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MSgdekammern. Er öffnete die Kammern mit falschen Schlüsseln und entwendete aus Kästen und Koffern, die er teilweise gewaltsam erbrach, bares Geld, Uhren, Ringe und andere Gegenstände. Unter Ausschluß mildernder Umstände erkannte die Strafkammer wegen 14 Verbrechen des schweren Diebstahls im Rückfalle auf 3 Jahre Zuchthaus und 5 Jahre Ehrverlust, unter Anrechnung eines Monats der erlittenen Untersuchungshaft. — Der 16jährige Kaufmannslehrling Reinhold App von Rottenburg, wohnhaft in Stuttgart, öffnete den Kaffenschrank seines Prinzipals mit einem zurechtgefeilten Schlüssel und entwendete daraus von September v. Js. bis anfangs April d. Js. nach und nach 1066 ^ Das gestohlene Geld verbrauchte er mit leichtfertigen Kameraden in Wirtshäusern und bei Ausflügen. Das Urteil lautete auf 6 Monate Gefängnis abzüglich 1 Monat Untersuchungshaft.
Bietigheim, 30. Mai. Als vergangene Nacht der Heilbronner Zug um 11" Uhr die hies. Station verlassen hatte, wurde kurz hinter der Station auf den Zug ein Schuß abgegeben. Die Kugel durchschlug ein Fenster, glücklicherweise ohne jemand zu treffen. Von dem Täter fehlt jede Spur.
Reutlingen. Von der Handwerkskammer erhalten wir folgende Auszüge ans dem Protokoll der Vorstandsfitzung vom 26. Mai. — Es liegen wieder mehrere Gesuche um Herabsetzung der Lehrzeit vor. Der Vorstand geht darauf zum voraus nicht ein. Auch wenn der Lehrling schon 18 Jahre oder noch älter ist, soll die Lehrzeit auf drei Jahre festgesetzt, jedoch in den Lehrvertrag der Satz ausgenommen werden: Der Lehrling wird am Schluffe des zweiten Jahres zur Gesellenprüfung zugeloffen; besteht er sie, so gilt die Lehrzeit als beendigt. — Nach einem Erlaß der K. Zentralst lle f. Gew. u. H. hat die badische Regierung die Verwaltungsbehörden, Gerichte und Notariate angewiesen, darauf Bedacht zu nehmen, daß Handwerker, welche zur Führung des Meistertitels nicht befugt find, im amtl. Verkehr, in amtl. Urkunden und Registern u. s. w. nicht als Meister bezeichnet werden. Die Stuttgarter Handwerkskammer hat angeregt, es möchte auch an die württ. B-Hörden eine ähnliche Anweisung erlassen werden, und die K. Zentralstelle verlangt Bericht darüber, ob di- Wahrnehmung gemacht worden ist, daß Verwaltungsbehörden und Gerichte Handwerkern unrichtiger Weise den Titel „Meister" beilegen und ob die Anregung der Stuttgarter Kammer unterstützt wird. Der Vorstand bejaht beide Fragen. — Der Reichstag hat die verbündeten Regierungen ersucht, die Herausgabe eines Handwerkerblattes nach Art des Reichsarbeitsblattes zu veranlassen; die K. Zentralstelle wünscht die Ansicht der Kammer über diese Anregung zu hören. Der Vorstand erachtet die reichsamtliche Herausgabe eines Handweikerblattes, das ebenso reichhaltig wie das Reichsarbeitsblatt ist, für ein ersprießliches und dankenswertes Unternehmen. — 6 Vereine erhalten als Beiträge zu den Kosten ihrer Buchführungskurse zusammen 95 und 5 Teilnehmer an einem genossenschaftlichen Unterrichtskurs der K. Zentralstelle in Stuttgart zusammen 120
Gmünd, 30. Mai. Das Dunkel über die 5. Brandstiftung im Hause der Flaschners Harsch in Alfdorf hat sich gelichtet. Die 11jährige T'ochter des Besitzers hat fich endlich als Täterin
bekannt. Sie hatte bereits eine weitere Brandstiftung vorbereitet.
Von der badischen Grenze, 29. Mai. Das 18jährige Dienstmädchen Maria Magdalena Göhringer des Gefangencnwärters Brückner in Wolfach wollte, von Uebelsein befallen, aus dem Medikamentcnschrank ihres Dienstherr« Magentropfen nehmen. Das übrigens vorschriftsmäßig etikettierte Fläschchen, aus dem es trank, enthielt jedoch Karbolsäure, so daß die Unvorsichtige trotz ärztlicher Hilfe starb.
Vom Fränkischen, 30. Mai. Ein rascher Tod ereilte den 19jährigen Schlosser Lauchhammer von Schopfloch. Durch Ueberanstrengung auf einer Radtour fiel er in der Nähe von Feuchtwangen von seinem Rade und war augenblicklich tot.
Petersburg, 30. Mai. Infolge der letzten russischen Niederlage herrscht hier eine ungeheure Erbitterung, die fich in der heftigsten Weise Luft macht. Wie von bestunterrichteier Seite mitgetetlt wird, hat die Verbrüderung der Propagandisten der Tat das Todesurteil gegen den Großfürsten Alexis Alexandrowitsch bereits unterzeichnet. In später Nachtstunde habe eine Versammlung stattgefunden, in der beschlossen worden lein soll, die Strafe sofort an dem Großfürsten zu vollziehen. Es find bereits auch mehrere Verhaftungen vorgenommen worden, den Polizeiagenten ist es jedoch bisher nicht geglückt der Führer der Propagandisten habhaft zu werden. Die Polizei arbeitete die ganz« Nacht hindurch mit fieberhafter Anstrengung. Die umfassendsten Stcher- heitsmaßregeln sind getroffen worden.
Vom joMisch-mMm Krieg.
Petersburg. Nach Meldungen aus Wladiwostok find dort 4 Fahrzeuge de» russische« Geschwaders, sowie 1 Torpedojäger ei«- gelrosse« Auf letzterem soll fich angeblich Rosch- djetweusky befinden, der durch Graualspiitler tätlich verwundet ist. Der Zar wurde durch direktes Telegramm über den Umfang der Niederlage informiert. Die Aufregung in der Stadt über die Niederlage ist eine unbeschreibliche. Es finden Manifestationen statt zur Niederlegung des Kriegs. Allgemeine Ueberraschung hat hier erregt, daß Admiral Nebogatow sich mit 30V« «a«« übergebe« habe.
Petersburg, 30. Mai. Eine Depesche aus Wladiwostok, wo vier Schiffe von der russischen Flotte eingetroffen find, ist an die Admiralität gelangt und wird geheim gehalten. Man sagt jedoch, sie enthalte die trostlosesten Nachrichten. Wie ein Gewährsmann versichert, enthielten die Meldungen Beweise dafür, daß die Offiziere zumeist kaum vorbereitet zum Seedienst und unfähig gewesen seien, ihre Schiffe und ihr eigenes sowie das Leben ihrer Mannschaften zu verteidigen. Die Signale des Admirals wurden falsch verstanden und ausgeführt, und die Matrosen, unfähig zum Dienst, warfen fich entsetzt ins Wasser.
London, 30. Mai. Die letzten Meldungen aus Tokio berichten, daß die Mannschaften der gesunkenen russischen Schiffe sämtlich den Tod in den Wellen fanden. Im ganzen gingen ungefähr 4700 russische Offiziere und Matrosen mit den Kriegsschiffen unter.
- London, 30. Mai. Wie der „Daily Mail" aus Washington gemeldet wird, hat das Marinedepartement ein Telegramm aus Tokio erhalten, wonach das Flaggschiff Rosch- djestwenskys, „Fürst Suworoff", mit dem Admiral an Bord gesunken sei.
London, 30. Mai. Aus Tokio wird heute früh gemeldet: Die Stimmung hier ist unbeschreiblich. Wohl wurde ein Steg über Roschdjeswensky erhofft aber man fürchtete, daß er große Opfer kosten würde! Die Leichtigkeit des Sieges kommt daher völlig unerwartet. Bisher find 2223 russische Gefangene in Sasebo eingebracht worden.
London, 30. Mai. Ein in der City gestern eingegangenes Telegramm aus Japan bestätigt RoschdjeSwenskys Niederlage in ganzem Umfange und fügt hinzu, daß auf japanischer Seite drei Kreuzer gesunken und ein Dutzend Torpedobootzerstörer teils gesunken, teils kampfunfähig geworden sind.
Paris. Der „Temps" schreibt über die russischen Niederlage: „Ueber die Folgen dieses Schlags kann es keine zwei Meinungen geben. Nach dem Verlust seiner Flotte muß Rußland endgültig darauf verzichten, während des jetzigen Kriegs den Vorteil zur See wiederzugewinneu. Es ist ganz unmöglich, Port Arthur auf dem Seewege wiederzuerobern, und was auch Linewitsch erreichen mag, es besteht die Gewißheit, daß am Schluß des Feldzugs der statu« guo auts nicht hergestellt werden kann. Die russische Regierung erwog, daß die Flotte RoschdjeSwenskys für sie einen Trumpf bilde auf den sie nicht das Recht hatte, zu verzichten. Sie wollte, und dabei zeigte sie eine aller Achtung würdige Festigkeit, die letzte Karte ausspielen; und statt daß sie die Flotte zuiückhielt, um möglichst einen nicht ruinösen Frieden zu schließen, wollte fie den Kampf forisetzen und diese gewaltige Wette austragen, eine in 3 Monaten improvisierte Flotte bis in die chinesischen Gewässer zu bringen. Die öffentliche Meinung Frankreichs hätte diesem großartigen Plan die Bestätigung des Erfolges gewünscht. Heute kann fie nur einen Wunsch aussprechen, daß nämlich für unsere Verbündeten bald das Ende einer langen Prüfung herankomme, an der Frankreich moralisch und materiell teilnehmen muß."
Paris, 30. Mai. Wie der Londoner Korrespondent des „Mali»" berichtet, ist ihm von berufener japanischer Seite folgendes erklärt worden: Die Japaner würden nunmehr Friedensbedingungen aufstellen, die vielleicht für Rußland demütigend seindürsten. Jedermann werde begreifen, daß Japan heute nicht mehr dieselbett Bedingungen stellen könnte wie vor 3 Monaten. Japan habe jetzt nicht mehr die Absicht, Rußland gegenüber großmütig zu sein. Je länger der Krieg dauere, desto härter würden die Friedensbedtngungen sei»; denn Rußland müsse für die Opfer Japans au Gut und Blut zahlen. Da man sich in Petersburg darüber nicht klar zu sein scheine und die russische Diplomatie die Bedingungen Japans nicht annehmen könne, ohne fich materiell und moralisch für vollständig besiegt zu erklären, so werde auch die Niederlage RoschdjeSwenskys den Frieden noch nicht herbeiführen.
Tokio, 29. Mai. Admiral Nebogatow uud 3000 Mann russische Seeleute befinden fich in
„Aber bedenken Sie," erwiederte ich, daß kaiserlicher Wunsch so gut wie Befehl ist, und ich vermute sogar, daß die Majestät Sie kennen lernen will — wichtig kann das für die Zukunft Ihres Gatten werden."
„Mag sein," sagte fie, „wenn es nur nicht in Moskau wäre vor so vielen Menschen. Glauben Sie nur, Oberst, mir ist's, als kämen wir nicht hin. Denken Sie, in voriger Nacht habe ich Tatania im Traum gesehen. Wo mag fie in diesem Augenblick sein? Warum kommt fie nicht — warum kommt fie nicht? Sie weiß ja, daß Papa ihr vergeben har!"
„Hoffentlich ist fie in Petersburg geblieben," erwiderte ich. Und gerade ihrethalben könnten Sie in Moskau tätig sein. Ich meine, ein Fürwort beim Kaiser für ihren Gatten; das wäre doch eine schöne Schwesterpsltcht."
„Sie haben recht!" rief fie uud ein Freudenstrahl blitzte in ihren schwermütigen Augen auf. „Ja, ja, ich muß nach Moskau, ich will das Möglichste versuchen, es ist ja meine heiligste Pflicht, ihr zu helfen. Sehen Sie, wie wunderbar; das wird nun ähnlich so, wie fie dachte vor so kurzer Zeit, als fie mich aus Smolensk erlösen wollte. Nun ist alles umgekehrt; wie wandelbar ist das Menschenleben. Aber bei uns wird fie nicht bleiben wollen, ich möchte eS auch nicht, schon Sherwood's halber; fie weiß ja nun Alles, Alles und im Traum sah fie böse aus. Es war, als wenn Schlangen aus ihren Haaren hervorzüngelten; ich weiß eS nicht mehr, ich bin vor Schrecken erwacht und konnte nicht wieder etnschlasen."
Daun versank sie wieder in apathisches Schweigen und ließ mich reden. Auf einmal zuckte fie wieder zusammen uud berührte meinen Arm.
„Sagen Sie doch, Oberst, meinen Sie, daß man hier nichts weiß von dem schrecklichen Geheimnis?"
„Wie sollte das möglich sein," erwiderte ich. „Mehr als ein halbes Jahr liegt nun dazwischen, und wenn auch, was läge daran? DeS Kaisers Gnade und Gunst deckt Alle- zu."
„Ich danke Ihnen," sagte fie. „Sie wollen mich beruhigen, aber glaube» Sie nm, fie All« wffn eS — Alle — Alle! Ich fühle eS an jedem Wort, an jedem Blick, jedem Lächeln, jedem Kompliment, am meisten in jedem Unterlassen von Fragen; sehen Sie, das ist's. Man müßte fich doch erkundigen, wie Alles gekommen, aber man tut es nicht, man weiß es schon — das ist's. Jeder Baum am Wege, jeder Z-gel auf dem Dach weiß es und Alle, die um unS find. Unv wie wird e» erst in Moskau sein? — Entsetzlich!"
Und wieder noch einer Weile:
„Aber nach Moskau muß ich doch — ja, eS will getragen sei», und ich will ja das Alles tragen, war der Himmel schickt. Viell-icht giebt mir Gott Blindheit und Geduld und Mut, der ganzen Welt zu widerstehen und aller Schande; wenn ich nur bei Sinnen bleibe, will ich schon fertig werde» mit mir. Mit JameS darf ich nicht reden davon, sonst spielt er mir Semen, wie gestern; und sonst habe ich ja Niemand mit dem ich mich aussprechen kann — eine schreckliche Zukunft. Nichtwohr, ich bin töricht, Oberst; zanken Sie nur mit mir und setzen Sie mir den Kopf zurecht. Ich finde mich nicht mehr, aber Sie haben recht. Der Kaiser muß mein Gewissen sein. Was er gut nennt, das mnß gut sein, und wäre es ein Verbrechen. Aber nötig ist eS ja nicht, daß man vor der Welt damit prahlt." (Forts, folgt)