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Der Abg. Remb old-Gmünd stellte sich auf den Standpunkt, daß man zunächst abwarten müsse, ob die im Etat vorgesehene Vermehrung der Jnspektions- beamten soweit genüge, daß man jährlich jedes Gewerbe einmal revidieren kann; genüge diese Zahl nicht, so müsse eine weitere Vermehrung eintreten. Ganz entschieden sprach sich Rembold gegen die Uebertragung von polizeilicher Strafgewalt auf die JnspektionSbeamte aus, da sie dadurch das Ver­trauen der Unternehmer verlieren würden. Die Aufsicht sollte mit ebensoviel Energie als Takt und Ruhe den Schutz der Arbeiter fördern, wobei auch nicht übersehen werden dürfe, daß die Arbeitgeber sehr viel im Interesse der Arbeiter tun. Für den Etatsvorschlag sprachen dann auch noch die Abg. Schmidt-Maulbronn, Schickhardt, Hieber und Schmid- Befigheim, während der Abg. Keil nochmals für eine weitere Vermehrung der Jnspektionsbeamten etntrat. Minister v. Pischek betonte, daß die Zahl der revidierten Betriebe von 5663 im Jahr 1903 auf 10 984 im Jahr 1904 und die Zahl der Jn- spekttonsbeamten von 8 auf 14 gestiegen sei; die volle Wirkung dieser Vermehrung werde sich erst im Jahr 1906 erkennen lassen. Zu einem von dem Inspektor Hardegg hier gehaltenen sozialpolitischen Vortrag, der in der Presse zum Teil scharf kritisiert worden war, bemerkte heute Minister v. Pischek, daß er gegen die Vorträge der Inspektoren nichts eiuzuwenden habe, daß er andererseits aber auch nicht wünsche, daß die Inspektoren zu professionellen Wanderrednern über Sozialpolitik werden; dies könne nicht im Interesse einer ersprießlichen Tätigkeit der Inspektoren liegen. Auch der Minister wandte sich gegen Uebertragung polizeilicher Strafgewalt an die Inspektoren. Im Anschluß hieran wurde nach längerer Debatte eine Petition betr. staatliche Unterrichtskmse für Maschinisten und Heizer der 2. Regierung zur Erwägung überwiesen und ein Antrag Hildenbrands auf Berücksichtigung abgelehnt. Weiterhin wurde erledigt Kapitel 38 a, Fürsorge für die Arbeitsvermittlung und Kapitel 39, Unfall-, Invaliden- und Altersversicherung, sowie zum Schluß noch Kapitel 40, Straßenbau, das einen Aufwand von 3 890057 bezw. 3 896 405 erfordert. Eine Petition, betreffend die Pensionsberechtigung der Bauamtswerkmeister, Straßenmeister, Flußmeister und Geometer im Departement des Innern wurde der Regierung zur Berücksichtigung überwiesen.

Göppingen, 27. April. Ein zur Frage des Sub miss io ns Wesens bemerkenswerter Beschluß wurde bei der Vergebung von Kanalisationsarbeiten vom Gemeinderat gefaßt. Für die Ausführung des Kanals in der Davidstraße lagen zwei Angebote vor; das eine von einem htes. Zimmermeister ent­hielt ein Abgebot von 11'/-, das andere von einem hiesigen Werkmeister und einem Bauunternehmer gemeinschaftlich abgegebene ein Abgebot von 7'/,°/° Die Bauabteilung beantragte in Anbetracht des Umstandes, daß der MIndestfordernde ähnliche Ar­

beiten noch nicht ausgeführt hat, und die beiden andern Submittenten im Kanalbau genügende Er­fahrung besitzen, die Arbeit nicht dem Mindest- fordernden, sondern den beiden Bauunternehmern zu übertragen. Der Gemeinderat schloß sich diesem Antrag an, mit dem er von den sonst üblichen Grundsätzen bei der Vergebung städtischer Arbeiten abgewichen ist.

Ellwangen, 29. April. Auf Veranlassung des hies. Stadtschultheißenamts fanden vorgestern Probefahrten mit dem Automobil-Omnibus der Automobilgesellschaft m. b. H. Stuttgart statt, um die für die hies. Verhältnisse geeignete Wagen­type und Motorstärke festzustellen. Der Omnibus, welcher 16 Personen zu fassen vermag, fuhr um 10 Uhr morgens mit den Vertretern der Stadt­gemeinde und sonstigen Interessenten hier ab. Die Fahrt ging über Röhlingen-Zöbingen-Tannhausen- Pfahlheim und dann wieder über Röhlingen nach Ellwangen zurück. Nachmittags gegen V-5 Uhr wurde eine zweite Fahrt nach Adelmannsfelden ausgeführt, wo der Omnibus durch eine Musik- Kapelle empfangen wurde. Kurz vor 8 Uhr traf der Wagen wieder hier ein. Die solide und ge­diegene Konstruktion des Wagens, sowie der ruhige und sichere Gang desselben trotz der durch den Regen aufgeweichten Straßen fanden allgemeine Anerkennung. Die Probefahrten sollen fortgesetzt werden.

Künzelsau, 28. April. (Schweine- markt.) Zufuhr: 664 Milchschweine; niederster Preis 34 höchster Preis 56 je per Paar; 6 Läuferschweine, niederster Preis 72 höchster Preis 80 ^ je per Paar. Milchschweine 544, Läuferschweine 4 Stück verkauft.

Pforzheim, 1. Mai. Vorgestern abend brach in einem Stalle der Bürkle'schen Sägmühle im Würwtal Feuer aus, das die Scheuer, sowie große Vorräte zerschnittener Hölzer zerstörte. Der Schaden ist bedeutend. Die Ursache unbekannt.

Gelsenkirchen, 30. April. Das große Leibholzsche Warenhaus, in dem über hundert Personen beschäftigt sind, ist gestern nachmittag durch eine Feuersbrunst zerstört worden. Personen find nicht verletzt.

Leipzig, 29. April. Das Landgericht verurteilte den Buchhändler Brehmer aus Leipzig zu 8 Monaten Gefängnis. Er hatte eine Broschüre Louise und ihr sächsisches Volk" herausgegeben.

Wilhelmshaven, 29. April. Der DampferFrankfurt" mit den abgelösten Mannschaften aus Kiautschou, 850 Köpfe, Transportführer Major Gredner, ist gestern abend in Wilhelmshaven eingelaufen.

Pnris, 30. April. König Eduard von England ist gestern abend 9'/-Uhr von Marseille kommend hier eingetroffen. Auf seinen Wunsch

war -wkdeö ein Vertreter des Präsidenten Loubet noch des Ministers des Aeußern am Bahnhof an­wesend. Er wurde nur vom englischen Gesandten und dem Polizeipräfekten und mehreren hochstehenden englischen Persönlichkeiten empfangen. Der König begab sich sofort nach dem Hotel Bristol. Heute morgen besuchte er den Gottesdienst in der eng­lischen Kirche. Um 3 Uhr wird er dem Präsidenten Loubet einen Besuch abstatten.

London, 29. April. Der bekannte fran­zösische Arzt Dr. Doyen, welcher sich kürzlich durch die Versuche mit seinem Heilserum gegen den Krebs hervorgetan hat, beabsichtigt hier eine Klinik zu errichten, ähnlich derjenigen in Paris, zur ausschließlichen Behandlung von Krebskranken nach seiner Methode.

Petersburg, 29. April. Die unglaub­lichsten Gerüchte infolge der befürchteten Unruhen zirkulieren in der Stadt, sodaß General Trepow sich veranlaßt gesehen hat, durch Maueranschläge bekannt zu machen, daß seitens der Regierung alle Maßregeln zur Sicherheit der Bewohner getroffen worden seien. Trotz alledem verlassen noch immer zahlreiche Familien die Stadt, um sich nach dem Auslande oder auf das Land zu begebe». Alle Läden find geschlossen.

Ko« jopmW-nMen triez.

Petersburg, 29. April. Auf der Ad­miralität erklärt man, Admiral Roschdjeswensky werde sich auf kein Gefecht einlassen, bevor er sich nicht mit Nebogatow vereinigt habe. Man erwartet übrigens stündlich die Nachricht über die Vereinigung der beiden Geschwader.

London, 29. April. Nach Meldungen aus Batavia find dort 6 russische Kohlenschiffs ein­getroffen. Man will aus dieser Tatsache Schlüffe auf die Fahrtrichtung des Geschwaders Nebogatows ziehen. In Marine kreisen in Tokio glaubt man, das dritte baltische Geschwader werde sich südlich der Malcccastroße mit Roschdjeswensky vereinigen. Die Schiffe werden wahrscheinlich alle nötigen Vor­räte aufnehmen und die Transport- und Kohlenschiffe alsdann sich selbst überlassen. Die japanische Flotte beobachtet alle Dampfer.

London, 29. April.Central-News" meldet aus Tokio: Hier find aus glaubwürdiger Quelle Mitteilungen eingetroffen, wonach Roschdjeswensky am 27. ds. in der Nähe von Cochinchtna cirka 70 Meilen nördlich der Kamranhbucht gesehen wor­den sei.

London, 29. April. Nach einer Depesche der Morning Post aus Shanghai bestätigt sich die Vermutung, daß die russische Flotte an der Küste der Insel Hainan liegt und zwar in der Bucht von Leongsoi.

und Smolenik. Alle find sie gefangen, alle ohne Gnade und Erbarmen, Licharew, Sochatzkt, Jafimowitsch, JuschnefSki und Davidoff, wer nur zu uns gehalten hat; da wußte er, wie es stand, und er ließ sein Pferd satteln, um fortzureiten. Aber es war zu spät noch am selben Abend war das Haus umzingelt."

Es war so weit, wie ich angedeutet; eine allgemeine große Razzia durch ganz Rußland hatte begonnen, und wie hier, so überall. Blieb auch manches rätselhaft, so lag doch am Tage, daß sich die Regierung mit einem Schlage ermannt hatte. So lange der Kaiser lebte, zog man es vor, zu schonen, kaum war sein Auge geschlossen, so erhob der Terrorismus sein Haupt, eigentlich voreilig und unbesonnen, denn eine wirkliche Schtlderhebung hatte nirgends stattgefunden.

Damit tröstete ich die alte Frau, aber sie schüttelte den Kopf.Es ist gekommen, wie ich längst prophezeit habe, aber mein Sohn wollte nicht hören. Diese Hitzköpfe haben ihn verblendet, nun müssen die Verführte« büßen. Wen der Minister Araktschejef einmal gepackt hat, den läßt er nicht wieder los. Ja, wenn wir in anderen Staaten lebten, aber bei uns in Rußland ist strenges Regiment notwendig. Nun wendet es sich gegen meine eigene Familie. Es wird Zeit für mich, in die Grube zu steigen."

Und weiter sagte sie:Meinen Sohn verteidige ich nicht; er mag Schweres auf dem Gewissen haben, ich weiß es nicht. Aber sehen Sie sich vor, Herr Oberst, auch die Schuldlosen find in Gefahr. Der Verdacht hat tausend Augen. Da war ein Mensch hier, ein frommer, lieber Mensch, der die Mühle reparierte, ich weiß nicht mehr, wer ihn geschickt und wie er sich nannte, mein Gedächtnis ist schwach geworden, aber er hatte einen ausländischen Namen, ich meine» «inen englischen. Mit dem Menschen ist das Unglück eingezogen; jetzt weiß ich erst, warum er Tag und Nacht keine Ruhe Halle, überall und nirgends war, alle

Welt ausfragte und aller Welt schön tat, bi» er wußte, was er wollte. Ein Spion ist» gewesen, ein Denunziant, der uns alle ins Unglück gestürzt und so giebts Tausend! Sehen Sie sich vor, Herr Oberst. Leben Sie wohl, lebe» Sie wohl auf immer. Wir sehen un« nicht wieder auf Erden!"

Dann wankte sie auf ihrer Krücke fort und ließ mich stehen. Die Er­wähnung desselben Menschen, den ich hierher empfohlen hatte, trieb mir das Blut in d-n Kopf, und die Worte der Matrone klangen wie eine Anklage gegen mich selbst. Noch in selber Stund« setzte ich meine Reise nach Novomirgorod ohne weitere Unterbrechung fort.

So klar nun die Sachlage äußerlich schien, so verschleiert blieb sie in ihrem inneren Zusammenhang. Hatte Sherwood also doch nur den verworfenen Denunzianten gespielt, der sein ehrloses Wrrk mit täuschenden Vorspiegelungen bemäntelte? Warum jetzt auf einmal die Schleusen der Verfolgung öffnen und alle preisgeben ohne Ausnahme? Warum seinen eigenen Schwager in die Falle des Glücks locken, um ihn dann um so sicherer zu verderben? Und für diesen hatte ich mich interessiert, hatte ihn fördern wollen, mit unbegreiflicher Blindheit, getäuscht von seiner ritterlichen Pose, seiner ehrlichen Zuversicht. Wo mochte er jetzt sein, dieser Dämon von Mensch? Wahrscheinlich in Petersburg, um die Früchte seines Verrats einzuheimsen und die Schlingen seines Gewebes über Tausende von Unglücklichen zu ziehen.

Um so größer war meine Ueberraschung, als ich gleich bei meiner Ankunst in Novomirgorod erfuhr, daß Sherwood anwesend sei und keinen Tag lang in­zwischen die Garnison verlassen habe. Sofort ließ ich ihn rufen und glaubte volles Recht zu haben, ihn ohfle ^weitere» als de» Elenden zu behandeln, für den ich ihn ansah.

Aber meine Vorwürfe und Beschuldigungen machten nicht den geringsten Eindruck auf ihn. (Fortsetzung folgt.)