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aufhaltender junger Herr, der auf eine Annonce, wonach Geld auf Lebensversicherungen geliehen wird, hereingefallen ist. Nachdem der Darleiher zuerst einen Vorschuß zur D.'ckang der Kosten ver­langte, begehrte er noch die Police, dis ihm der betr. Herr auch zusandte. Aber schon ein Monat ist verflossen und der jnnge Herr hat weder das gewünschte Kapital, noch seine Lebensversicherungs- Police zurückerhalten. Der beträchtliche Vorschuß ist selbstredend dahin. OL der Herr seine Police wiedererhält, dürfte ebenfalls fraglich sein, denn der Gauner ist zweifelsohne spurlos verschwunden.

Rottwetl, 4. Mat. Ir Ahldorf OA. Horb versuchte der verheiratete Bauer Adalbert Jung vorgestern sein Wohnhaus in Brand zu stecken, indem er das in der Scheune befiidliche Stroh anzündete. Zufällig vorbeigeheaden Personen gelang es, das Feuer zu löschen, eh; ein größerer Schaden entstand. Jang wurde als geisteskrank in die psychiatrische Klinik nach Tübingen verbracht. Auf abgefeimte Weise erschwindelte sich vorgestern ein etwa 20 Jahre alter unbekannter Bursche von einem Kaufmann in Thalheim OA. Tuttlingen den Betrag von 80 Der Schwindler, welcher sich für einen Bauern von Thalheim ausgab, telefonierte dorthin von Spatchingen aus, er habe eine Kuh gekauft, das Geld reiche ihm nicht zur Bezahlung des Kaufschillings, man möchte ihm den Fehlbetrag bei einem Spaichinger Kaufmann anweissn, was auch geschah. Nachdem der Barsche das Geld er­halten hatte, machte er sich voa dannen; obgleich es sich am gleichen Tage noch herausstellte, daß ein Betrug vorliegt, gelang es bis jetzt nicht, des Schwindlers habhaft zu werden.

Bückingen, 2. Mai. Heute nachmittag wurde auf dem hiesigen Friedhof der am letzten Sonntag abend bei der Rettung eines Ertrinkenden in Heilbronn ums Leben gekommene 30 Jahre alte Landwehrmann Karl Wilhelm Mai, Steinhausr von hier, unter militärischen Ehren zur Erde be­stattet. Der Führer der Landwehrkompagnie, Haupt­mann Walx, legte im Namen des Offizisrkorps einen Kranz am Grabe nieder. Im Namen der Stadt Heilbronn widmete Gemeinderat Rechtsanwalt Rosengart einen Kranz. Der Verstorbene hinterläßt eine Frau, ein Kind und eine alte Mutter. Der Kommandeur des 4. württ. Infanterieregiments widmete dem wackeren Mann einen ehrenvollen öffentlichen Nachruf.

Gmünd, 4. Mai. Der Polizeidiener Bittlingmaier vom benachbarten Straßdorf wurde lt. Gmünder Tagblatt heute früh zwischen V- und °/<9 Uhr auf dem Platze vor der Marien- sänke plötzlich vom Tode ereilt. Der betagte Mann, ein Siebziger, hatte 2 Zigeuner ans Oberamt ein­zuliefern. Da es diesen gefiel, eine rasche Gangart einzuhalten, strengte der greise Mann sich anscheinend über Kräfte an, um mit ihnen Schritt zu halten und brach an der erwähnten Stelle zusammen.

Waldsee, 3. Mai. In der Nacht vom 1. auf 2. Mai d. I brach in Haslach, Goe. Tann­hausen, in dem Anwesen des Bauern Anton Manch er ein Brand aus, welcher das Wohn- und Oekonomie- gebäude, sowie zwei weitere Gebäude, den Speicher und den Wazenschopf, vollständig zerstörte. Die Bewohner konnten nur das nackcs Leben retten; der Bcandbeschädigte selbst und sein 1'/« Jahre altes Kind trugen Brandwunden davon. Es ver­brannten 5 Pferde und ein Fohlen, sowie 24 Stück Vieh, 2 Schweins und 7 Hühner. Die Entstehung des Brandes ist bis jetzt nicht aufgeklärt; man ver­mutet, daß, da in dem Schopf häufig Stromer ohne Wissen der Bewohner nächtigen und das Feuer zweifelsohne im Schopf auskam, durch die Fahr­lässigkeit solcher Leute der Brand verursacht worden ist.

Vom Bodensee, 4. Mat. In erschreckend großer Zahl treten Heuer in der Bodenseegezend die Maikäfer auf. Der Schaden, den das Un­geziefer an den in schönster Blüte stehenden Obst­bäumen anrichtet, ist sehr bedeutend. Auch am Oberrhein ist die Maikäferplage groß. In schweiz. Rheinfelden werden von der Gemeinde 15 Rippen für das Liter bezahlt.

M-tz, 3. Mat. Der Kaiser trifft am Don­nerstag den 11. d. M. mit Sonderzug von Srraß- .burg in Saargemünd ein, macht auf Schloß Remel- fingen dem Reichtagsabgeordnetsn Jaunez einen Besuch und reist dann nach Metz weiter.

Im Reg.-Bezirk Oppeln sind während der ersten Aprilhälfte 407 Erkrankungen und 212 Todesfälle an Genickstarre vorgekommeu.

Berlin, 4. Mai. Aus Tokio meldet der Lok.-Anz.: Prinz Karl Anton von Hohenzolleru empfing von Kaiser Wilhelm den Befehl, ein Geschenk von 15 000 der Familie des Leutnants Sihbata zu überweisen, der die fremden Militäcattachss von Mukden nach Port Arthur führte und kurz darauf in einem Gefecht getötet wurde. Die japanisch- Presse bespricht diese Spende des Kaisers in sympathischer Weise.

Venedig, 4. Mai. Das Katserpaar reist heute Abend 7°/« Uhr mittelst eigenen Hof­zuges nach Karlsruhe weiter.

Venedig, 4. Mai. Bei seinem Besuch in der Kunstausstellung in Venedig hielt der deutsche Kaiser sich besonders lange in der deutschen Abteilung auf, die er als die beste und geschmackvollste der ganzen Ausstellung bezeichnete. Der Kaiser kaufte ein Aquarell von Bcugnolys und eine Marmorbüste des Neapolitaners Jerace. Das Frühstück nahm der Kaiser mit vier Herren seines Gefolges bei der Gräfin Morostni ein.

Warschau, 4. Mai. Von 10 Uhr morgens an verhinderte die Menge in der Marszalkowska- und Leschnostraße den Straßenbahn- und Dcoschen- Verkehr. Die Kutscher wurden verjagt, und die

sorguis geheimer Denunziation, selbst die festesten Bande aller Freundschaft wurden gelockM und zeriffen. Was mich betrifft, so war ich durch dis erzwungene Mit­teilung Sherwoods, in sine zweideutige Lage gebracht worden, denn der Verdacht, den sein geheimnisvolles Treiben allmählig erweckt hatte, übertrug sich auch auf mich. Indessen erwiesen sich meine Besorgnisse als völlig grundlos. Kaum einige Tage nach seiner Abreise erschienen wieder Gendarmen mit Kurierpferden und holten zwei Brüder Komorow aus unserem Ulanenregimente, gleich darauf traf zwei Brüder KrasnoßleSki dasselbe Los.

Gleichzeitig blieben jetzt alle Nachrichten aus St. Petersburg aus, und der optische Telegraph, der nach französischem Muster vor Kurzem eingeführt worden war, arbeitet« seit den winterlichen Schneestürmen schon längst nicht mehr. So waren wir vollends von aller W.-lt abgeschni tren.. Da plötzlich sollte der uner­wartete Schlag geschehen und zwar verhältnismäßig in nächster Nähe, während unsere Augen nach dem fernen Norden gerichtet waren.

In einer windstillen Nacht nämlich, rS war in den ersten Tagen deS Januars, raffelte plötzlich de« Generalmarsch durch die Gaffen unseres kleinen Städtchens, und die Trompeten der Kavallerie schmetterten zum Sammeln.

Sämtliche Truppen, die schon seit einem Monat marschbereit waren, eilten mit Sack und Pack auf den Platz vor der Kaserne.

Hier sahen wir bei Fackelschein einen fremden, hohen Offizier zu Pferde, der den B-fehl zum AuSmarsch gebracht hatte. Er war General Tscherbatoff, der Adjutant de» General Diebitsch, der nach dem Tode deS Kaisers Alexander« auf eigene Verantwortung die raschesten Maßregeln getroffen hatte.

Wie ein Alarmschuß wirkte jetzt die Kunde, daß in Petersburg bereit« vor einer Woche eine furchtbare Revolution zum Ausbruch gekommen sei und zwar bei der verlangten Eidesleistung am 26. Dezember. Der längst gefürchtete Militäraufstand war somit zur Wahrheit geworden.

Pferdebahnwagen gezwungen, in die Depots zurück­zukehren. Quer über die Straßen wurden Tele­graphenstangen geworfen, um den Verkehr zu ver­hindern. Kosaken, Gendarmen und Infanterie- Abteilungen zerstreuten die sich immer wieder ansammelnde Menge. Auf dem Brudno-Friedhofe wurden heute die 9 letzten Opfer der Krawalle von Montag beerdigt. In verschiedenen Stadtvierteln sind die Läden geschlossen.

Lodz, 4. Mai. Als gestern abend eine Volksmenge vor der Kceuzkirche patriotische Lieder anstimmte, gab eine Kosakenpatrouille eine Salve auf die Menge ab, durch die 7 Personen tödlich verwundet wurden. In der Kirche entstand eine furchtbare Panik, da mehrere Kugeln durch die offene Türe den Altar trafen. Als die Menge zerstreut war und ein Detektiv des Wegs kam, er­griffen ihn die Arbeiter und schlugen ihn halb tot. Aach heute werden hier Unruhen befürchtet.

Moskau, 4. Mat. Der Revieraufseher Afix-jew, der vorgestern von einer Volksmenge an­gegriffen wurde, welche bei seiner Verfolgung eine Restauration demolierte, hat sich gestern erschossen.

London, 4. Mai. Deutschland hat sämt­liche Mächte mit Ausschluß von England, Frank­reich und Spanien, die eigene Verträge bezüglich Marokko abgeschlossen haben, seine Stellung bezüglich Marokko notifiziert. Alle Mächte haben dem deutschen Gesichtspunkte mehr oder weniger zustimmeude Antworten erteilt. Namentlich hat Italien seine volle Zustimmung zu Deutschlands Standpunkt gegeben, der folgender ist: Alle Signatar­mächte erwarben durch den Madrider Vertrag gewisse Rechte und kein darauf folgender Vertrag zwischen zwei oder drei Mächten kann diese aufheben. Der Madrider Vertrag sichert die offene Tür in Marokko für alle Zeiten, während der englisch-französische sie auf 30 Jahre beschränkt. Da der deutsche Ge­schäftsträger in Tanger dem dortigen französischen Gesandten schon im vorigen November versicherte, daß die deutsche Regierung sich der französischen Politik in Marokko widersetzen würde, so können die Ereignisse in der Mandschurei nicht die deutsche Regierung beeinflußt haben.

Ae« WaM-nMe» Krie,.

Petersburg, 4. Mai. Wie verlautet, verlassen am nächsten Samstag mehrere gecharterte Transportschiffe den Hafen von Kronstadt mit dem Bestimmungsort Südamerika. Die Dampfer haben Kriegsmaterial sowie Munition an Bord und drei- bis vierfache Besatzung, welche dazu bestimmt ist, nach Chile und Argentinien zu gehen, um die dort bei Beginn des Krieges von Rußland gekauften Kriegsschiffe in Empfang zu nehmen.

Petersburg, 4. Mai. Das Blatt Ruß glaubt Mitteilen zu können, daß Marschall Oyama augenblicklich über 825000 Mann verfügt. Von

Vorwärts ging es nun durch Nicht und Sturm nach Norden; die Kwal- lerie voran, Ulanen, Dragoner, dann sechs Kompagnien Infanterie und einige leichte Feldartillerie. Es wurde beim Marsch wenig gesprochen, aber die Soldaten und Reiter zeigten einander den blutroten Kometen, der, seit einigen Wochen schon sichtbar, jetzt im Nordwesten siand und seine gewaltige Feuerrute bis zum Zenit hinauf spannte, ein grandioser, unvergeßlicher Anblick.

Weniger lautlos ging es im OjfizierkorpS zu, und mannigfache Fragen bewegten uns. Wenn wirklich jener Militäraufstand ausgebrochen wie hatte er geendet? War der Kaiser Sieger geblieben oder war er unterlegen? Und wenn er unterlegen, war er geflohen oder gefangen? Hüte daS Volk sich an­geschloffen oder untätig verhalten? Und dann sollten wir wirklich jetzt nach Petersburg marschieren? Eine Strecke von gegen tausend Werst, dazu braucht« es auch bei Eilmärschen mindestens einen halben Monat, und dann kamen wir jedenfalls zu spät.

Alle diese Fragen machten sich laut, aber sie fanden keine Antwort, auch al» wir am nächsten Tage bei TscherkaSk ein Bivouak bezogen und Tscherbatoff die Offiziere an seinem Lagerfeuer vereinte, erhielten wir keinen Aufschluß. Der General verhielt sich schweigsam und beobachtend. Mir schien eS, als ob er uns allein nicht recht traue.

So marschierten wir in Eilmärschen etwa vier bis fünf Tage, die Kavallerie immer einige Meilen voraus. Allmählig stießen noch andere Truppen zu uns, Infanterie von Kiew und Husaren von Mariupol, die unser« Macht auf zwölf Feldstücke erhöhten, immerhin eine Anzahl von viertausend Mann und neunhundert Pferden. Am fünften Tage tauchten seitwärts die Kuppeln und Türme von Belaja Tscherkow empor, als der Befehl kam zu halten und die Infanterie zu erwarten.

(Fortsetzung folgt.)