«»»vUaitge«, wonach die Stadt Hadschin gefalle« sei. 10 000 Armenier, welche den türkischen Nationalisten seit März dieses Achre» Widerstand geleistet hatten, seien niedergemetzelt Wör­de«.

1. Nov. Comander Wisrouni Curzon ivird heute «it einer Anfrage an Lloyd George die Frage des amtlichen Berichts über die Schlacht am Skagerrak erneut zur Sprache bringe«. (Die Skagerrakschlacht muß doch recht unangenehme Erinnerungen Wecken, daß man an amtlicher englischer Stelle solange mit deyi amtlichen Bericht zurückhält. Er ist Wohl »och nicht genügend frisiert; aber gegen Tatsachen, und wenn ße auch bitter sind, kämpft man auch in England vergeblich. Schrift!.)

Die französischen Absichten auf die Rheinwafferkräfte.

Straßburger Blättern zufolge haben sich zur Verwertung der Wasserkräfte des Oberrheins verschiedene französische Han­delskammern zusammengeschlossen, um eine Gesellschaft mit dem NamenCompagnie nationale du Rhin" auf ähnlicher Grund­lage zu errichten, wie die zurzeit in Bildung begriffene Compagnie nationale du Rhone". Man Plant sieben Abdäm­mungen unterhalb von Hüningen. Auf diese Weise sollen aus dem Rhein bei Hochwasser bis zu 1 Million, bei niedrigem Wasser 500 000 Pferdestärken gewonnen werden.

Schn- der deutschen Krirgsgräber.

Ein Erlaß des Gencralkommissars von Elsaß-Lothringen ordnet an, daß die deutschen Kriegergräber in den Vogesen ebenso gepflegt werden sollen wie die französischen. Jede Schändung eines deutschen Kriegergrabes auf den elsässischen Aampfstätten des Weltkrieges wird unnachsichtlich mit hohen Freiheitsstrafen geahndet werden. Dieser sehr spät kommende Erlaß, dem Anerkennung gebührt, obwohl er für deutsches Empfinden selbstverständlich ist, beweist, wie berechtigt die deut­schen Klagen über Gräberschändung sind.

Eine Hinrichtungsstatistik ans Rußland.

DieJswestifan" veröffentlichen folgende Statistik über Hinrichtungen in der Zeit vom 23. Juli bis 21. August, die auf Grund von Urteilen des Moskauer revolutionären Gerichts­höfe- stattgefunden haben: 10 Hinrichtungen wegen Spionage 100 wegen Hochverrats, 24 wegen militärischer Vergehen, 74 wegen Teilnahme an Aufständen, 65 wegen gegenrevolutionä­rer Umtriebe, 450 wegen Dissertationen, 237 wegen Straßen­raubs, 130 wegen anderer gemeiner Verbrechen, 3 wegen Trunksucht, 112 wegen Verheimlichung von Waffen, 77 wegen Beamtenunterschleife, alles in allem 1282 Todesurteile in ei­nem Monat.

Zur Präsidentenwahl in Amerika.

Newhork, 1. Nov. Der republikanische Präsidentschafts­kandidat Harding wird von seinen politischen Gegnern neuer­dings bezichtigt, er stamme von Negern ab. Dieses veraltete und häßliche, Wahlmanöver hat im Lande einen großen Ent­rüstungssturm hervorgerufen. Der Verfasser der Schrift, wel­cher diese Hypothese von der schwarzen Abstammung Lardings verbrechet hat, ein Professor an der Hochschule von Woostles, namens Känzler, ist seines Amtes enthoben worden.

Washington, 1. Nov. Präsident Wilson und seine Frau haben durch Briefpost ihren Stimmzettel für die Präsidenten­wahl nach Princetowns, ihrem offiziellen Wohnsitz gesandt? Beide stimmten mit dem demokratischen Wahlzettel. Es ist ist das erste Mal, daß eine Frau bei der Präsidentenwahl ihre Stimme abgibt. Der Präsident und seine Frau machten von dem neuen Recht Gebrauch, durch die Post abzustimmen, ein Recht, das jedem zusteht, der nachweislich verhindert ist, am Wahltag dem Wahlakt beizuwohnen.

Japan und die Bereinigten Staaten.

Nack einem Privattelegramm aus Tokio meldet ein ja­panisches Blatt, daß der japanische Botschafter in Washington am 7. November der amerikanischen Regierung einen formel­len Probest gegen den japanfeindlichen Gesetzentwurf betreffend dem Besitz von Immobilien überreichen solle. Der fragliche Gesetzentwurf befinde sich augenblicklich bei der kalifornischen gesetzgebenden Körperschaft in Vorbereitung. Der japanische Botschafter werde ferner ersuchen, ein vorläufiges Abkommen zwischen Japan und den Vereinigten Staaten zu schließen, das in der Hauptsache darauf hinauslaufe, daß die bereits in den Bereinigten Staaten ansässigen Japaner sich naturalisieren lassen können, vorausgesetzt, daß keine weitere Einwanderung von Japanern in die Union stattfinden wird.

In einem dem Korrespondenten derChicago Tribüne" übergebenen Artikel warnt der japanische Staatsmann Baron Goto die Amerikaner, die kalifornische Frage zu einer Welt­frage zu machen dadurch, daß die amerikanische Regierung das antijapanische Gesetz in Kalifornien ohne weiteres in Kraft treten läßt. Japan werde dann die kalifornische Frage vor den Völkerbund bringen. Japan sei bereit, der Auswanderung muh Amerika noch weitere Beschwerden in den Weg zu legen eS könne aber nicht zulassen, daß eine rücksichtslose Mehrheit unglückliche Einwanderer verfolge, die kein Vorrecht für sich be­anspruchen. Sollte Japans Entgegenkommen abgelehnt wer­den, so müsse es die Zurückweisung als einen Gewaltakt be­ttachten, den es niemals ohne weiteres hinnehmen werde.

Kriegsanleihe unter Zugrundelegung deS gleichen Zinsenlaufs zum Werte von 96 Mark 50 Pfennig von je 100 Mark Nenn­wett für das Reichsnotopfer in Zahlung geben. Da diese Ver­günstigung hienach mit Ablauf dieses Jahres erlischt, und zwar auch dann erlischt, wenn bis zu diesem Zeitpunkt ein Steuerbescheid noch nicht erteilt ist, kann den Steuerpflichtigen nur dringend empfohlen werden, der von den Banken dieser Tage veröffentlichten Aufforderung zu möglichst frühzeitiger Bestellung der seitens der Banken hiefür erforderlichen Zeich­nungsbestätigungen umgehend nachzukommen, da sie andern­falls Gefahr laufen, der erwähnten Vergünstigung überhaupt verlustig zu gehen.

Württemberg.

Neckarsulm, 2. Nov. (Tödlicher Unfall.) Ein mit Holz- 'tämmen beladenes Fuhrwerk fuhr so dicht an dem Eisenge­länder eines Hauses vorbei, daß das sich gerade dort aufhal­tende 5 A jährige Töchterchen des Ernst Koschir, das dem Fuhr­werk auszuweichen suchte und an das Geländer anlehnte, im Glauben, der Gefahr entrinnen zu können, von einem Baum- tamm erfaßt, um das Geländer herum und die Böschung hinabgeschleudert wurde. Der- Fuhrmann fuhr, ohne sich um den Unfall weiter zu kümmern, weiter. Das schwerverletzte Kind wurde ins Krankenhaus verbracht, wo es bald-verschied.

Tübingen, 2. Nov . (Ehrung.) Der.rzlich zum Ehren­doktor der Medizin ernannte Univerfitätsmechanikus a. D. Eu­gen Albrecht erhielt vom Landesverband der Wüttt. Gewerbe­vereine und Landwerkervereinigungen eine silberne Ehrenpla­kette, wobei Abg. Henne und der Vorstand des Gewerbevereins, Schwarz, Ansprachen hielten. Albrecht feierte dieser Tage sei­nen 78. Geburtstag.

Gosbach, OA.' Geislingen, 1. Nov. (Gctreideschiebung.) Abends kam von Drackenstein her ein schwer mit Säcken be­ladenes Lastauto. Schultheiß Handschuh, von einem Bürger darauf aufmerksam gemacht, ließ sofort die Straßen durch quer gestellte Wagen sperren, hielt mitten im Ort das Auto an und beschlagnahmte die Fracht, die aus etwa 100 Zentner Getreide verschiedener Art bestand. Mit Feuereifer trugen herbeigekommene Arbeiter die schweren Säcke ins Rathaus, worauf das erleichterte Auto davonfahren durste unter dem Spott der inzwischen versammelten Menge. Führer und Be­gleiter des Autos verweigerten die Angabe über die Herkunft der Frucht und gaben an, von Wäschenbeuren zu sein. Zwei Stunden spater hielt die Landjägermannschaft ein Pferdefuhr­werk auf, das von Vesterheim stammte und nach Aulendorf bestimmt war. Auch dies hatte eine ansehnliche Menge Ge­treide geladen.

Ellwangen, 2. Nov. (Gefaßte Kirchenräuber.) Im Au­gust wurde zweimal in die Wallfahrtskirche auf dem Schönen­berg einzubrechen versucht. Der hiesigen Staatsanwaltschaft und dem württ. Landespolizeiamt ist es nun gelungen, die acht­köpfige Bande, die von Frankfurt a. M. aus ihre Raubzüge unternahm, zu ermitteln. Die Bande ist jetzt einer großen Zahl Einbrüche, namentlich in Kirchen, besonders in Bayern, überführt. Es gelang auch die Wiederbeischaffung des größten Teils der seinerzeit in der Herrgottskirche bei Greglingen ge- tohlenen Riemenschneider'schen Kunstwerke.

Aus Stadl, Bezirk und Umgebung.

Reuenbürg, 2. Nov. (St. Hubertus.) Der 3. November ist der Gedächtnistag des hl. Hubertus, der als Beschützer der edlen Jägerei noch immer hoch in Ehren steht. Hubert, der Sohn des Herzog Bettrand von Guyenne, lebte am Hoflager der fränkischen Könige Theodorich und Pipins von Heristal und hatte sich durch kühne und geschickte Handhabung der Jagd einen Ruf begründet, der weit über die Grenzen seines Hei­matlandes hinausreichte. Die Legende erzählt, daß chm, als er an einem Feiettgg jagte, ein Hirsch mit einem goldenen Kreuz zwischen den Geweih erschienen sei. Infolge dieser Er scheinung entsagte er seiner Jagdleidenschaft, gründete ein Kloster und starb als Bischof von Lüttich. In Belgien und am Niederrhein wird Hubertus als Schutzpatron gegen die Tollwut verehrt. In der Kunst wird er häufig dargestellt, als Jäger mit einem Hund zur Seite, oder als Bischof mit einem Hirsch, der ein Kreuz zwischen dem Geweih trägt.

Reichsuotopfer und Kriegsanleihe. Von zuständiger Seite wird uns geschrieben: Bekanntlich können die Steuerpflichtigen »och biS 31. Dezember 1920 ihre selbstgezeichneten Kriegsan leihestücke, und zwar die 5Aigen Schuldverschreibungen Schuldbuchforderungen und Schatzanweisungen, sowie die 4»LAigen Schatzanweisungen der 6., 7., 8. und 9. Kriegsan ltthe mit Zinsen für die Zeit vom 1. Januar 1920 ab zum Nennwett, die 4 Aigen Schatzanweisungen der 4. und 5

Bade«.

Pforzheim, 2. Nov. Es besteht nun Aussicht, den zwr- chen den bürgerlichen Parteien und der Sozialdemokratie ausgebrochenen Streit auf dem Rathause beizulegen. Wie der Pforzh. Anz." schreibt, haben in den letzten Tagen auf Ver­anlassung des Oberbürgermeisters wiederholt Besprechungen tattgefunden und zwar getrennt unter den Vertretern der bürgerlichen Parteien und einmal gemeinsam mit dem Vor­sitzenden der sozialdemokratischen Pattei, Graf. Die sozial­demokratische Rathausgruppe hielt am Samstag eine Sitzung ab. Gestern vormittag wurden die Vorsitzenden der bürger­lichen Gruppen zum Oberbürgermeister berufen, der ihnen fol­gendes mitteilte: Die Sozialdemokratie lehne die von bürger­licher Seite angeregte Niederlegung sämtlicher Bürgerausschuß- Lmter und damit das Verlangen nach Neuwahlen ab. Sie erkläre, daß Stadtrat Hamann nicht berechtigt war, in der letzten Bürgerausschußsitzung die Erklärung abzugeben, daß die Minderbemittelten nicht zur Deckung des Fehlbettags der Stadtkasse herangezogen werden dürsten. Die Sozialdemo­kratie sei bereit, bei der Deckungsfrage positiv mitzuarbeiten; ie mache eine Reihe von Vorschlägen, die sich auf demselben Boden bewegen, wie die des Oberbürgermeisters im Finanz­ausschuß. (Es kommen dabei in bettacht die Besteuerung des reichssteuerfreien Mindesteinkommens, die Einführung von Müllabfuhr, und Kanalgebühren, Luxussteuern usw.) Die Sozialdemokratie verpflichte sich auch, nicht mehr, wie in der letzten Sitzung, durch Weggehen den Bürgerausschuß beschluß­unfähig zu machen, sondern die Mehrheitsbeschlüsse anzuerken­nen. Die Vertreter der bürgerlichen Parteien erklärten dem Oberbürgermeister, daß diese Zugeständnisse der Sozialdemo­kratie geeignet seien, die bürgerlichen Parteien zur Wiederauf­nahme ihrer Tätigkeit in der Stadtverwaltung zu veranlassen Es ist vorgesehen, einen besonderen Ausschuß aus Vertretern amtlicher Parteien zu bilden, der sich nun ernstlich mit der Frage befassen wird, wie der 12-Millionen-Fehlbetrag im städt Haushalt zu decken ist.

Oberkirch, 1. Nov. Die Kattoffelnot auf dem Lande an Orten, wo nur wenig Feldbau und der kleine Grundbesitz in der Hauptsache in Weinbergen und Wiesen besteht, ist, wie man uns schreibt, größer als viele in der Stadt glauben. In den Läden ist seit zehn Tagen kein Pfund Kartoffeln zu kau­fen, auf den Donnerstag-Wochenmarkt kommen in der Haupt fache nur Gebrauchsgegenstände für die Landbevölkerung, aber keine Kartoffeln. Die Bauern der Umgegend ich habe in zehn Ortschaften bei mindestens dreißig Bauern nach Kattof feln gefragt geben nichts ab mit der Begründung, nicht viel geerntet oder den Ueberschuß schon versprochen zu haben, in Wirklichkeit aber wandern die Kartoffeln in Mieten oder in die Brennstube. Wohl hat die Stadt von Schlesien Kartoffeln kommen lassen, dieselben kosten aber 40 Mark und sind zu mehr als ein Drittel faul.

Triderg, 1. Nov. Der wegen Verdachts der Beteiligung an der Mordsache Grünewald in Hast gekommene Geselle des wieder freigelassenen verdächtigen Härtlein, Zimmermann Erhard Jach von Schwenningen, ist ebenfalls wieder auf freien Fuß gesetzt worden.

Mannheim, 1. Nov. Die 28 Jahre alte Tochter des Bäk kermeisters Johann Diehm sollte Hochzeit feiern. Eie Stunde vor der Trauung wurde die von Jugend auf Herzkranke Braut von einem Schlaganfall getroffen. Sie war sofort tot.

Vermischtes.

HamdnrU, 1 . Nov. Der Direktor einer Konzettagentm und Verleger der Hamburger Theaterzettung, Erich Brieger. ist nach Unterschlagung von annähernd 700 000 bis 800 000 Mark geflüchtet. Unter den Geschädigten befinden sich nam­hafte Künstler und bekannte Konzertetablissements.

Schwindel mit Thomasmehl. In der letztenZeit wurden Thomasmehlverkäufe festgestellt, bei denen die Säcke oben eine kleine Schicht Thomasmehl enthielten, während sie im übri­gen mit minderwertigem, verkehrsverbotlichem Schlacken­mehl gefüllt waren. Die Ware kommt meist aus Oberschle- ien. Sie wird offenbar in der Annahme, daß die Ware nicht untersucht wird oder, daß die Proben der Untersuchung nur aus dem oberen Teil der Säcke entnommen werden mit der Gewährleistung eines hohen Gehalts an Phosphorsäure verkauft. Mso Vorsicht!

Ehehumor in Grabschriften.Hier liegt Fusca. die Haus- 'rau, die sorgliche, zarte, getreue. Nimmer ertrug' ihr Gemahl olchen, so schweren Verlust, hätte die Gute nicht, Wohl ahnend ein trauriges Schicksal, 20 Jahre Geduld ihn und Ergebung gelehrt."Lies, Wandrer, eines Ehemanns Schmerzen Im Leben schalt inein Weib gar sehr. Jetzt liegt ein Stein aus ihrem Herzen, auf meinem keiner mehr."In diesem Grabe ruht der Peter. Die Frau begrub man hier erst später Man hat sie neben ihm begraben. Wird er die ew'ge Ruh auch haben?"Hier ruht mein Weib, die Anna Lesser. Ihr ist nun Wohl und mir noch besser."Damit es endlich Frie­den werde, schloß ihr der Tod den Mund mit Erde."Hier ruht Kaspar Brunnhuber; 26 Jahre lebte er als Mensch und 37 als Ehemann."Test uns der Tod geschieden, ruht sie und ich in Frieden."Lieber Tod, du warst zur Hand; lösest dieses Eheband; er ist dort und ich blieb hier, lieber ToS> wie dank' ich dir!"Ob sie Wohl in jenen Welten wird mit ihrem Schöpfer schelten? Wandrer, schnell, geh fort von hier, sonst loht sic auf und zankt mit dir."Mein Weib liegt: hier im Todesarm. Ich Litt' dich, laß sie liegen; solch eine Ne­benbuhlerschaft ertrag' ich mit Vergnügen."Hier ruht in Aller Grabesnacht ein zärtlich Weib aus von dem Kummer Not und Leiden, die sie, getreu bis zum Verscheiden, viel Jahre lang dem besten Mann gemacht."Hier liegt mein Mann. Ich hätte gegen ihn Wohl arg zu klagen; allein von Toten darf man ja nichts Böses sagen."

Heiraten ist in Sachse« die Losung. In Leipzig und in Chemnitz wurde sogar vor drei Wochen ein Rekord ausgestellt: Nur von dem sinkenden Mond haben die Eheleute- anscheinend immer noch die alte Angst, denn in der Zeit, wo« der Mond abnimmt, haben die Standesbeamten auch in der Nachttiegs­zeit noch zuweilen Arbeitspausen, wahrend in dem 14 Tagen des zunehmenden Mondes die Brautpaare in manchen Orten Polonaise stehen müssen. Aber wer heiratet denn: Man frage doch einmal diese jungen; zum Teil noch nicht einmal mündi­gen Leute nach der Wohnungsausstattung, dis sie in die drin­gend verlangte Wohnung brauchen. Da wird es sich in den allermeisten Fällen Herausstellen, daßsie" wohl einige kurze Fähnchen, dünne Florstrümpfchen, hohe Stiefelchen und seidene kurze Röckchen besitzt, aber weder Topf noch Tiegel, keinen Stuhl und kein Bett.Er" verfügt neben dem Sonntags- klüstchen noch über eine elegante Zrgarettendose. Sorglos meint man, die Wohnungsausstattung kommt vielleicht auch noch wenn nur erst die Wohnung da sei.

Die Zusammensetzung des Reichstags nach dem Religions­bekenntnis läßt sich nach dem Reichstagshcmdbuch übersehen. Der Reichstag zählt an evangelischen Mitgliedern (evangelisch, ev.-lutherisch, reformiert, protestantisch) im ganzen 180. Rö­misch-katholische sind im ganzen 105 Reichstagsmitglieder. Altkatholisch und deutsch-katholisch ist je einer (bei den So­zialdemokraten). Zum jüdischen Bekenntnis rechnen sich fünf Mitglieder. Dissidenten (Konfessionslose, Freireligiöse) zählt der Reichstag 130. Keind Angabe des Bekenntnisses findet sich bei 44 Abgeordneten.

Zur Warnung für Deutschland. Langsam nähert sich Oesterreich russischen Verhältnissen. Ein hervorragender, Ge­lehrter, der Meteorologe Dr. Margules in Wien, ist buchstäb­lich des Hungertodes gestorben, weil er es ablxhnte, Unter­stützungen anzunehmen, und sich darauf steifte, von der längst unzureichenden Pension sein Dasein fristen zu wollen. Hoftat Dr. Weichselbaum, der berühmte Anatom, der dieser Tage im hohen Alter starb, soll auf Kosten von wohlhabenden Freun­den ins Spital geschafft und ärztlich behandelt, vermutlich auch beerdigt worden sein. So geht es jetzt in Wien den geistigen Arbeitern, während alle Theater, Kabaretts und Nachtlokale allabendlich ausverkaust sind, und der Plan erwogen wird, den Fasching im vollen Vorkriegsmaß wieder aufleben zu lassen! Ungehemmt wie das Vergnügen blüht auch das Verbrechen. Ein Stiefsohn steht vor den Schranken wegen tierischen Mor­des an seiner Stiefmutter, ein entlassener Beamter schießt seines Vorgesetzten, dem er (fälschlich) die Schuld an seinem Mißge­schick niederschreibt, aus offener Straße nieder und in Inns­bruck sticht ein rabiater Angeklagter nicht nur die unbequeme Zeugin, sondern, damit es in einem geht, gleich auch de« Rich­ter und den Staatsanwalt nieder! Bankerott all unserer Ge­sittung!

Neueste Nachrichte«.

Stuttgart, 2. Novbr. Bauernbund und Bürgerpattei haben an den Justizminister folgende Anfrage gerichtet: Nach Zeitungsnachrichten hat das badische Justizministeriüm den Strafvollstreckungsbehörden anheim gegeben, nach Auf­hebung der Zwangswirtschaft den Nachlaß oder die Milde­rung der Strafen wegen Uebettretung der Bestimmungen über die Zwangswittschaft, besonders wenn keine Wider­spenstigkeit vorliegt, im Gnadenweg zu beantragen. Ist der Justizminister bereit, im gleichen Sinne zu verfahren? Wir begnügen uns mit einer schriftlichen Antwort.

Mannheim, 2. Nov. In der Nacht auf Dienstag durchbrach auf dem Bahnhof Mannheim-Rheinau ein Auto­mobil die Schranken am Bahnübergang der Rheintalbahn, als ein Schnellzug und ein Güterzug sich kreuzten. DaS Automobil wurde von dem Güterzug erfaßt und entzwei ge­fahren. Der Chauffeur Heinrich Sensbach und der Schweine­händler Ludwig Büchner, beide aus Mannheim-Neckarau, wurden auf der Stelle getötet.

Mainz, 2. Nov. Nun ist auch der sozialdemokratische Redakteur Schildbach, der letzte der im Heimatdient-Prozeß wegen angeblichen Hochverrats Verurteilten, wieder freige­lassen worden. Nach demselben Blatt ist auch der Inhaber der Mainzer Stereotypie-Anstalt, Hermann Becker, freigelassen