Herrenberg, 2. Jan. Hier wurden die 3 Handwerksbnrschen verhaftet, welche vor einiger Zeit in der „Linde" in Rohrau einstiegen und schon die Kommode ausgeräumt hatten, als sie gestört wurden und flüchten mußten.
Stuttgart, 3. Jan. (Strafkammer.) Ein schwerer Bauunfall, der sich am 4. Juli an einem Neubau in der Seestraße hier ereignete, führte zu einer Anklage gegen den Maurerpolier Friedrich Raisch und den Taglöhner August Wied maier, die sich wegen fahrlässiger Tötung zu verantworten hatten. An dem betreffenden Tage war Wiedmaier mit dem Hinaufzichen eines etwa 8 Ztr. schweren Steines beschäftigt. Beim Aufkurbeln wickeÜe sich das Drahtseil auf der Trommel der Aufzugsmaschine schief auf, wodurch das Seil abschnoppte und der Stein am Bangerüst des ersten Stockwerks aufstieß. Durch den Anprall löste sich der Stein los und fiel dem unter der Aufzugsmaschine arbeitenden ledigen Maurer Wüst auf den Kopf, was den sofortigen Tod des Wüst zur Folge hatte. Nach Aussage des Arztes hing der Kopf nur noch an einem Streifen Haut. Die Angeklagten Raisch und Wiedmater sollen nach der Anklage den Unfall mitverschuldet haben, und zwar Raisch dadurch, daß er nur einen Mann mit der Bedienung des Aufzugs beauftragte, Wicdmaier, weil er eS beim Aufkurbeln an der nötigen Aufmerksamkeit fehlen ließ. Nach Ansicht der Sachverständigen, Bezirksbaumeister Stahl und Architekt Storz trifft die beiden Angtklagten so gut wie keine Schuld, vielmehr liege die Hauptschuld an dem Getöteten selbst, weil er sich trotz Warnung unter der Aufzugsmaschine aufgehalten habe. Beim Hinaufziehen von kleineren Steinen genüge ein Mann zur Bedienung des Aufzugs, nur bei größeren Steinen, oder wenn die Aufzugsmaschine den ganzen Tag in Tätigkeit sei, würden 2 Mann verwendet. Die Strafkammer konnte sich von einer Schuld der beiden Angeklagten an dem Unfall nicht überzeugen und erkannte auf Freisprechung.
Stutt gart, 3. Jan. (Strafkammer.) Die beiden Bäckergesellen Hermann Brand aus Wolfenbüttel und Theodor Brehm von Wien drangen in der Nacht auf 4. Dez. stehlenshalber in ein Haus in der Hauptstätteistraße ein. Bet dem Versuch, eine Türfüllung herouszuschneiden, wurden die beiden von einem heimkehrenden Hausbewohner ertappt und verfolgt. Bei ihrer Verhaftung waren sie im Besitz von mehreren Dietrichen und eines Dolchmessers. Wegen eines Verbrechens des versuchten schweren Diebstahls erkannte die Strafkammer auf je 1 Jahr Gefängnis.
Stuttgart, 2, Jan. In der Neujahrsnacht wurde in Goblcnberg ein Mädchen auf der Straße von einem bis jetzt nicht ermittelten Täter, vermutlich mit einer Zimmerflinte oder ähnlichen Schußwaffe, in den Unterleib geschossen und schwer v«"l-kt Sie mußte ins Karl-Olga Krankenhaus
verbracht werden. — In der Neujahrsnacht wurde gegen 216 (im Vorjahr 114) Personen wegen Ruhestörung, unerlaubten Schießens, Abbrennen von Feuerwerkskörpern rc. Anzeige erstattet.
Rottweil, 3. Jan. Der zwischen Balingen und Rottweil verkehrende Postwagen hat vorgestern abend auf der Steige bei Neukirch umgeworfen. Der Wagen war mit 6 Personen besetzt. Sämtliche Jnsaßen erhielten zum Teil nicht unbedeutende Verletzungen.
Bühlertann, 2. Jan. In der Neujahrsnacht wurde der „Jpf- und Jagstzeitung" zufolge in der Wirtschaft von Joh. Baumann zum offenen Fenster hereingeschossen. Baumann, der sich in der Nähe der Türe aufhielt, stürzte getroffen zu Boden. Ein Pfropf ans Papier, hatte ihm am Ohr eine schwere Verletzung beigebracht. Es besteht keine unmittelbare Lebensgefahr. Der Täter ist noch nicht ermittelt.
Ulm, 3. Jan. Gestern Nachmittag sprang die in den vierziger Jahren stehende Frau eines Eisenbahnbediensten an einer tiefen Stelle in selbstmörderischer Absicht in die Donau, wurde aber von einem Schutzmann unter der Eisdecke hervorgeholt und ans Ufer geschafft. Die nicht ganz zurechnungsfähige Frau liegt nun im Spital, sie ist am Leben, hat aber das Bewußtsein noch nicht erlangt.
Hamburg, 1. Jan. Der Hvchseefischerei- dampfer „Rathmann u. Sohn" traf gestern in der Nähe von Helgoland das mit einer Ladung Oel- kuchen von Harburg nach England bestimmte Küstenfahrzeug „Neptun", Kapitän Brinkmann, aus Ostfriesland ohne Mannschaft an und brachte das Fahrzeug nach Altona. Anscheinend war die Be- satzuug über Bord gespült und ertrunken.
Ko« jiMisch-riMchr» Krieg.
- Petersburg,^ Jan. Aus dem Hauptquartier Mulden meldet die Wjedowosti, daß seit vorgestern früh Morgens eine starke Kanonade im Zentrum der Stellung am Schah» vernehmbar ist. Das Salven-Feuer ging bald zum Schnellfeuer über. Gerüchtweise verlautet, daß die Japaner teilweise vorzurücken beabsichtigen. Alle Bemühungen der Japaner, das Zentrum zu durchbrechen, mißlangen vollständig und sie wurden mit großen Verlusten zurückgeschlagen. Berichten aus chinesischer Quelle zufolge haben die Japaner in der Heimat eine große Anzahl neuer Truppen ausgebildet und bereits in Dalvy zu landen begonnen. Die ersten Staffeln dieser Leute find schon nördlich Weiler marschiert und im Januar werden dort 200,000 Mann neue Verstärkungstruppen erwartet.
Petersburg, 3. Jan. Man glaubt, die Nachricht vom Fall Port Arthurs werde die Zahl der Friedensanhänger vergrößern, andererseits aber auch den Wunsch des Volkes fördern, welches verlange, daß das baltische Geschwader zurückberufcn werde, weil eS den japanischen Schiffen in keiner Weise gewachsen sei. In amtlichen Kreisen, wo man für die Fortsetzung des
Krieges ist, dürfte die Nachricht die Wirkung haben, daß es nunmehr für Rußland absolute Notwendigkeit sei, ungewöhnliche Anstrengungen zu machen, um die Niederlage auszuwetzen.
Paris, 3. Jan. Der hiesige japanische Gesandte beantwortete die Frage, welche nächsten Folgen der F a l l von Port Arthur haben werde, wie folgt: Zunächst wird man für die Kranken und Verwundeten Sorge tragen und erwägen, inwieweit der Handelsschiffahrt zu gewährende Konzessionen mit den strategischen Rücksichten vereinbar sind. — Aus Tschifu wird gemeldet, daß die Zufuhr von Lebensmitteln sowie von Tragbahren und chirurgischen Instrumenten nach Port Arthur unter japanischer Eskorte ins Werk gesetzt worden ist. — General Stöffel richtete an Nogi einen Privatbrief, um ihm zum Tode seiner Söhne zu kondolieren.
London, 3. Jan. Der „Daily Mail" wird aus Tokio depeschiert: Nach einer Meldung aus Port Arthur wurde den Russen bewilligt, mit allen Kriegsehren, also mit allen Waffen, Feldgeschützen und fliegenden Fahnen aus der Festung zn marschieren. General Stöffel und die leirenden russischen Offiziere sollen sofort auf Ehrenwort nach Rußland gehen dürfen und dem Rest der Besatzung werde ebenfalls die Rückkehr gestattet werden unter der Verpflichtung, keinen weiteren Anteil am Kriege mehr zu nehmen.
London, 3. Jan. Der japanische Gesandte erklärt in einem Interview über die Folgen der Kapirulation von Port Arthur, daß diese nicht abzusehen seien. Rnsstscherseits könnten dieselben sowohl zu Gunsten des Friedens dienen als andererseits einen neuen Impuls zur Fortsetzung des Krieges bilden. Für Japan sei die Kapitulation zweifellos von größter Wichtigkeit, denn nunmehr könne die gesamte japanische Flotte für andere Zwecke verwendet werden.
— Das in Port Arthur erscheinende Blatt „Novi Krat" ließ am 25. Dezember eine Nummer erscheinen, worin sich die verzweifelte Si- ruaiion der Festung abspiegelt. Es heißt darin: Die Vorsehung allein kann uns noch helfen, wir warten nicht mehr üuf die baltische Flotte, nichts kann uns retten, aber wir kämpfen bis zum Tode. Es ist unmöglich, die Prüfungen zu beschreiben, welche wir durchgemacht haben, aber Rußland wird wissen, was wir gelitten haben, obgleich es schwer ist, sich die Qualen vorzustellen die wir erdulden mußten.
Tokio, 2. Jan. (Reuter.) Die Konferenz über die Kapitulation Port Anhurs schloß um 4'/- Uhr nachmittags mit dem Ergebnis, daß ein Abkommen über die Unterzeichnung des formellen Kapitulationsaktes erzielt ist. — Marschall I ama- gata teilte General Nogi auf Befehl des Kaisers mit, der Kaiser von Japan wünsche, in Anerkennung der Selbstaufopferung und Hingebung, die General Stössel für die Sache seines Vaterlandes im höchsten Maße entfaltet habe, daß alle soldatischen Ehren ihm erwiesen werden. — General Nogi meldet, daß die Forts Ostkikwanschan und Ma vor 12 Uhr 30 Minuten vom Feinde geräumt und in die Luft gesprengt wurden. Die Japaner besetzten diese Forts, und die Höhen im Süden davon. Fast
„Ihre steh; nicht dannnen", sagte er grob.
Sie sah ihn von oben bis unten an und wandte sich schweigend zum Gehen. In diesem Augenblick ging der Direktor vorüber und rief dem Tenor lachend zu: „Sehen Sie, mein lieber Reimer, nun ist sie Ihnen doch durch- grgangen, die schöne Oehnhausen."
Reimer brummte etwas und verließ wütend die Bühne.
„Oehnhausen", wo hatte Paula nur diesen Namen schon gehört? Doch was kümmerten sie die Liebesgeschichten des ersten Tenors, sie hatte mit ihren eigenen genug zu tun. Der Japaner mußte abgeschofft werden; er schien große Lust zu haben, den Belagerungszustand aufzugeben und zur Eroberung überzugehen, aber sie wollte nicht kapiiulieren. Sie hatte kein Interesse für ihn übrig, sie hatte nun mal den Väterspieler lieb, den forschen Kerl, der nur den Fehler hatte, an Herzerweiterung zu leiden, eine Krankheit, die jedesmal auftrat, wenn eine neue, hübsche Kollegin kam. Er gesundete zwar baldigst und kehrte dann reumütig zu Paula zurück, und sie war immer so „trottelhaft", wie sie eS nannte, den „Schlanke!" in Gnaden aufzunehmen. ES gab dann eine heftige Szene, in welcher er geduldig dir sonderbarsten Schmeichrlworte und kräftigsten Liebkosungen ertrug, und dann herrschte wieder eitel Liebe und Eintracht zwischen den Beiden.
Schmidt kam auf sie zu. „Du Paula, was sagst Du denn dazu, daß sich Fridas Liebster verlobt hat?"
„Laß mich z'frieden mit der G'schicht; i fahr' noch aus der Haut, i bin fuchsteufelswild über den Schlanke!; i nehmet ihn am liebsten an die Ohrwatscheln, wenn i kunnt!" Sie hatte sich in Wut geredet.
Schmidt ging seelenruhig neben ihr; da ihr Zornesausbruch nicht ihm galt, hatte er Courage.
„DaS wird er des Geldes wegen getan haben, die Oehnhausen ist schwer reich."
„Oehnhausen, Oehnhausen, heißt seine Braut?"
„Ja, Olga Oehnhausen, kennst Du sie?"
„Nein, i nit« aber unser Tannhäuser scheint auf seiner Romfahrt unterwegs bei ihr ein'kehrt zu sein."
„Paula, das ist eine feine, reiche Dame, von der Du sprichst."
„DöS kann schon sein, jedenfalls kennt sie der Porzellankopf; i muß wissen, wie er mit ihr steht oder g'standen hat; i werd ihm schön um de» Bart gehen."
„Das verbitte ich mir, Paula."
Er sah sie böse an, er liebte solche Abschwenkungen nur bei sich. Paula kannte diese eifersüchtige Ader an ihm und ließ sie sich gern gefallen, sie war eine Art Gewähr für seine Liebe.
Frida hatte an diesem Abend sich selbst übertroffen; die Rolle lag in ihr, oder vielmehr in ihrer Seelenstimmung; das Publikum war tief ergriffen und rief seinen erklärten Liebling immer wieder vor die Rampe. Mechanisch folgte sie dem Rufe, ihr Auge sah ins Leere, sie empfand nichts bei diesen Beifallsbezeugungen; auch nicht einen Augenblick konnte der große Erfolg ihr Herzeleid sie vergessen machen. Der Ruhm war ihr nichts, das fühlte sie, da das Glück, nach dem ihre junge Seele dürstete, sie verlaffen hatte. Wie sollte sie weiter leben, und sie war doch noch so jung und vor ihr lag das Leben, das ganze lange Leben.
Als sie sich an diesem Abend zu Bett legte, hatte sie nur den einen Wunsch, daß es kein Erwachen geben möge!
(Fortsetzung folgt.)