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mich weiter zu bedeuten, sagte ich: »Herr General, so viel ich weiß, sind heute sechsunddreißig Offiziere zum Tode verurteilt worden.*
»So ist es,* erwidert« er. „Was willst du damit jagen?*
»Wenn mir Seine Majestät einen Dank erweisen will, so bitte ich, daß er mich wieder ehrlich mache vor der Welt.*
»Und wie kann das geschehen.*
»Dadurch, daß er mir das Leben dieser Verurteilten schenkt.*
Bei diesen Worten wandte sich der Kaiser rasch um, und ein durchbohren- Blick traf mich aus seinen Augen, die von Zorn funkelten. Dann ging er rasch fort, blieb aber im nächsten Zimmer.
General Diebitsch aber strich sich den Bart und runzelte die Stirn. »Mensch, eS scheint, du willst mit uns dasselbe Spiel treiben wie mit Exzellenz Arak- tschejef. Ich möchte dich warnen. Die Schuldigen sind nach dem Landesgesetz verurteilt, und die hohe Kommission kann nach so sorgfältiger Untersuchung nicht irren. Im Gegenteil, eL sind noch viele durchgeschlüpft, und dis meisten Anderen, die zur Verbannung verurteilt sind, legten sich aufs Leugnen. Der Kaiser ist höchst unzufrieden mit diesem Ausgang. Er wünscht ausdrücklich, daß die Untersuchung wieder ausgenommen und weiter geführt werde. Vieles würde erleichtert, wenn die Vergangenheit völlig klargestellt, bis zum französischen Kriege zurück. Dort fing das Unheil an. Kaiser Alexander hat mehr gewußt. Mo ist die Hauptliste geblieben?*
»Ich gab sie vor einem Jahr Seiner Majestät dem Kaiser; er hat sie verbrannt.*
»Wir hörten davon, aber man hat es nicht glauben wollen. Du aber könntest sie wieder Herstellen, wenn du wolltest.*
»DaS würde ich nie tun, auch wenn es nicht völlig unnütz wäre.*
»So wird man dich als Compl'cen behandeln. Hast du so große Sehnsucht nach Sibirien?*
»Das alle- steht bei der Gnade Seiner Majestät. Uebrigens würde mir Sibirien eine Wohltat sein.*
»Wie meinst du das?*
»Weil mir die Existenz in Rußland doch unmöglich gemacht wird.*
Der Kaiser war inzwischen wieder eingetretrn und stand in meiner Nähe. Offenbar hatte er alles gehört.
»Der Mensch weiß nicht, was er wünscht,* sag!« er zu Diebitsch. »In Sibirien würden sie ihn erschlagen als Denunzianten. Dort ist er noch weniger geschützt als hier."
„Majestät!* rief ich, „ein Denunziant war ich aber doch nur, weil es unvermeidlich, und weil es meine Pflicht gebot. Beim Militäraufstand haben sie sich all« selbst geliefert durch das vollbracht« Verbrechen. Seitdem war nichts mehr anzuzeigrn. Hätte man auf meine Warnungen gehört, hätte man die Mehrzahl abreisen lassen, als sie Urlaub verlangten, wäre Pest«! nicht verhaftet word.n mit zwölf Kommandanten, sie würden sich nicht verraten geglaubt haben, und der Aufstand wäre unterblieben — vielleicht und nach menschlichem Ermessen "
»Ich weiß schon,* sagte der Kaiser, »es war «ine Baisse des Grafen, der alles verdorben und nachher auch die Anderen; aber eS ist gut, daß eS so gekommen.* Dann trat er näher zu mir heran und musterte mich abermals.
»Mensch, wer bist du denn eigentlich? Erst denunzieren und dann warnen, erst preisgeben und dann protegiren. Warum das?*
»Warum das, Majestät? Weil ich als Ausländer anders über diese Vorgänge denke, weil ich zwar die Mittel verdamme, aber in den Wünschen und Plänen jener Unzufriedenen etwas Berechtigtes nicht verkennen kann, mit einem Wort weil ich als Engländer und als Sohn eines freien Staates bis zu einem gewissen Punkt ihr Gesinnungsgenosse bin."
»Was soll das heißen? rief der Kaiser mit drohendem Ton. Erkläre dich deutlicher!"
»Das würde ich nur wagen vor Eurer Majestät allein.
„Der Kaiser sah mich wieder eine Weile schweigend an, dann gab er dem General Diebitsch einen Wink, sich zu entfernen, mir aber befahl er, nunmehr frei zu reden."
„Ich weiß nicht, Herr Oberst, was für ein Geist plötzlich über mich kam. ES war mir, als wenn der Genius Rußlands und seiner Zukunft in diesem Augenblicke zu mir träte und mir die heilige Mission gäbe, diese bedeutungsvolle Stunde zu ergreifen, mir Worte auf die Zunge legte, die ich heute nimmermehr wiederholen könnte. Was mir davon geblieben, ist nur wie die Erinnerung an einen Traum. Keiner Menschenseele als Ihnen möchte ich das vertrauen; ich weiß, Sie allein verkennen mich nicht."
Und als ich ihn mit einigen Worten ermutigt, fuhr er fort:
„Ja, Majestät, sagte ich, der Himmel hat mir einen Augenblick vergönnt, der nie im Leben wiederkehrt. Und wenn ich mich um den Kopf rede, mag's sein. Jene Unglücklichen, die heute verurteilt sind, gehören zu der Blüte Ihres Adels, eS find die Besten, die Hochgebildetsten Ihres Reiches; von ihrer Schuld kann sie Niemand freisprechen wollen, und trotzdem wird man sie die Märtyrer einer großen Idee nennen, jener Freiheitsidee und Humanität, die den Völkern Europas die Fesseln gelöst hat und noch löst. Majestät, wenn Ihr Volk auch jetzt noch nicht reif ist, früher oder später wird die Stunde kommen, wo Sie selbst ihm die Ketten abnehmen möchten, auf daß Rußlands Völker ebenbürtig werden den anderen Nationen Europas —
(Fortsetzung folgt.)
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