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sich als Schutzpatron der vomUltramontanismus be­drohten" evangelischen Kirche aufzuspielen. Gegen­wärtig werde namentlich auch im Calwer Bezirk eine Agitation von einem neu gegründeten Verein, der sich nationaler Verein" nenne, betrieben, welcher eS hauptsächlich auf die Mitglieder des Bauernbundes abgesehen habe (als ob dieselben nicht auchnational" wären!). Wozu denn diese hämische, fade Bemerkung? D. Red.f Redner warnte vor diesem Verein und bedauerte, daß dem Bund der Landwirte nicht viel mehr agitatorische Kräfte zur Verfügung stehen, um demselben immer mehr Ausdehnung zu verschaffen, immer mehr neue Mitglieder zuzuführen. D-nn nur durch eigene Kraft, durch hinreichende Vertretung im Reichs- oder Landtag können die Interessen des Bundes gegenüber dem Großhandel und der Großindustrie hinreichend gewahrt werden. (Allgemeiner Beifall! Hierauf sprach der Vertrauens­mann der hiesigen Ortsabteilung des Bauernbundes, G. Schöffler, dem geehrten Hrn. Redner den Dank der Versammlung für den höchst interessanten Vor­trag aus, mit dem Ersuchen, der Herr Landtags­abgeordnete möge auch nach Ablauf des Mandats seine geschätzte Kraft wieder zur Verfügung stellen, wobei er der kräftigen Unterstützung der hiesigen Wähler versichert sein dürfe.

-n. Wildberg, 20. Jan. Heute früh '/'3 Uhr drohte in der Werkstätte der Ohngemach'schen Holzdreherei ein gefährlicher Brand auszubrechen. Wenn der in Tätigkeit gesetzte Minimaxapparat mit einer Reserve-Flüssigkeit versehen gewesen wäre, so hätte das Feuer noch von den Bewohnern ge­löscht werden können. Die Feuerwehr war mit Hilfe der Wasserleitung jedoch im stände, den Brand zu lokalisieren, so daß nur die Werkstätte ausbrannte. Als Ursache wird Warmlaufen der Transmission angenommen.

Stuttgart, 17. Jan. Se. Majestät der König ist heute nachmittag von hier abgereist, um sich für einige Wochen nach Cap Martin bei Men­tone in Frankreich zu begeben.

Stuttgart, 18. Jan. Heute Vormittag hat sich der Sohn eines hiesigen Bankbeamten im Abort eines Personenwagens zu erschießen versucht; er wurde noch lebend in das Katharinenhospital verbracht, wo er nach kurzer Zeit starb. Ein älterer Bruder desselben hatte sich vor einiger Zeit gleichfalls durch Erschießen entleibt.

Stuttgart, 19. Jan. Wie aus Abgeord- netenkreisen verlautet, ist es nicht sehr wahrscheinlich, daß der Antrag der Staatsanwaltschaft Stuttgart auf strafrechtliche Verfolgung des Abg. Keil wegen Beleidigung des Königs von Sachsen noch im Laufe des Monats Januar in der Kommission zur Bera­tung gezogen werde. Falls dies aber der Fall sein sollte, so werde die Kommission altem Herkommen gemäß zweifellos einstimmig den Antrag auf Nicht- bewilligung der strafrechtlichen Verfolgung Keils stellen. Dies werde Übrigerls, da der Landtag im Monat Februar vertagt und eine Verjährung nicht

eintreten werde, weil der inkriminierte Artikel erst am 28. Dezember in der Schwäb. Tagwacht er­schienen ist, den Staatsanwalt nicht hindern, von seiner Befugnis Gebrauch zu machen, während der Vertagung der Kammer gegen den Abg. Keil seines Amtes zu walten.

Tübingen, 18. Jan. Von der Straf­kammer Tübingen wurde heute ein ebenso gewandter als kecker Zechpreller Paul Hugo Müller von Genkingen zu 1'/, Jahren Gefängnis verurteilt. Seit Monaten lebte er in württembergischen und badischen Gasthäusern als Werkmeister, Elsenbahn- ingenieur, ja schließlich als Baron und ließ sich Essen und Trinken überall munden, ohne zu be­zahlen. Wenn ihm der Boden zu heiß wurde, ver­schwand er.

Markelsheim, 18. Jan. Die schon so oft verworfene Unsitte des Hochzeitschießens brachte leider auch unserer Gemeinde wieder einen schrecklichen Unglücksfall. Bei einer Hochzeit hatten es sich verschiedene junge Leute nicht nehmen lassen, gestern Nachmittags innerhalb des Ortes, trotzdem sie vormittags von dem Amtsdiener aufgcfordert wurden, außerhalb des Ortes zu schießen, mit einem Gewehr mehrere Schüsse abzufeuern. Unglücklicher­weise kam der 23jährige Sohn der Witwe Bauer, welcher vom Felde heimkehrte gerade des Weges als ein Schuß losging und den Bedauernswerten auf 6 Meter Entfernung am Kopf schwer verletzte. An seinem Aufkommen wird gezwetfelt. Der un­glückliche Schütze Valentin Hofmann hat die Tat bereits eingestanden.

Bochum, 18. Jan. Auf der Zeche Zentrum haben gestern Ausschreitungen stattgefunden. Die Krawalle dauerten von 9 bis 11 Uhr. Um den Belegschaftswechsel hatten sich etwa 1000 Berg­leute, auch Frauen eingefunden. Die Polizei schritt mit blanker Waffe ein, wobei mehrere Personen verletzt wurden. Die Menge flüchtete schließlich.

Dortmund, 18. Jan. Insgesamt streikten heute Vormittag 175523 Bergleute. Auf 203 Zechen bezw. Schächten besonders auch auf fiskalischen befinden sich die Arbeiter im Ausstand. Ueber das Ergebnis der Konferenz mit den Re­gierungsvertretern kann bereits heute gesagt werden, daß eine Einigung nicht zu Stande kommt, weil in der gestrigen Verhandlung die Vertreter der Bergarbeiter die Erfüllung ihrer sämtlichen bereits bekannter Forderungen verlangten, was in der Be­sprechung mit den Zechen-Vertretern seitens der letzteren zurückgewiesen werden wird.

Essen, 19. Jan. Bis zur heutigen Mittags­schicht hatte sich die Zahl der streikenden Zechen bezw. Schachtanlagen nicht vermehrt. Insgesamt find 205 Zechen bezw. Schachtanlagen vom Aus­stande betroffen, von denen 125 876 Arbeiter aus­ständig sind. Wie mitgeteilt wird, haben verschie­dene Zechen aus Schlesien Anerbietungen von Berg­arbeitern erhalten, die hier beschäftigt werden möchten.

Es handelt sich bei diesen Angeboten stets um mehrere hundert Leute. Wenn die Zechen von diesem Angebot Gebrauch machen sollten, dürfte eine ganze Anzahl von Bergarbeitern nach Beendi­gung des Ausstandes hier keine Beschäftigung mehr finden.

Berlin, 19. Jan, nachmittags 2°/« Uhr. Die Berliner Zeitung berichtet über einen Unfall, der den Kronprinzen heute betroffen hat. Der Kronprinz wollte sich kurz vor 11 Uhr von seinem Palais in einem Docgart nach der Eisbahn auf dem Heiligensee begeben; das Pferd strauchelte über eine Eisenplatte, wodurch der Kronprinz sowie sein Kutscher in weitem Bogen über das Pferd hinweggeschleudert wurden. Zum Glück ist der Un­fall ohne jeden ernsten Schaden verlaufen.

Berlin, 19. Jan. (Telegr. des Schwäb. Merk.) General Trotha meldet: Wilhelm Maharero zeigte seine Unterwerfung an. Kapitän Zacharias Zeraua, der bereits unter­worfen ist, sagt aus, verschiedene Führer der Auf­ständischen seien gestorben, teilweise ver­durstet; die Krie gsleute seien zersprengt; sie werden größtenteils versuchen, aus dem Sand­feld in das Hereroland zurückzukchren. Nur Wil­helm Maharero hielt noch einen Rest gut- bewaffneter Okahandjaleute zusammen.

Hamburg, 18. Jan. Die Truppen- TransportdawpfcrHans Wörmann" undLulu Bohlen" sind heute Nacht 2 Uhr nach ihrer Aus­fahrt aus dem Hamburger Hafen auf Grund geraten und liegen fest. Die Wasserverhälltnisie im Hafen sind derart ungünstig, daß befürchtet wird, die beiden Dampfer könnten erst im Laufe der Nacht wieder frei gemacht werden.

Paris, 19. Jan. Petit Paristen berichtet aus Petersburg: Man stehe in Erwartung ernster Ereignisse. Morgen werden wahrscheinlich 100 000 Arbeiter ausständig sein. Die Behörden haben alle Maßregeln getroffen, die Truppen bleiben konstgniert. Die Polizei hat besondere Maßnahmen für die Sicherheit des kaiserlichen Palastes getroffen, in welchem sich die kaiserliche Familie angesichts der bevorstehenden Kirchenfeste aufhält. Vier große Werkstätten, in welchen Tag und Nacht Munition und Waffen hergestellt wurden, liegen infolge des Ausstandes still. Auch 2 Spinne­reien haben geschlossen und morgen werden weitere folgen. Die Arbeiter verfügen über genügende Streikgelder, um den Ausstand vier Wochen aus­zuhalten. Bis jetzt war kein Zwischenfall zu ver­zeichnen, aber man befürchtet, daß die Lage in den politischen Verwickelungen komplizierter wird.

Petersburg, 19. Jan. Der Streik der Arbeiter der Putilow-Werke beginnt zu einem Generalstreik aller Fabrikarbeiter Petersburgs auszuarten. Bisher traten 50 000 Arbeiter in den Ausstand.

helfen, aber wenn du no mal zudeiner Tante" gehst, kannst bei ihr bleiben, zu mir kommst nimmer.

Gust'l versprach ihr auch alles, und in schönster Harmonie endete der stürmische Tag.

DaS Rennen begann vom Wetter begünstigt. Frida war gekommen mit WörlkeS und Schmidt.

Paula bedauerte, daß sie ihr den Besuch des Rennplatzes nicht ausgeredet hatte, als sie auf dem Programm gelesen, daß Alfred von Schmolling lief. DaS jähe Erblassen Fridas zeigte ihr genau, wie es um der Freundin Herz stand.

Frida hatte sich hinter den Schwestern in der Loge niedergelassen, sie wollte nicht von Alfred gesehen werden. Sie hatte die unbestimmte Angst, daß ihn ihr plötzlicher Anblick vor dem Laufen erregen könnte. Oder traute sie sich nicht so viel Stärke zu, ruhig zu bleiben, wenn er an der Loge vorüberging?

Frida war sehr einfach gekleidet und dicht verschleiert. WörlkeS zogen mit ihren eleganten Wienertoiletten die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich, sodaß Frida tatsächlich unbeachtet und unbekannt blieb.

Olga Schmolling war in einer entzückenden Pariser Toilette erschienen; sie strahlte vor Vergnügen und konnte das dritte Rennen, welche« ihr Mann lief, kaum erwarten. Reimer, der schön« Mann, folgt« ihr wie ihr Schatten, und da Olga wußte, wie alle Damen für ihn schwärmten, so war ihr seine Huldigung an öffentlichen Orten erwünscht. Sie war heute liebenswürdiger als sonst gegen ihn; dadurch ermutigt, vielleicht hatte er auch etwas dem Sekt zugesprochen, wurde er zudringlicher, als eS sonst sein« Art war.

Olga stand an der Barriere unten, Reimer so dicht hinter ihr, daß eS aussah, als lehne er sich an sie.

Man hatte die Vertraulichkeit der Beiden schon beobachtet, und Alfred

der diese peinlich empfand, wollte der Sache ein Ende machen. Er trat auf seine Frau zu; in diesem Augenblick flüsterte Reimer Olga ins Ohr:Sie sind mir noch den versprochenen Preis für jenen zudiktierten Brief schuldig, meine schön« Frau."

Ehe Olga antworten konnte, sagte Alfred:Die Schulden meiner Frau bezahle ich, mein Herr."

Mit einem Ruck drehte sich Reimer um, und Schmolling sah in rin tief erschrecktes Gesicht.

Auch Olga war bis in die Lippen erbleicht.

Alfred sah sie scharf an. Was hatten die Beiden? Lag da eine Schuld vor? Nur ein Blinder konnte daran zweifeln.

Was war das für ein Brief?" fragte Alfred den fassungslosen Mann und ihm entging nicht der bittende Blick, den Olga dem Sänger zuwarf.

Reimer blieb stumm, während Olga zu scherzen versuchte:Nichts von Bedeutung, eine Geburtstagsüberraschung, forsche doch nicht." Und dabei sah sie ihm lächelnd in die Augen.

Wie dieses Weib log! Ihm ins Gesicht log, also auch noch falsch.

Welche Verbindung hatten die Beide»?

Alfred mußte fort, denn gleich begann sein Rennen. Mit de« Worten: Wir sprechen uns später, Herr Reimer; fürs erste bitte ich Sie, sofort meine Frau zu verlassen," ging er nach dem Sattelplatz.

Wie seine Nerven bebten, wie er am ganzen Körper zitterte vor Aufregung, und da sollte er auf» Pferd. Ihm war es gleichgillig; er wußte von vornherein, daß dieses Rennen mit einer Niederlage für ihn enden würde, und er gönnt« diese Niederlage Olga.

(Fortsetzung folgt.)