Schutzmann, der sich in der Nähe befand, sofort in einem kroschkemmto die Verfolgung aufnahm, gelang es den Tätern, m entfliehen. Die Untersuchung hat ergeben, daß das ge­stohlene Perlenkollier einen Wert von 600 000 Francs hatte.

Eine neue Alpenbahn. Die italienische Regierung arbeitet augenblicklich das Projekt einer Stilfserjochbahn aus. Diese Kahn soll die kürzeste Verbindung zwischen Mailand und München Larstellen.

Die Hebung der Schätze eines gesunkenen Dampfers. Die

von der britischen Admiralität angestellten Bergungsversuche der Goldschätze an Bord des auf der Höhe von Londonderry, Nordirland, torpedierten DampfersLaurentic" sind insofern von Erfolg gekrönt, als von den restlichen 250 000 Pfund in Gold wiederum ein Drittel geborgen und nach England über­geführt werden konnte. Die Nachforschungen werden fortge­setzt.

Deutsche Zirkuskunst in Argentinien. Nach langen Schwie­rigkeiten hat jetzt in Buenos-Aires die erste Vorstellung der deutschen Sarasam-Schau stattgefunden. Die Vorbereitungen wurden durch einen außergewöhnlichen Erfolg gekrönt. Der Präsident von Argentinien, sämtliche Minister sowie Vertreter der Behörden waren erschienen. Nachdem dem deutschen Unter­nehmen von verschiedenen Seiten aus politischen Gründen Schwierigkeiten über Schwierigkeiten gemacht worden waren, ist der Erfolg um so höher zu .bewerten. Dies findet seinen besten Ausdruck darin, daß auf lange Zeit hinaus sämtliche Vorstellungen ausverkauft sind.

Japanische Seeräuber im Fernen Osten. Die japanische Polizei hat jetzt die Untersuchung gegen eine Bande aus Ja­pan stammender Seeräuber beschlossen, die lange Zeit hin­durch die Küsten bei Wladiwostock und Sachalin unsicher ge­macht hatte und deren Entdeckung den japanischen Behörden erst nach längeren Bemühungen gelungen ist. Da die Piraten mehrmals russische Schiffe ausgeplündert haben, sieht man in Rußland dem Urteil des japanischen Gerichts mit begreif­licher Spannung entgegen. Die Seeräuber hatten den Damp­ferDaikimaru" gechartert, mit Geschützen ausgerüstet und dann ihre Streifzüge begonnen. Ihre letzte Beute bildete ein russischer Segler, den sie eroberten und nach vollständiger Ausplünderung versenkten; die 17 Köpfe zählende Mannschaft wurde ermordet. Die Räuber kehrten darauf nach Japan zu­rück, da sie hofften, unbekannt zu bleiben und von dem Ertrag ihrer Raubfahrten leben zu können, doch wurden sie später er­kannt und sestgenommen.

Handel und Verkehr.

Stuttgart, 12. Mai. (Landesproduktenbörse.) Die Lage auf dem Getreidemarkt ist unverändert ruhig. Es notierten je 100 Kilo Weizen 17.75 bis 18.50 (am 8. Mai 18-5019.25), Sommergerste 17.5018 (19-19.75), Hafer 13.50-14 (14.25 -14.75). Weizenmehl Nr. 0 29.50 (29.25-30), Brotmehl 26.50 (26.2527), Kleie 9.75 bis 10.25 (10-10.50), Wicsenheu 8.50 -9 (9.50-10), Kleeheu 9-10 (10 bi» 11), drahtgepreßtes Stroh 56 >66.50).

Balingen, 12. Mai. (tzolzerlöse.) Bei dem letzten Langholz­verkauf der Stadt waren 300 Fm. Nadelstammholz ausgeboten. Erlöst wurden zwischen 115 und 123 Prozent der Landesgrundpreise. Käufer sind die Firmen Schneider und Söhne in Engstlatt und Wohlfahrt-Plochingen. Die Vermittlung des Kaufes erfolgte durch den Württ. Waldbesitzerverband.

Fruchtpreise. Ebingen: Zufuhr 70 Ztr. Haber und 2,3 Ztr. Herste. Preis für Haber 8.509 Mark, Gerste 10.50 Mk. pro Ztr.

Geislingen a. St.: Zufuhr 12 Ztr. Weizen. 12 Ztr. Gerste, 2 Ztr. Hafer. Erlöst wurden pro Ztr. Weizen 10.30, Hafer 6.80 Mk.

Mengen: Zufuhr 716 Kg. Weizen, 387 Kg. Gerste, 111 Kg. Haber. Verkauft wurden 223 Kg. Gerste, Preis IO Mark, 111 Kg. Haber, Preis 7.50 Mark pro Ztr. Nagold: Zufuhr 46,72 Ztr. Weizen. 3,20 Ztr. Dinkel, 1,60 Ztr. Roggen, 11,05 Ztr. Gerste, 24 Ztr. Haber, 0,50 Ztr. Erbsen. Preise pro Ztr.: Weizen 10,5010,80, Dinkel 7,50, Roggen 10. Gerste 10, Haber 8,20-8,80. Erbsen 22 Mk. Alles wurde verkauft. Ravensburg: Es notierten per Doppel­zentner: Weizen 18-20,40, Dinkel 1414,50, Roggen 1717,20, Gerste 1818,50, Haber 12,8014, Saatwicken 23, Saaterbsen20 Mk.

Tübingen: Verkauft wurden 100 Kg. Dinkel zu 15,60, 4159 Kg. Haber zu 17-19 Mark, 150 Kg. Kernen zu 21 Mark, 5475 Kg. Weizen zu 18-22, 2535 Kg. Gerste zu 1719 Mark je per 100 Kg.

Winnenden: Zufuhr 42 Ztr. Weizen. 87 Ztr. Haber, 4 Ztr. Roggen, 4 Ztr Dinkel und 2 Ztr. Gerste. Preis für Weizen 10 bis 10,70, für Haber 8,308,50, für Roggen 9 und für Gerste 9,50 bis II Mark je Ztr.

Neueste Nachrichten.

HA Stuttgart, 13. Mai. Zu den unter dem StichwortDas Idyll in Berlin" kürzlich veröffentlichten Ausführungen schreibt das Stadt- schultheißenamt Waiblingen: 1. Die Anordnung des Transportes er­folgte durch das Amtsgericht Waiblingen. 2. Der den Transport leitende Gemeindepolizeibeamte ist aus der Württ. Landeskriminal- polizeibeamcenschaft hervorgegangen. 3. Nach den glaubhaften Aus­sagen der beiden Gemeindepolizeibeamten ist es in Berlin zu keinem Frühstllcksidyll gekommen. 4. Vor einer abschließenden Kritik über das Verhalten und die Einigung der beiden württ. Gemeindepolizei- deamten muß das Urteil des Strafrichters abgewartet werden, vor dem sich die Beamten wegen fahrlässiger Gefangenenbefreiung zu verantworten haben werden.

München, 12. Mai. DieMünchener Allgemeine Zeitung" mel­det, daß zwischen der Deutschnationalen Bolkspartei und der Bay­rischen Volkspartei zur Zeit wegen der Neubildung der bayrischen Regierung Verhandlungen geführt werden. Die Deutschnationalen beständen darauf, daß Dr. von Knilling wieder das Amt des Mi­nisterpräsidenten übernehme. Für das Ministerium des Innern werde Ministerialrat Stütze! in Vorschlag gebracht. An die Stelle des Ministers Oswald solle als Sozialminister der Abgeordnete Funke treten. Der Posten Kahrs solle mit Minister Schweyer besetzt werden.

München, 13. Mai. Polizeioberst von Seisser ist, wie die München-Augsburger Zeitung" zuverlässig erfährt, von der Regie­rung seines Amtes enthoben worden. Ein Rllcktrittsgesuch hatte er vorher nicht eingereicht.

. München, 12. Mai. Wegen Beihilfe zum Hochverrat im Zu­jammenhang mit dem Hitlerputsch hatten sich vor dem Volksgericht München Kapitänleutnant Hoffmann, Leutnant zur See Baldenius, Leutnant Reiner, Hauptmann Seidel, sämtliche außer Dienst, Haupt­mann Schreck, Apotheker Straße-Landshut und der Student Rein­hardt zu verantworten. Die Verhandlung wurde unter Ausschluß der Oeffentlichkeit durchgefllhrt. Die Angeklagten waren an den Vorgängen am 8. und 9. November in München insofern beteiligt, als sie Befehlsstellen einrichteten, Propaganda für den Hitlerputsch I trieben und Alarmbefehle schrieben, in Kraftwagen Hilfsmannschaften ! nach München brachten, das Wehrkreiskommando besetzen halfen ! usw. Das Volksgericht verurteilte sämtliche Angeklagte zu der ! Mindcststrafe von einem Jahr drei Monaten Festung, und 2 Ange­klagte außerdem zu Geldstrafen. Allen wurde Bewährungsfrist bis 1. Mai 1928 bewilligt.

Ludwigshafen, 12. Mai. Am Freitag abend wurde in einem Meefeld unweit der Frankentalerstraße die Leiche eines marokkani­schen Soldaten gefunden, dem der Hals bis auf den Wirbel durchge- Ichnitten war. Es wird vermutet daß ein Eifersuchtsakt eines Ka­meraden des Ermordeten oorliegt.

Esten, 13. Mai. Die vereinigten 4 Bergarbeiterverbünde er- mssen einen Aufruf, in dem sie sich gegen die kommunistische und Wdikalistische Zentrale der Streikleitung wenden, die mit politischen . ßvrderungen der K.P.D. auf den Plan trete und den Ruf erhebe, m den Kampf für die Diktatur des Proletariats einzutreten. Eine "rantwoctungslose Gruppe irgendwelcher Führer versuche, die schwer

um ihre Existens ringende Ruhrbergarbeiterschaft vor den kommuni- tischen Parteikarren zu spannen, um die Arbeiter in den Abgrund einer blutigen Auseinandersetzung zu treiben. Der Aufruf schließt mit einem Appell an die Bergarbeiter, der Generalstreikparole der Kom­munisten jetzt ebenso die Gefolgschaft zu verweigern wie am 6. Mai.

Kaste!, 12. Mai. Auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft ist Stadtrat Wittrock gestern vormittag unter der Beschuldigung ver­haftet worden, in dem Prozeß gegen die KasselerPost" in der Frage des Gutachtens über seine Wohnungsangelegenheit wissentlich alsche Aussagen gemacht zu haben. Die Festnahme des sozialdemo­kratischen Stadtrates Wittrock in Kassel wegen Verdachts des Mein­eids hat in der Kasseler Arbeiterschaft große Erregung hervorgerufen. Am Mittwoch abend soll in einer großen Versammlung gegen die Verhaftung Wittrocks protestiert werden.

Leipzig, 12. Mai. Gestern gegen Mitternacht kam es zwischen mehreren Stahlhelmleuten, die an dem Deutschen Tag in Halle teil- qenommen hatten und nach ihrer Rückkehr noch in einer Gastwirt- chaft eingekehrt waren und Kommunisten, die gleichfalls in dem Lokal anwesend waren, zu einem Zusammenstoß, in dessen Verlauf einer der Stahlhelmleute, der 24 jährige Wirtschaftsgehilse Iähnicke, erstochen wurde.

Halle, 12. Mai. Der Polizeibericht meldet: Zu dem von kom­munistischer Seite als Protest gegen die Moltkefeier für Samstag einberufenen Deutschen Arbeitertag war nur ein geringer Zuzug be­merkbar. Der An- und Abtransport der Teilnehnier an der Moltke­feier vollzog sich reibungslos. Nachdem eine größere Anzahl von Kommunisten aus Sachsen, Thüringen und Berlin in Buchdorf und Ammendorf aufgelöst und abgedrängt worden war, kam es gegen 11 Uhr vormittags mit Teilen dieser Abteilung, die erneut den Stadt­bezirk zu erreichen suchten, zu einem ernsten Zusammenstoß am Nord­rande von Böllberg, wobei infolge des Waffengebrauches beide Teile erhebliche Verluste erlitten. Etwa 400 Teilnehmer wurden in Ge­wahrsam genommen. Bei vielen wurden Schußwaffen, Dolche, Tot­schläger usw. gefunden. Auf Seiten der Schutzpolizei wurde ein Unterwachtmeister getötet und fünf verwundet. Auf Seiten der De­monstranten wurden drei getötet und acht verwundet. Im übrigen kam es in Ammendorf zu einer schnell beendeten Schlägerei.

Berlin, 13. Mai. Zu den Zusammenstößen zwischen Kommu­nisten und Polizei melden die Blätter noch, daß sich außer in Böll­berg auch in der Nähe des Gertrudfriedhofes, wohin ein Zug Kom­munisten gelangen wollte, um angeblich der Märzgefallenen zu ge­denken, ein Zusammenstoß mit der Schutzpolizei ereignet hat. Sechs bis sieben Kommunisten wurden dabei durch Bajonettstiche verwundet. Auch gegen Teilnehmer des Festzuges mußte die Polizei einschreiten. So wurden etwa 50 Mitglieder des BundesOberland" aus Vayern Seitengewehre und Dolchmesser von der Polzei abgenommen.

Berlin, 12. Mai. In den chemischen Werken der Kunheim A.-G. in Berlin-Niederschöneweide brach in der Nacht zum Sonntag, wahr­scheinlich durch Unvorsichtigkeit eines Arbeiters, ein Feuer aus, das bald riesigen Umfang annahm. Erst nach achtstündiger Arbeit konnte die Berliner Feuerwehr und die Wehren aus allen Orten der Um­gebung den Vrand löschen. Die ganze Fabrik für Ammoniksalze, das umfangreichste Gebäude der ganzen Anlagen, ist vollständig niedergebrannt. Die Fabrikation von Ammoniaksalzen, eines der Hauptgebiete der Kunheimwerke, ist auf längere Zeit unterbunden. Der übrige Betrieb wird fortgefllhrt.

Berlin, 12. Mai. Die Einberufung des Reichstages dürfte, wie nunmehr den Blättern zufolge mit ziemlicher Sicherheit ange­nommen werden kann, für Dienstag, den 27. Mai erfolgen. Die Vorstände der alten Reichstagsfraktioncn treffen bereits die Vorbe­reitungen zu den ersten Fraktionssitzungen. Am 14. Mai wird als erste Fraktion die der Deutschen Bolkspartei zusammentreten, der am 20. Mai die Deutschnationalen folgen werden. Als Alterspräsi­dent, dem in einer neuen Wahlperiode die Eröffnung des Reichstags obliegt, dürfte der 79 Jahre alte sozialdemokratische Abgeordnete Beck-Gotha in Frage kommen.

Berlin, 12. Mai. Nachdem die Verhandlungen der Parteien im Ruhrkohlenbergbau über den Manteltarif am 9. uud 12. Mai in Essen zu keinem Ergebnis geführt haben, hat der Reichsarbeits­minister die Vertreter der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer des Ruhrbergbaues auf den 14. Mai zu Schlichtungsverhandlungen nach Berlin eingeladen. Diesen Verhandlungen soll eine Besprechung beim Reichskanzler vorausgehen.

Berlin, 12. Mai. Der Berliner Börsenmakler Viktor Reimer hat heute vormittag versucht, sich mit Verronal zu vergiften. Die Veranlassung zu dem Selbstmordversuch sind große Börscnverluste.

Königsberg, 12. Mai. Wie dieKönigsberger Allgemeine Zeitung" berichtet, brachte am Sonntag nachmittag auf dem Szeß- See bei Sensburg eine Böe ein mit acht Personen besetztes Segel­boot zum Kentern. Von den Insassen sind fünf ertrunken.

Prag, 12. Mai. Die Bergarbeiter der Tschecho-Sloivakei haben sich in einer Entschließung mit den Bergarbeitern Deutschlands in deren Kampf um den 8-Stundentag solidarisch erklärt. Sie seien entschlossen, die deutschen Bergarbeiter mit allen geeigneten Mitteln zu unterstützen. Es sollen unverzüglich alle Vorkehrungen getroffen werden, die jede vermehrte Ausfuhr von Kohlen und Koks nach Deutschland verhindern. Während der Dauer des Kampfes im Ruhr­gebiet soll jede Mehrarbeit abgelehnt werden.

Basel, 12. Mai. Der französische Franken setzte auch während des heutigen Tages seine Ende der vergangenen Woche begonnene Abwärtwärtsbewegung fort. Während er heute früh mit 34,10 Franken seine Notierung begann, sank er infolge des Wahlergebnisses in den Mittagsstunden bis auf 31,90, zog aber in den späten Nachmittags­stunden wieder bis 32,25 an.

London, 12. Mai. Der diplomatische Berichterstatter desDaily Telegraph" schreibt, es sei nicht Aufgabe Hergts und seiner Kollegen, Schwierigkeiten und Verzögerungen bei der Durchführung des Dawes- planes zu verursachen. Wenn andere Länder dies tun sollten, so könne zweifellos dem Deutschen Reich das Recht, daraus zu erwidern, nicht abgesprochen werden. Wenn aber irgend eine deutsche Regie­rung einen derartigen Schritt unternehmen würde, so hätte sich Deutschland in den Augen der öffentlichen Meinung der Welt von Neuem ins Unrecht gesetzt. Diese Ansicht werde in britischen Kreisen nachdrücklich vertreten.

London, 12. Mai. Einer Blättermeldung aus Konstantinopel zufolge besagt ein Telegramm aus Messina, daß an der syrischen Grenze Kämpfe ausgebrochen sind, und bei dem letzten Treffen in der Nähe von Itmanmikeny (?) hätten die Franzosen 120 Mann an Toten und Verwundeten verloren.

London, 12. Mai. Nach einer Reutermeldung aus Tokio über die Wahlen wird sich die Regierung in der Minderheit befinden. Die Niederlage der Regierung bedeutet zugleich eine Niederlage Frankreichs, dem sich die letzte japanische Regierung mehr und mehr zugeneigt hatte.

Kopenhagen, 12. Mai. Hier ist ein französisches Geschwader von vier Torpedobooten eingetrosfen, das während der nächsten 6 Wochen Uebungcn in der Ostsee abhaltcn wird. Wie aus Libau ge­meldet wird, wird dort für den 20. Mai gleichfalls ein französisches Geschwader von vier Zerstörern erwartet. Es dürfte sich wohl in beiden Fällen um dieselbe Flottenformation handeln. Allem Anschein nach ist der Zweck, die dieser französische Ausflug nach der Ostsee hat, eine recht deutliche Demonstration gegen Rußland.

Newyork, 13. Mai. Der Kurs des französischen Franken an der Vörse erfuhr einen weiteren Rückgang. Er notierte 5,78 Cents.

166 deutsche Schule« als französische Kaserne».

Vor mehreren Monaten hatte ein sogenanntes franko-ame- rikanisches Komitee in Paris eine Propagandaschrift veröffent­licht, in der behauptet wurde, die deutschen Angaben, daß die französische Besatzungsarmee von den Schulen im Ruhrgebiet Besitz ergriffen und die Kinder auf die Straße gesetzt habe seien unwahr. Das französische Kommando habe sich beeilt, sobald andere Gebäude verfügbar wurden, die Schulen wieder zu räu­men. Demgegenüber verdienen die amtlichen Feststellungen der vierten Denkschrift über die Besatzungskosten Beachtung,

auS denen sich ergibt, daß allein im preußischen SanktionS- gebiet Ende November 1923 166 Schulgebäude und eine Schul­baracke mit 1698 Schulräumen vollständig, ferner in teilweise beschlagnahmten 32 Schulgebäuden 126 Schulräume belegt wa­ren und daß rund 50 000 deutsche Schulkinder von den Be­schlagnahmen betroffen worden sind.

Ruck nach links in Frankreich.

Paris, 12. Mai. Die französischen Kammerwahlen, die gestern stattsanden, haben, soweit dies sich aus den bisher vor­liegenden, noch unvollständigen Wahlergebnissen ersehen läßt, offenbar Mt einem staren Ruck nach links geendet. Während die bisherigeKammer des Nationalen Blocks", die aus den Wahlen vom 16. November 1919 hervorgegangen war, sich zu­sammensetzte aus 30 Mitgliedern der Rechten, 186 Mitgliedern der Republikanischen Entente (Arago-Partei), 65 Linksrepubli- kanern, 99 Mitglieder der demokratisch-republikanischen Linken, 45 Mitglieder är republikanischen und sozialen Aktion, 86 Ra­dikale und Radikalsoziale, 28 soziale Republikaner und 68 So­zialdemokraten und 19 Parteilosen, wird die^ neue Kammer voraussichtlich eine wesentliche Aenderung in ihrer Zusammen­setzung erfahren. Für Deutschland taucht angesichts des Aus­falls der französischen Wahlen naturgemäß als erstes die Frage auf nach dem: Was nun? Wird Poincare blechen oder wird er gehen? Und wer wird folgen? Poincares Stellung hat offen­bar durch das Wahlergebnis eine schwere Erschütterung er­fahren. Aber trotzdem wird man gut tun, nicht allzu große Erwartungen an den Linksabmarsch in Frankreich zu knüpfen. Wenn Poincare jetzt in der Minderheit bleibt, wenn ihm jetzt möglicherweise ein Kabinett der Linken folgt, dann ist dies zu einem guten Teil der Unzufriedenheit mit der inneren Ent­wicklung in Frankreich, mit dem Sturz des Franken, der Teu­erung und der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Volkes zuzuschreiben. Die außenpolitische Einstellung deS Landes dürste dadurch keine allzu wesentliche Aenderung er­fahren.

Der überraschende Erfolg der Radikalen und der soziali­stischen Linken erklärt sich vor allem durch die Schwächung, welche der republikanische nationale Block von 1919 erfahren hat, da sich diesmal in vielen Wahlkreisen rechtes und linke- Zentrum bekämpfte, anstatt wie 1919 gemeinsam gegen die Linke Front zu machen. Der Mißerfolg der Mittelparteien und der äußersten Rechten ist ferner dadurch zu erklären, daß diese Parteien bei ihrem ängstlichen Versteckspiel eine zündende Wahlparole fehlen ließen, während die Linke bei den Massen starken Anklang fand, indem sie die bisherige Mehrheit für die Teuerung verantwortlich machte. Die Fragen der Außenpoli­tik sind bei den gestrigen Wahlen stark zurückgetreten, lieber die voraussichtliche Rückwirkung des Wahlausfalls auf die Zu­sammensetzung der Regierung und die künftige Außenpolitik Frankreichs äußert man sich hier einstweilen sehr zurückhal­tend. Man scheint den Rücktritt Poincares für unvermeidlich zu halten und rechnet minder Möglichkeit eines Kabinette- Briands und Herriots. Es verlautet, daß Millerand vom Amt des Präsidenten der Republik zurücktreten wird, weil de, Wahlausfall einer Ablehnung der von ihm empfohlenen in­neren Politik gleichkommt. Eine Bestätigung der angeblichen Rücktrittsabsichten Millerands liegt bis jetzt noch nicht vor.

Paris, 12. Mai. Um 6 Uhr abends sind sämtliche Wahl- resultate bekannt mit Ausnahme von S Sitzen in den Kolonie» und Mt dem unbestimmten Sitz im Departement du Nord. ES sind gewählt: Konservative 11, Republikaner (Nationaler Block) 137, Linksrepublikaner 82, Unabhängige Radikale 84, Radikale und Radikalsozialisten 127, Sozialistische Republikaner 89, Vereinigte Sozialisten 109, Kommunisten 29, Stichwahlen 4. Die Gewinne und Verluste stellen sich wie folgt: Konservative Gewinn 2, Verlust 17; Republikaner (Nationaler Block) Ge­winn 24, Verlust 88; Linksrepublikaner Gewinn 17, Verlust 77; dissidierende Radikale Gewinn 9, Verlust 23; Radikale und Radikalsozialisten Gewinn 66, Verlust 16; sozialistische Repu­blikaner Gewinn 15, Verlust 16; Sozialisten Gewinn 58, Ver­lust Io; Kommunisten Gewinn 24, Verlust 7. Unter dem Be­griffRepublikaner", der bei den einzelnen Statisken anftritt, sin- alle Gruppen, die rechts von den Linksrepublikanern ste­hen, gemeint, mit Ausnahme der äußersten Rechten, die als Konservative bezeichnet werden. Unter die Konservativen wer­den auch die Anhänger der Aktion francaise gezählt.

Entscheidender Ministerrat in Paris.

Paris, 12. Mai. Ministerpräsident Poincare kehrte henke abend aus dem Maasdepartement zurück. Morgen vormittag wird im Elysee unter dem Vorsitz des Präsidenten der Repu­blik ein Ministerrat zusammentreten.

Der Widerhall in der französischen Presse.

Paris, 12. Mai. Im linksradikalenOeuvre" schreibt Ro­bert de Jouvenel, die Regierung, die aus die Feinde der Re­publik gelacht hätte, habe die Partie verloren. Sie habe jetzt nur noch die Konsequenzen aus der Lage zu ziehen die sie ge­wollt habe. Zuerst aber müsse der Präsident der Republik ge­hen, der vor vier Jahren der Gründer des jetzt zusammenge­brochenen nationalen Blocks gewesen sei und der ohne Unter­laß seine Neigung für eine Partei bekundet habe, die Frank­reich mit einem Fußtritt fortschickt. Der Bruch sei da zwischen dem Land und den Männern, die fünf Jahre lang den An­spruch gemacht hätten, es zu regieren. Es lebe die Republik! Es lebe der Friede! Es lebe Frankreich! Der sozialistische Populaire" stellt fest, aus den zuletzt vorliegenden Informa­tionen gehe unstreitig hervor, daß das Land das eklatanteste Verdammungsurteil über die Politik des nationalen Blocks ge­fällt habe. Während Blätter wie derFigaro" und derGau- lois" in ihren Sonderausgaben von heute vormittag erklären, man müsse abwarten, bis man ein Urteil über das Ergebnis der Wahlen fällen könne, schreibt derExcelsior", die Resultate, die im Ministerium des Innern angekommen seien, brächten eine Linksorientierung klar zum Ausdruck und schon jetzt sei es sicher, daß die Parteien der Mitte eine ziemlich gleiche Zahl von Sitzen zu Gunsten der Radikalen Sozialisten und der So­zialisten verlieren. Auch der Poincare günstig gesinnteKomme Libre" gibt zu, daß das Ergebnis eine starke Schwenkung nach links bedeute. Das allgemeine Stimmrecht habe die vorsint­flutliche Schöpfung, die man Nationalen Block nenne, den Ue- berrest einer Aera der Verblendung und des Irrtums beseiti­gen wollen, deren sichtbarste Ergebnisse die Teuerung, die Po­litische Verwirrung und eine allgemeine große Krisenstimmung gewesen seien.

Eine Wahlniederlage Poincares.

London, 12. Mai. Wie Reuter erfährt, wird wegen der Wahlniederlage Poincares die Zusammenkunft mit Macdo­nald wahrscheinlich aufgegeben.

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