58 . Amts- und AnzeigeSkatt für dm Aezirk Gatm. 80 . ZchkMz.

SÄHiiMMDitaze: LI«ntt«L, LonnerStag, Sams­tag. Sannt« g. Jnsirttansprki« 10 Bfg. pro Zeit« für Stadt and »qirlsort»; außer veztrt IS Pfx.

Donnerstag, den 13. April 1905.

WbonnementSpr.ind. Stabtpr.Dierlelj. Mk. I.IOincl.TrLgerl. DierteljLhrl.PostbezugSpreiS ohne Bestellg. f. d. OrtS- u. Nachbar- ortsverkehr 1 Mk., f. d. sonst. Verkehr Mk.1.10, Bestellgeld A) Pfg.

Z«ttiche Aek-mrLnrachMge«.

Bekaimtmachimg,

betreffend die Anmeldung von Neubauten, Bauverbefferunge« «. s w. »u« Einschätzung für die Gebündebrandverstchernng«

In Gemäßheit eines Erlasses des Kgl. Ver­waltungsrats der Gsbäudebrandverficherungsanstalt vom 31. August 1892 wird hiedurch bekannt gemacht,

1) datz Neubauten, Bauveräuderunge« und Bauverbefferungen einschließlich neuer Gebäudezubehörden, welche «och Nicht zue GebSudebrandverficherung eingefchätzt find und nicht den bloßen Ersatz abgebrannter, versichert gewesener Gebäude oder Gebäude­bestandteile bilden (Art. 26 des Gesetzes vom 14. März 1853) im Fall einer Brandbeschädi­gung nur dann als versichert behandelt werden, wenn sie vorher von dem Ge­bäudebesitze« bei dem Ortsvorsteher ent­weder zur sofortige« auf Kosten des Eigen­tümers erfolgenden Einschätzung (Art. 13 des Gesetzes vom 14. März 1853) oder zur ordentlichen auf Kosten der Gemeinde ge­schehenden JahreSschätznng (Art. 12 des Gesetzes) augemeldet worden find (zu ver­gleichen Ziffer 9 des Normalerlasses vom 30. Mai 1865. Klumpps Handausgabe des Gesetzes vom 14. März 1853 Note 3 zu Art. 13);

2) daß durch eine bloße Vormerkung von Amtsweg««, soweit einesolche überhaupt statt­findet, die erforderliche Anmeldung durch de« «ebäudsbefitzer nicht ersetzt wird;

3) daß die Anmeldung während des ganzen Jahres erfolgen kann;

4) daß ein Brandversicherungsbeitrag im Anmeldungsjahr «nr dann und zwar nachträglich zu entrichten ist, wenn eine Brand- entschädignng gewährt werden muß.

Zugleich werden die Ortsvorsteher ange­

wiesen, für tunlichste Verbreitung der vorstehenden Bekanntmachung zu sorgen und die Gemeindeange- hörigen entsprechend zu belehren.

Schließlich werden die Ortsvorsteher beauf­tragt, den Baukontrolleuren urkundlich zu er­öffnen, daß sie bet der Vornahme der Baukontrolle die Bauenden auf die Wichtigkeit der unver- weUten Anmeldung ihrer Neubauten u s w. ausdrücklich aufmerksam zu machen haben.

Calw, 10. April 1905.

K. Oberamt.

Amtmann Ripp mann.

TagesneuitzkeitkU.

8 Calw, 11. April. In den nächsten Tagen werden sich die bürgerl. Kollegien mit der Erlassung von Ortsstatuten über die verbesserte Ein­richtung der Aborte, Abortgruben und Düngerstätten, über die Einführung einer allgemeinen, zwangsweisen, von der Stadt auf all­gemeine Kosten auszuführendrn Kehrichtabfuhr, endlich mit einem Ortsstatut über die Herbetztehun g der Anlieger zu den Kosten neuer Ortsstraßen (Art. 15 Bauordnung) befassen. Auch eine neue Vorschrift über das Singen und Musizieren in den Wirtschaften und die besonders Haftbarkeit der Wirte für Ueber- tretungen der betreffenden Vorschriften durch ihre Gäste ist in Aussicht genommen.

Calw, 12. April. Auf den heute stattge­habten Vieh- und Schweinemarkt waren zu­geführt: 7 Pferde, 332 Stück Rindvieh, 44 Körbe Milchschweine, 60 Stück Läufer. Der Handel in Großvieh ging im allgemeinen flau von statten, für Kühe und Kalbeln wurden 230450 für Ochsen pr. Paar 7001130 bezahlt, für Milchschweine bei lebhaftem Handel 2842 für Läufer 52 bis 80 pr. Paar.

Neuenbürg, 10. April. In Schwann hat der Taglöhner Proß sein Whriges Kind mißhandelt, so daß es am Sonntag abend starb. Der Vater hat sich selbst der Behörde gestellt. Die Sektion des Kindes soll Bluterguß in das Gehirn infolge der Mißhandlung ergeben haben.

Stuttgart, 10. April. Der 70. Pferde­markt, der heute seinen Anfang nahm, war zahl­reicher beschickt als der letztjährige Markt. Im ganzen waren etwa 1200 Pferde zugeführt. Gut vertreten waren besonders Pferde des schweren Schlags. Am heutigen ersten Tag herrschte auf dem Markt ein recht lebhafter Verkehr. Es wurden zahlreiche Käufe abgeschlossen. Die erzielten Preise bewegen sich von 4001600 Die Luxuspferde sind wie jedes Jahr in den städtischen Stallungen untergebracht. Die mit dem Pferdemarkt verbundene Wagen- und Geschirrausstellung in der Gewerbe­halle ist dieses Jahr ebenfalls reichlicher beschickt, besonders mit Luxuswagen. Von den hies. Wagen­fabrikanten, die in den letzten Jahren nicht mehr ausstellten, haben sich Heuer wieder einige an der Ausstellung beteiligt. Der Hundemarkt auf dem Hegelplatz war gut beschickt, doch war der Handel heute nicht besonders lebhaft.

Stuttgart, 11.April. DieKammer der Abgeordneten genehmigte heute in der fortge­setzten Beratung des Etats des Innern zunächst die Kap. 30 öffentliche Gesundheitspflege, 31 Kosten des Veterinärwesens, 32 für orthopädisch; Zwecke und 33 Landeshebammenschule. Hierauf begann die Beratung des Kap. 34 Zentralstelle für die Landwirtschaft. Das Wesentlichste der langen Debatten waren hiebei die Ausführungen die sich an dieFrageder Schaffung von Landwtrtschaftskammern knüpften. Bekanntlich hat der Minister des Innern

Der Spion.

Historischer Roman auS der Geschichte des heutigen Rußlands von Julius Gro sse.

(Fortsetzung.)

Man kann sich denke», wie diese Worts wirkten. Alle Gäste hatten sich erhoben. Poggio suchte den Lästigen abzuschütteln, aber dieser packte ihn nur noch fester.

Ja. mein Brüderchen, wir haben auch noch Christentum im Herzen. Wie sagt der Russe: Nachts würgt die Eule die jungen Krähen, aber bei Tag hacken die alten Krähen chr die Augen aus. Wir find arme, alte Leute, aber ein graues Pferd ist noch lang kein Esel, und wenn der Esel den Elephantm lobt, lobt er nur die graue Farbe o, ich kenne dich, Satan!" und die Wut der Betrunkenen brach unaufhaltsam aus.Bei den Gebeinen des armen Wurms da, ich kenne dich. Du hast meine dumme Frau geködert, wie schon früher. Aber diesmal wirdS nicht und nimmermehr. Dein Maß ist voll. Küß das Kruzifix, oder ich schlage dich nieder!"

Dabei wollte der Trunkene, der aus dem Winkel an der Tür dar Kruzifix ergriffen, momit der Pope den Leichenkondukt begleitet, auf seinen Gegner ein- dringen, aber jetzt mischten sich die andern ein und hielten den Rasenden zurück, konnten eS aber doch nicht verhindern, daß sich beide Gegner gepackt hatten und hin und her drängten, wobei dann Stühle und Bänke umfielen, Gläser und Teller in Scherben gingen.

Inzwischen hatte drüben die Zeremonie der Einsegnung begonnen und die feierlichen Töne des altrusfischen Kirchenliedes, welches die Sänger anstimmten, dröhnten wie Orgelklänge durch die Räume. Magisch war diese Wirkung, denn

sie beschwichtigte sofort den häßlichen Tumult. Die Streitenden wurden bei Seite gedrängt und zur Ruhe verwiesen.

Sodann drängten sich Männer und Weiber in die offene Tür deS Neben­zimmers, um Zeugen der Feierlichkeit zu sein, der sie von diesem Augenblicke an mit Andacht und ehrfurchtsvollem Schweigen folgten.

Bei dieser Gelegenheit, als sich der Raum des Speisezimmers lichtete, bemerkte ich auf dem Boden ein zerknittertes Blatt; wie ich gleich vermutete, war eS der Brief, den Frau Wsrotschka dem Poggio zu lesen gegeben. Offenbar war ihm das Papier während des Ringens mit Jakouschin entfallen.

Ohne mich zu bedenken, hob ich das Blatt auf und zog mich in die Fenster­nische zurück, um es zu lesen. Warum sollte ich es nicht?" Der Brief war offen und bereits durch andere Hand gegangen. Ich mußte da» halbzeriffene Papier ohnehin von den Spuren der verschütteten Getränke und der Füße säubern, die darauf herumgetreten. Glücklicherweise war es noch lesbar.

Sofort sah ich nach der Unterschrift und fand den Namen Tatiana Uschakoff.

Meine arme, gute Nadja!" so lautete der Brief,warum schweigst Du so lange? Wir hören gar nichts mehr. Du Böse. Warst Du krank oder bist Du in Not, ich kann eS nicht denken. Gut wird e» Dir freilich nicht gehen, aber harre nur au», nur noch einige Tage. Dann soll auch Dein Jammer enden. Dann kommen wir zu Dir, ich und mein Gatte Alexander WadkowSki, ja wohl, mein Gatte, liebste Nadja. Ich müßte Dir tausend Dinge erzählen, die inzwischen vorgefallen. Du kannst nicht glauben, wie glücklich ich bin, daß eS nun so gekommen. WadkowSki ist ein ganz anderer geworden. Wir haben un» wiedergefunden und auch Papa hat sich mit ihm auSgesöhnt. Alle» ist gut und Alles ist Sonnenschein. Wie das Alles gekommen, wie im Handumdrehen,