92. Amts-
Md AuzsigeßlaLi für den Aszirk Gaüv. 80. Jahrgang.
-erschitnungetage; Lienetag. Donnerstag, Samstag, Sonntag. Jnsrrttonspre!« tÜ Pfg. pro Zeile für Stadt Kd« Sqir!»ort«; autzer B«»tri ir Pfg.
Dienstag, dr« 13. Zirm 1905.
! Abonnementlpr. inb. Stadt pr.Biertelj. Mk. I.ioincl.LrSgerl.
! Merteijührl. Postbezugspreis ohne Bestellg. f. d. Orts- u. Nachbar- > ortsverlehr 1 MI-, f. d. sonst. Berkehr Mk.l.iO, Bestellgeld 20 Psg.
MMche WMrmtnrachrmge«.
Bekanntmachung.
Mannschaften, welche zum Dienst in Südwestafrika bereit find, können sich bis spätestens 18, v. Mts. melden.
Calw, 13. Juni 1908.
Bezirkskomruanvo Calw.
TagesKMiakettsst.
Aichelberg, 10. Juni. Bei dem vorgestern hier und am 7. d. Mts. in Agenbach Forstamts Hofftest, aus den Staatswaldungen Frohn- wald, Bergwald nnd Schindelhardt abgehaltenen Br ennholzverkauf wurde für 1 Rm. buchene Scheiter bis 8.30 für 1 Rm. buchene Prügel, 5.80—6 50 für 1 Rm. buchener Anbruch
4 bis 7.10 , für 1 Rm. forchsue Prügel
5 bis 6 60 für 1 Rm. forchene Scheiter 6.70 ^., für 1 Rm. tann. Scheiter 6.50 bis 7 für 1 Rm. tann. Roller 8 50 bis 9
für 1 Rm. taanene Prügel 5.20—7.20 für 1 Rm. tann. Anbruch 4 bis 5.90 für 1 Rm. eichen Anbruchholz 4 erlöst.
Nagold, 12. Juni. Der 16jährtge Bisr- brauerlehrling Edinger hat in Rohrdorf junge Mädchen in die Scheune gelockt und sich mit ihnen vergangen. Die Mutter eines der Mädchen kam dazu und machte rasch ein „schlagendes" Ende. Der Unhold ist j tzt in Haft.
Stuttgart, 10. Juni. Heute Vormittag V-10 Uhr stattete Se. Maj. der König nnd die Königin der nunmehr vollständig restaurierten Hospitalkirche einen '/-ständigen Besuch ab. Sie
wurden von den drei Geistlichen dieser Kirche Stadtdekan Kscser, Stadtpfarrer Kopp und Stadlpfarrer Ganger sowie von dem gesamten Kirchengemeinderat am Portal empfangen und durch die Kirche geleitet. Die Majestäten sprachen über die innere Ausschmückung der Kirche ihre volle Anerkennung aus.
Stuttgart, 10. Juni. (Lebensmittelmarkt.) Auf dem heutigen Engrosmarkt waren 400 Körbe mit Kirschen zugeführt. Preis 16 bis 25 das Pfund, im Einzelverkauf um 5—10 A teurer. Prestlinge kosteten 40—60 das Pfund. Auf dem Gemüsemarkt verkaufte man Untertürk- heimer Spargeln zu 50—70 A den Bund, Elsäßer Spargeln zu 40 ^ das Pfund, Blumenkohl zu 25—50 A, Kohlrabi zu 5—6 A Gurken zu 20—30 A, Kopfsalat zu 4—6 A Rettiche zu 4—6 A das Stück, ital. Bohnen zu 25—30 A hies. Bohnen zu 90 A, Brock-lerbssn zu 15—20 A das Pfd. Auf dem Wildbret- und Geflügelmarkt kostete 1 Pfd. Rehschlegel 1.20 1 Pfd. Rehzismer 1.30 1 Gans
4.50-4.80 1 Hahn 1.40.-1.70 Auf dem
Viktualienmarkt kostete saure Butter 1.05 süße Butter 1.20—1.25 1 Ei 6 A 1 Pfund alte
Kartoffeln 5—6 F
Cannstatt, 10. Juni. Auf schmerzliche Weise hat eine hiesige Kaufmannsfamilie vor einigen Tagen ein Kind verloren. Die Mutter haste dasselbe in ein Wägelchen zum Schlafen gelegt, und als sie später nach ihm sah, lag es erstickt auf dem Gesicht.
Reutlingen, 12. Juni. Am SamStag Abend ist durch den Zug der Gönninger Nebenbahn bei Gomaringen ein Holzfuhrwerk von Hinterweiler überfahren worden. Ein Pferd wurde getötet, das andere und der Wagen beschädigt. Dis beiden
jungen Fuhrleute wurden auf die Sette geschleudert und dadurch gerettet.
Eßlingen, 12. Juni. Gestern früh zwischen 4 und 5 Uhr, als ein hiesiger Fuhrmann Wagen und Pferd vor einer Wirtschaft flehen ließ, wurde ihm das gesamte Fuhrwerk von einem ca. 28 Jahre alten Stromer von hier weggeführt. Dasselbe konnte erst gegen Abend in Cannstatt aufgegriffen werden. Der Täter wurde festgenommen.
Wolf egg, 12. Juni. Heute nachmittag 3 Uhr ging ein schweres Gewitter über unsere Fluren. Zwei auf Weiden befindliche Kühe wurden vom Blitz getroffen und waren sofort tot. Zum Glück war das Gewitter nicht von Hagel begleitet und der ausgiebige Regen kam unseren Fluren sehr erwünscht. _
Berlin, 10. Juni. Im großen Saale des Gewerkschaftshauses begann heute unter zahlreicher Beteiligung von Delegierten aus allen Bergbaubezirken des Reiches die 16. Generalversammlung des deutschen Bergarbeiterverbandes. Der Vorsitzende, Reichstagsabgeordneter Sachse, eröffnest die Tagung mit einer längeren Ansprache, in der er die Lage der Bergarbeiter besprach und die im Landtage angenommene Berggesetznovelle einer scharfen Kritik unterzog.
— Im „Reichs-Anzeiger" veröffentlicht der Kronprinz folgende Dankes-Kundgebung: Aus Anlaß unserer Vermählung find uns aus allen Teilen des deutschen Vaterlandes und aus allen Kreisen der Bevölkerung eine Fülle herzlicher Glückwünsche dargebracht worden. Dieselben haben uns wahrhaft erfreut und danken wir hiermit aufrichtig allen denen, welche unserer so freudig gedacht haben.
Dis schweige Dcrrne.
Roman von Hans Wachenhusen.
„Er hat etwas sehr Ausländisches!" sagten die Nachbarn von dem jungen Maler, der sich vor einigen Jahren in dem Atelier des Mansardenstockes eines der letzten Vorstadthäuser von Berlin mit Staffelet, Farbrkasten und einigen Leinwandrollen eingefunden hatte.
Weder Schild, noch Karte nannte an der Tür des Ateliers seinen Namen; man erfuhr nur, daß er Dagobert heiße — nur Dagobert, ohne Vornamen, wenn dies nicht eben fein Vorname war, den er als Künstler führte, und den hatten Leute aus der Straße, die sich viel im Innern der Stadt bewegten, schon unter den Lenden an einem Schaufenster mit recht vertrackter Schrift in der Ecke einiger flotter, kleiner Oelgemälde gelesen.
Di« Mädchen der Straß« kümmerten sich am meisten um ihn, denn er war ein hübscher Bursche, kaum zwanzig und einige Jahre alt, frisch, elastisch, von geschmeidiger Gestalt, keckem, etwas gebräuntem Antlitz, schwärmerisch braungelben Augen, dunklem gewelltem Haar und einer genialen, zugleich aristokratischen Haltung, obgleich er doch nur ein Maler war, der aus Welsch-Tirol hierher gekommen sein sollte, um seine Studien an der Akademie zu vollenden.
Er kam deS Morgens in sein Atelier, wenn ihm das Tageslicht günstig, blieb Wochen lang aus, wenn ihm Licht und Lust fehlten, zog im Herbst mit den Schwalben fort und erschien erst im Frühjahr wieder. Besuche empfing er nur in seiner Wohnung im Inner» der Stadt, dir Niemand kannte. Hier draußen fragte Niemand nach ihm; die Nachbarn aber wollten ihm auf den Promenaden in vornehmer Gesellschaft begegnet sein und deshalb machte sich dir Ansicht geltend, er sei vermögend und habe eS nicht nötig. Mehr als den Nachbarn war er den
Bewohnern des klein-n Haus s ein Gegenstand der Neugier, der Witwe Wall-n- thin nämlich, die den ersten Stock, und dem emeritirten Pfarrer Brhrend, der als Witwer die obere Etage inne hatte und mit der erster«» im engsten freundschaftlichen Verkehr lebte.
Behrend hielt sich für einen Menschenkenner und er hatte den jungen Mann in der Stadt mit jungen L:uten zusammen gesehen, die ihm nicht die besten Sitten zu haben schienen und warnte Frau Wallenthin, denn er wollte bemerkt haben, daß er Zia, wenn er ihr im Hause begegne, mit eigentümlicher Aufmerksamkeit betrachte, Zia sei zwar noch ein Kind, aber deshalb um so mehr zu hüten.
Das war für die Witwe Aufforderung genug, dem Maler von Anfang an Mißtrauen zu zeigen und lang« war ihm deshalb ihre Türe verschlossen geblieben, während er nach des Pfarrers Urteil ein Zigeunerleben führte, um das sich Niemand kümmern müsse. —
Aber Zia wuchs heran; sie war jetzt sechSzehn Jahre alt und beide, Frau Wallenthin und drr Pfarrer, wurden durch die Zeit und die Verhältnisse vor die Frage gestellt, was denn aus dem Mädchen werden solle.
Zia, oder eigentlich Lucia, war nämlich der ehrenwerten Witwe vor elf Jahren zur Erziehung übergeben worden. Sie war eine anmutige, schlanke Gestalt, freilich noch unfertig in ihrem Wüchse, ihr Gesicht war in seiner Färbung leicht angehaucht, wie von Sonnenschein, da» hellbraune Haar lockte sich über einer klaren, kecken Stirn, ihre braunen Augen schauten gern grübelnd und finnig, oft aber auch trotzig und unzufrieden über dem lebhaft geflügelten NäSchen, wenn sie sich allein wußte. Sie war karg und zurückhaltend im Umgang«, je älter sie wurde, und vermied nach und nach den Verkehr mit den bisherigen Gespielinnen, weil sie über sich selbst zu denken begann in der Urberzeugung,