, den kleinen Prinzen Hermann und Dietrich zu Wied und dem hohen und niederen Gefolge nach Lindau und Bregenz und zurück. Um '/,4 Uhr erfolgte die Abfahrt und '/'8 Uhr die Rückkunft.
Pforzheim, 21 Juli. Der hiesige Verein für Feuerbestattung hat dem hiesigen Magistrat ein Gesuch um Errichtung eines Krematoriums eingereicht, wobei der Verein sich mit einer namhaften Summe zur Unterstützung des Unternehmens verbindlich macht.
Rastatt, 21. Juli. Das Rastatter Tagblatt meldet: Gestern morgen starb der Musketier Schmidt der 1. Komp, des Jnf.-Reg. Markgraf Ludwig Wilhelm (3. Bad. Nro. 111) an epidemischer Genickstarre.
erlin, 21. Juli. Zu dem Arbeiter- ausstand im Essener Baugewerbe wird gemeldet: Infolge des Vorgehens der Arbeitgeber im Essener Baugewerbe betrachten die Arbeiter ihrerseits den Tarifvertrag als gelöst und stellten in einer großen Versammlung neue erhöhte Lohnforderungen auf. Zur Zeit wird die Erklärung eines allgemeinen Bauarbeiterstreiks beraten.
Berlin, 21. Juli. Aus Petersburg wird den Morgenblättern telegraphiert, daß der Zar heute Morgen an Bord der kaiserlichen Jacht „Polarstern" eine viertägige Reise unternehmen werde. Amtlich wurde mitgeteilt, daß es sich nur um eine Fahrt an der Küste handle, aber man glaubt, daß der Zar mit Kaiser Wilhelm eine Begegnung in den schwedischen Gewässern haben werde.
Berlin, 20. Juli. Der russische Minister Witte ist auf der Reise nach Washington zu den Friedensvsrhandlungen heute Nacht auf dem Bahnhof FrtedrichSstraße in Berlin eingetroffen, wo er von einigen Herren der russischen Botschaft begrüßt wurde. Er setzte nach kurzem Aufenthalt die Reise nach Paris fort.
Berlin, 21. Juli. Die diesjährigen Flotten-Hauptmanöver sollen, wie das Berliner Tagblatt hört, von der dritten Augustwoche ab ihren Anfang nehmen und bis zur Septcmbermitte dauern. Ihre Oberleitunq liegt in den Händen des Großadmirals von Köster.
Kiel, 20. Juli. Die Prectzer Polizei verhaftete die drei Straßenräuber, welche kürzlich den Oberleutnant Arnoldi überfielen, verwundeten und ausraubten. In ihrem Besitze wurde Arnoldis Zigarrenetui vorgefunden. Die Verhaftung erfolgte nach einem Raubanfall auf einen 60jährigen Manu.
Nyland, 20. Juli. Die „Hohenzollern" traf gestern Mittag vor Nyland ein. Das Wetter war gestern wechselnd. Heute früh unternahm der Kaiser einen Spaziergang. Er gedenkt heute Vormittag auf einem hierzu gemieteten Dampfer eine Fahrt den Angermannelf hinaus zu unternehmen. Auch heute ist das Wetter zweifelhaft. An Bord ist alles wohl.
Petersburg, 21. Juli. Gestern fand im Kaiser-Palast in Peterhof eine Konferenz über die Friedensfrage statt, an der außer den Großfürsten auch der Kriegsminister Rödtnger und der Minister des Auswärtigen Graf Lambsdorff teilnahmen. Die Beschlüsse werden streng geheim gehalten.
Wien, 21. Juli. Wie man der „Neuen Freien Presse" aus Bukarest meldet, macht der Aufenthalt der Matrosen vom „Potemkin" der Regierung ernste Sorge. Russische Spione, darunter auch Frauen find nach Rumänien gekommen. Es steht fest, daß ehemalige „Potemkin"-Matrosen sich auf das russische Stationsschiff begeben haben, wo ihnen von Geheimagenten gefälschte Briefe von ihren Angehörigen eingehändigt wurden, worin schwere Erkrankungen und andere Unglücksfälle mitgeteilt werden, um die Matrosen zur Heimreise zu bestimmen.
Tokio, 21. Juli. In der Mandschurei hat die Regen-Periode begonnen. Dadurch find die Operationen der ganzen japanischen Mandschurei-
Armee vorläufig eingestellt. Die nasse Jahreszeit schließt aber die Gefahr von Seuchen aus. Der Gesundheitszustand im Heere ist ausgezeichnet. Die Beri-Beri-Krankheit, die im vorigen Jahre den Sanitätsbehörden viel Sorge machte, tritt in diesem Jahre gar nicht auf.
Vermischtes.
— Ueber den Stand der Weinberge läßt sich der Weinbausachverständige Mährlen im „Weinbau" folgendermaßen vernehmen: Wir haben Heuer die Genugtuung auf einen ausnahmsweise günstigen Verlauf der Rebenblüte zurückzublicken; die denkbar günstigsten Vorbedingungen zu einem raschen Dnrchblühen und einem reichen Ansatz waren in der warmen und trockenen Witterung der zweiten Junihälfte gegeben. In 8—10 Tagen war das ganze Älütegeschäft beendet. Die Trauben haben überall nach der Blüte erstaunlich rasch zu- genommen; sie zeichnen sich durch eine besonders große Ausbildung und bei einigen Sorten durch den Ansatz sog. „Achseln" aus. Gegen das Vorjahr ist die Entwickelung der Trauben und des ganzen Rebstockes wesentlich vorangeschritten. Unsere Berichterstatter find der Ansicht, daß bei einem günstigen Nachsommer der heurige Herbst nach Menge und Güte ein vorzüglicher sein wird. Weiter weist der Artikel aber auch darauf hin, daß Peronospora und Oidium bereits an verschiedenen Olten ihren Einzug gehalten haben. Namentlich die elftere ist stellenweise in recht bedenklicher und gefahrdrohender Weise aufgetreten; sie hat nicht blos Blätter, sondern auch junge Träubchen befallen und scheint noch in Ansdehnung begriffen zu sein.
Die Regenbadkur. Von einer neuen Kur, die in Austin in Texas sehr schnell eine große Beliebtheit gewonnen hat, wird aus New- Jork berichtet. Es handelt sich um sogenannte „Regenkuren". Sie find höchst einfach; alles, was dazu nötig ist, ist, doß der Patient unter freiem Himmel völlig unbekleidet auf- und abgeht, und auf seinen Körper reanen läßt, was nur vom Himmel herunterkommen will. Eo einfach die Kur ist, so großartig sollen die Wirkungen sein. Für Nervenstörungen und Rheumatismus wird diese Art der Behandlung als unfehlbar hingcstcllt, und auch viele chronische Leiden, die allen anderen Mitteln Trotz boten, sollen bei der Regenkur gewichen sein. Ein tüchtiger Platzregen, der auf die Patienten ntederging, und nachfolgendes kräftiges Frottieren hat zahlreiche Fälle hartnäckiger Erkältungen ohne weiteres geheilt. Die Stadt Austin rühmt sich, daß von ihr diese Kur ausgegangen ist, und viele ihrer Bürger find von der Heilwirkung dieser Erfindung völlig überzeugt. Seitdem die Kur so beliebt geworden ist, find viele Gärten in Austin von hohen Gehegen eingrschlossen, die ihre Eigentümer während der Ausübung der Kur den neugierigen Blicke« entziehen. Die Kur ist nach ihrer Beschreibung „angenehm, kräftigend und in höchstem Maße nervenstärkend."
Keiertag Iekovl, 25. Juli. 7 Uhr vormittags; Erntebetstunde, zugleich Feiertagsgottesdienst, Herr Stadtpfarrer Schneid.
nie so warm und blitzend geleuchtet, wir an diesem Abende, und daß Beider Blick« während dr.s Restes der Vorstellung mit sichtbarem Verständnis sich begegnet.
Dir Welt, die daS mit so viel Interesse beobachtet«, wußte nicht, was in Afra'S Herzen vorging, als sie angesichts Aller gerade diesem jungen Kavalier ihre Aufmerksamkeit widmete. Ein ganzes Leben knüpfte sich für sie an dieses Begegnen hier, «ine Vergangenheit voll der sehnsuchtsschwersten Wünsche und Träume, die mit der ganzen Gewalt ihre« leidenschaftlichen H-rzenS in ihr wieder auflebten und sie zurückführten zu einem Moment, der in diesem Herzen rmver- löschbar geblieben» und datierte noch aus der Zeit ihrer unglücklichen Ehe, als sie mit ihrem Gatten im Albaner Gebirge Wochen der trostlosesten Einsamkeit verlebt. Er knüpfte sich an einen Morgen, an welchem sie, unzufrieden mit sich und dem Schicksal, in einem der idyllischen Täler auf der Veranda eines Albergo gestanden und unter sich im Garten diesen Mann erblickt, jugendfrisch von schöner, elastischer Gestalt und ritterlicher Haltung.
Sie hatte ihn, versteckt zwischen dem Weinlaub des Altans, beobachtet, wie fei« dunkles, träumerisches Auge den Winzern zuschaute, die in ihren bunten Trachten gruppenweise die Abhänge belebten; — aber wie er gekommen, war er verschwunden, den Bergpfad hinaufschreitend und mit ungrschulter, aber kräftiger Stimme «in italienische« Volkslied singend.
Sein Bild war seitdem nicht MS ihrer leidenschaftlichen Seel« gewichen.
Planlos durch die Welt ziehend, hatte sie endlich nach des Gatten Tod« einer Abends in Neapel, al» der Karneval alle» in Taumel erhielt, einsam und verloren in düstere Erinnerungen, am Fenster gesessen, dem großen Charivari de« LaWro auf den Gaffen, dem Gedudel der Piffari, der endlosen Tarantella und Santa Lucia» dem „Viva Garibaldi" und dem Geschrei der Masken horchend, die sich vor ihr in der Straße tummelten. ES litt fi« nicht allein; sie wollte
hinaus, so erschien sie denn am Abend in einem charakteristischen Anzuge mit Diamantschmuck.
Die vornehme, elegante Frauengestalt ward hier bemerkt und verfolgt und sie schien Gefallen daran zu finden. Jane flüsterte ihr oft warnend zu, aber Afra, ledig der drückenden Bande, fühlt« sich wohl in diesem Tohuwabohu. Niemand erkannt« sie, denn sie war erst vor einigen Tagen von Palermo g< kommen; sie ließ ihrer ganzen Laune die Zügel, trieb aber endlich drn Usbermut so weit, drß sich einige von ihr intriguierte jung« Männer verbündeten, um zu erfahren wer sie sei.
Infolge dessen ward sie der Gegenstand einer gewissen Verfolgung, man machte Jagd auf die interessante und mutwillige Erscheinung, die jedenfalls ein« Frrmde sein mußte.
Jane hatte schon mehrmals ihre Hand gesucht, um sie fortzuziehen, al« Afra sich plötzlich inmitten des großen Salons von Männern umstellt sah. Der Weg in ihr« Loge, in die sie sich wiederholt schon gerettet, war ihr verstellt; ein« Pierretta, zweifellos «in junger Mann in Frauenkleidung, eilte auf sie zu, sie zu umarmen, unter dem Vorwände, eine Schwester in ihr zu «»kennen.
Jane stieß einen Angstlaut aus, aber die MaSk« ward zudringlicher und legte den Arm um Afra. Diese sah, daß di« Sache «inen ernstlichen AuSgang nehme; hilfesuchend blickt« sie umher, ohne selbst den Mut zu verliere», als der Ring der übrigen gegen sie verschworenen Marken sich um sie zu schließen drohte.
Da plötzlich bot sich ihr ein anderer Arm, der sich de« ihrigen fast gewaltsam bemächtigte. „Ich bitte, sich mir auf KavalirrSwort anzuvertrauen!" vernahm sie in französischer Sprache eine klangvolle, sanfte Männerstimme, während dir andere Hand de« Fremden di« zudringliche Pierretta zurückschob, und vor ihm öffnet« sich der «reis. (Fortsetzung folgt.)