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versteckte Depositenschein über große Werte (600000 bis 800 000 Frs.) von den Behörden nicht gefunden worden; die Effekten würden nun gegen eine Kaution von ca. 6000 preis gegeben und I. wurde ein
großer Anteil an den Werten in Aussicht gestellt, wenn er nach Madrid komme und die Effekten ein- löfe. I. ließ sich durch die große, verlockende Summe verleiten und reiste vor 14 Tagen mit über 8000 ^ in der Tasche tatsächlich nach Madrid. Für die Ankunft daselbst waren ihm genaue Instruktionen erteilt, damit er gleich erkannt und nicht mit andern Personen in Berührung kommen sollte. Er wurde also bet seiner Ankunft gleich in Empfang genommen und mittelst Droschke in ein großes Gebäude gebracht. Hier wurde ihm unter Anwendung einiger Scheinmanöver, wie Absendung von Depeschen an verschiedene Stellen, sowie Androhungen, fein Geld (8200 ^.) herausgelockt und ihm ein wertloser Check auf Berlin in der Höhe von 40 000 Frs. ausgestellt. Alsdann wurde er, ohne daß er sich in der Stadt umgesehen hatte, wieder zur Bahn gebracht und mit einem Schein zur angeblichen Einlösung der Effekten nach Lyon gesandt. Tort erfuhr er dann, daß er geprellt war.
Friedrichshafen, 18. März. Ministerpräsident a. D. Freih. v. Mitt nacht wurde anläßlich seines gestrigen Geburtstages ausgezeichnet und erfreut durch Glückwunschtelegramme u. Adressen von den Herzögen Albrecht und Robert, dem deutschen Reichskanzler, den Hofchargen, dem Staatsministerium, dem hohen Rat, der Handelskammer, dem ständigen Ausschuß der Stadtverwaltung Stuttgart, sowie von dem Generaladjutanten v. Bilfinger, dem daher. Gesandten Freih. v. d. Pfordten, von dem württ. Gesandten in München v. Soden, dem Konststorialpräfidenten v. Gemmingen u. s. w.
Dresden, 17. März. Uebereinstimmenden sächsischen Blättermeldungen zufolge ergab eine von den Anhängern der Gräfin Montignoso in Umlauf gesetzte Zeichnungsliste für die durch die Sperrung der Apanage mittellos gewordene Gräfin bis gestern mittag über 4000 Zeichnungen in Höhe von 41000 Die Liste wird fortgesetzt.
Berlin, 18. März. Der Kaiser hat gestern beim französischen Botschafter sich zum Diner angemeldet: Der Botschafter hatte dem Kaiser eine Ueberraschung dadurch bereitet, daß er für ihn ein eigens kunstvoll ausgeführtes Menu mit Aquarellmalerei in Paris hatte anfertigen lassen. Während der Tafel konzertrterte eine italienische Kapelle, die vorzugsweise französische Kompositionen vortrug.
Berlin, 18. März. Die Ankunft des Kaisers in Neapel ist auf den 5. April festgesetzt worden.
Hamburg, 18. März. Gestern wurden an der Alstcrkruger Chaussee die Leichen etnxs 40jähr. Mannes und eines 12jährigen Knaben zusammen- gebunden aus dem Wasser gezogen. Beide wiesen Schußwunden im Kopf auf. Die Persönlichkeiten der Toten sind noch nicht festgestellt.
Km iaWW-riiMlu Krieg.
St. P etersburg, 18. März. Der Zar hat einen Mobilisierungsbefehl unterzeichnet, durch den Mobilisierungen in den Militärbezirken Warschau, Moskau, Kiew, Woronesch und Kasan angeordnet werden.
Petersburg, 18. März. Kuropatkin hat in der letzten Nacht in Begleitung Sachacows Charbin verlassen. Im Generolstabe traf die Nachricht ein von den Generalen Kaulbart und Bilderliug, wonach sich dieselben wohl befinden. Ueber die von ihnen geführten Truppenabteilungen fehlen jedoch noch jegliche Meldungen. Von amtlicher Seite werden nunmehr die enormen Verluste der Russen bei Mulden zugegeben. Ca. 2000 russische Offiziere und über 60000 Soldaten sind kampfunfähig gemacht worden. Die japanischen Truppe« verfolgen die Russen weiter nach Norden um gegebenenfalls den Ring zu schließen und die dazwischen liegenden Truppenteile abzufangen.
Petersburg, 18. März. Ueber die Enthebung Kuropatins äußern sich sämtliche russische Tagesblätter sehr zurückhaltend. Die meisten sagen, die Beurteilung Kuropatktns als Heerführer gehöre der Geschichte an. Die deutsche Petersburger Zeitung sagt, die Geduld, die Kuropatkin bei seinem Auszuge predigte, hat nicht vorgehalten. Die Nowoje Wremia schreibt, Kuropatkin war viel zu vorsichtig. Die Verantwortlichkeit fällt nicht allein auf ihn sondern auf das Marine-Ressort und die russische Diplomatie. Es scheint übrigens, als habe sich mit der Entlassung Kuropatktns aller Haß und alle Erbitterung in Mitleid verwandelt.
London, 18. März. Die „Times" meldet aus Petersburg, daß der neue Oberbefehlshaber der russischen Streitkräfte in der Mandschurei, General Ltnjewitsch, ein ausgesprochener Gegner der Presse sei. Seine erste Tat als Oberbefehlshaber war die Jnhibirung aller Depeschen an die Zeitungen.
— General Ltnjewitsch ist jetzt 67 Jahre alt. Auch Hot er wie Kuropatkin den größten Teil seiner Dienstzeit im Kaukasus und in den asiatischen Besitzungen Rußlands zugebracht. Für Kühnheit und Geschicklichkeit im russisch-türkischen Kriege hat er einen goldenen Ehrensäbel und das Kreuz des St. Georgsordens erhalten. Im Jahre 1895 wurde Ltnjewitsch Befehlshaber des Ussuri-Militärbezirks und im Jahr 1900 übernahm er das Kommando über dos Sibirische Armeekorps und er führte auch die russischen Truppen im Feldzug zur Befreiung der Europäer in Peking. Ehe Linjewitsch bei der durch den Rücktritt Grippenbergs veranlaßten Verschiebung der Kommondostellen den Befehl über den linken Flügel der Armee Kuropatktns übernahm, hotte er in Wladiwostok kommandiert. Er ist bei den Truppen sehr beliebt und hat sich bei den Petersburger Machthabern wahrscheinlich dadurch besonders empfohlen, daß er in den letzten Kämpfen nicht nur zeitweilige Erfolge über die Japaner errungen, sondern auch seine Truppen in vollkommener
Ordnung „unter klingendem Spiel" nach Tieling geführt hat.
London, 18. März. Die Japaner kaufen der Zentral News zufolge in Australien eine große Anzahl Pferde. Bisher haben sie 10000 Stück erworben und sind im Begriff sie zu verschiffen. Weitere Pferdeankäufe sollen folgen sobald die nötigen Transportdawpfer vorhanden sind. Rußland macht jetzt den Hafen von Nikolajew am Amur zur Verpflegungs-Basis der mandschurischen Armee, da Wladiwostok durch die Japaner von der Leeseite blockiert ist. In London wurden mehrere Dampfer nach Nikolofiw gcchartet. Die Schiffe sind mit 50°/» gegen Kriegsgefahr versichert.
London, 18. März. „Daily Telegraph" meldet aus Tokio von gestern: Der Ministerpräsident Graf Katsura habe in einer Rede bei einer Versammlung von Finanzleuten gesagt, es sei schwer, das Ende des Krieges vorauszusagen; die Russen gänzlich zu besiegen, werde eine außerordentlich große Aufgabe sein; sie verlange, daß die japanische Nation einig sei. Der Redner hoffte ferner, daß die Finanzleute die Regierung in hochherziger Weise unterstützen. Dos bisherige Ergebnis des Krieges sei günstiger, als man habe voraussehen können. AIS Japan den Krieg begann, sei es so gewesen, als ob man im Begriff sei, durch das Tor der Hölle cinzutreten; alles sei unsicher gewesen, aber die Einmütigkeit der Nation habe zu einer ununterbrochenen Reihe von Siegen geführt, sowohl zu Wasser als zu Land. — Zahlreiche in Japan wohnende Fremde haben für die neue Staatsanleihe gezeichnet.
Vermischtes.
Verteilung von Schillerbüchern durch die Stadt Berlin. Man schreibt dem N. Tagbl. aus Berlin: Eine würdige Schillerfeier begeht die Stadt Berlin, indem sie beim Festakt zu Schillers lOOjährigem Todestage in ollen städtischen Schulen an sämtliche Schüler der Ober- und Mittelklassen ein künstlerisch ausgestattes Jubiläumsbuch verteilt. Es wurde dafür die „Schillergabe für Deutschlands Jugend", herausgegeben von der „Litterarischen Vereinigung des Berliner Lehrervereins", gewählt, ein Buch, das in gediegener Ausstattung von Künstlerhand alle für die Jugend geeigneten Gedichte Schillers in sich vereinigt. Der Auswahl der Gedichte ist eine größere Anzahl von Illustrationen von Franz Staffens Meisterhand beigegeben; von demselben Künstler rühren auch die Umrahmungen her, die jede Seite des Buches umschließen; als Einleitung ist dem Werke eine kurze Schillerbiographie aus der Feder von Schulrat Dr. Jonas vorangestellt. Die Stadt Berlin hat für den erwähnten Zweck 115000 Abzüge des Buches bestellt.
Aeöknureleil.
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ein Diplomat verloren gegangen zu sein," rief der Fürst, aber deine Rechnung ist falsch. Bildest du dir wirklich rin, mit Menschen spielen zu können wie mit Dominosteinen und hier mit Soldaten? Mehr als einmal ist durch solche Mittel das Verbrechen nur beschleunigt worden. Und was deine Warnungen betrifft — ein Dolchstoß macht dich stumm für immer und wir sind wieder im Dunkeln. Das hat der Kaiser in seiner Menschenliebe nicht bedacht. Vorwärts, jetzt müssen wir von Neuem beginnen. Hast du dem Kaiser auch nichts verschwiegen? Erinnere dich wohl. Wiederhole mir noch einmal alles von Anfang an. Wie hast du die Verschwörung entdeckt? Welche Personen kamen in Kamen!« zusammen?"
„Durchlaucht, ich wiederhole, Sie haben deS Kaisers Befehl vernommen, der mir allein die ganz« Sache überlassen will."
„Und damit denkst du dem Grafen Araktschejef die Hände zu binde», Sprrlingskopf I Nein, mein Bester, ich laste dich nicht aus der Hand, bis ich vollständig informiert bin. Der Kaiser mag hoffen, träumen und beten — wir müssen für ihn wachen und für das HauS Romanow. Vorwärts, erzähle, oder du siehst das Tageslicht nicht wieder. Ich gebe dir übrigens die Zusage, einst, weilen gegen jene nicht einzuschreiten, aber dir könnt« ein kleines Malheur postieren. Also rede."
„Und nun begann ein abermaliges peinlicher Verhör. Ich wiederholte zwar alle« Tatsächliche, was ich dem Kaiser gesagt, vermied jedoch, irgend einen Namen zu nennen, zumal der Graf viele derselben im Gedächtnis behalten. Er schrieb sich einiges auf und diktierte sogar einem Schreiber zur Protokoll, so sehr ich auch bemüht war, das bisher Berichtete zu verdunkeln und die Spuren der Verschwörung zu verwischen, was er recht wohl zu bemerken schien.
„Mensch, mir scheint, du willst dich kostbar oder interessant machen!" fuhr er mich plötzlich mit Donnerstimme an. „Willst jetzt alles wieder vertuschen, nachdem du alles halb verrate» hast. Sieh dich vor. Wenn du Umstände machst und für die Elenden Partei ergreifst, werde ich dich als Mitvrrschworenen behandeln. Wagst du elwa, den Kampf mit mir oufzunehmen, versuch' dein« Kraft Pyzmäe!"
„Endlich war auch dieses Verlor beendet. Der Graf stand auf, trat zu mir und sagte: „Tu gehst fitzt nach Novomirgorod zurück. Beobachte die Uebel- gefinnten scharf und wende olle Mittel zu weiteren Enthüllungen an, aber hüte dich, auf eigene Feust zu bördeln. Tu stehst von heute an unter unserer speziellen Aussicht, und verrätst du das Staatsgeheimnis, so wirst du am Galgen büßen. Verstanden? Jetzt geh', du wirst eine Podoroshna und Vorschuß zu besonderen Ausgaben erhalten. Rechnest du auf mehr, so halte dich darnach. Der Kaiser wie der Staat Rußland werden dir nichts schuldig bleiben."
Er wollte noch mehr sagen, aber wir wurden unterbrochen. ES traf eine Nachricht ron seinem Landsitz Grufino ein und sie schien nichts weniger als angenehm zu sein. Der Graf sprang plötzlich wutschäumend auf, sein Gesicht war blau und rot geworden, als müsse ihn im nächsten Augenblick ein Echlaganfall treffen. Zugleich zerbrach er einige Gläser und Vasen, die in seiner Nähe standen, und jagte mich und den Schreiber davon wie Bettler — vielmehr als unwillkommene Zeugen seines Jähzorn«.
„So bin ich damals von ihm geschieden, und jetzt ist es bald eine Woche, daß ich Petersburg verlassen habe. Hier übrigens sehen Sie die Belege für d ie Mitteilungen." (Fortsetzung folgt.)