^ 93
8V. -ohrM»
Amts- rmd Anzeigeölatt für den ZLezirk Gatw.
<krschrtÄU«s<itage: DirnZtcrg, Dsttnertrag, LamS- raL. Aonnras. Znsrrtwn<prrtr 1ü Pfg. pro Zeile für Stadt und VrKtrksone; außer Veztrt 12 Pfg.
Donnerstag, Len 15. Juni 1905.
ilbonnementtpr.ind. Stadt pr.Mertelj. Mk.I.IOtncl.Triifferl. BierteIjdhrI.Postd»»uaSpreiS ohne Bestellg. f. d. Orts- u. Nachbar- ortSverlehr 1 Mt., s. b. sonst. Bertehr MI. 1.16, Bestellgeld 20 Pfg.
Taaesneaiakeiten.
8V. Calw, 13. Juni. Am gestrigen Pfingstmontag waren diejenigen Mitglieder des hiesigen Schwarzwaldvereins, welche sich mit der Wegmarkierung befassen, wieder den ganzen Tag an der Arbeit. Sie hatten die Aufgabe, den Eimmersfelder Weg, soweit er in unfern Bezirk fällt, mit Wegtafeln und Markierungsplättchsn zu versehen. ES ist das ein sogenannter Verbindungsweg, der vom Ostweg, dem Hauptweg, beim Felsenmeer bei Obeikollbach abzweigt und bei Glömbach wieder in denselben einmündet. Er führt über Oberreichenbach, Würzbach, Agenbach, Felsenmeer, Hofftett, Oberweiler und Stmmersfcld und ist nun mit dem roten Zickzack vollständig markiert. Wir haben hier den richtigen Höhenweg, der dem wanderlustigen Publikum reiche Genüsse bietet und sicher auch fleißige Benützung finden wird.
8V. Calw. Am Sonntag den 25. d. M. von nachmittags 1 Uhr ab wird von hier nach Liebenz ll die diesjährige Floßfahrt des Schwarzwaldvereins ausgeführt werden. Da hiezu 2 Flöße bestellt sind, können sich an ihr außer den Mitgliedern des Stuttgarter Bezirksvereins, die sehr zahlreich erscheinen werden, auch noch sämtliche ntchtwasserscheue Schwarzwaldvereinler unserer Gegend beteiligen. (Näheres folgt nächste Woche.)
Calw, 14. Juni. Gestern Abend >6 Uhr brach in Unterhaus st ett Feuer aus, wodurch das Anwesen des Martin Seeger sowie das des Mich. Rentschler, insgesamt 2 Haupt- und 3 Nebengebäude, ntederbrannten. Der Gebäudeschaden wird auf 20000, der Mobiliarschaden auf 18000 geschätzt. Der Brand entstand durch einen 6jähr. Knaben, welcher einen Reistghaufen am Haus an- gczündet hatte.
Calw, 14. Juni. Heute Mittag ereignete sich — wie wir vor Blattschluß erfahren — auf der Strecke Nagold—Emmingen ein Eisenbahn- ««fatt, der glücklicherweise keine zu schlimmen Folgen hatte. Der Güterzug, der von Nagold in Calw etwa um 12 Uhr eintrifft, entgleiste auf dem Bahnhof Emmingen. Die Lokomotive mit Tender und 4 Wagen wurden aus dem Gleis geworfen. Vom Personal ist niemand verletzt worden; der Materialschaden ist bedeutend.
Botnang, 13. Juni. Gestern nachmittag 4 Uhr hatte der verheiratete 29 Jahre alte Metallschleifer Eugen Müller einen Streit mit seiner Mutter. Eine dritte Person, welche die Mutter vor Tätlichkeiten schützen wollte, gab Müller einen wuchtigen Stoß auf die Brust, so daß er rücklings gegen das elterliche Haus stürzte und alsbald tot war.
Stuttgart, 13. Jnni. Der König und die Königin mit Gefolge haben sich heute vorm. 9 Uhr 35 zum Sommeraufenthalt nach Friedrichs- Hafen begeben. — Der König hat in der letzten Zeit auf der Hamburger Nachtwerft Max Oertz eine 10 Segellängen große Dacht erbauen lassen nnd ihr den der nordischen Sage entnommenen Namen „Sktdbladner" gegeben. Die Jacht wird nach Friedrichshofen befördert, um dauernd auf dem Bodensee zu bleiben.
Stuttgart, 13. Juni. Der württemb. Landesverein für Bienenzucht in Verbindung mit dem Retchsverein für Bienenzucht veranstaltet in Stuttgart vom 2.-7. September anläßlich seines 25jähr. Bestehens eine Ausstellung und Hauptversammlung unter dem Allerhöchsten Protektorat S. Majestät des Königs Wilh-lm II, woran sich Imker aller deutschen Bundesstaaten beteiligen können.
Bei den im Saale des Stadtgartens stattfindenden Verhandlungen werden von hervorragenden Imkern des engeren und weiteren Vaterlandes Vorträge über die neuesten Erscheinungen und Bestrebungen in der Bienenzucht gehalten werden. In der Besprechung ist jedem Teilnehmer gestattet seine Ansicht znm Ausdruck zu bringen. Die städtische Gewerbehalle ist zur Aufnahme der bienenwirtschaftlichen Ausstellungsgegenstände vorzüglich geeignet. In 5 Gruppen kommen zur Ausstellung: Stabil- und Mobilvölker, Weiselstöcke, Königinnen, Blenenwohn- ungen aller Systeme, Geräte, Produkte, Lehrmittel. Das Preisgericht besteht aus 8 einheimischen und 2 auswärtigen Imkern. Zum Zweck unparteiischer Beurteilung erhalten die Gegenstände eine Ausstellungsnummer, Name oder Firma des Ausstellers werden erst nach der Prämierung an den Gegenständen angebracht. Zur Verfügung stehen goldene und silberne Medaillen, Geld- und Ehrenpreise. Aussteller, die keinem der beiden Vereine angehören, können Diplome erhalten. Einzelaussteller, sowie die Veranstalter von Kollektivausstellungen haben sich zur Erlangung der Ausstellungsbedingungen und Anmeldescheine an Gem.-Rat Schäufeltn-Stuttgart, Reinsburgstraße 182, zu wenden. Die Vorbereitungen find in vollem Gange und lassen ein gutes Gelingen erhoffen.
Stuttgart, 13. Juni. Die älteste Einwohnerin Stuttgarts, Frau Charlotte Wechßler, geb. Breitschwerdt, Witwe des Begründers der Württ. FeuerverficherungSgesellschaft, vollendete am 8. Juni in nahezu vollkommener geistiger Frische ihr 102. Lebensjahr. Die greise Dame, die bei ihrer Tochter, Fra« Oberst von Faber lebt, durfte wieder zahlreiche Ehrungen aus Freundeskreisen erfahren.
Die schwarze Dame. -
Roman von Hans Wachenhusen.
(Fortsetzung.)
Er sei früher als sonst von Rom zurückgekehrt, sagte er, als gelte das nur ihr; die Kunstausstellung, in der er mit einem Bilde vertreten sei, habe ihn hierher geführt; er bitte um die Erlaubnis, die beiden Damen am nächsten Tage zur Eröffnung derselben einladen zu dürfen.
»Er war so erregt, er muß etwas Besonderes Vorhaben/ sagt« Frau Wallenihin, als er di« Zusage erhalten und sich so froh wieder entfernte. „Nur eins gefiel mir nicht, er blickte Zia immer so sonderbar lächelnd an. Aber sie steht ja unter meinem Schutze!"
Zia verbrachte die Nacht sehr unruh >g. Dagoberts Wesen war wirklich so sonderbar erregt gewesen; der Pfarrer hatte ihm offenbar Unrecht getan; der junge Mann hatte mit so frischem, warmem Interesse von seiner Heimat, dem südlichen Tirol, erzählt, die er diesmal wiedergesehen, von seinen Freunden in Rom, von der Lust, mit der er dort in seinem Studium gearbeitet. Sie erwachte mit demselben unruhigen Herzen. Frühzeitig kleidete sie sich an und in hoher Erregung schritt sie an Frau WallenthinS Seite der Ausstellung zu.
Dagobert begrüßt« sie freudig an der Tür des Gebäudes. Ihnen voranschreitend drängte er sich durch dir Zuschauer, die sich in Meng« bereits in den Säle» vor den Bildern gesammelt hatten, und stand endlich vor einem Oelgemälde von mäßiger Größe, das schon die Aufmerksamkeit einer Truppe fesselte.
Er nahm Zia» Hand, ihr Raum schaffend und Frau WallenthinS hinter sich lassend, stand da» Mädchen alsbald überrascht vor dem Bilde, anfangs nur gebannt durch die Farbenpracht der Kostüme, dann langsam die einzelnen Gestatten
erfass nd. Plötzlich aber fuhr sie zusammen, hohe Glut überströmte ihr Antlitz; sie wandte sich erschreckt zurück, schloß die Augen und trat, beschämt da» Antlitz bergend, in den Hintergrund.
„Was hast du?" flüsterte Frau Willenthin, die kaum einen Blick auf das Bild zu tun vermochte. „Was ist dir geschehen?"
Sie schaute vorwurfsvoll auf Dagobert, der ebenfalls ziemlich überrascht des Mädchens seltsames Benehmen sah.
„Nichts! nichts! Sie sahen doch! Ich will fort! Wenn mich die Leute erkennen!" rief Zia verwirrt und plötzlich heftig erbleichend.
Frau Wallenthin drängte sich vor, sie sah auf dem Bilde eine italienische Karnevalsszene auf dem Lande, inmitten derselben, auf der Terrasse einer vornehmen Villa stehend, ein halb erwachsenes Mädchen mit dem lieblichsten Gesicht, im Kostüme einer Flora, wie eS mit glücklichem Engelklächeln den grotesk auS- schauenden Dorfkindern zu Füßen der Terrasse Blumen, Münzen und Konfetti zuwarf, während ein gebräunte», noch junges Weib, eine Bäuerin mit großen, goldenen Ohrgehängen, seitwärts dastehend, dem Jubel der maSkirten Kinder zuschaute.
Und in diesem Mädchen erkannte sie zu ihrer Ueberraschung Zia» Antlitz, wunderbar getroffen, wie eS so grell gegen die fast olivbraunen Gesichter der Kinder abstach.
Im ersten Moment deS Erschrecken» wollte auch sie böse sein; sie erriet, daß Dagobert der Schöpfer de» Bilde» sei, «nd suchte ihn, um ihm zu sagen: Warum taten sie das? Aber sie sah, mit welchen Beifall di« Uebrigm da» Bild anschauten, wie die Damen umher sich über da» liebliche Mädchengeficht freuten, und sie war versöhnt.
Sie suchte Zia «nd fand diese im Hintergründe de« angrenzenden Raume»