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und verletzte sich tätlich. Die Tat scheint in einem Anfall von Schwermut erfolgt zu sein. Der unglückliche, als fleißig bekannte junge Mann hatte sich früher durch einen Sturz einen Hirndefekt zugezogen.
Heidenheim, 27. April. Zwischen Giengen und Hermaringen wurde der 12jährige Joh. Roth von Oggenhausen von 2 Handwerksbmschen an- gef allen und seines Bündels mit Wäsche und Kleidern wie auch seiner Barschaft beraubt. Einer derselben versetzte dem Knaben noch etliche Schläge in's Gesicht, worauf die beiden Strolche entflohen.
Mergentheim, 26. April. Zum heutigen Großviehmarkt wurden 56 Stück zugetrieben, darunter 2 Ochsen, 26 Kühe und 28 Stück Jungvieh. Der Zutrieb und Handel war, da die Israeliten Osterfetertag hatte, sehr flau. ES kostete ein Ochse 380 eine Kuh 220—370 ein Stück Jungvieh 125—290
Biber ach, 27. April. Gestern nachmittag verunglückte der Sohn eines hies. Fabrikanten mit seinem Automobil. Während er selbst gefährliche Wunden nicht erlitt, ging das Fahrzeug in Trümmer.
Baden-Baden, 26. April. Der Fremdenverkehr ist gegenwärtig sehr lebhaft. Täglich kommen 5—600 Personen hier an.
München, 27. April. Mit dem im August dS. IS. hier geplanten deutschen Automobiltag ist die sogen. Herkomer-Konkurrenz und das Bl eichröder-Rennen verbunden. Nach einer Meldung der Münch. N. Nachr. wird nunmehr die Touren-Kommission für die Herkomer- Konkurrenz ihre Probefahrt über die Strecke am 3. Mai antreten. Das Programm für die Probefahrt ist folgendes: Am 3. Mai wird die Fahrt nach Ulm gehen, wo der württembergische Automobilklub die Münchener Herren erwartet und am nächsten Tage die Führung übernimmt. Die Weiterfahrt am 4. Mai erfolgt über Tübingen nach Baden-Baden. Am 5. und 6. Mat bleibt die Kommission in Baden, am 6. Mai fährt sie weiter nach Stuttgart, am 7. Mai nach Rothenburg a. d. Tauber, wo die Tour beendet werden soll.
Berlin, 27.April. Ein diplomatischer Skandal ersten Ranges wird ausVenezuela gemeldet. Der amerikanische Gesandte Bowen hat nach dem „Berliner Tageblatt" seinen Vorgänger LoomiS, den derzeitigen aktiven Leiter des StaaLS- sekcetariatS, mithin seinen Vorgesetzten, öffentlich beschuldigt, von dem Asphalttrust Bestechungsgelder angenommen zu haben. Angeblich bewahre Piästdent Castro einen Scheck über 10 000 Dollar als Beweisdokument dafür. LoomiS weigert sich, unter Hinweis auf seine Amtsstellung, der Presse Erklärungen abzugeben. Die Presse fordert Präsident Roosevelt auf, baldige Aufklärung zu schaffen.
Berlin, 27. April. Dem Oberst Le Niro ein, Gouverneur von Südwestafrika, wurde unter Belastung 4 I. s. der Schutztruppe für Südwestafrika der Charakter als Gen.-Major verliehen. Major v. Mühlenfels, Bat.-Kommandeur im 1. Feldregiment der Schutztruppe für Südwestafrika, wurde zum Oberstleutnant befördert.
Hamburg, 27. April. Der Kaiser wird diesmal an der Segel-Regatta auf der Unterelbe teilnehmen. Er trifft in Hamburg am 17. Juni ein, wohnt dem Rennen am 18. bei, fährt abends mit der „Hohenzollern" nach Cuxhaven und wird am 19. bei Helgoland die Ankunft der Segeljachten erwarten, die an der Regatta Dover-Helgoland teilnehmen. Am 20. beteiligt sich der Kaiser mit dem „Meteor" an den Unterelbe-Regatten des Norddeutschen Regatta-Vereins.
Zürich, 27. April. Gestern nachmittag begann der Durchstich der letzten hundert Meter des großen Jungfraubahn-TunnelS. Der Durchbruch auf dem Eismeer ist Ende Mai zu erwarten.
Paris, 27. April. Der Sozialistenführer IaureS nimmt in seiner Humanitö die Angriffe gegen den Minister des Auswärtigen, Delcasse, mit aller Schärfe wieder auf. Ministerpräsident Rou- vier hat wohl in seiner Rede über die marokkanische Angelegenheit angedeutet, daß Deutschland seine Haltung in dieser Frage nach der Schlacht von Mulden geändert habe. Man erfährt jetzt so
wohl von englischer wie von deutscher Seite, daß die deutsche Regierung schon im November v. IS. auf die unerfreulichen Folgen der marokkanischen Politik DelcasseS aufmerksam gemacht habe. Wenn dies richtig ist, dann hat Delcasse eine noch viel schwerere Verantwortlichkeit auf sich geladen, als wir bisher geglaubt haben, und man muß sich ganz erstaunt fragen, wie er glauben konnte, daß sein Stillschweigen die stetig wachsenden Schwierigkeiten beseitigen werde. Delcasse kann seinen schweren Fehler nur dadurch wieder gut machen, daß er seine ganze Politik gegen Deutschland ändert und den ehrlichen Boden der notwendigen Verhandlungen betritt. Rouvier hätte niemals auf der Kammertrilüne die obenerwähnten Worte sagen können, wenn Delcasse ihn in den wesentlichen Grundlagen der Frage unterrichtet hätte. Indem Delcasse dem Oberhaupte der Regierung die Wahrheit verheimlichte, hat er wieder einmal gezeigt, welch seltsame Begriffe er von seinen Pflichten und Rechten habe.
Paris, 27. April. Der „Matin" beklagt sich darüber, daß die Verhandlungen zwischen der fr anzösisch en-und deutschen Regierung über Marokko deutscherseits nicht herzlich geführt werden, was seltsam sei, da die Ansichten über die auszuführenden Reformen einander völlig entsprechen. Wenn Deutschland einen Hintergedanken habe, solle eS ihn mitteilen, aber nicht darauf rechnen, Frankreich eine Schlappe auch nur in seiner Eigenliebe beizubringen. Deutschland würde im Kriegsfälle allein dastehen. — Dasselbe Blatt bringt die Nachricht, General Stötzer habe den Befehl erhalten, die Truppen von Metz zu inspizieren und fügt hinzu, man erblicke in Militärkreisen in dieser Tatsache etwas ganz außerordentliches. — Zu diesen Ausführungen bemerkt die Vosstsche Zeitung, daß die deutsche Regierung mit Frankreich allein Verhandlungen über Marokko nicht mit Aussicht auf Erfolg führen zu können glaube, da es sich um eine Angelegenheit handle, die nicht nur zwei Mächte sondern alle Unterzeichner des Madrider Abkommens von 1880 augehe.
Palermo, 26. April. Gestern abend besuchten die drei Prinzen die Oper im Theater Masstmo. Der italienische Panzer „Sardegna" und die Torpedoboote hatten illuminiert. Heute morgen lief die Lustjacht „Viktoria Luise" hier ein. Die Passagiere begrüßten das Kaiserschiff mit Hurrarufen und an Bord spielte die Kapelle die Nationalhymne. Der Kaiser, die Kaiserin und die Prinzen besuchten heute morgen die königliche Villa Favorita mit ihrem herrlichen Park am Fuße des Monte Pellegrino, besichtigten den Dom von Palermo mit allen seinen Sehenswürdigkeiten und machten eine Promenade im Botanischen Garten unten am Meer. Ueberall begrüßte ein zahlreiches Publikum die Majestäten aufs lebhafteste. Für die Frühstückstafel waren an Bord der „Hohenzollern" geladen der Kommandant des Panzers „Sardegna", Kapitän Nicastro, Kammerherr Pierardi und Professor Se- linas. Heute mittag 12'/- Uhr empfing der Kaiser und dis Kaiserin den Erzbischof von Monreale an Bord der „Hohenzollern".
So« jaMU-rMchm Krieg.
General Linj ewitsch telegraphiert vom 25. April: Unsere Vorposten zwangen am 22. April den Feind, das Dorf Nanchenzo und das Dorf Vemanpaomeng, das befestigt war, nach und nach zu räumen. Die Japaner besetzten eine befestigte Stellung drei Werst südlich von Vemanpaomeng. Artilleriefeuer und das Erscheinen unserer Abteilung in der Front der linken Flanke nötigten die Japaner sich eilig auf Kayancheng zurückzuziehen. Während des Rückzuges brannten sie eine Niederlage mit Mundvorräten in einem Dorfe nieder. Am 23. April näherten sich unsere Vorposten, den Feind zurückdrängend, Chantoufou, das stark befestigt und von den Japanern besetzt war. Die Artillerie «öffnete von der Ostseite Feuer auf die Stadt. Als sich herausstellte, daß diese von einer bedeutenden Truppenmenge besetzt war, zogen sich unsere Truppen zurück. Unsere Kavallerie zerstörte den Telegraphen zwischen Kayancheng und Chantouson.
Petersburg, 27. April. Der Stab des Generals Linjewitsch macht nunmehr folgende genau kontrollierte Angaben über die russischen Verluste in den Schlachten vom 19. Februar bis zum
14. März, welche wesentlich von den japanischen Angaben und den bisherigen Angaben abweichen. Darnach find tot, verwundet oder verschollen: zwei Generäle, beide schwer verwundet, in japanischer Gefangenschaft, 1985 Stabs- und Oberosfiztere und 87 677 Soldaten. Diese letzte Zahl ergiebt sich aus 55000 evakuirten Verwundeten, 15000 Toten 7 bis 8000 Gefangenen und 10 bis 12000 Verschollenen.
Parts, 27. April. Direkte Nachrichten darüber, daß Roschdjeswensky im Golf von Tongking den günstigsten Augenblick zur Vereinigung mit NebogatowS Geschwader abwarten will, liegen hier nicht vor. Doch wird diese Petersburger Meldung für sehr wahrscheinlich gehalten. Für die französische Regierung besteht bisher keine Notwendigkeit, Roschjeswensly an die Regeln der Neutralität neuerdings zu erinnern, weil sich das russische Geschwader zweifellos in entsprechender Entfernung von der Küste hält.
London, 27. April. Die „Times" meldet aus Petersburg: In russischen Marinekreisen herrscht die Ueberzeugung, daß Roschdjeswensky augenblicklich im Begriffe ist, sich mit dem Geschwader Nebogatows zu vereinigen und daß das Ergebnis eines eventuellen Seekampfes unter diesen Umständen für Rußland ein günstiges wäre.
Vermischtes.
— Der Großherzog von Mecklenburg Schwerin hat, der Tägl. Rundschau zufolge, für einen SchillerzykluSin Musteraufführungen anläßlich der Jahrhundertfeier 20000 gespendet.
— Des Künstlers Rache. Folgende prächtige Menzel-Anekdote wird der Täglichen Rundschau erzählt: Der große Künstler konnte, wie man weiß, ganz besonders unangenehm werden, wenn er merkte, daß man sich über seine kleine Figur und sein nicht gerade apollinisches Aeußere lustig machte. Eines Tages saß er in Bad Kissingen in seiner Stammkneipe beim Wein, als drei Fremde, eine Dame und zwei Herren, hereintraten und sich am Nebentisch niedcrließen. Als Menzel zufällig hinblickte, sah er, wie die Dame ihren Begleitern etwas zuflüsterte und wie dann alle drei ihn musterten und in Gelächter ausbrachen. Menzel bekam einen roten Kopf, sagte aber nichts, sondern nahm sein Skizzenbuch und begann eifrig zu zeichnen. Ab und zn faßte er die Dame ins Auge, so daß diese unruhig zu werden begann; sie hatte das peinliche Gefühl, von dem seltsamen Nachbar, über den sie sich lustig gemacht hatte, porträtiert zu werden. Da Menzel sich durch die wütenden Blicke nicht im geringsten stören ließ, sondern ruhig weiterarbeitete, trat plötzlich einer der Herren zu ihm heran: „Mein Herr, die Dame läßt eS sich entschieden verbitten, von Ihnen gezeichnet zu werden!" — „Nanu? Ist das die Dame?" fragte Menzel voll Seelenruhe und hält sein Skizzenbuch hin. Kleinlaut eine Entschuldigung stammelnd, kehrt jener zu seinen Begleitern zurück und verschwindet mit ihnen so schnell wie möglich, während Menzel schadenfroh schmunzelnd ihnen nachsieht. Was er gezeichnet hatte, war eine meisterhaft ausgtführte wohlgenährte — Gans.
MmrWstl. -rzikksmeiu Cal«.
Am Monlag, de« 1. Mai, findet im Hirsch in Deikenpfro««, nachmittags 2 Uhr,
eine Wanderversammlung statt, wobei Herr Landwirtschaftsinspektor Dr. Wacker in Leonberg einen Vortrag über Hopfendem und über Vertilgung der Hopfenwanze halten wird.
Nachher wird eine Besichtigung der interessanten Hopfenanlage des Wirts Sattler nach elsäßischem Muster vorgenommen.
Jedermann, insbesondere die Hopfenproduzenteu, werden hiezu sreundlichst eingeladen.
Calw, 25. April 1905.
Der Vereinsvorstand
Voelter, Regierungsrat.
«otteAdienste.
Sonntag tzllnsimoäoxvniti, 30. April. Vom Turm: 178. Predigtlied: 169. Aus des Todes Banden rc. 9'/, Uhr: Vormitt.-Predigt, Herr Stadtpfarrer Schmid. 1Uhr: Christenlehre mit den Söhnen. Aelert«, Zkyiklppi nud Aakoöi, 1. Mai. 9>/, Uhr;
Predigt im Vcreinshaus, Herr Vikar Bolz. Donnerstag, 4. Mai. 8 Uhr abends: Bibelstunde im Vereinshaus, Herr Siadtpfarrer Schmid.