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Neuenbürg, Dienstag den 23. November

78. Jahrgang.

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Deutschland.

Die Alliierten und die deutschen Kolonie«.

Berlin, 21. Nov. Der Rat des Völkerbundes hat vor einiger Zeit Beschlüsse über die früheren deutschen Kolonien . gefaßt, die der deutschen Regierung Anlaß zum Eingreifen ^ z gegeben haben. In den Beschlüssen hat sich der Rat auf den *- ' Standpunkt gestellt, daß die Verteilung der Mandate über die Kolonien und ebenso die Festsetzung der Bedingungen für Mandatsausübung Sache der alliierten Mächte ist, während dem Völkerbund dabei nur eine unwesentliche, rein formale Funktion Vorbehalten bleiben soll. Es ist klar, daß dieser Standpunkt das ganze Mandatsshstem zu einem bloßen Schein macht und in Wahrheit auf eine Annexion der Kolonien durch die Sieger hinausläuft. Die deutsche Regierung hat diese Verletzung des Friedensvertrages in einer ausführlichen Denk­schrift dargelegt, die dem Generalsekretariat des Völkerbundes mit dem Ersuchen übermittelt worden ist, sie der jetzt in Genf tagenden Vollversammlung des Völkerbundes zu unterbreiten. In der Denkschrift wird darauf hingewiesen, daß die Veriel- lung der Mandate und die Festsetzung der Mandatsbedingungen Sache des Völkerbundes ist, der allein die Verantwortung für die vertragsmäßige Verwaltung der Kolonialgebiete trage. Zugleich müsse zum Ausdruck gebracht werden, daß Deutschland dm Anspruch erhebt, bei der endgültigen Verteilung der Man­date selbst als Mandatur herangezogen zu werden.

Huhsmans in Berlin.

Berlin, 21. Nov. Der Sekretär der Zweiten Inter­nationale Camille Huysmans, sprach am Sonntag vor den ivldemokratischen Funktionären Berlins im Kriegervereins- -ws. Er schilderte die Entstehung und Bedeutung der ersten «id zweiten Internationale und wandte sich scharf gegen den Bolschewismus, der vom Kriege lebe und nicht Brot , und Mieden schaffen könne. Er schloß mit einem Hoch auf die Zweite Internationale.

Berlin, 21. Nov. Unter dem Vorsitz von Camille Huys- mans fand am 20. November in Berlin eine Konferenz der Kutschen und polnischen Sozialdemokraten statt, in der laut .Vorwärts" beschlossen wurde, in den Abstimmungsgegenden alk nationalistische Verhetzung auszuschalten. Die deutschen md polnischen Sozialisten werden alle Gewalt- und Vergel­tungsmittel, sowie alle wirtschaftlichen Druckmittel aufs entschiedenste bekämpfen und für die völlige Abstimmungs­freiheit eintreten. Eine Kommission von drei deutschen und ! drei polnischen Vertretern soll alle Uebergriffe beseitigen.

Der Lanbarbeiterstreik in Pommern.

^ Blättermeldungen zufolge hat sich der Streik der Land­arbeiter in Pommern weiter verschärft. Im Kreise Grimmen wf 10 Gütern, im Kreise Franzburg auf 60 Gütern und im kreise Rügen auf allen Gütern ausständig. In den beiden ^ lohten Kreisen ist der verschärfte Generalstreik beschlossen worden. Es sollen keine Notstandsarbeiten geleistet werden.

Räuberhimptmann Holz.

Leipzig, 21. Nov. Wie die Leipziger Neuesten Nachrichten «fahren, hat sich der sächsische Räuberhauptmann Max Hölz »ach Leipzig begeben, wo er in der Stadt gesehen worden ist.

Ein Zwischenfall.

Kattowitz, 22. Nov. In Calin, Kreis Lublonitz, fand eine sm der dortigen Ortsgruppe der Heimattreuen Oberschlesihr veranstaltete Theatervorstellung statt. Nach Schluß der Vor- bllung wurde von einem, sich auf der Straße herumtreiben- k» polnischen Sokol ein Schuß in den Saal abgegeben, durch lvi ein Mädchen verletzt wurde. Spater wurde eine Hand­granate in die dichtgedrängte Menge geworfen, wodurch 15 Personen schwer oder leichter verletzt wurden.

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Ausland. >

Das Tiroler Landesschietzen.

Am gestrigen Hauptfesttag des Landesschießens der Tiroler Heimatwehren zogen die Schützengilden unter klingen­dem Spiel zur Wiltener Pfarrkirche, wo der Abt die feierliche Einsegnung der Standarten der Tiroler Heimatwehren vor­nahm. Zur Feier waren aus allen Teilen des Landes Vertreter erschienen. Die Verhandlungen der Tiroler Landesversammlung mit dem Abstimmungskomitee der sozia­listischen Arbeiterschaft und den Gewerkschaftsorganisationen idaben zu einem günstigen Ergebnis geführt, sodaß im Laufe !des morgigen Tages der Zugverkehr wieder ausgenommen i s>erde dürste.

Gegen die tschechischen Gewalttaten.

Wien, 22. Nov. Im Laufe der gestrigen Protcstversamm-

Haus- und chxrr Mädchen

iei Haus- und Küchen^ ^ __ ^ _,__>_>.

>en werden zum 1- gegen die Gewalttaten der Tschechen in Prag und Deutsch-

gesucht. Lohn 120 Mk-Mhmen gaben fast sämtliche Redner der Hoffnung auf erneu tlich, bei freier Station. Xldigen Anschluß an das Deutsche Reich Ausdruck. Der Ab- Barth, Vier Jhares- «eordnete Kallina-Karlsbad erklärte, die Deutschen würden m Karlsruhe i. Badens Tschechoslowakei in ihrer Abwehr vor keinem Opfer zurück-

-Drecken, denn das Hauptziel der Deutschen in der Tschecho-

ioMakei sei die Freiheit und die Vereinigung mit dem groß- Mtschen Volksstamm. Abgeordneter Dr. Prunar führte u. a.

über der Treue znm Staat stehe die Treue zu dem ange- »»mmten Volkstum. Wir wollen ein gesichertes Deutschtum. Ti» Tschechen machen es den Deutschen im tschechischen Staat ^möglich, am Staate mitzuarbeiten. In der unter lebhaftem

miß insciiem!

Beifall einstimmig angenommenen Entschließung heißt es: Wir vertrauen fester denn je auf die Vereinigung des ganzen deutschen Volkes. Es wird seine losgerissenen Brüder und Schwestern nicht Preisgeben. Einer Abordnung der De­monstranten erklärte der Polizeipräsident, er werde in Zukunft tschechische Veranstaltungen solange in Wien verbieten, als die Mißhandlungen Deutscher in der Tschechoslowakei andauerten.

Bon der Völkerbunds Versammlung.

Genf, 20. Nov. Die Völkerbundsversammlung setzte heute vormittag die Besprechung über den Bericht des General­sekretariats fort. Der belgische Delegierte, Senator Lafon­taine, entwickelte seine Stellung zum Völkerbund. Neben dem Problem des wirtschaftlichen Wiederaufbaues sei es besonders die Frage der Abrüstung, die für die Welt geradezu eine Lebensfrage bedeute angesichts der Tatsache, daß der Militaris­mus heute mehr verschlinge als vormals. Es seien nicht nur die Pazifisterl, die diese Abrüstung verlangen, sondern die Finanzleute und die Männer des Wirtschaftslebens sind es. die auf eine Herabsetzung der militärischen Ausgaben drängen. Es muß eine internationale Armee des Völkerbundes an die Stelle des nationalen Militarismus treten, die nicht mehr ein Instrument der Machtpolitik, sondern des Rechts sein muß. Es wäre sehr leicht, heute diese Armee für die Rettung Armeniens zu bilden und der Völkerbund würde gewaltige moralische Kraft gewinnen, wenn er sich zu einer solchen Aktion entschlie­ßen würde.

Deutschland «nd der Völkerbund.

Genf, 21. Nov. Es verlautet, daß Viviani im Namen der französischen Regierung verlangen wird, daß Deutschland keinesfalls vor dem 1. November 1921, d. h. ein halbes Jahr nach dem 1. Mai 1921, dem Ablauf der Entschädignngsfrist, zum Völkerbund ausgenommen werde. Die französischen Vertreter sollen dagegen bereit sein, unverzüglich Oesterreich und Bulgarien in den Völkerbund aufzunehmen. Als Grund für diese weitgehende zeitliche Verschiebung der deutschen Auf­nahme wird angegeben, daß vorher die Entschäoigungsftage erledigt sein müsse. Der wahre Grund wird aber der sein, wie wir bereits darauf hingewiesen haben, daß die französische Politik unbedingt abwirten will, bis die neue Richtung der amerikanischen Politik, klar wird, die mit dem republikanischen Wahlsiege in der Präsidentschaft und im Senat eingezogen ist.

Die Lage in Italien.

Rom, 22. Nov. Im Ministerrat vom letzten Sonntag erklärte Giolitti, daß sich die innere Lage Italiens erheblich gebessert habe. Italien dürfe heute mit Vertrauen die voll­ständige Wiederherstellung seines nationalen Lebens erwarten. In der Kammer werden zunächst die Folgen über die Wahl­reform zu den Gemeinde- und Provinzialräten zu Ende beraten werden und sodann die Debatte über das Abkommen mit Süd-Slavien einsetzen. Hierauf wird die Vorlage der Regierung über die Reform des Brotpreises und der Aufteilung des Großgrundbesitzes zur Debatte gestellt werden. Der Senat wird am 2. Dezember zusammentreten und zunächst den Vertrag von Rapallo in Beratung ziehen.

Italienische Verstimmung gegen Deutschland.

Rom, 22. Nov. Der Protest des Andreas-Hofer-Bundes gegen die Rede des Ministers des Aeußern, Dr. Simons, und die Erklärung des deutschen Botschafters in Rom, v. Beerren- dorf-Goßler, sowie die daran anknüpfenden Kommentare einiger deutscher Blätter haben in Rom sehr verstimmt. Hier hält man in italienischen Regierungskreisen den Vorwurf für unbegründet, daß Italien seine hinsichtlich Tirol gemachten Versprechungen nicht erfülle. Wie erinnerlich, habe die Regierung anläßlich der Erörterung des Annektionsgesetzes in der Kammer erklärt, die Erhaltung der neuen Provinzen cherde vom Parlament in Anwesenheit und unter Mitwirkung der Vertreter der neuen Provinzen geregelt werden. Da die Adria-Frage noch in der Schwebe war, konnte doch die Wahl in den neuen Gebieten bisher nicht stattfinden.- Da durch das Abkommen von Rapallo diese Schwierigkeit beseitigt ist, dürfte die Frage der Verwaltung Südtirols anfangs des nächsten Jahres zur parlamentarischen Erörterung gelangen. Die ita­lienische Regierung will die Bevölkerung nicht unterdrücken, sondern in allen sie unmittelbar angehenden Fragen zu Rate ziehen.

Französische Sorgen.

Paris, 22. Nov. Der Finanzausschuß der französischen Kammer hat sich, ohne einen Beschluß zu fassen, vertagt. Die Ereignisse in Griechenland können zur Folge haben, daß der Finanzausschuß die Kredite für die Expedition in Smyrna und Cilizien, welche gestrichen werden sollten, doch bewilligen wird. Die Möglichkeit und der Wunsch, eine Revision des Friedens mit der Türkei herbeizuführen, hat die Lage von Grund auf geändert. Die französische Politik fußt darauf, daß Griechen­land jetzt im Kampf gegen die noch nicht zu Boden geworfene Türkei in Kleinasien, im Kampf um die Durchführung der Aufteilung der Türkei ausscheidet. Jedenfalls will man fran- zösischerseits der griechischen Politik der Rolle der Polizistin in Kleinasien nicht mehr anvertrauen. Im Gegensatz zur eng­lischen Auffassung ist man auf keinen Fall bereit, die Haltung gegenüber dem restaurierten Königtum den Umständen ent­sprechend dem Willen des griechischen Volkes anzupassen. Für den Fall, daß auch die französischen Truppen in Cilizien zurück­gezogen würden, befürchtet man eine außerordentliche Slärkunc

des osmanischen Reiches, besonders seitdem der Gedanke eines Groß-Armenien nicht zur Durchführung gelangt ist. Die nächste Folge wären Metzeleien in dem gesamten Gebiet, und man befürchtet des weiteren eine katastrophale Reflexwirkung t» den nordafrikanischen Provinzen. Man wird also Wahrschi mit-', nicht nur die 19 Bataillone in Syrien, sondern auch die -i» Bataillone in Lilizien belassen. Zur größeren Sicherheft wirb man außerdem noch die nationalen Wünsche der türkische» Regierung von Angora mit dem Geschenk von Smyrna, viel­leicht sogar mit dem von Thrazien beschwichtigen wollen. Auf die Dauer aber wird die kostspielige Okkupation sich nicht auf­recht erhalten lassen. In der Haushaltkommiffion der Kammer wurde dann auch mit aller Schärfe betont, daß dies die schwere steuerliche Belastung für die Abtragung der Staatsschuld«, und den Wiederaufbau nicht mehr gestatte.

England «nd Frankreich.

Paris, 21. Nov. Als Lord Derby am Samstag morgen mit seiner Gattin Paris verließ, gab ihm der gesamte Quai d'Orsai das Geleit bis auf den Bahnsteig des Nordbahnhofes und Präsident Millerand gab einen Rosenstrauß mit. AS» Lord Derby am Samstag abend in London eintraf, war cmf dem Viktoriabahnhofe ein einziger Vertreter des englischen Außenamtes zugegen. Nachdem Ministerpräsident Leygucs in Paris mit Lord Derby gesprochen hat, erfährt man jetzt, daß der französische Botschafter in Cambon in Londom mit dem stellvertretenden Sekretär des französischen Außenministers ebenfalls eine Unterredung gehabt hat. Beide Male handelte es sich um das gemeinsame Vorgehen gegen Griechenland Beide Male ging die Initiative von Paris aus. Bis heute rst aber nichts geschehen. Es blieb bei den Besprechungen. Ministerpräsident Leygues hat sich bekanntlich nun selber in London zu einer dritten Besprechung angesagt. Er ist aber immer noch nicht abgereist. Das englischeWochew-nde" kam dazwischen und außerdem ist Lord Curzon, der engl-.sche Außenminister plötzlich unpäßlich geworden und aufs Land gegangen. Und Lord Georg will nur im Beisein seines Außen­ministers über die heikle griechische Frage, die natürlich La» gegenwärtige Orientproblem berührt, verhandeln. Die Aus­sprache der beiden Ministerpräsidenten wird nicht vor Ablauf der nächsten 10 Tage stattfinden können. London will als» Zeit gewinnen, um die Ereignisse, in Griechenland ihren Lauf nehmen zu lassen, bis sie so weit sind wie man sie haben will. Am nächsten Samstag soll in Griechenland die Volks­abstimmung über die Rückkehr Konstantins stattfinden. Schon am nächsten Donnerstag soll die neue griechische Kammer zusammen treten, und sie könnte sich gegen eine Mißachtung des Plebiszits schon von vornherein durch einen Appell an de« Völkerbund rückversichern. Nicht daß man in London t,e Rückkehr Konstantins besonders gern sähe, aber man rechne» mit den Kräften der Wirklichkeit und steht die Dinge nicht so, wie man sie gerne hätte, sondern wie sie sind. Samotrage ist griechisch geworden und beherrscht die Dardanellen. Für lcke Engländer handelt es sich weniger darum, den Griechen Sa- motrage wegzunehmen; der englischen Politik kommt es darauf an, daß es nicht mehr die Türken sind, die die Dardanellen- beherrschen.

Wränge! zu neuen Kämpfe« bereit.

London, 22. Nov. In einer Unterredung mit dem Kon- stantinopeler Berichterstatter derEvening News" an Bor» des Dampfers Korniloff, der mit 70 anderen Schiffen im Marmara-Meer liegt, erklärte General Wrangel, sein Heer se» intakt geblieben, um den Kern eines neuen Heeres zu bilden. Er sei bereit, den Bolschewisten auf einer anderen Front Widerstand zu leisten. Alle Gewehre und Maschinengewehre seien gerettet, nur die Panzerwagen und Tanks seien vernichtet worden, Jedoch sei es ihm nicht möglich gewesen, die Munition zu retten. Er habe sich außerdem genötigt gesehen, 1500» verwundete Soldaten zurückzulassen, während es ihm gelungen sei 6000 verwundete Offiziere mitzunehmen. Vorläufig werde die Infanterie nach Gallipoli, die Kosaken nach Lemnos über­geführt. Der Berichterstatter derEvening News" fügt in seinem Bericht hinzu, daß unter den Truppen Wrangels, die großen Mangel an Wasser und Lebensmittel leiden, zahlreiche Fälle von Geisteskrankheiten und Selbstmord Vorkommen.

König Konstantin «nd Sie Kleine Entente.

London, 21. Nov. Ans Christiania wird gemeldet: König Konstantin habe sich einem Vertreter des Morgenblatt gegen­über als ein Anhänger der Kleinen Entente bekannt.

Das englisch-rnffischc Handelsabkommen.

London, 22. Nov. Das Handelsabkommen zwische« Räte-Rußland und England wird in den nächsten Tage» unterzeichnet werden. Es enthält eine neue Klausel, die Rußland die Ein- und Ausfuhr von Gold gestattet. Al- Vorbedingung des Abkommens muß Räte-Rußland die Schul­den der zaristischen Regierung anerkennen. Krassin hat sich bereit erklärt, die Schulden anzuerkcnnen. Er will auch in diesem Sinne auf Moskau cinwirken. Gleichzeitig wird die Bedingung gestellt, daß zuvor zwischen Rußland und de» Westmächten der definitive Friede hergestellt sein müsse. Der Abschluß des englisch-russischen Handelsabkommens, der jetzt in den nächsten Tagen erfolgen soll, hat für England nicht nur . ein wirtschaftliches, sondern auch ein politisches Interesse. In England weiß man ganz genau, daß nach Wiederaufnah«« der Landelsb