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stießen auf heftigen Widerstand. Nach stunden­langer Debatte gelang es ihnen aber schließlich, die Delegierten zu überzeugen, die dann einstimmig be­schlossen, im ganzen Essener Revier wieder anzu­fahren. In verschiedenen Belegschaftsversammlungen wurde beschlossen, heute die Arbeit wieder aufzu­nehmen.

Breslau, 18. Febr. Die epidemische Genickstarre in Oberschlefien herrscht jetzt auch in den Bezirken Michalkowitz, Zalenze, Bogutschütz, Bismarckshütte und Laurahütte. Die Krankheit wütet nunmehr in 16 Ortschaften Oberschlefiens. Erkrankungen und Todesfälle mehren sich in er­schreckender Weise. In Königshütte allein find vom 20. November bis heute 63 Personen an Genick­starre gestorben.

Berlin, 14. Febr. Wie dieNat.-Ztg." schreibt, wird General v. Trotha voraussichtlich in nicht mehr ferner Zeit nach der Niederwerfung der Herero und der Witbots wenigstens zeitweise nach Deutschland zurückkehren, um hier an den Vorbereitungen für die Expedition gegen die Owambos Mitwirken zu können.

Berlin, 14. Febr. Die Budget-Kommission des Reichstages beriet heute über den Etat für Kiautschau. Die ordentlichen Ausgaben wurden bewilligt. Bei den einmaligen Ausgaben, w. u. a. für Armierungszwecke 2'/» Millionen gefordert wird, trat der Referent Abgeordn. Richthofen für die Bewilligung ein. Staatssekretär Tirpitz erklärte, es handle sich hier um die Fertigstellung der bereits bewilligten Seebefestigungen. Abgeordneter Bebel meinte, bei seiner exponierten Lage schwebe Kiau- tschou selbstverständlich in beständiger Gefahr. Kiautschou werde zu einem sehr kostspieligen Stützpunkte des Reiches werden. Der Staatssekretär Tirpitz entgegnete hierauf, die Marine-Verwaltung habe durchaus nicht die Absicht, aus Kiautschou ein Port Arthur zu machen. Abgeordneter Arendt sprach den Wunsch aus, man möge mit der Be­festigung von Kiautschou mit aller Energie Vor­gehen, um für die maritime Machtentfaltung Deutsch­lands einen starken Stützpunkt zu schaffen. Dagegen erklärte sich Müller-Sagan. Nach längerer Debatte wurde die Forderung bewilligt, ebenso auch die übrigen Ausgaben und die Einnahmen, sowie der gesamte Rest des Etats. Am Mittwoch beginnt die Beratung des Marine-Etats.

Hannover, 14. Febr. Die Inhaberin des hiesigen Apollo-Theaters, Rentiere Engelbrecht, hat sich wegen großer Geldverluste an diesem Unter­nehmen gestern Abend aufgehängt.

Florenz, 13. Febr. Die Angelegenheit der Gräfin Montignoso scheint einer fried­lichen Lösung entgegen zu gehen. Justizrat Körner wird darnach, um die Auslieferung der Prinzessin Monika herbeizuführen, den durch die Bestimmungen des internationalen Privatrechts vorgeschriebenen Weg betreten. Die beiderseitigen Anwälte verhan­deln heute über die Frage der Erhöhung einer Apanage für die Gräfin und die Regelung des Be­suches ihrer in Dresden weilenden Kinder.

Florenz, 14. Febr. Gestern fanden im deutschen Konsulat Konferenzen zwischen dem Anwalt des Königs von Sachsen, Justizrat Körner und dem Advokaten der Gräfin Montignoso, Lachenal und Rosari statt, die im Ganzen 8 Stunden währten. Die Bonne der Prinzessin Monika, Fräulein Muth, hatte den Wunsch geäußert, ihre an den König von Sachsen gesandten Mit­teilungen und Berichte vor dem Notar zu Protokoll zu geben, damit nicht neue Wirmngen herauf­beschworen würden. Auf die Frage Lachenals, ob die Gräfin dazu ihre Zustimmung geben wolle, be­merkte sie, sie fühle sich durch nichts belastet und so könnten auch diese Berichte ihr nichts anhaben. Darauf erfolgte die Vernehmung des Fräulein Muth, über das was sie in ihrer Stellung im Hause der Gräfin und ihre Verhältnisse bemerkt zu haben glaubte. Das durch den Notar aufgegebene Proto­koll ergab nun, daß die Bonne einen geradezu fanatischen Hatz gegen die Herrin hegt und bewies, daß die Gerüchte, nach denen die Bonne nur nach Dresden berichtet habe, um aus der fisolantschen Einsamkeit erlöst zu werden und in den Glanz des Dresdener Hofes zurückzukehren, nicht der Wahrheit entsprechen. Eine Konfrontation des Fräulein Muth mit der Dienerschaft der Villa und ein scharfes Kreuzverhör ergaben die Haltlosigkeit der schlimmsten

Beschuldigungen der Bonne. Die Anwälte legten gegen die Aussagen des Fräulein Muth Verwahrung ein und behielten sich gegen die durch Fräulein Muth erfolgte an Grausamkeit grenzende Ueber- wachung der Gräfin ein besonderes Einschreiten vor. Die Gräfin erklärte, sie sei bereit, das Kind schon am 15. April zu übergeben, einmal im Inter­esse der Kleinen, dann aber auch, weil sie der ständigen Angriffe müde sei. Solange ihr der König das Recht, ihre Kinder zu sehen, nicht voll anerkannt habe, werde sie die ihr gestellte Zumutung, auf das sächsische Staatsbürgerrecht zu verzichten und gegen eine Konventionalstrafe von 30 000 ^ Sachsen nicht mehr zu betreten, unbeantwortet lassen.

Lemberg, 14. Febr. Wie demNowi Krai" aus Warschau gemeldet wird, wurden auf der dortigen Modelle 40 Personen gehenkt.

Warschau, 14. Febr. Aus Lodz wird gemeldet, in drei Vierteln der Fabriken wurde heute die Arbeit wieder begonnen. Im Rest geschieht dies morgen Mittag. Der Trambahn-Verkehr der Stadt mit den Vororten ist wieder ausgenommen.

Petersburg, 10. Febr. Ein Spczial- korrespondent des französischen BlattsTempS", welches für Rußland und die russische Allianz stets eintritt und dessen Beziehungen zu dem Ministerium des Aeußern bekannt sind, teilt Verschiedenes mit, was er aus dem Munde bürgerlicher Russen, die Glauben verdienen, aber demTschin", dem Be­amtenkreis, nicht angehören, erfahren hat. U. a. schreibt er:Im Ausland meint man, daß in Ruß­land die körperlichen Strafen abgeschafft seien. In der Tat hat der Zar das befohlen. Aber leider find es seine Funktionäre und Gendarmen, die seine Allmacht ins Leben übersetzen und sie lassen sich angelegen sein, an Stelle der Gesetze Ausnahms­maßregeln zu setzen. Seit 25 Jahren leben wir unter dem kleinen Belagerungszustand und wissen niemals, ob wir abends in unserem Bett schlafen werden; wir können jeden Augenblick eingesperrt werden, wenn es der Präfekt oder der Gouverneur befiehlt;administrative Maßregel" nennt man das, und wehe dem, der diesen anscheinend so freundlichen und liebenswürdigen Beamten, die sich fromm vor den Heiligenbildern kreuzen, in die Hand fällt, im nächsten Augenblick zeigen sie dir, daß die Peitschen noch nicht alle für die Hunde zurückgelegt find. (Folgen Beispiele von unmenschlicher Behandlung von Arrestanten, z. B. folgendes:) Unter den Ver­wundeten des 22. Januar war eine Studentin, der ein Kosak mit eimm Säbelhieb die linke Brust ge­spalten hatte. Man holte sie aus dem Spital trotz des Widerstrebens des behandelnden Chirurgen, brachte sie aber 24 Stunden später auf einem Am- bulanzwagcn zurück, aber in welchem Zustand! Sie war der Auflösung nahe, und als man sie aus­kleidete, sah man, wie ihre Schultern, ihr Rücken, ihre Hüsten, mit blauen Striemen bedeckt waren. Das Fleisch war fingerdick aufgeschwollen und ganz blutunterlaufen. Ein Gendarm, der sie nicht ver­ließ, hinderte sie am Sprechen, man sah aber genug und erfuhr auch, daß sie verdächtig war, unter den Revolutionären Kameraden zu haben. Sie sollte angeben, was sie von demKomplott" wußte, ant­wortete aber, sie wisse nichts. Man suchte sie ohne Rücksicht auf ihre Wunden mit Rutenstreichen zum Sprechen zu zwingen, und als sie zum zweitenmal, diesmal noch viel stärker, geschlagen worden war, sagte sie, was man von ihr herausbringen wollte. Der Temps-Korrespondeut sagt dann, Tage lang sei in den meisten Polizeikommissariaten von St. Petersburg schrecklich geprügelt worden. Ein Student des technologischen Instituts sei so ent­setzlich gepeitscht worden, daß man ihn sterbend weggetragen habe. Man habe auf diese Weise aus den halbtotgeschlagenen Leuten alles heraus­gebracht, was man wollte, sogar die Summe, welche die Engländer und Japaner nach Rußland geschickt haben sollen, um dasKomplott" ins Werk zu setzen. Die Aerzte der Hospitäler sowie das ganze Personal seien verpflichtet worden, über diese Szenen still zu sein, wie das Grab. Der Gewährsmann deS Pariser Blattes war in 15 Spitälern unter dem Vorwand, einen Verwandten zu suchen, der verschwunden war. Er habe die Leichen gesehen und gezählt, es waren statt der offiziell zugestaudenen 96 nicht weniger als 2195. Und das in 15 Spi­tälern; aber Petersburg hat deren 46!

Petersbur g, 13. Febr. In Lodz find auf den Kirchhöfen 144 Personen beerdigt

worden, die bei den letzten Unruhen ums Leben gekommen find. 200 Verwundete liegen in den Krankenhäusern.

Petersburg, 14. Febr. Der Streik in den Putilowwerken sowie in vielen anderen Fabriken dauert fort.

Petersburg, 14. Febr. Graf Leo Tolstoi hat ein neues DramaHinter den Ku­lissen des Krieges" geschrieben, welches den Krieg auf das schärfste verurteilt. Das Stück sollte im Petersburger Alexandra-Theater aufgeführt werden. Die dramatische Zensur hielt jedoch die Aufführung des Dramas für gefährlich und belegte dasselbe mit strengem Verbot. Tolstoi hat sein Werk nunmehr nach München gesandt und stellt es allen europäi­schen Bühnen zur freien Verfügung.

Am j«1Misch-k>Mk« Krieg.

Paris, 14. Febr. WiePetit Parifien" meldet, wird General Stössel nicht nach Peters­burg kommen, da man ihm vorwirft, daß er nicht die ganze Widerstandskraft Port Arthurs ousgenützt Habs. Stöffel bleibt vorläufig in Theodofia in der Krim und wird erst später vor ein Kriegsgericht gestellt.

Petersburg, 14. Febr. General Griepen- berg ist auf der Rückreise schwer erkrankt und mußte sich in Irkutsk ins Lazareth begeben.

Petersburg, 14. Febr. Die Garnison von Fantseatung, welche von den Japanern plötzlich angegriffen wurde und in deren Nähe die Japaner eine Brücke in die Luft sprengt-n, befindet sich zwischen Mulden und Charbin. Diese japanische Waghalsigkeit wird viel kommentiert. Man nimmt an, daß die japanische Kavallerie über chinesisches Gebiet gekommen sei, da die Möglichkeit, diesen kühnen Ritt auf östlicher Richtung, also über das Gebirge zu unternehmen, für ausgeschlossen gilt.

Petersburg, 14. Febr. Wie berichtet w>rd, hat das Geschwader Roschdjewenskys Diego Suarez verlassen und wird sich bei Mauri­tius versammeln, wo es wahrscheinlich mit dem Geschwader Dobrutzkis zusawmenstoßen wird.

Petersburg, 14. Febr. Der interimistische Kommandant von Wladiwostok teilte in einem Tagesbefehl mit, daß die Festung sich im Belagerungszustand befindet.

vermischtes.

Württ. Kreditverein in Stutt­gart. Die Inhaber der 4 °/° Schuldverschreib­ungen dieses Vereins werden durch Aufruf im An- zcigcteil unseres Blattes eingeladen, ihre Schuld­verschreibungen zur Abstempelung auf 3'/,"/», bezw. zum Umtausch in 3'/- °/° Schuldverschreibungen vorzulegen. Der Zins zu 4 "/<> wird bis 1. Jan. 1906 belassen und außerdem noch eine Vergütung von 30 auf 100 ^ gewährt; auch ist bei den abgestempelten, bezw. umgetauschten 3'/- °/° Schuld­verschreibungen jede Verlosung vor dem 1. Januar 1912 ausgeschlossen. Von den nicht zur Abstempe­lung. bezw. zum Umtausch vorgelegten 4 °/° Schuld­verschreibungen wird eine Verlosung und Kündigung zur Heiwzahlung auf 1. Oktober 1905 vorgenommen.

Freitag, 17. Zebruar,

abends 8 Uhr,

öffentlicher Vortrag

im Sänke des Heorgerranms von Herrn Professor vr. Eberhard FraaS in Stuttgart über

Wanderungen eines Geologen im ferne« Westen von Nordamerika.

Zu zahlreichem Besuche läd't freundlichst ein

der

Kekkameteik.