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in welcher auftragsgemäß der obengenannte Herr Schüttle ein Bild des Königs Wilhelm II. in eichenem Rahmen mit des Königs Grüßen und den besten Wünschen überbrachte. Der Cannstatter Volksfestverein in Philadelphia steht in erster Linie der das Deutschtum in Amerika und die Anhänglich­keit an deutsche und speziell auch schwäbische Sitten pflegenden Vereine in den Vereinigten Staaten. Dieser Verein hat in den 31 Jahren seines Bestehens zirka 330 000 für wohltätige Zwecke gespendet und besitzt außer seinem neuen Heim ein Vermögen von zirka 90 000 und seit 1883 einen eigenen Begräbnisplatz, auf dem schon 78 freund- und mittellose Deutsche aus Vereinskosten zur letzten Ruhe gebettet wurden. Abhaltung eines dem Cann­statter möglichst ähnlichen Volksfestes, Pflege der deutschen Sprache und Geselligkeit, gemeinnütziges Wirken und allgemeine Wohltätigkeit find die Zwecke dieses Vereins, der sich längst nicht nur bet der zirka 85 000 Seelen zählenden deutschen Bevölkerung sondern auch bei der Mehrheit der übrigen Ein­wohner (1200 000) großes Ansehens erfreut und eine kulturelle Mission erfüllt. Unter seinen Auspizien sind unseren Dichterfürsten Schiller und Göthe über­lebensgroße Denkmäler, einander gegenüberstehend, errichtet worden, nachdem schon früher für Alex, v. Humboldt ein Denkmal in Philadelphia erstanden war. Die Eintrittsgelder von Nichtmitgliedern bei den Volksfesten bilden die Haupteinnahmen des Vereins. Das letzte Fest ergab trotz der bedeutenden Unkosten einen Reingewinn von über 28000 Das deutsche Spital, dessen Altenheime und Waisen­häuser, aber auch andere nicht deutsche Wohlfahrts­anstalten verschiedener Art werden nach jeder Volks- festabrechnnng mit reichen Spenden bedacht. Außer­dem ist während des ganzen Jahres ein besonderes Wohltätigkeitskomitee tätig. Der vor mehreren Jahren durch Ueberschwemmung heimgesuchte Bezirk Balingen erhielt vom Verein s. Z. 1200 der vor einigen Jahren durch Hagelschlag schwer ge­schädigte Bezirk Dehlingen eine noch größere Spende. Vor einigen Jahren wurde der Verein durch Ein­zahlung von 400 Mitglied des Schwäbischen Schillervereins. Zur Errichtung des Denkmals für den Dichter des vaterländischen LiedesDie Wacht am Rhein" hat s. Z. der Verein auch sein Scherf­lein betgesteuert.

Stuttgart, 6. Febr. Der heute Vor­mittag im Stadtgartensaale abgehaltene Saat- fr u ch t m a r k t war stark besucht. Zum Verkauf angemeldet waren: 400 Kilo Sommerroggen, Preis 20 115 500 Kilo Sommerweizen, Preis 20'/,

bis 21 ; 40 000 Kilo Sommergerste, Preis 20'/»

bis 21 113 900 Kilo Haber, Preis 18'/» bis

19 3900 Kilo Erbsen, Preis 22 600 Kilo

Fnttererbsen, Preis 20 25 000 Kilo Sommer­wicken, Preis 18 ; 3500 Kilo Ackerbohnen, Preis

17'/- 48 700 Kilo Rotkleesamen, Preis 130

Mark; 73300 Kilh Kartoffeln, Preis 9 ^ per 100 Kilo. Verkauft würden: 100 Kilo Sommerroggen,

Preis 20 37 700 Kilo Sommerweizen, Preis

21 13 600 Kilo Sommergerste, Preis 20 ^;

82 440 Kilo Haber, Preis 16'/« 30 000 Kilo

Kartoffeln, Preis 8.50 per 100 Kilo.

Stuttgart, 7. Febr. Die Kammer der Abgeordneten hat in ihrer heutigen Sitzung mehrere im inneren Zusammenhang miteinander stehende Anträge beraten, die Vergünstigungen auf militärischem Gebiete anstreben und auf frühere Beschlüsse des Reichstags zurückzugreifen. In den Anträgen wird die Regierung ersucht, im Bundes­rat für die Verwirklichung dieser Beschlüsse durch Einstellung der dafür erforderlichen Mittel in den Reichshaushaltsetat tätig zu sein. Der Haupt­antrag, der von dem Abg. v. Geß und Genossen gestellt ist, verlangt entsprechend dem Beschluß des Reichstags vom 9. März 1904, daß den Mann­schaften des stehenden Heeres und der Marine im Falle der Urlaubserteilung alljährlich oder doch mindestens einmal während ihrer Dienstzeit, für eine freie Hin- und Rückfahrt auf den deutschen Eisenbahnen ermöglicht, eventuell auch die Benützung von Schnellzügen gestattet werden soll. Hierzu wurde vom Zentrum, ebenfalls auf Grund eines Reichstagsbeschlusses, eine Vergünstigung beantragt, wonach denjenigen Eltern, die zum Besuche eines bei der Truppe schwer erkrankten Sohnes in den Garnisonsort reisen, im Falle der Bedürftigkeit eine entsprechende Reisekostenvergütung oder Er­mäßigung gewährt werden soll. Das Zentrum beantragte ferner, Ernteurlaubern, soweit dies nicht von Reichswegen geschehen sollte, freie Eisen­bahnfahrt auf den Württ. Staatsbahnen zu ge­währen. Diese Anträge wurden von den Abg. v. Geß und dem Vizepräsidenten Dr. v. Kiene begründet. Kriegsminister v. Schnürlen stimmte den Anträgen zu und regte an, die vom Zentrum für die Eltern beantragte Vergünstigung auch für die Frauen erkrankter Reservisten und Landwehr- männer zu verlangen, was dann der Abg. Schach in einem Zusatzantrag tat. Der Minister betonte ferner, daß ihm alles willkommen sei, was unbe­schadet des Dienstes eine Erleichterung für den Soldaten ermögliche. Seine Mitteilung, daß im Jahre 1903 10,300 Mann zur Unterstützung ihrer Angehörigen in die Ernte beurlaubt worden find, bei einer Etatsstärke von nicht ganz 20,000 Mann, fand im Haus« lebhaften Beifall, wie denn über­haupt seine Erklärungen vom Hause freudig be­grüßt wurden. Aus der Debatte, die nicht lange währte und mit der Annahme sämtlicher Anträge endigte, ist hervorzuheben, daß der Abg. Vogt sich für die Erhöhung der Soldatenlöhnung aussprach und damit eine Frage anschnitt, die den Präsidenten zu der wiederholten Bitte veranlaßte, die Debatte auf die Anträge zu beschränken, denen auch der Abg. Hildenbrand zustimmte, der, wie er sagte, auch zugcstimmt haben würde, wenn ein Antrag auf Beurlaubung der Soldaten während des ganzen Jahres gestellt worden wäre. Da die Anträge der

Petitionskommisston zu verschiedenen Eingaben auf die morgige Tagesordnung gesetzt wurden, war da­mit die Beratuug um 4 Uhr zu Ende. Die erste Beratung des Etats wird, wie schon gemeldet, nach einer heutigen geschäftlichen Mitteilung des Präsi­denten erst nach der Vertagung des Landtags statt­finden. Morgen vormittag '/-II Uhr wird behufs Wahl des Ständischen Ausschusses eine gemein­schaftliche Sitzung beider Häuser abgehalten.

Stuttgart, 7. Febr. Chauffeur Brüd er­lein, der sich nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft einige Tage in Cannstatt auf­hielt, ist gestern vormittag nach Zweibrücken, wo seine Familie wohnt, abgereist. Wie wir hören, ist ihm für erlittene Untersuchungshaft eine Ent­schädigung in Aussicht gestellt. Des weiteren hat Brüderleiu gegen den Verlagsbuchhändler Junginger hier, Strafantrag wegen öffentlicher Beleidigung gestellt. Junginger hatte eine Broschüre über den Cannstatter Raubmord in den Handel gebracht, in der Brüderlein als Mörder und verkommener Mensch hingestellt wurde.

Der Württ. Automobil-Klub teilt uns über die im August dieses Jahres stattfindende Hsrkommer-Konkurrenz" mit, daß es sich bet der durch Württemberg führenden Touren-Konkur- renz nicht um ein Schnelligkeitsrennen handelt, sondern nur um eine ZuvcrlässigkeitLfahrt. Auf Schnelligkeit kommt es nicht an, im Gegenteil nur auf vorsichtiges und gleichmäßiges Fahren im Rahmen der gesetzlich erlaubten Geschwindigkeit.

Untertürkheim, 6. Febr. Ein bedauer­licher Auftritt spielte sich am Samstag früh auf dem hiesigen Bahnhof ab. Der Eisenbahnschaffner Gächtle wollte einen Arbeiter, der von ihm ohne Fahrkarte betroffen wurde, auf der Station vor­führen. Der Arbeiter sprang aber nach Verlassen des Wagens davon. Gächtle, der ihn festhalten wollte, wurde jedoch von mehreren Arbeitern, die sich einmischten, derartig blutig geschlagen, daß er ins Krankenhaus verbracht werden mußte. Mehrere Beteiligte wurden in Haft genommen.

Tübingen, 7. Febr. Auf der Höhe von Pfrondorf griffen am Sonntag ein Zuchthäusler- Kleeblatt, zwei Männer und eine Dirne, den Land­jäger an. Mit Unterstützung anderer und des tele­fonisch herbei gerufenen StationSkommandanteu wurden die beiden Männer eingebracht.

Murrhardt, 7. Febr. In verhältnis­mäßig guter körperlicher und geistiger Frische voll­endete heute die Witwe Anna Maria Huber hier ihr 103. Lebensjahr.

Bochum, 7. Febr. Tie Bergarbeiterzeitung veröffentlicht heute einen Aufruf an die Streikenden mit der Weisung, ruhig auszuharren und nur auf die Siebener-Kommission zu hören. Ihre Anord­nungen seien von allen Belegschaften streng zu be­folgen. Wer einen DiSziplinbruch begehe, werde nicht mehr als zur Organisation betrachtet und habe an diese keinerlei Anrecht mehr.

gerauscht, und Frida stand in einem Berge von-Blumen und Kränzen. Sie war etwas erschöpft und dankte Gott, als der Applaus des enthusiasmierten Publikums, der sie immer und immer wieder vor die Lampen rief, aufhörte. Sie wandte sich der Garderobe zu. An der Tür fand sie Fred bereits wartend. Er schloß sie in die Arme:Du warst unvergleichlich, Frida," sagt« er, und sie bot ihm leuchtenden AugeS die Lippen. Sein Beifall, seine Anerkennung waren eS, wonach sie rang. Alle« andere war ihr gleichgiltig, und sie machte es sich oft zum Vorwurf, daß ihre Künstlernatur wider Willen noch im Beifallstosen des Publikums Befriedigung fand.

Zu Hause angelangt, fand sie Fred recht müde und abgespannt auSsehrnd. ES war recht gut, daß ihre Gastspiele zu Ende waren und das Frühjahr ins Land zog. Fred hatte sich lange darüber hinweagesetzt, daß sie dies nicht leisten könnt«, wenn sie nicht glücklich und zufrieden wäre. Ihr Glück und ihr Ruhm sei sein Besitz. Er hatte dann auch in letzter Zeit Stücke zu schreiben begonnen und es war Tatsache, daß sie mit Rollen aus diese» Stücken die größten Er­folg« errang. So arbeiteten sie zusammen, und «S gelang ihr mit echter Frauen­liebe und Güte immer mehr, ihn davon zu überzeugen, daß er der Gebende und sie die Nehmende sei. Es war dies auch nicht so schwer, da sie die größten Summen ja an Paula sandte, um ihm der Väter Schloß zu erhalten.

ES ist gut," sagte Fred,daß der Sommer kommt, du brauchst auch Erholung."

Ja!" antwortete sie einfach,das Ausruhen von ollen Anstrengungen und zugleich das AuSruhen in unserem Glück ist etwas, worauf ich mich sehr freue."

E» war keine Phrase dieser bedeutenden, sich einfach gebenden Frau. Alfred drückte ihr stumm die Hände. Nachdem sie sich von ihrem Spiele auS­

geruht und der kräftige Wein zarte Röte auf ihre Wangen gezaubert halte, zog Fred einen Brief aus der Tasche und sagte ohne Vorbereitung, bevor er diesen reichte:Was meinst du, Schatz, wenn du dich diesmal auf Schmollinghausen er­holen würdest?"

Frida zuckte zusammen und sah ihn starr an.Ungerufe»?" Der Ton in welchem sie die Frage stellte, war hart.

Wie kannst du glauben, Geliebte, daß ich dir dies je zumuten würde. Hier lies des Vaters Brief; er bittet dich darum."

Er mich? eine Komödiantin?" klang eS bitter von ihren Lippen. Fred verfärbte sich. Sie hatte dieses Wort also noch immer nicht vergessen und verziehen. Seine Hrffnung auf eine Aussöhnung war vergeblich, er mußte also seine Sehnsucht, die von ihm heißgeliebte Mutter wieder einmal zu umarmen, unterdrücken. Frida, die nicht nur eine große Menschendarstellerin, sondern auch Menschenkennerin war und seine Enttäuschung und seinen Schmerz in seinen Zügen las, macht« sich Vorwürfe über ihre Ungeschicklichkeit und sagte mit schnellem Entschlüsse, ohne den Brief vorher zu lesen:Ich gehe mit dir nach Schmolling­hausen."

Stürmisch griff er nach ihren Händen, die sie ihm willig überließ.Willst du nicht erst den Brief lesen?" fragte er sie.

Wozu? Er bittet mich, das genügt mir; ich habe alle» vergessen."

Kein Wort deS Dankes kam über Fred» Lippen; er wußte genau, daß sie Dank weder von ihm erwartete noch wollte.

Der nächste Morgen brachte ein« Neuigkeit, die aufregend wirkte. Olga Reimer hatte sich erschaffen.

(Fortsetzung folgt.)