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mit Nachdruck darauf hin, daß der Zar durch diese Unterlassungssünde die Schuld an der geradezu lebensgefährlichen Lage trägt, in der sich das russische Staatsleben befindet und daß alle gebildeten Nati­onen aus dem Werdegang der russischen Macht sich die Lehre entnehmen sollten, daß das Wohl der Völker nicht durch Gewalt, sondern nur durch einen auf einer Rechtsgrundlage aufgebauten Frieden wahrhaft gefördert werden könne."

Essen, 20. Febr. Unter dem dringenden Verdacht, das Attentat gegen den Köln-Hamburger Schnellzug am 10. Februar in Caternberg verübt zu haben, wurde der Streckenwärter verhaftet, der den Zug zum Halten brachte, weil die Weichen mit Steinen verkeilt waren. Er wollte eine Belohnung für Verhütung von Unglücksfällen erlangen.

Berlin, 21. Febr. Die Abreise des Prinzen Friedrich Leopold von Preu­ßen nach dem russischen Hauptquartier auf dem ostafiatischen Kriegsschauplätze wird erst Anfang nächster Woche erfolgen. Falls nicht in­zwischen andere Dispositionen getroffen werden, wird sich der Prinz am Montag auf der Eisenbahn nach Genua begeben und von dort aus per Dam­pfer die Reise antreten.

Stettin, 20. Febr. Die Stadtverord- neten-Versammlung lehnte den sozialdemokratischen Antrag, 5000 für die Bergarbeiter im Ruhrrevier zu bewilligen, mit Stimmenmehrheit ab.

Paris, 20.Febr. DieHullkommission hat in der vergangenen Woche mehrere geheime Sitzungen gehalten. Wie Havas meldet, glaubt man, die Kommission werde dahin erkennen, Admiral Roschdestwensky habe sich in Gefahr glauben können, und sein Verhalten könne deshalb nicht als tadelns­wert erkannt werden. Von der von Rußland über­nommenen Verpflichtung betr. die Zahlung von Entschädigungen werde die Kommission Akt nehmen. Freiherr v. Spann werde die Schlußfolgerungen ausarbeiten und sie Ende dieser Woche der Kom­mission unterbreiten, worauf sie der englischen und russischen Regierung amtlich mitgeteilt werden würden. In der nächsten Woche werde dann die Kommission zu einer öffentlichen Sitzung zusammen­treten, in der die Verlesung der Schlußfolgerungen vorgenommen werden soll.

Paris, 20. Febr. DasEcho de Paris" berichtet aus Petersburg: Gripenberg wurde gestern in Zarskoje-Selo vom Zaren empfangen. Der Empfang war äußerst kühl. Nach Anhörung der Erklärungen Gripenbergs äußerte der Zar, daß er die Ansicht Kuropatkins teile. In militärischen Kreisen scheint man Gripenberg mehr entgegen­kommend zu sein. Es heißt, daß nunmehr auch zwischen Kuropatkin und Gripenberg Meinungs- Verschiedenheiten ausgebrochen find.

London, 21. Febr. Aus New-Iork wird gemeldet, daß eine Explosion in der Vir- ginia-Eisengrube zu Birmingham statt­gefunden hat. In den Gruben befanden sich 250 Arbeiter. Bisher sind 107 Leichen aufgefunden. Die übrigen konnten noch nicht gerettet werden. Man befürchtet, daß auch die umgekommen find.

Rom, 21. Febr. Das Landgericht Florenz ernannte für die Prinzessin Monika einen Vormund und Bürgen, der bis zur Urteils-Voll­streckung dafür verantwortlich ist, daß die Prin­zessin Monika in Florenz bleibt.

Petersburg, 20. Febr. Amtliche Berichte bestätigen die Massenhinrtchtungen in Warschau auf Anordnung des Gouverneurs Tschertkow. 150 Arbeiterführer seien am Donnerstag an eine Mauer gestellt und durch mehrere Salven einer Militär- Abteilung getötet worden, ohne daß vorher ein Rechtsspruch gegen sie ergangen wäre.

Petersburg, 20. Febr. Die Beisetzung des Großfürsten Sergius ist auf 23. Februar festgesetzt worden.

Moskau, 20. Febr. Der Mörder des Großfürsten Sergius hat bisher seinen Namen nicht genannt, versprach aber später Alles aufzuklären. Bei seiner Festnahme schrie er laut: Es lebe die Freiheit, allen werde Freiheit." Der bei ihm gefundene Paß, ausgestellt auf den Namen eines Witebs ker Kleinbürgers, erwies sich als Fälsch­ung. An dem Orte der Tat wurde nachträglich der Diamantring und die Cigarettentasche des

Großfürsten gefunden. Der Griff vom Wagenschlag wurde 200 Meter weit geschleudert. Die Explosion war so stark, daß zwei Kutscher in der Nikolski­straße vom Bock geschleudert wurden.

Washington, 20. Febr. Im Repräsen­tantenhaus erklärte heute Baka, das amerikanische Volk sei entrüstet über die Ermordung des Groß­fürsten Sergius. Gleichzeitig sprach der Redner sich aber mißbilligend darüber aus, daß Präsident Roosevclt aus diesem Anlaß eine Beileidskundgebung nach Rußland gerichtet habe, während die blutigen Ereignisse vom 22. Januar von ihm unbeachtet geblieben seien. Maddoc erklärte ebenso, die Demo­kraten mißbilligen die Ermordung des Großfürsten, aber auch die Ursache dieser Tat.

Km japE-nMe« Krieg.

London, 20. Febr. Von dem mandschu­rischen Kriegsschauplätze wird gemeldet, daß russische Strcitkräfte auf chinesisches Gebiet über­getreten sind. Diese Streitkräfte bestehen aus 15 000 Mann Infanterie, 500 Kosaken und 64 Geschützen. Der Uebertritt erfolgte in der Mähe von Sinminting. Die chinesischen Behörden ver­langten die Zurückziehung der russischen Truppen. Doch wurde diese Aufforderung von den Russen vollständig ignoriert.

London, 21. Febr. Von japanischer Seite wird gemeldet, daß die japanische Regierung bereit wäre, Frieden unter folgenden Bedingungen zu schließen: Annectierung der Insel Sachalin durch Japan, japanisches Protektorat über Korea und Oeffnung der Mandschurei fürdie ganze Welt.

Tokio, 21. Febr. Die Gesamtzahl der Russen und Japaner am Schaho wird auf 700000 Mann geschätzt. Der stark verschanzte linke Flügel Kuropaiktns, der aus 6 Divisionen besteht, wurde neuerdings bis zu einem Punkte 5 Meilen westlich von Kwaiju ausgedehnt, wo eine starke Abteilung steht. Die Russen entwickeln eine lebhafte Tätigkeit vor dem rechten Flügel der Japaner. Sie verwen­den Chinesen, um japanische Depots in Brand zu stecken. Sieben gefangene Chinesen gaben an, jeder von ihnen habe 600 Taels erhalten mit dem Ver­sprechen, daß, wenn ihnen die Brandstiftung gelinge, jeder noch 20000 Taels erhalte.

(Eingesandt.)

Zur Brückenfrage.

Das von der städtischen Verwaltung auf­gestellte Projekt einer Verbindung der äußeren Bad­gasse und der Bahnhofzufahrtsstrvße mittelst einer fahrbaren Brücke oberhalb der früher Spöhrer- 'schen Villa hat in der Bürgerschaft ungeahnt große Erregung hervorgerufen. Kommt man da oder dort in die Gesellschaft disputierender Bürger, so wird man lebhaft an die hochgehenden Wogen der Schulhaus- und Altburgersteige-Bauzeit erinnert, denn wie damals so auch jetzt fehlt oft nur das zündende Fünkchen in das Pulverfaß zur Explosion d. h. zum Eintritt jener Stimmung, die durch hand­greifliche Beweisführung die verfochtene Meinung zu bekräftigen liebt. Und warum das Alles? Weil die städtische Verwaltung daran gehen will, Ver- kehrs-Uebelstände zu beseitigen, die sie als lästig und die Weiterentwicklung eines ganzen Stadtteils hemmend erkannt hat. Freilich ist die Lösung, die sie hiefür gesunden, eine glückliche nicht zu nennen und daher mag es wohl auch kommen, daß die Opposition so scharf einsitzt und daß mancher, der der Sache selbst von Haus aus nicht feindlich gegenüberstkht, über dem Wie das Was vergißt und sich der Gegenströmung anschließt, ja daß selbst Bewohner des zunächst beteiligten Stadtteils sich ablehnend zu dem Projekt verhalten.

Zur Sache selbst wird wohl kein halbwegs sachlich Urteilender in Abrede stellen können, daß für die ganze lange Badgasse mit dem neuen Teuchel­weg-Quartier die vorhandenen Verkehrsmittel von und zum Bahnhof höchst unzulängliche, ja geradezu traurige find. Die einzige Verbindung zwischen rechts und links der Nagold bildet der schmale Biersteg, der nur dem Fußverkehr und dicsim nur in unzulänglichem Maße dient, denn zwei Leute, die etwas umfangreiche Reisetaschen tragen, können sich ohne gegenseitige Belästigung auf dem Steg nicht ousweiLen und was solche unliebsame, immer zeitraubende Stockungen heißen, wenn's zum Zug eilt, weiß Jeder, der schon in der unangenehmen Lage gewesen ist. Liefe Belästigungen haben alle

die den Weg zumBahnhof durch die Badgasse nehmen, also die ganze Einwohnerschaft der Stadt links der Nagold mitzuempfinden. Aller andere Verkehr nach dem Bahnhof, selbst der mit dem kleinsten Handkarren, hat seinen Weg durch die Stadt über die äußere Brücke zu nehmen, also Leute, die auf vielleicht kaum 100 Meter Luftlinie Entfernung dem Bahn­hof gegenüber wohnen, find für jedes Gepäckstück, das nicht mehr tragbar ist, zu einem Umweg von nahezu einem Kilometer gezwungen. An gewerblichen Unter­nehmungen, die größeren Verkehr zum Bahnhof haben, steht die Badgasse andern Stadtteilen nicht nach, es sind da eine Vtktualienhandlung, zwei Gerbereien, eine Färberei, zwei Zimmergeschäfte, dann die be­deutendste hiesige Bierbrauerei und die Handels­schule, sie alle haben für ihren ganzen Bahnverkehr den Zwangsweg durch die Stadt über die äußere Brücke zu nehmen. Wer sich diese Verhältnisse sachlich klar macht, wird sich einerseits nur freuen können, wenn die städtische Verwaltung sich anschickt hier Wandel zu schaffen, andererseits aber wird er auch nicht anstehen, die Langmut mit der die Bad- gäßler bis daher diese im Vergleich zu sämtlichen andern Stadtteilen höchst primitiven Verhält­nisse getragen haben, anzuerkennen. Leider ist nun aber die von der städtischen Verwaltung geplante Anlage nicht eben anmutend. Wir kennen zwar das ausgearbeitete Projekt nicht ins Einzelne, son­dern nur vom Hörensagen, glauben aber, daß das schon genügt, zu den größten Bedenken Anlaß zu geben. Eine Brücke mit 5 "/» Steigung deren Zufahrtrampen beiderseits in scharfen Kurven auS- laufen ist eine mißliche Sache; wenn der Techniker sagt, daß die Ausführung keine Schwierigkeiten habe, so soll dem nicht widersprochen werden, denn die moderne Technik hat schon ganz andere Objekte bezwungen als diesen an sich gewiß nicht allzu schwierigen Bau, aber machen soll man so 'was nicht ohne die allerzwingendste Not, denn der Be­trieb wird immer ein höchst lästiger und auch nicht gefahrloser sein und bleiben. Daher müßte nach unserer Meinung eine andere günstigere Lösung ge­sucht werden, und daß eine solche auch gefunden werden kann, scheint uns nicht unmöglich.

Der günstigste Punkt, über den Fluß zu kom­men, liegt zwischen der katholischen Kirche und dem katholischen Stadlpfarrhaus. Leider hat die Stadt s. Z. als die Möglichkeit hiezu da war, es versäumt, sich diesen Platz für olle Fälle zu sichern, allein auch jetzt noch scheint uns die Möglichkeit der Er­werbung eines für eine Straßenanlage genügend breiten Streifen Platzes nicht ausgeschlossen, denn die katholische Kirche würde durch eine Brücken­anlage dort und die vor ihrer Front Vorbetziehende Zufahrtsstraße mehr gewinnen als sie durch die räumliche Trennung von ihrem Stadipfarrhaus verlieren würde. Die Geschlossenheit des ganzen Kirchen-ComplcxeS ist doch mehr von idealem Wert an dem man eine gewisse Einbuße wohl verschmerzen kann im Tausch gegen die praktische ungleich wichti­gere Errungenschaft der gänzlichen Freistellung der Kirche und deren Zugänglichkeit von allen Seiten her. Die Vorteile eines Brückenbaus an dieser Stelle find in die Augen springend. Die Brücke käme horizontal zu liegen. Der Bau selbst könnte, weil von keiner Seite her in die Augen fallend, in den einfachsten Formen ausgesührt werden und würde sicher ein namhaftes Weniger kosten als das bestehende Projekt. Uns dünkt, diese Sache wäre eines ernsthaften Versuchs bei den höheren Behörden wert. Würde sich aber dieses Projekt nicht reali- stren lassen, so hielten wir eine Fahrbrücke an Stelle des BierstegS für immer noch empfehlenswerter als das Bergprojekt. Man wende hiegegen nicht ein, daß dem Langholzverkehr beim Biersteg keine Rechnung getragen werden könne, denn diesem ist auch bei dem jetzigen Projekt nicht gedient, also nach dieser Rich­tung hätte keins vor dem andern 'was voraus. Für eine dem gewöhnlichen Fährverkehr genügende Anlage der Zufahrten zur Brücke wäre wohl reich­lich Raum vorhanden. Zudem könnte der weg­fallende Biersteg weiter außen Wiederverwendung finden und so einem langjährigen Wunsche der dor­tigen Anwohner genügt werden. Man hört auch die Ansicht oussprechcn, daß für die Abstellung der allerdings nicht ganz in Abrede zu stellenden Verkehrsnotlage der Badgasse und Umgebung ein breiterer Gchsteg, der auch für Handkarrenverkehr benutzbar wäre, genüge. Nun über die Bedürfnis­frage ist ja nach dem oben Gesagten nichts mehr zu sagen, über eine solche Ueberblückungsart selbst möchten wir aber nur bemerken, daß ein Steg, der dem Bedürfnis eines bequemen Fuß- und Handkarren- Verkehrs für eine längere Zeitdauer genügend diente, Dimensionen erhalten müßte, die für Fundation und Oberbau nicht unbedeutende Kosten erheischten, so daß man sich billig fragen müßte, warum nicht die dann nicht mehr allzu bedeutenden Mehrkosten dranrücken für eine Fahrbrücke, die dem Bedürfnis für unabsehbare Zeiten genügen würde?