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Ma« möge einmal das volle Zahlenmaterial geben statt Stückwerke. Die Kommission müsse wisse», wie groß die Durchschnittsstärke sei, »nd wie viel Tmppen dem Frontdienst entzogen seien durch Zwecke, die dem Kriegsdienst fern liegen. Der KriegSmintster habe treffend die Notwendigkeit der Kavallerie nachgewiesen, aber nicht die Notwendigkeit der Vermehrung. Die Stimmung der Bevölkerung sei eine imponderabile, das der Kriegsminister bei der Beurteilung der Manöver wohl beachten möge. Auch eine nur vorübergehende Beschränkung der Manöver würde im Volke gut wirken. Bebel (Soz.): Er gebe zu, die großen Manöver seien un­entbehrlich, wenn die Armee für den Ernstfall vor­gebildet werden solle; es lasse sich aber an anderen Punkten sparen. Welche Rolle solle das Automobil­korps im Kriege spielen? Kriegsminister v. Einem: Die Heeresverwaltung habe mit dem Automobilkorps nichts zn tun; die Automobile seien für den Krieg zur Verfügung gestellt worden.

Dresden, 2. März. ES wird versichert, daß in Sachen der Gräfin Montignoso seit Dienstag neue Privatvergleichversuche auf ausdrück­lichen Wunsch des Königs Friedrich August statt­finden unter Zustimmung des Ministeriums und der Anwälte der Gräfin. Nach einer Meldung ans Florenz ist die am 1. März fällige Renten­zahlung des sächsischen Hofes an die Gräfin Mon­tignoso im Betrage von 30 000 Fr. ausgeblieben. Die Gräfin Montignoso steht jetzt nahezu mittel­los da.

Gleiwitz (Oberschles.), 2. März. Wie der Oberschles. Wanderer" meldet, ist gestern abend auf dem zurPreußen-Grube" bei Miechowitz ge­hörigenJelka-Schachte" die Arbeiterbühne der 320-Metersohle auf die 370-Metersohle hinab­gestürzt. 20 Bergleute wurden in die Tiefe gerissen. 16 davon find, da die Wasserhaltungs­maschine durch Steinmassen zertrümmert wurden, erschlagen und ertrunken; die übrigen 4 find gerettet. 1 Leiche ist bisher geborgen. Die Grube gehört dem Grafen Thtele-Winkler.

Paris, 2. März. Ein Generalstabsoffizier erklärte dem Vertreter desPetit Parifien" in Petersburg, er sei überzeugt, daß die gegen­wärtigen japanischen Demonstrationen auf der rus­sischen Flanke nur die Vorboten einer großen und allgemeinen Schlacht seien. Der russische General­stab sehe eine Schlacht von dreiwöchentlicher Dauer vor. An amtlicher Stelle wird erklärt, daß die Russen während der letzten 5 Tage 8000 Mann an Toten und Verwundeten eingebüßt haben.

Warschau, 2. März. Die Situation be­ginnt wieder ernst zu werden. Die Zahl der Strei­kenden ist in der Zunahme begriffen. Fortwährend finden Zusammenstöße zwischen Militär und Strei­kenden statt.

Petersburg!, 2. März. Der Streik auf der Moskau-Kasan-Bahn dauert an. Die Bahnver­

waltung hat täglich SO 000 Rubel Schaden. Aus Baku wird gemeldet: Während der jüngsten Ereig­nisse wurden 350 Menschen getötet und zahlreiche verwundet. Der Proknrator verlangte von dem Polizeichef Aufklärung darüber, wo die Polizei eigentlich während des mörderischen Kampfes ge­steckt habe.

Petersburg, 2. März. Auf der sibirischen Bahn wurden abermals Betrügereien auf­gedeckt, die höhere Bahnbeamten verübten. Die Betreffenden sollen Privatfrachten als Gewehr­sendungen deklariert und das Frachtgeld in die Tasche gesteckt haben. Die Waggons wurden je nach Laune bald zu 50 bald zu 400 Rubel pro Stück vermietet. Dabei wurde das Kriegsmaterial einfach in Schuppen geworfen, wenn keine Waggons frei waren.

Stössel in Petersburg. Mittwoch früh 9 Uhr 30 Minuten traf General Stöffel mit seiner Gemahlin auf dem Nikolaibahnhof von Mos­kau in Petersburg ein. Zum Empfang waren am Bahnhof der Kriegsminister Sacharow und der Stadthauptmann Dedjulin, sowie Verwandte und Bekannte Stöffels erschienen. Bei der Ankunft überreichte das Port Arthur-Komitee Stössel ein Blumenbouqnett, das von dem Georgenbande und dem russischen Bande umschlungen war. Stössel begrüßte und umarmte seine Verwandten. Das nicht zahlreich anwesende Publikum brachte stürmische Hurrarufe aus. Stössel begab sich in das kaiserliche Zimmer und hielt eine kurze Ansprache, dann fuhr er mit seiner Gemahlin in Begleitung des Fürsten Wjasemski nach dem Hotel de l'Europe. Stössel und seine Gemahlin sehen vorzüglich aus. Auf dem Newski Prospekt hatte sich eine Menschenmenge angesammelt, die Hurra rief, Kosaken und berittene Gendarmeriepatrouillen hielten das Publikum zurück. General Bogdanowitsch richtete an General Stössel eine Ansprache, in der er darauf hinwies, daß der General ein durch die Mißerfolge des Kriegsschauplatzes und durch Wirren im Innern gedrücktes Rußland wiedersehe. Stöffel sprach in seiner Erwiderung die Ueberzeugung aus, daß die Wirren nicht von Russen hervorgerufen, sondern das Werk der Japaner seien, welche die russischen Stellungen auf dem Kriegsschauplätze mit Prok­lamationen überschütteten.

London, 2. März. Ja einem hiesigen Fach­blatte erklärt Santons Dumont, daß er die Frage des verlängerten Aufenthalts in den Lüften gelöst habe. Ein Luftballon habe bisher höchstens 36 Stunden in den Lüften verweilen können. Santos Dumont versichert an der Hand von tech­nischen Aufzeichnungen, daß er über einen Monat in einem Luftballon verweilen könne, ohne Schwierig­keiten zu begegnen, wie sie Andrö auf seiner Ballon­fahrt nach dem Nordpol gehabt hätte. Die Er­klärung ruft in technischen Kreisen lebhaftes Auf­sehen hervor.

vermischtes.

Sehr schön, aber nicht seine Frau! Zu einer höchst dramatischen Szene spitzte sich, wie aus New-Iork berichtet wird, ein Streit über ein Porträt zwischen dem bekannten französischen Maler Theobald Chartran und einem Newhorker Millionär zu. Der Millionär wollte für 20000 Mark ein Porträt seiner Frau gemalt haben. Als er nun das Bild sah, erklärte er nicht, wie eS in einer alten Anekdote heißt:Liebe Frau, wie hast du dich verändert!" sondern sagte mit der Sach­lichkeit des Aankres, das Porträt sei sehr schön, aber es sei nicht seine Frau. Darauf zog der hitzige Franzose ein Messer, schnitt das Bild in Streifen, warf es auf den Boden «nd trampelte mit den Füßen darauf herum. Dann aber wurden beide Parteien ruhiger, sie entschuldigten sich gegenseitig, und der Millionär wollte ein zweites Bild seiner Frau malen lassen, aber Chartran lehnte den Vor­schlag ab.

Hochzeit im Pariser Hause Rothschild. Am Dienstag, dem 28. Februar, hat die französische Geldaristokratie so etwas wie eine Heerschau über ihre Angehörigen und ihre Trabanten abhalten können. Die Veranlassung dazu gab die Vermählung des Freiherrn Eduard v. Rothschild mit dem Fräulein Halphen, einer jungen Dame, deren Familie zwar nicht mit den Rothschild an Reichtum konkurrieren kann, immerhin aber mit einem Vermögen von -einigen Dutzend Millionen zu den hochbegüterten gezählt werden darf. Die ganze Pariser Gesellschaft des Geburts- wie des Finanzadels schien sich nicht nur zu der Trauung in der Synagoge, sondern schon Tags zuvor in dem Halphenschen Palais zur Unter­zeichnung des Ehekontrakts ein Stelldichein zu geben. Hier bot sich zugleich Gelegenheit, die Geschenke zu betrachten, die dem jungen Paar dargebracht worden waren und die an Zahl und Kostbarkeit gewiß die Ausstattung mancher Prinzessin aus regierendem Hause übertrasen. Da waren Diamanten-Colliers, Broschen, Ohrringe, Diademe, Perlenhalsbänder, brillantbesetzte Ringe, Nadeln, Kämme in solcher Auswahl zu sehen, als hätte man die Schaufenster der ersten Juwelterfirmen geplündert. Dieser Schmuck rührt meist von Rothschild'scheu Ver­wandten her. Dann gab es aber noch eine Fülle anderer Herrlichkeiten, Tafelservices in Gold, Silber und altem Porzellan, Garnituren für den Toiletten­tisch, wertvolle Spitzen, Kandelaber, Vasen, Tisch- aufsätzc, Standuhren, Fächer u. s. w. u. s. w. Der Gesamtwert aller dieser Gaben, an denen sich auch der russische Minister und Geschäftsfreund der Rothschild, v. Wirte, als Spender eines silbernen Samovars beteiligt hatte, wird auf mehrere Millio­nen beziffert. Jedenfalls hat Paris eine so prunk­hafte Hochzeitsfeier lange nicht gesehen.

Ein deutsch-japanisches Ehebündnis. Eines der hervorragendsten gesellschaftlichen Ereig-

ich an den Leib kommen, ihm allein! Was kümmerten mich die anderen! Fürchten Sie nichts Romanhaftes etwa daß ich ihm ein Eisen in das Hrrz stoßen wollte nein, offen und Stirn gegen Stirn wollte ich diesen Gegner packen, mochte dann geschehen was wolle!

Da die Tafel rasch aufgehoben und die Gäste wie gewöhnlich im Seiten­flügel des Herrenhauses verschwunden waren, blieb mir nichts übrig, als ihre Rückkunft in der Nacht zu erwarten, denn alle schliefen im Schlöffe.

Aufgeregt von stürmischen Empfindungen schlendert« ich auf dem finsteren Hofe umher, um meine Gedanken zu sammeln und den günstigen Augenblick wahrzunehmen. Wohl bemerkte ich in de« Fenstern jenes Anbaues Licht, hörte auch hin und wieder Stimmen, aber die Gardinen waren Herabgelaffen. Obgleich nun meine Neugierde auf das Höchste gesteigert, war doch das Lauschen niemals meine Sache und die wichtigste Entdeckung wäre mir entgangen. Da kam ein Zufall zu Hilfe, in dem ich heute die Hand des Himmels erblicken darf.

Die Nacht war herrlich und sternenklar und die Linden dufteten, nur von Zeit zu Zeit brauste stoßweise ein Südwind vom Wald her, und so geschah eS, daß ein Spitzentuch NadjeschdaS, das ich als Andenken ^mitgenommen und auf der Brust trug, jetzt, al« ich es hervorzog, mir plötzlich vom Wind entrissen und hoch hinauf in die Baumwipfel entführt wurde in die Wipfel der Linden die auf der Gartenseite des Anbaues standen. Nun hätte ich das Tuch wohl auch am andern Tage wiedergefunden, aber ich befürchtete den Spott und lästige Fragen, und so beschloß ich, es sofort zu holen.

Das hatte auch keine Schwierigkeit, ich nahm eine kurze Leiter mit, um in die Zweige des Baumes zu steigen, und kam auch glücklich auf die Rückseite des Anbaues. In wenigen Minuten hatte ich mein Tuch wieder, oben aber in den Zweigen bemerkte ich, daß man die Gardinen der Fenster auf dieser Seite

nicht herabgclaffen, vielleicht weil sie ohnehin dicht von Epheu und Ranken wild.n Weins überwachsen waren. Gleichwohl konnte man durch die Blätter und Ranken bequem in den erleuchteten Raum blicken.

Da sah ich nun folgende Szene:

An einem großen Tisch saßen alle erwähnten Gäste von Kamenka, und unter ihnen auch der General Lwowitsch und sein Neffe Wassili Davidsff, unten quer vor der Oberst Paul Pestel und neben ihm der Intendant Juschneftki. Auf dem Tisch« war zwischen den Lichtern ein Kruzifix zu sehen, daneben ein Schädel und mehrere Dolche, außerdem ein Haufen von Schriftstücken, dann Flaschen und Gläser. Licharew selbst hielt die Feder in der Hand.

Bei diesem Anblick wallte mein Blut fieberhaft, das Herz bebte und wollte schier aus der Brust springen. Ich beugte mich durch die Zweige und näherte mich dem Fenster, um etwas von den wilden Reden zu verstehen. Nach den ersten von Pestel gesprochenen Worten war es klar, daß e» sich um eine Verschwörung gegen die Regierung handle.

Er hob das Glas und feierte den bedeutungsvollen Tag. Wir hatten den vierzehnten Juli, den Jahrestag des Sturmes auf die Bastille.

Man stritt dann lange miteinander. Das Gespräch war bald stürmischer, bald leiser. Viele» ist mir entgangen, aber einige Worte sind mir unvergeßlich geblieben.

JuschnefSki hatte soeben gesagt:Alle, die bi» jetzt gelebt, haben nichts vom Regiere» verstanden. Diese Wissenschaft liegt noch in der Wiege, aber in Rußland wird sie erwachsen zum Herkules." Da unterbrach ihn schnell Oberst Pestel:

Genug davon, jetzt ist di« Frage, wen wird man an die Spitz« der provisorischen Regierung stellen?" (Fortsetzung folgt.)